Titel:
Anspruch auf Ausbildungsförderung trotz Überschreitung der Altersgrenze und verzögerter Aufnahme des Studiums
Normenketten:
VWGO § 42 Abs. 2, § 52 Nr. 3, § 123
BAföG, § 45 Abs. 4, § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1a, § 10 Abs. 3 S. 3
BGB § 7 Abs. 3
Leitsätze:
1. Ein vorübergehender Studienaufenthalt im Ausland begründet keinen neuen Wohnsitz, da hierfür der Wille zur dauerhaften Niederlassung fehlt, (JuS 2002, 616) so dass der Wohnsitz in Deutschland ausschlaggebend für die Zuständigkeit des Gerichts ist. (Rn. 17 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn die Antragstellerin die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 BAföG überschreitet, ist sie gem. § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1a BAföG privilegiert, weil sie ihre Hochschulzugangsberechtigung durch berufliche Qualifikation erlangt hat. Das Unverzüglichkeitsgebot des § 10 Abs. 3 S. 3 BAföG gilt für diesen Personenkreis nicht. Es ist gesetzlich ausgeschlossen und es besteht keine Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet (BeckRS 2011, 47370), das Gebot auf Fälle wie dieses auszudehnen. (Rn. 24 – 27 und 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn ein Auszubildender glaubhaft macht, dass er ohne vorläufige Bewilligung von Ausbildungsförderung seine Ausbildung nicht finanzieren kann und diese dadurch gefährdet ist (BeckRS 2015, 41466). Dies gilt insbesondere, wenn der Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert werden kann und Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen sind. (Rn. 28 – 38 und 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf einstweilige Anordnung, Ausbildungsförderung, Altersgrenze, Unverzüglichkeitsgebot
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 13.11.2024 – 12 CE 24.1562
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33412
Tenor
I. Das Verwaltungsgericht München ist örtlich zuständig.
II. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin von Juli 2024 bis September 2024 vorläufig Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu leisten. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Von den Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin ein Viertel, die Antragstellerin drei Viertel zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für ein Auslandsstudium.
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Die 1972 geborene, deutsche Antragstellerin besuchte in B. das Gymnasium und machte im Jahr 2003 in Deutschland einen Abschluss als …meisterin. Sie studierte im Jahr 1992 für ein Semester im Ausland Tiermedizin, brach dieses Studium jedoch wegen der Geburt ihrer Tochter nach einem Semester ab. Im Jahr 2020 wurde der Antragstellerin der allgemeine Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige durch die LMU München aufgrund der Meisterprüfung im …handwerk und eines Beratungsgesprächs bescheinigt. Sie bewarb sich erfolglos um ein Studium der Humanmedizin in Ö. Im Jahr 2023 bewarb die Antragstellerin sich an verschiedenen Studienorten für die Studiengänge Humanmedizin, Tiermedizin und Pharmazie. Am 18. August 2023 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem BAföG für ein Studium der Humanmedizin in T. Am 16. Oktober 2023 legte sie eine Immatrikulationsbescheinigung für ein Studium der Humanmedizin in B., S. vor.
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Mit Bescheid vom 19. Dezember 2023 lehnte die Antragsgegnerin den BAföG-Antrag für das Studium in B. ab. Die Antragstellerin habe das 45. Lebensjahr bereits überschritten. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG schließe das BAföG grundsätzlich eine Förderung aus, wenn der Auszubildende bei Beginn des Abschnitts, für den er Ausbildungsförderung begehrt, das 45. Lebensjahr überschritten habe. Die Antragstellerin habe den allgemeinen Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige von der LMU München am 19. Februar 2020 bescheinigt bekommen und damit die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde Ausbildung erworben. Grundlage hierfür sei die am 1. Dezember 2003 erfolgreich abgelegte Meisterprüfung im …handwerk gewesen. Damit gehöre die Antragstellerin zur Fallgruppe des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG. Eine Zugehörigkeit zu weiteren Fallgruppen des § 10 Abs. 3 BAföG ergebe sich nach Aktenlage nicht. Die Voraussetzungen für eine (zulässige) Überschreitung der Altersgrenze lägen nicht vor, da die Antragstellerin ihr Studium nicht unverzüglich nach Erwerb der Zugangsvoraussetzungen aufgenommen habe. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG sei zwar nicht explizit in der Regelung zur Unverzüglichkeit in § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG genannt. Für diese Fallgruppe sei jedoch genauso zu verlangen, dass die Ausbildung unverzüglich nach Erreichen der hochschulrechtlichen Zulassungsbedingungen aufgenommen werde. Die Antragstellerin habe sich zwar offensichtlich unverzüglich im Februar 2020 in S. (Ö.) für ein Studium beworben. Nachdem diese Bewerbung abgelehnt worden sei, habe die Klägerin jedoch erst im Jahr 2023 ein neues Bewerbungsverfahren in Angriff genommen. Damit liege nach Auffassung der Antragsgegnerin ein schuldhaftes Zögern vor. Die Coronakrise liefere keine Gründe für die Verzögerung im Bewerbungsverfahren.
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Am 4. Januar 2024 legte die Antragstellerin Widerspruch ein. In der Begründung des Widerspruchs trug der Bevollmächtigte der Antragstellerin unter Bezugnahme auf Kommentarliteratur und Rechtsprechung vor, die Unverzüglichkeitsbeschränkung des § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG gelte für § 10 Abs. 3 Nr. 1a BAföG nicht.
