Titel:
Erfolglose Klage eines Vereins („Zeitgeschichtliche Forschungsstelle I. e.V. (ZFI)“) gegen seine Nennung im bayerischen Verfassungsschutzbericht
Normenketten:
BVerfSchG § 3, § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 2
BayVSG Art. 3, Art. 4 Abs. 1 S. 1, Art. 26 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen können darin liegen, dass Personen oder Personengruppen, die selbst keine verfassungsfeindlichen Äußerungen tätigen, anderen Personen oder Personenvereinigungen eine Plattform für die Verbreitung verfassungsfeindlicher Inhalte zur Verfügung stellen. (Rn. 49)
2. In der aktiven Vernetzung von extremistischen Personen und Vereinigungen und der darin liegenden Förderung extremistischer Strukturen können Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen gesehen werden. (Rn. 49)
3. Wer sich bewusst eines Begriffs bedient, den eingeweihte Kreise als Code in einem bestimmten Sinne verstehen, muss sich die Deutung seiner Äußerung gemäß dem decodierten Sinngehalt grundsätzlich entgegenhalten lassen. (Rn. 46)
Schlagworte:
Nennung eines Vereins im Verfassungsschutzbericht, hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen, Rechtsextremismus, Geschichtsrevisionismus, Zurechnung des Verhaltens von Vereinsvorständen, Zurechnung von Äußerungen, Dritter, Vernetzung in rechtsextremistischen Kreisen, Verhältnismäßigkeit, Verein, Nennung im Verfassungsschutzbericht, hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, verfassungsfeindliche Bestrebungen, Zurechnung von Äußerungen Dritter, Plattform, Vernetzung, Code
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 17.07.2020 – M 30 K 19.5902
Fundstellen:
BayVBl 2025, 165
NVwZ-RR 2025, 331
LSK 2024, 33405
BeckRS 2024, 33405
NVwZ 2025, 276
Tenor
I. Unter Abänderung von Ziffer I. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Juli 2020 wird die Klage abgewiesen.
II. Unter Abänderung von Ziffer II. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Juli 2020 trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger, der „Zeitgeschichtliche Forschungsstelle I. e.V. (ZFI)“, wendet sich mit seiner Klage gegen die Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Beklagten.
2
Vereinszweck des Klägers ist nach § 2 Satz 1 seiner Satzung die „Förderung der Erziehungs-, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe“. Er verfolgt diese Aufgaben nach § 2 Satz 3 seiner Satzung „insbesondere durch die Förderung wissenschaftlicher Arbeiten zur Zeitgeschichte, von öffentlichen Vorträgen und Seminarveranstaltungen und durch die Anfertigung von Gutachten.“ Oberster Grundsatz sei nach § 2 Abs. 2 seiner Satzung „die Verpflichtung zur Erhellung der jüngeren Geschichte auf Grundlage streng wissenschaftlicher Verarbeitung von Urkunden und Originaldokumenten.“
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Nachdem die Stadt I. einen mit dem Kläger geschlossenen Mitvertrag über Räumlichkeiten in der städtischen Volkshochschule nach einer Erkenntnismitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz zum Kläger außerordentlich gekündigt hatte, erhob der Kläger am 28. November 2019 Klage zum Verwaltungsgericht mit dem Ziel, dem Beklagten zu untersagen, in Bezug auf den Kläger zu erklären, er verfolge rechtsextremistische Bestrebungen.