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Mit Bescheid vom 17. April 2024 wies die Widerspruchsbehörde den Widerspruch zurück. Unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zur Anhebung der Altersbegrenzungen von 30 Jahren auf 45 Jahre führte die Widerspruchsbehörde aus, es sei unklar, ob die Universität in B. die Antragstellerin aufgrund ihrer gymnasialen Ausbildung in B. oder aufgrund der Feststellung des allgemeinen Hochschulzugangs der LMU zum Studium zugelassen habe. Die von der Antragsgegnerin geforderte Bescheinigung der Universität, aufgrund welcher Qualifikation die Zulassung erfolgt sei, sei die Antragstellerin schuldig geblieben. Hierzu habe sie vorgetragen, dass die Hochschule ihr auf mehrfache Nachfrage mitgeteilt habe, dass sie nur standardisierte Bestätigungen ausstelle. Es werde davon ausgegangen, dass die Zulassung aufgrund der Bescheinigung des allgemeinen Hochschulzugangs für qualifizierte Berufstätige der LMU München erfolgt sei. Die Antragstellerin habe damit erst mit 47 Jahren die Hochschulzugangsberechtigung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a BAföG erworben. Das Unverzüglichkeitsgebot sei auf die Fallgruppe der Nummer 1a ebenfalls anzuwenden, auch wenn sie in Satz 3 nicht erwähnt werde. Für diese Fallgruppe sei gleichermaßen zu verlangen, dass Auszubildende unverzüglich nach Erreichen der hochschulrechtlichen Zulassungsbedingungen die Ausbildung aufnähmen. Sie ebenfalls dem Unverzüglichkeitsgebot zu unterwerfen, sei im Vergleich zu Auszubildenden der Nummer 1 gerechtfertigt. Die Widerspruchsbehörde nahm auf Kommentarliteratur Bezug. Sowohl die Nummer 1 als auch die Nummer 1a machten die Ausnahme vom Erwerb der Zugangsvoraussetzungen abhängig. Werde die Gruppe nach Nummer 1 dem Unverzüglichkeitsgebot unterworfen, könne für die Fallgruppe Nummer 1a nichts anderes gelten. Es bestehe demnach kein sachlicher Differenzierungsgrund der Fallgruppe des Satz 2 Nr. 1a zur Fallgruppe Satz 2 Nr. 1, insbesondere der Alternative „Zugangsvoraussetzungen durch Zugangsprüfung an einer Hochschule oder Akademie“. Anders verhalte es sich bei den Verzögerungsgründen nach Satz 2 Nr. 1b, 3 und 4, weshalb diese bewusst in Satz 3 aufgenommen worden seien. Dafür, dass der Gesetzgeber dies für die Fallgruppe des Satz 2 Nr. 1a bewusst nicht gewollt habe, sei nichts ersichtlich, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass die Förderung nach dem BAföG für über 45-Jährige unter dem Aspekt zugelassen worden sei, dass auch bei deren Förderung gewährleistet sein sollte, dass das fiskalische Gemeinwohlinteresse, nur eine solche Ausbildung zu fördern, an die sich eine angemessene Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand anschließe, weiter gewahrt sei. Aus diesem Blickwinkel sei in Fällen, in denen die Zugangsvoraussetzung aufgrund beruflicher Ausbildung erst mit bzw. nach dem 45. Lebensjahr erfolge, zu erwarten, dass dieser Personenkreis das Studium dann unverzüglich aufnehme. Dies sei bei der Antragstellerin nicht der Fall. Zwar habe sie nach eigenen Angaben in der Zeit zwischen Ablehnung der Bewerbung in S. im Februar 2020 und den späteren Bewerbungen ab Januar 2023 das Studienziel bewusst weiterverfolgt und sich auf die Zulassungstests vorbereitet. Eine Vorbereitungszeit von drei Jahren werde jedoch als nicht angemessen angesehen. Nach Nummer 3 könne der Hinderungsgrund bei Auszubildenden anerkannt werden, die zwar die Zugangsvoraussetzungen besäßen, jedoch aus persönlichen oder familiären Gründen tatsächlich gehindert gewesen seien, ihre Ausbildung rechtzeitig zu beginnen. Derartige Gründe, die einen früheren Studienbeginn verhindert haben könnten und als beachtlich anzusehen wären, habe die Antragstellerin nicht vorgetragen und seien auch nicht ersichtlich. Gründe nach Nummer 4 seien ebenso nicht ersichtlich.
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Am … Mai 2024 erhob die Antragstellerin über ihren Bevollmächtigten Klage gegen den ablehnenden Bescheid vom 19. Dezember 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 15 K 24.2632).
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Am ... Juli 2024 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung wegen Eilbedürftigkeit ohne mündliche Verhandlung aufzugeben, der Antragstellerin Ausbildungsförderung nach dem BAföG in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung zu zahlen.
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Zur Dringlichkeit wurde ausgeführt, die Antragstellerin verfüge über ein Barvermögen von 149,85 EUR, habe kein Fahrzeug, verfüge über keinerlei Einnahmen aus einer selbstständigen oder abhängigen Tätigkeit, besitze weder Aktien noch Grundstücke oder Immobilien und keinerlei Wertsachen. Es drohe daher nicht nur der Abbruch ihres Studiums, sondern auch der Absturz in die Bedürftigkeit und in die Obdachlosigkeit, da die Antragstellerin in M. bei einer guten Freundin wohne und gemeldet sei und über keine eigene Wohnung (in Deutschland) mehr verfüge. Sie werde ca. 1.000 EUR im Juli 2024 verdienen. Die Wohnung in B. koste warm 790 EUR. Es sei nicht zumutbar, für die Dauer des Hauptsacheverfahrens die Antragstellerin auf die fortwährende darlehensweise Studienfinanzierung durch einen Freund zu verweisen. Des Weiteren wurde ausgeführt, nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes gelte das Unverzüglichkeitsgebot für § 10 Abs. 3 Nr. 1a BAföG nicht. Es wurde Kommentarliteratur sowie das Urteil des VG Sigmaringen vom 24. Februar 2016 – 1 K 2584/15 – zitiert. Ein Redaktionsversehen des Bundesgesetzgebers lasse sich nicht begründen. Dem Antrag war eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin über die in der Antragsschrift vorgetragenen Tatsachen, insbesondere die finanzielle Situation der Antragstellerin beigefügt.
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Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragte am 29. Juli 2024,
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sowie die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären. Das Verwaltungsgericht München sei nicht zuständig. Zuständiges Gericht sei das Verwaltungsgericht Chemnitz. Zwar finde § 52 Nr. 3 Satz 5, Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) grundsätzlich Anwendung, da bei der Ausbildungsförderung im Ausland nach § 45 Abs. 4 BAföG länderübergreifende und damit auch verwaltungsgerichtsbezirksübergreifende Zuständigkeiten geschaffen worden seien. § 52 Nr. 3 Satz 5, Satz 2 VwGO erfordere darüber hinaus jedoch, dass die Antragstellerin einen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde habe. Die nach § 45 Abs. 4 BAföG begründete Zuständigkeit erstrecke sich nur auf das Bundesgebiet, nicht auf fremdes Staatsgebiet. Die Antragstellerin habe ihren Wohnsitz in M. aufgegeben und habe nur noch einen Wohnsitz in B. Es werde bestritten, dass die Antragstellerin in M. gemeldet sei, worauf es aber auch nicht ankomme. Denn nicht die Meldeadresse sei maßgeblich, sondern der Wohnsitz im Sinne der §§ 7 bis 11 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Wohnsitz werde dadurch aufgehoben, dass die Niederlassung mit dem Willen, die Niederlassung aufzugeben, aufgehoben werde, § 7 Abs. 3 BGB. Dabei müsse der Wohnsitzaufgabewillen nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern könne sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben, sofern diese für einen objektiven Beobachter auf einen Wohnsitzaufgabewillen schließen ließen. Würden Beziehungen zum bisherigen Ort der Niederlassung aufrechterhalten, sei davon auszugehen, dass ein Wohnsitzaufgabewille nicht vorliege. Bei Studierenden werde im Regelfall angenommen, dass am Hochschulort kein Wohnsitz begründet werde. Etwas anderes könne sich aus dem konkreten Einzelfall ergeben, wenn der Student seine gesamten Lebensverhältnisse an den Hochschulort verlege. Für eine Ausnahme vom Regelfall könne insbesondere ein Alter von mehr als 30 Jahren sprechen, da in einem solchen Fall die Bindungen an die Heimatstadt und das Elternhaus viel lockerer seien als im studentischen Regelfall (unter Verweis auf BVerwG, U.v. 6.4.1960 – VIII C 135.39 – juris Rn. 14). Die Antragstellerin habe dargelegt, dass sie ihren Wohnsitz nicht mehr in M. habe. Wie sich aus der Antragsschrift ergebe, habe sie ihre Wohnung in der S.straße in M. aufgegeben. Die neu angegebene Adresse in der L.straße könne kein Anknüpfungspunkt für einen Wohnsitz im Sinne des BGB sein. Wie die Antragstellerin selbst darlege, diene die Angabe dieser Anschrift nur zum Empfangen von Post. Die Antragstellerin habe dort keine Unterkunft und noch nicht einmal eine dauerhafte Schlafmöglichkeit. Sie zahle ausweislich der eidesstattlichen Versicherung und der vorgelegten Kontoauszüge auch keine Miete für eine Wohnung in M., weder für diese noch für eine andere. Hier sei kein Wohnsitz begründet worden. Stattdessen habe die Antragstellerin sich eine Wohnung in B. angemietet. Hierfür zahle sie nach eigenen Darlegungen Miete. Die Antragstellerin habe auch keine anderen Gründe dargelegt, die für einen Schwerpunkt der Lebensbeziehungen in M. sprächen. Insbesondere stellten die Kinder der Antragstellerin nach der Aktenlage keinen Ankerpunkt in M. dar. Aus der Akte ergebe sich, dass eines der Kinder in B. lebe, der Wohnsitz der anderen beiden sei nicht angegeben. Er sei der Antragstellerin unbekannt. Die Antragstellerin habe keinen Kinderbetreuungszuschlag beantragt, sei mithin nicht in die Betreuung der Kinder eingebunden. Ausweislich der Kontoauszüge leiste sie auch keine Unterhaltszahlungen an die Kinder. Letztlich würden lediglich Umstände dahingehend dargelegt, dass die Antragstellerin den Wohnsitz in M. aufgegeben habe. An diesen tatsächlichen Verhältnissen müsse die Antragstellerin sich festhalten lassen. Mangels Wohnsitzes in Deutschland könne das zuständige Verwaltungsgericht nicht nach § 52 Nr. 3 Satz 5, Satz 2 VwGO bestimmt werden. Für diesen Fall bestimme § 52 Nr. 3 Satz 3 VwGO, dass sich die Zuständigkeit nach Nr. 5 richte. Zuständig sei somit das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz habe, mithin das Verwaltungsgericht Chemnitz.