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Im Mai 2020 veröffentlichte der Beklagte die Internetversion des Verfassungsschutzberichts 2019. Diese enthält unter dem Abschnitt „Rechtsextremistische Parteien, Vereinigungen und Verlage“, Unterabschnitt „7.4 Sonstige rechtextremistische Organisationen“, folgende Ausführungen (Einrückung direkter Zitate durch den Senat):
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„Zeitgeschichtliche Forschungsstelle I. e.V. (ZFI)
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Die ZFI wurde am 1. Juli 1981 gegründet und dient nach eigenen Angaben der „Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe […] und der Förderung wissenschaftlicher Arbeiten zur Zeitgeschichte“. Der Verein veranstaltet in I. regelmäßig Tagungen. Von der ZFI publizierte Reden enthielten antisemitische beziehungsweise die NS-Zeit verherrlichende Inhalte. An Veranstaltungen der ZFI nahmen einzelne Redner teil, die sich rechtsextremistisch äußerten oder bereits bei Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer Organisationen, wie beispielsweise der „Gesellschaft für freie Publizistik e.V.“, auftraten. Bei der ZFI-Frühjahrstagung trat als Redner ein als Geschichtsrevisionist bekannter Buchautor auf. Ein anderer Redner äußerte sich antisemitisch, kritisierte darüber hinaus die „Auflösung der Volksgemeinschaft“ und bestritt die Legitimität der Bunderepublik Deutschland. Damit stellte er die verfassungsmäßige Ordnung und das Grundgesetz in Frage: „Vielmehr kommt dadurch auch die ganze Legitimationsbasis der BRD ins Rutschen, die letztlich eine USamerikanische Erfindung unter Beihilfe von Engländern und Franzosen gewesen ist.“ Offenkundig hegte der Redner Zweifel am Holocaust, vor dem Hintergrund einer strafrechtlich relevanten Volksverhetzung sagte er insoweit taktisch motiviert:
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„Denn das von ihr [gemeint ist „alliierte Propaganda“] produzierte Geschichtsbild hält einer seriösen, das heißt an Fakten orientierten Betrachtungsweise in vielen Fällen gar nicht stand. Zwar werde ich hier nicht den Holocaust mit seinen sechs Millionen Toten in Zweifel ziehen – keine Angst. Leider Gottes hat dieses schreckliche Ereignis in der einen oder anderen Form stattgefunden und wohl auch schätzungsweise so viele Opfer gefordert. Anstatt daran lange herum zu deuteln und darüber vielleicht auch noch eine Anklage wegen Volksverhetzung zu riskieren, kommt es mir auf den Nexus von Holocaust, Hitler und Zweiter Weltkrieg an, der aus dem roosevelteischen Zeitalter stammt und sich in den letzten siebzig, achtzig Jahren wie ein Fluch über uns Deutsche gelegt hat.“
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Einer der Vorstände des ZFI schrieb im Dezember 2019 in einer Zeitschrift über den rechtsextremistischen Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ aus Gu. in Thüringen:
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„Mit dieser Gedenkstätte hatten sich die Initiatoren das Ziel gesetzt, einen längst überfälligen Ort der Erinnerung für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs durch den alliierten Bombenkrieg, die Vertreibung, die Deportation deutscher Zivilisten und die in den Gefangenenlagern der ehemaligen Kriegsgegner umgekommenen Soldaten der Wehrmacht zu schaffen.“
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Auf der Herbsttagung 2017 des ZFI wurde das unter Rechtsextremisten verbreitete Narrativ der „Umerziehung der Deutschen seit 1945“ propagiert. So heißt es in einer durch das ZFI veröffentlichten Rede: „Dies nachzuvollziehen ist uns Deutschen heute nahezu unmöglich, weil ein Nationalstolz, der sich auf siegreiche Kriege gründet, seit 1945 im besiegten, umerzogenen Deutschland auf völliges Unverständnis trifft.“ Darüber hinaus wurde der Bundesrepublik die Souveränität abgesprochen:
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„Das Deutsche Reich war 1915 politisch und militärisch souverän. Die Bundesrepublik Deutschland dagegen ist weder politisch noch militärisch souverän, sie hat kein eigenes Sicherheitskonzept und kennt keine genuin deutschen außenpolitischen Interessen. Folglich waren wir Deutsche 1915/16 selbstbewusste Vertreter einer in Europa kriegführenden, souveränen Nation. Wir verfügen dagegen heute nur über international definierte, durch jahrzehntelange Umerziehung entnationalisierte Politiker und Soldaten.“
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Der Redner verherrlichte zudem die Waffen-SS und bedauerte die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg.