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Zudem sei der Antrag unzulässig, da die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei. Die Antragsbefugnis setze analog § 42 Abs. 2 VwGO voraus, dass die Antragstellerin plausibel und schlüssig darlege, dass ihr der geltend gemachte Anspruch zustehen könne, zudem müsse nach dem Vortrag der Antragstellerin ein Anordnungsgrund möglich sein. Die Antragsbefugnis fehle aber insbesondere dann, wenn die geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder der Antragstellerin zustehen könne. Der Antrag sei darauf gerichtet, der Antragsgegnerin aufzugeben, der Antragstellerin Ausbildungsförderung nach dem BAföG in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung zu zahlen. Die Antragstellerin habe aber nicht einen Anspruch auf Zahlung; § 50 Abs. 1 Satz 1 BAföG normiere einen Anspruch auf eine Entscheidung durch die Antragsgegnerin, nicht auf Zahlung. Die Antragsgegnerin könne die Zahlung auch nicht vornehmen. Die Auszahlung erfolge durch die Hauptkasse Dresden. Der Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin sei keiner Auslegung oder Umdeutung zugänglich. Es wurde zu § 88 VwGO ausgeführt.
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Der Antrag sei zudem unbegründet. Nach § 5 Abs. 2 BAföG sei eine Förderung einer Ausbildung im Ausland nur für Personen möglich, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland hätten. Der ständige Wohnsitz werde durch § 5 Abs. 1 BAföG als Ort definiert, der nicht nur vorübergehend Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ist, ohne dass es auf den Willen zur ständigen Niederlassung ankomme. Wer sich lediglich zum Zweck der Ausbildung an einem Ort aufhalte, habe dort nicht seinen ständigen Wohnsitz begründet. Auch wenn das BAföG einen eigenständigen Wohnsitzbegriff definiere, könne auf die Ausführungen zum Wohnsitz verwiesen werden. Sowohl das BGB als auch das BAföG stellten zur Ermittlung des Wohnsitzes auf den Mittelpunkt bzw. Schwerpunkt der Lebensbeziehungen ab. Daher würden auch im Rahmen des § 5 Abs. 1 BAföG die §§ 7 ff. BGB als Auslegungshilfe herangezogen. Auch nach dem Maßstab des § 5 Abs. 1 BAföG habe die Antragstellerin mit ihrem Umzug nach B. unter Aufgabe ihrer Wohnung in M. den Wohnort gewechselt, da eine tatsächliche Ortsveränderung mit Aufgabewille vorliege. Die Ausnahme des § 5 Abs. 1 Halbs. 2 BAföG sei nicht einschlägig. Die Antragstellerin sei nicht nur zum Zwecke der Ausbildung in B., sondern habe den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen dorthin verlagert. Sie habe keine Unterkunft mehr in M. und arbeite dort nicht mehr. Sie habe vielmehr ihr gesamtes Leben in B. eingerichtet. Auch die Möglichkeit der Ausbildungsförderung nach § 5 Abs. 2 Satz 4 BAföG bestehe nicht. Danach bestehe bei deutschen Staatsangehörigen ohne Wohnsitz in Deutschland die Möglichkeit der Förderung, wenn die hinreichende Verbundenheit zum Inland anderweitig nachgewiesen werde. Ein solcher Nachweis sei nicht erbracht.
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Nach § 1 BAföG bestehe der Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung nur für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung. Studierende seien objektiv zu umsichtiger Planung und zielstrebiger Durchführung ihrer Ausbildung verpflichtet. Gegen eine solche spreche hier bereits, dass die Antragstellerin schon im Jahr 1992 ein Semester lang Tiermedizin studiert habe und dieses Studium alsbald aufgegeben habe. Zudem habe sie sich im Jahr 2020 in S. für ein Studium der Humanmedizin beworben und erst drei Jahre später ein weiteres Verfahren auf sich genommen, wobei sie sich für die Studiengänge Medizin, Pharmazie und Tiermedizin beworben habe. Eine klare Zielsetzung in Hinblick auf die Planung und Zielsetzung der Ausbildung lasse sich nicht erkennen. Das Erfordernis der Eignung werde durch § 9 BAföG konkretisiert. Danach werde eine Ausbildung gefördert, wenn die Leistungen des Auszubildenden erwarten ließen, dass er das angestrebte Ausbildungsziel erreiche. Dies werde nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BAföG in der Regel angenommen, solange der Auszubildende die Ausbildungsstätte besuche. Die Antragstellerin habe weder dargelegt noch bewiesen, dass sie das Studium weiterhin fortführe. Immerhin sei seit der Antragstellung ein beachtlicher Zeitraum vergangen. Es sei erforderlich, dass auch das Fortbestehen der persönlichen Voraussetzungen dargelegt und bewiesen werde. Sie hätte eine aktuelle Immatrikulationsbescheinigung vorliegen können. Da kein Nachweis erfolgt sei, könne die persönliche Eignung nicht als gegeben betrachtet werden. Zuletzt sei der Anspruch wegen des fehlenden unverzüglichen Aufnehmens der Ausbildung nach § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG ausgeschlossen. Diese Norm sei auch auf § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG anwendbar. Auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Saarlouis vom 16. Januar 2018 (3 K 2570/16) wurde Bezug genommen. Die Antragstellerin habe auch die Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Sie habe keinen ausreichenden Beweis angeboten, dass sie ihren Bedarf nicht durch eigenes Einkommen decken könne, § 11 Abs. 2 Satz 1 BAföG. Insbesondere die eidesstattliche Versicherung könne diesen Beweis nicht erbringen, da sie widersprüchlich sei. Die Antragstellerin habe angegeben, dass sie kein Einkommen aus selbständiger Arbeit habe. Gleichzeitig habe sie angegeben, dass sie für den Juni 2024 ein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 1.000 EUR habe. Dies sei nicht nur widersprüchlich, sondern ziehe den gesamten Vortrag in Zweifel. Offensichtlich habe die Antragstellerin sowohl Zeit als auch Gelegenheit, einer selbstständigen Tätigkeit nachzugehen. Damit fehle es an der Bedürftigkeit, die Grundlage für eine Förderung sei.
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Es fehle auch an einem Anordnungsgrund. Es überwiege das Interesse der Antragsgegnerin an der Aufrechterhaltung des aktuellen Zustands. Die Antragstellerin könne ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Sie erwarte ausweislich der eidesstattlichen Versicherung für den Monat Juli 2024 Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 1.000 EUR. Eine existenzbedrohliche Situation sei nicht zu befürchten. Auch eine nachhaltige wirtschaftliche Beeinträchtigung sei nicht zu erwarten. Gemäß § 7 Abs. 3 BAföG werde über die Ausbildungsförderung nur für ein Jahr entschieden. Der Bewilligungszeitraum umfasse ohnehin nur noch zwei Monate. Dagegen müsste die Antragsgegnerin im Falle des Erlasses der einstweilen Anordnung das Risiko des Vermögensausfalls der Antragstellerin tragen. Angesichts der fehlenden aktuellen tatsächlichen Wohnanschrift in B. sei zu befürchten, dass sich die Antragstellerin einer entsprechenden Rückforderung komplett entziehen könnte. Der Antrag sei zudem unbegründet, weil er die Hauptsache überschreite. Der im Antragverfahren geltend gemachte Anspruch gehe weiter als der Anspruch, den die Antragstellerin als Klägerin im Hauptsacheverfahren verfolge. Die Antragstellerin habe eine Differenzierung vorgenommen, die zur Ablehnung des Antrags führen müsse.
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Mit Schriftsatz vom … August 2024 legte der Bevollmächtigte der Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin vor, wonach sie nach ihrer Zulassung an der Universität in B. ihre bisherige Wohnung in M. aufgegeben habe und zu einer guten Freundin, die Mieterin der Wohnung sei, verzogen sei. Die Antragstellerin versuche, zwischen den Semestern in M. zu arbeiten, wie jetzt im Juli 2024. Sie habe zwei erwachsene Söhne, die in M. wohnten. Treffen erfolgten jeweils in M. Zudem trug der Bevollmächtigte der Antragstellerin vor, nach den Anwendungshinweisen zum BAföG hätten Auszubildende, die sich ausschließlich zum Zweck der Ausbildung in einem ausländischen Staat aufhielten, weiterhin ihren ständigen Wohnsitz im Inland. Die Antragstellerin halte sich ausschließlich zum Studium im Ausland auf. Die Förderung für ein Auslandsstudium innerhalb der EU sei auch für die ganze Studienzeit möglich. Zur Dringlichkeit wurde ein Schreiben der Krankenversicherung der Antragstellerin an diese vorgelegt, wonach die Antragstellerin Beitragsrückstände in Höhe von 1.858,47 EUR habe. Das Schreiben war an die Adresse der Antragstellerin in M. adressiert und informiert die Antragstellerin darüber, dass ihr Anspruch auf gesetzliche Krankenversicherung wegen der ausstehenden Beiträge ruhe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte auch im Verfahren M 15 K 24.2632 Bezug genommen.
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Das Bayerische Verwaltungsgericht München ist nach § 52 Nr. 3 Satz 5, Satz 2 VwGO örtlich zuständig, was nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 3 GVG auf die Rüge der Antragsgegnerin hin auszusprechen war. Nach § 52 Nr. 3 Satz 5, Satz 2 VwGO ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat, wenn sich die Verpflichtungsklage auf den Verwaltungsakt einer Behörde richtet, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen wird. Entsprechendes gilt für das zugehörige Eilverfahren. Die Antragsgegnerin ist eine solche Behörde, da ihre Zuständigkeit für die Förderung von Auslandsstudiengängen sich auf mehrere Zuständigkeitsbereiche bezieht.