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Auch auf der Frühjahrstagung im Jahr 2017 sprach ein Redner von der „Umerziehung des Deutschen“, die durch die ehemaligen Sieger des Zweiten Weltkriegs initiiert worden sei. Als Verantwortliche machte er „Journalisten, die aus Kreisen von Industrie und Hochfinanz … stammten“ aus, die „die Aversion gegen alles Deutsche“ eine. Mit dem Begriff „Hochfinanz“ nutzt der Redner einen Kampfbegriff der Nationalsozialisten, der eng mit antisemitischen Stereotypen und Verschwörungstheorien verbunden ist. Damit bedient der Redner antisemitische Verschwörungstheorien. Ziel dieser „Umerziehung“ sei die:
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„Zerstörung der deutschen geistigen Tradition; Vernichtung des Volks- und Vaterlandsbewusstseins; Auflösung der Volksgemeinschaft; Einführung des Marxismus; Angriff auf jede Art von Autorität; Herabwürdigung der Familie als ´Keimzelle des Faschismus´; wachsende Sexualisierung des Lebens; Aufhebung des abendländischen Schönheits- und Kunstbegriffs. Überdies wurden pseudohumanitäre Begriffe als Forderungen propagiert: Demokratisierung aller Bereiche; auf sämtlichen Ebenen durchzuführende Emanzipierung; Transparenz aller Vorgänge; emanzipatorische und antiautoritäre Erziehung. Neuerdings gehören dazu auch Ausländerintegration und multikulturelle Gesellschaft, deren Ablehnung sogleich den Vorwurf des Faschismus und Rassismus nach sich zieht.“
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In diesem Zitat werden verschiedene rechtsextremistische Ideologieelemente sichtbar, so war z.B. die Etablierung der rassischen Volksgemeinschaft einer der zentralen Punkte der nationalsozialistischen Diktatur.“
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärte der Kläger, man werde zum Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ keinen Kontakt mehr pflegen. Auch Einladungen der Aktivitas der D2. werde man keine Folge mehr leisten. Gleiches gelte für die „Gesellschaft für freie Publizistik“. Von den Personen Dr. B1. und Dr. S. distanziere man sich. Die Rede von Dr. K1. sei selbst im Auditorium „wegen ihrer antisemitischen Anklänge“ überhaupt nicht gut angekommen. Deshalb habe man sich entschlossen, Dr. K1. nicht mehr als Redner einzuladen. Gleichwohl habe man die Rede auf der eigenen Internetseite dokumentiert und sehe dies auch aufgrund des „Disclaimers“ als unproblematisch an.
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Entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag untersagte das Verwaltungsgericht dem Beklagten mit Urteil vom 17. Juli 2020, „den Kläger als rechtsextremistische Organisation in seinen Verfassungsschutzberichten zu erwähnen“. Zur Begründung führt es aus, entgegen der Auffassung des Beklagten lägen keine tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen des Klägers nach Art. 3 BayVSG vor. In der Gesamtschau stehe zwar zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger im verfassungsschutzrelevanten Bereich des Rechtsextremismus und Geschichtsrevisionismus undifferenziert und vielmehr bewusst in Erscheinung getreten sei. Bei dem Kläger lägen aber noch keine hinreichenden Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vor, weil nicht festgestellt werden könne, dass es dem Kläger um die Beseitigung oder auch nur Beeinträchtigung eines der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung gelegen sei. Dass der Kläger selbst explizit verfassungsfeindliche Positionen vertrete und verfolge, sei nicht nachgewiesen, hierfür bestünden auch keine Anhaltspunkte. Von den vom Kläger veröffentlichten Redebeiträgen sei die Mehrheit auch von den Verfassungsschutzbehörden für unproblematisch erachtet worden.
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Mit Beschluss vom selben Tag hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten zudem vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache untersagt, den Verfassungsschutzbericht 2019 in seiner jetzigen Form im Internet weiter zu veröffentlichen, die Druckfassung dieses Berichts in den Umlauf zu geben, jeweils, sofern darin nicht die den Kläger betreffenden Passagen gestrichen oder geschwärzt werden, sowie Dritten gegenüber in sonstiger Weise den Kläger als rechtsextremistische Organisation zu bezeichnen. Im Zeitraum nach der mündlichen Verhandlung, aber vor der Niederlegung der vollständigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 16. Dezember 2020 hat der Beklagte die den Kläger betreffenden Passagen in dem Verfassungsschutzbericht 2019 geschwärzt.