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Die Antragstellerin hat auch einen Wohnsitz im Inland, was sich nach den §§ 7 ff. BGB beurteilt. Ein Wohnsitz im Inland bezieht sich auf den räumlichen Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse einer Person. Ein doppelter Wohnsitz nach § 7 Abs. 2 BGB verlangt dauernde Unterkünfte an zwei Orten und eine wechselnde Belegung in der Weise, dass der jeweilige Ort zum Mittelpunkt der Lebensverhältnisse wird (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 52 Rn. 26). Der Wohnsitz wird nach § 7 Abs. 3 BGB aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben. Eine bloße Abwesenheit für längere Zeit für sich allein (ohne entsprechenden Aufgabewillen) reicht nicht zur Aufhebung des Wohnsitzes (Behme in BeckOGK, 1.6.2024, § 7 Rn. 29). Bei einem Studium im Ausland wird am Studienort in der Regel gerade kein neuer Wohnsitz begründet, weil das Studium nur auf eine bestimmte Zeit angelegt ist und es somit von vorneherein an dem notwendigen Willen fehlt, an diesem Ort dauerhaft wohnen bleiben zu wollen (vgl. OLG Frankfurt a. M., B.v. 9.2.2009 – 1 WF 32/09 – juris, vgl. auch OLG Hamm, B.v. 2. 5. 2001 – 8 WF 27/01 – juris).
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Zwar liegt im Fall der Antragstellerin insofern eine Besonderheit vor, als sie aufgrund ihres Alters nicht mehr an ein Elternhaus in Deutschland gebunden wäre. Dennoch ist im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihren Wohnsitz in M. aufgeben wollte. Es sind keine Umstände ersichtlich, aus denen geschlossen werden könnte, dass die Antragstellerin auch über den zeitlich begrenzten Zeitraum des Studiums hinaus dauerhaft in der S., wo sie sich wegen der Zugangsvoraussetzungen zum Medizinstudium aufhält, leben und sich dauerhaft niederlassen und ihren Wohnsitz in M., wo sie polizeilich gemeldet ist, aufgeben möchte. Die Antragstellerin hat mittels eidesstattlicher Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie sich in der Wohnung ihrer Freundin in M. regelmäßig für Treffen mit ihren Kindern aufhält sowie in den vorlesungsfreien Zeiten ihrer Arbeit in M. nachgeht. Bis März 2024 fuhr sie weiterhin nach M., um dort einmal im Monat zu arbeiten. Auch vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin sich in verschiedenen Ländern für ein Studium beworben hat, geht das Gericht nicht davon aus, dass die Antragstellerin den Willen hatte, ihren Lebensmittelpunkt vollständig nach B. zu verlegen und den Wohnsitz in M. aufzugeben.
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Das Gericht legt den Antrag gemäß §§ 122, 88 VwGO nach dem Rechtsschutzbegehren dahingehend aus, dass sich der Antrag auf den Zeitraum ab Antragstellung bei Gericht im Juli 2024, nicht auf den Zeitraum ab Antragstellung bei der Behörde richtet. Denn eine rückwirkende Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes kommt nicht in Betracht, da es insoweit am Vorliegen eines Anordnungsgrunds regelmäßig mangelt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 25.3.1999 – 12 CE 97.1832 – juris, B.v. 28.7.2023 – 12 CE 23.716 – juris, VG Leipzig, B.v. 26.1.2016 – 5 L 1429/15 – juris). Des Weiteren legt das Gericht den Antrag dahingehend aus, dass er auf die vorläufige Bewilligung im Sinne eines Verpflichtungsbegehrens, nicht auf die Zahlung im Sinne eines Leistungsbegehrens gerichtet ist. Aus dem Antrag geht ersichtlich hervor, dass die Antragstellerin die Bewilligung der Leistungen durch die Antragsgegnerin begehrt und nicht von einer unmittelbaren Leistungserbringung durch die Antragsgegnerin ausgeht. So wird auf Seite 3 des Antragschreibens auf das Hauptsacheverfahren Bezug genommen, in dem beantragt wird, die Antragsgegnerin zur Bewilligung zu verpflichten. An die Fassung der Anträge ist das Gericht vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht gebunden.
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Dieser Antrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs, sowie eines Anordnungsgrundes, d.h. der Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung, glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) gemacht wurde.
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Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache sachlich und zeitlich vorweg, ist dem Antrag nur dann stattzugeben, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v.18.4.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22).
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Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch auf Förderung ihres Studiums der Humanmedizin an der Universität von B. nach § 123 VwGO glaubhaft gemacht. Sie hat einen Anspruch auf vorläufige Bewilligung, solange die Voraussetzungen vorliegen.
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1. Die 1972 geborene Antragstellerin ist nicht wegen Überschreitung der Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 BAföG von der Leistung ausgeschlossen. Die Überschreitung der Altersgrenze (vollendetes 45. Lebensjahr bei Ausbildungsbeginn) aus § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG durch die Antragstellerin steht dem nicht entgegen. Denn die Antragstellerin gehört zum durch § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG privilegierten Personenkreis. Danach die Altersgrenze nicht zu beachten, weil die Antragstellerin ihre Hochschulzugangsberechtigung aufgrund einer beruflichen Qualifikation erworben hat. Sie hat im Jahr 2020 den allgemeinen Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige von der LMU München am 19. Februar 2020 bescheinigt bekommen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Antragstellerin auf dieser Grundlage und nicht wegen ihres b. Schulabschlusses zum Studium in B. zugelassen wurde, eine entsprechende Anfrage der Antragstellerin wurde von ihrer Universität nicht beantwortet.
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2. Der Antragstellerin kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sie ihr Hochschulstudium erst ca. drei Jahre nach dem Vorliegen der Zugangsvoraussetzungen aufgenommen hat. Denn § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG, der einen Auszubildenden, wenn er gefördert werden will, verpflichtet, die Ausbildung unverzüglich nach dem Erwerb der Zugangsvoraussetzungen zu beginnen, greift hier nach Auffassung des Gerichts nicht ein (ebenso: VG München, U.v. 16.3.2006 – M 15 K 04.5558 – juris; VG Stuttgart, U.v. 1.2.2010 – 11 K 4088/09 – juris; VG Sigmaringen U.v. 24.2.2016 – 1 K 2584/15; OVG MV U.v. 20.4.2021 – 1 LB 360/19 OVG – juris und Ramsauer/Stallbaum, Bundesausbildungsförderungsgesetz 5. Auflage, 2014, § 10 Rn. 20 und 40; a.A.: VG München, U.v. 25.10.2012 – M 15 K 11.5737 – juris; VG Saarlouis, U.v. 16.1.2018 – 3 K 2570/16 – juris; Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Loseblattsammlung, § 10 Rn. 24, Stand März 2011; Ramsauer/Stallbaum, Bundesausbildungsförderungsgesetz 4. Auflage 2005, § 10 Rn. 7).
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Das Unverzüglichkeitsgebot des § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG bezieht sich nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht auf Fälle des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG. Eine für eine analoge Anwendung erforderliche planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers liegt nicht vor. Denn trotz Rechtsprechung, die eine solche Regelungslücke annahm und Fälle des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG dem Unverzüglichkeitsgebot unterwarf (vgl. u.a. VG München, U.v. 25.10.2012 – M 15 K 11.5737 – juris), hat es der Gesetzgeber bei den Änderungen der Vorschrift durch das 23. BAföGÄndG vom 24.10.2010 – BGBl. I Seite 1422 – sowie zuletzt durch das 26. BAföGÄndG vom 8.7.2019 – BGBl. I Seite 1048 – unterlassen, eine vermeintliche Regelungslücke (so zur damaligen Rechtslage noch VG München, U.v. 25.10.2012 – M 15 K 11.5737 – juris) zu schließen. Gründe, dass es sich um ein mehrfaches Redaktionsversehen handelt, sind nicht ersichtlich, zumal die Einführung von § 10 Abs. 3 Satz 3 BAfÖG gerade in Reaktion auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 9.5.1985 – 5 C 48/82 – und B.v. 6.11.1991 – 5 B 121/91 – jeweils juris) erfolgt war, wonach ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Wegfall der die Durchbrechung der Altersgrenze rechtfertigenden Umstände und dem Beginn oder der Fortsetzung der Ausbildung nur in den Fällen verlangt werden kann, in denen das Gesetz dies ausdrücklich anordnet (vgl. ausführlich zur Gesetzgebungsgeschichte VG Sigmaringen, U.v. 24.2.2016 – 1 K 2584/15 – juris). Auf die Frage der vergleichbaren Interessenlage, die für eine Übertragung des Unverzüglichkeitserfordernisses bestehen könnte und auf die sich die Antragsgegnerin und entgegenstehende Rechtsprechung bezieht (VG Saarlouis, U.v. 16.1.2018 – 3 K 2570/16 – juris Rn. 29), kommt es mithin nicht an. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass in den Fällen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG der Antragsteller bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, an deren (vorübergehender) weiterer Ausübung ein Interesse besteht, so dass sich ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen ohnehin nicht aufdrängt.
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3. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dem Anspruch der Antragstellerin stehe § 1 BAföG entgegen, vermag das Gericht nicht zu erkennen, inwieweit das Interesse an verschiedenen, durchaus ähnlichen Studiengängen dagegen spricht, dass sich die Antragstellerin, die sich bereits 2020 für ein Studium der Humanmedizin bewarb und ausweislich der Akte ein Pflegepraktikum absolvierte, in einem ihrer Neigung, Eignung und Leistung entsprechenden Studiengang befindet. Es bestehen keine Zweifel, dass die Antragstellerin, die eine Immatrikulationsbescheinigung für das akademische Jahr 2023/2024 vorgelegt hat, weiterhin ihr Studium verfolgt und nicht seit der Antragstellung am 4. Juli 2024 aufgegeben hat. Das Tiermedizinstudium, das die Antragstellerin anlässlich der Geburt ihrer Tochter im Jahr 1992 abgebrochen hat, unterfiele jedenfalls § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG, so dass der Grundanspruch auf Ausbildungsförderung nicht erschöpft ist.
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4. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BAföG ist auf den Bedarf das Einkommen des Auszubildenden anzurechnen. Soweit die Antragsgegnerseite vorträgt, die Angaben der Antragstellerin seien widersprüchlich, ergeben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte, an den eidesstattlich versicherten Angaben der Antragstellerin zu zweifeln. Bereits mit der Antragstellung teilte die Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 2. Juli 2024 mit, dass sie im Juli 2024 aus selbstständiger Tätigkeit voraussichtlich 1.000 EUR erwirtschaften werde. Der Vortrag, dass die Antragstellerin in der vorlesungsfreien Zeit ihrem früheren Beruf nachgeht, erscheint plausibel. Das Einkommen ist gegebenenfalls in der Höhe der Förderung zu berücksichtigen.
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Sonstige Gründe, die die Bewilligung von Ausbildungsförderung ausschließen, sind nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht erkennbar.
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Die Antragstellerin hat mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO), dass ihr durch ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache unzumutbare, irreparable Nachteile entstehen würden, weil sie dargelegt hat, ihr Studium ohne die Leistungen der Ausbildungsförderung aus finanziellen Gründen nicht weiterführen zu können (Anordnungsgrund).