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Zu Begründung seiner mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2023 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zugelassenen Berufung hat der Beklagte im Wesentlichen ausgeführt, das Verwaltungsgericht gehe von einem zu eng gefassten Bestrebungsbegriff im Sinne von Art. 4 BayVSG aus. Das Gericht verkenne, dass eine nachdrückliche Unterstützungshandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG entweder durch ein wiederholtes Tätigwerden oder durch eine einmalige Aktivität von besonderer Bedeutung in Betracht komme. Die mehrfache Teilnahme verschiedener Führungsfiguren des Klägers an Aktivitäten rechtsextremistischer Organisationen zusammen mit der Duldung rechtsextremistischer Redebeiträge auf der Internetseite des Klägers reiche hierfür aus. Nicht notwendig sei, dass der Kläger bzw. dessen Organe sich selbst verfassungsfeindlich äußerten. Auch die Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 und 2 BayVSG lägen vor.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Juli 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts. Zur Begründung verweist er zunächst auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren. Im Übrigen seien seine Vorstände angesehene und verdiente Bürger. Zu Unrecht gehe der Beklagte davon aus, Funktionsträger des Klägers seien bei der Aktivitas der Burschenschaft D2. aufgetreten. Unabhängig davon, dass Geschichtsrevisionismus nicht generell verfassungsschutzrechtlich relevant sei, liege er im Falle des Klägers tatsächlich nicht vor. Die Vortragstätigkeit der Vorstandsmitglieder Facius und H. bei der Altherrenschaft der D2. sei schon deswegen unbedenklich, weil es sich bei der Altherrenschaft nicht um eine rechtsextremistische Organisation handele. Was den weiteren Vorwurf angehe, der Kläger habe unkommentiert „zumindest tendenziös verfassungsschutzrechtlich relevante geschichtsrevisionistische“ Reden auf seiner Internetseite veröffentlicht, seien Vorwurf und Begriff selbst zu unbestimmt. Bei den Vorträgen vor der „Gesellschaft für freie Publizistik“ und dem Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ sei es dem zweiten Vorsitzenden des Klägers nicht darum gegangen, die Bestrebungen der einladenden Organisationen zu fördern, sondern allein darum, den Inhalt seiner Vorträge dem Publikum nahezubringen. Im Übrigen habe er damals nicht gewusst, dass die „Gesellschaft für freie Publizistik“ im Verfassungsschutzbericht erwähnt worden sei. Die Vorträge seien jedenfalls nicht geschichtsrevisionistisch gewesen. Eine Auffassung, die jede auch im Detail von der herrschenden Geschichtsschreibung abweichende Auffassung als geschichtsrevisionistisch einstufe, sei mit der Wissenschaftsfreiheit nicht vereinbar. Der Sachverhalt trage auch nicht den Vorwurf nachdrücklicher Unterstützungshandlungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG. Ein wiederholtes Tätigwerden in diesem Sinne sei nicht gegeben. Eine einmalige Aktivität von besonderer Bedeutung liege ebenfalls nicht vor. Der Kläger selbst verfolge keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen, jedenfalls sei die Subsumtion unter den Bestrebensbegriff unverhältnismäßig. Selbst in den Augen des Beklagten seien die allermeisten Aktivitäten des Klägers verfassungsschutzrechtlich unbedenklich. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung sei die letzte mündliche Verhandlung. Die Entwicklung des Klägers in den letzten Jahren sei bei der Beurteilung mit in den Blick zu nehmen. Seit 2019 seien keine verfassungsschutzrechtlich relevanten Aktivitäten mehr zu verzeichnen.
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Der Kläger hat mit Schriftsätzen vom 10. August 2023 und 14. August 2023 seinen Vortrag – insbesondere in rechtlicher Hinsicht – weiter vertieft und vor allem darauf hingewiesen, dass die nach Auffassung des Beklagten die Beobachtung des Klägers rechtfertigenden Umstände schon Jahre zurücklägen.
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Mit Schriftsatz vom 17. August 2023 führte der Beklagte zur Berufungserwiderung des Klägers aus, dass es für eine Beobachtung nicht des zweifelsfreien Beweises des Vorliegens einer verfassungsfeindlichen Bestrebung bedürfe. Erforderlich, aber auch ausreichend sei das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte hierfür. Beim Kläger lägen nicht nur vereinzelte oder wenig belastbare Erkenntnisse vor. Hinsichtlich der Burschenschaft D2. sei zu betonen, dass es für die Bewertung des Gesamtzusammenhanges unbeachtlich sei, dass die von Facius und H. als Referenten besuchten Veranstaltungen formal nicht von der unter Beobachtung des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV) stehenden Aktivitas, sondern von den Alten Herren der Burschenschaft durchgeführt worden seien. Hinsichtlich der Frage, wie lange zurückliegende Ereignisse noch als Anhaltspunkte herangezogen werden könnten, sei die gesetzliche Wertung des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayVSG zu berücksichtigen, wonach zur Aufgabenerfüllung erforderliche personenbezogene Daten erst nach 15 Jahren zu löschen seien. Dass seit 2019 keinerlei Aktivitäten des Klägers mehr festzustellen seien, könne nicht bestätigt werden, da die Beobachtung des Klägers seitens des BayLfV aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts im Eilverfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig eingestellt worden sei.