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1. Wesentliche Nachteile ergeben sich nicht allein aus einem möglichen finanziellen Schaden. Sie liegen vielmehr erst dann vor, wenn der Antragsteller so langfristig und nachhaltig in seiner wirtschaftlichen Betätigung beeinträchtigt wird, dass die erlittenen Einbußen bei einer späteren Regelung nicht mehr ausgeglichen werden können (Kuhla in BeckOK VwGO, 69. Ed. 1.7.2023, § 123 Rn. 129). Wenn der Anordnungsanspruch auf die Zahlung einer Geldleistung gerichtet ist, dann kann der Anordnungsgrund gegeben sein, weil dem Antragsteller bei ausbleibender Zahlung die Zahlungsunfähigkeit droht. Bei dieser Ausgangslage hat der Antragsteller darzulegen, dass die Zahlungsunfähigkeit nur abgewendet werden kann, wenn der Zahlungsanspruch vollständig erfüllt wird. Soweit dies nicht dargelegt wird, fehlt der Anordnungsgrund (Kuhla in BeckOK VwGO, 69. Ed. 1.7.2023, VwGO § 123 Rn. 129a). Ein Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn ein Auszubildender glaubhaft macht, dass er ohne die beantragte vorläufige Bewilligung von Ausbildungsförderung seine Ausbildung nicht finanzieren kann und deshalb die Weiterführung der Ausbildung gefährdet ist (vgl. OVG NRW, B.v. 4.12.2014 – 12 B 1309/14 – und B.v. 29.8.2013 – 12 B 792/13 – m.w.N. jeweils juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 27.6.2024 – 15 L 916/24 – juris Rn. 13 f.). Ein Auszubildender, der die Voraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungsförderung erfüllt, ist für das Bestreiten seines Lebensunterhalts und die Absolvierung der Ausbildung regelmäßig auf die beanspruchten Ausbildungsförderungsleistungen angewiesen. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen ist insoweit gesetzlich ausgeschlossen. Demzufolge ist im Falle der Versagung von Ausbildungsförderung regelmäßig auch vom Vorliegen eines Anordnungsgrunds für das Ergehen einer einstweiligen Anordnung auszugehen. Der Umstand, dass – wie häufig im Ausbildungsförderungsrecht – bei ausbleibenden Ausbildungsförderungsleistungen der Lebensunterhalt des Auszubildenden durch Verwandte oder Bekannte vorläufig gedeckt wird, beseitigt hingegen die Eilbedürftigkeit des Ergehens einer einstweiligen Anordnung nicht, da eine gesetzliche Pflicht hierzu nicht besteht (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2023 – 12 CE 23.716 – juris Rn. 13).
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2. Die Antragstellerin hat an diesem Maßstab gemessen einen Anordnungsgrund für auf die Zukunft gerichtete Leistungen während der gerichtlichen Verfahren glaubhaft gemacht.
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Für einen Auszubildenden, dem die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen, ist die Gewährung der Förderung existenznotwendig. Die Notwendigkeit vorläufigen Rechtsschutzes zu verneinen, liefe dem Zweck des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zuwider, das darauf ausgerichtet ist, dem Auszubildenden nicht nur wirksame, sondern auch schnelle Hilfe zuteil werden zu lassen (VGH BW U.v. 22.9.1976 – VI 883/76, BeckRS 2010, 54680, beck-online). Die Antragstellerin hat mittels einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie über keinerlei eigenes Vermögen verfügt, das sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts einsetzen kann. Dass die Antragstellerin angibt, im Monat Juli 2024 voraussichtlich 1.000 EUR zu erwirtschaften, steht angesichts der Studiengebühren, der Mietkosten der Wohnung in B. und vor allem der glaubhaft gemachten Schulden bei der Krankenversicherung ihrer Bedürftigkeit nicht entgegen. Der Zahlungsunfähigkeit kann sie mithin nur durch Aufgabe ihres Studiums entgehen.
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Die Antragstellerin hat somit die Dringlichkeit ihres Antrags insofern glaubhaft gemacht. Auf die Inanspruchnahme von Krediten oder Schenkungen von nicht verwandten Bekannten kann sie nicht verwiesen werden.
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3. Es entspricht auch gefestigter Rechtsprechung, in Fällen der Gefährdung der sozialen, beruflichen oder wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen eine vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache zuzulassen (BayVGH, B.v. 31.5.2023 – 12 CE 23.432 – juris Rn. 19).
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4. Da über die Ausbildungsförderung in der Regel für ein Jahr entschieden wird (§ 50 Abs. 3 BAföG) und die Antragstellerin den Antrag im August 2023 gestellt hat, endet der Bewilligungszeitraum im September 2024, so dass auch nur bis Ende dieses Monats Leistungen nach dem BAföG vorläufig bewilligt werden konnten.
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5. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Antragsgegnerin kann nur für das Widerspruchsverfahren gesondert für erforderlich erklärt werden (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). In diesem hatte die Antragsgegnerin aber noch keinen Rechtsanwalt bevollmächtigt. Im Übrigen sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts unter den Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 VwGO stets erstattungsfähig (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 VwGO. Eine durchschnittliche Verfahrensdauer des Hauptsacheverfahrens von einem Jahr zugrunde gelegt, hat die Antragstellerin mit ihrem Eilantrag, der unter Bezugnahme auf das Hauptsacheverfahren für dessen Laufzeit gestellt war, zu einem Viertel obsiegt. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Ausbildungsförderungsrechts nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.