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Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz vom 23. August 2023 noch einmal erwidert und seinen Standpunkt mit Schriftsätzen vom 21. Oktober 2024 und 27. Oktober 2024 erneut vertieft.
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Am 11. November 2024 fand mündliche Verhandlung vor dem Senat statt, in deren Rahmen die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert wurde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten beider Instanzen sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet, denn die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet. Demgemäß ist die Klage in Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juli 2020 abzuweisen. Über die Anschlussberufung des Klägers, die über den Streitgegenstand nicht hinausging, war nach ihrer Rücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2024 nicht mehr zu entscheiden.
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Gegenstand der Klage ist der Anspruch des Klägers auf Verpflichtung des Beklagten, es zu unterlassen, ihn als rechtsextremistische Organisation in seinen Verfassungsschutzberichten aufzuführen. Der Streitgegenstand beschränkt sich damit nicht auf den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019, sondern erstreckt sich auch auf darauffolgende Berichtszeiträume.
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1. Die Klage ist lediglich zulässig, soweit sie sich auf den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 bezieht. Im Übrigen ist sie als Klage auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes unzulässig.
33
Rechtsschutz gegen die Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht ist in erster Linie im Hinblick auf den konkreten Verfassungsschutzbericht zu suchen, der die jeweilige Erwähnung enthält, und regelmäßig darauf zu richten, dessen weitere Verbreitung mit der inkriminierten Erwähnung (hierzu und zum Folgenden ausführlich BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 10 C 20.1417 – juris Rn. 31 m.w.N.; ferner BayVGH, B.v. 7.2.2018 – 10 ZB 15.795 – juris Rn. 1; U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 14; für den Fall der Erwähnung in einer Rede BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1609 – juris Rn. 16) oder bestimmte Tatsachenbehauptungen (so bei BayVGH, B.v. 6.12.2007 – 24 ZB 06.2048 – juris Rn. 2 ff.) zu unterlassen. Einer Klage, die darauf gerichtet ist, eine Erwähnung in künftigen Verfassungsschutzberichten zu verhindern, fehlt das erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse regelmäßig schon deshalb, weil eine zukünftige Erwähnung nach ihrem Inhalt und ihren tatsächlichen wie rechtlichen Voraussetzungen noch nicht so weit bestimmt ist, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung möglich wäre (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 10 C 20.1417 – juris Rn. 31; B.v. 30.1.2017 – 10 ZB 15.1085 – juris Rn. 6; B.v. 30.7.2015 – 10 ZB 15.819 – juris Rn. 9 ff.). So liegt der Fall auch hier. Da der Beklagte den Kläger aufgrund der einstweiligen Anordnung des Erstgerichts in den Berichtjahren ab 2020 nicht mehr erwähnt und sogar dessen Beobachtung eingestellt hat, ist derzeit überhaupt nicht absehbar, ob und ggf. in welcher Weise der Beklagte den Kläger in künftigen Verfassungsschutzberichten aufgrund welcher konkreten Umstände erwähnen wird. Eine gerichtliche Kontrolle eventueller Nennungen ist daher derzeit nicht möglich; eine etwaige künftige Rechtsbetroffenheit des Klägers ist nicht absehbar. Der Kläger ist insofern darauf zu verweisen, gegebenenfalls im Falle einer neuerlichen Erwähnung Rechtsschutz zu suchen.
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2. Im Übrigen, d.h. bezogen auf den Verfassungsschutzbericht 2019, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
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Der allgemeine öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch, der in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wurzelt und allgemein anerkannt ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13.07 – juris Rn. 13; B.v. 27.3.1996 – 8 B 33.96 – juris), setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen droht. Die Grundrechte schützen den Grundrechtsträger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, so dass er, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, gestützt auf das jeweilige Grundrecht Unterlassung verlangen kann (vgl. zu alledem ausführlich BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 16 f. m.w.N.).
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Gemessen daran hat der Kläger keinen Anspruch darauf, im Verfassungsschutzbericht 2019 nicht wie in der vorgesehenen Form erwähnt zu werden, denn die Erwähnung durch den Beklagten war rechtmäßig.
37
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob beim Kläger tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen, ist – entgegen der Auffassung des Klägers – die Sachlage bei Vornahme der Maßnahme, hier der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2019 am 17. April 2020 (BVerwG, B.v. 24.3.2016 – 6 B 4.16 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 22 m.w.N.). Zwar ist bei einem Unterlassungsanspruch grundsätzlich auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich aus dem materiellen Recht ergibt, dass ein anderer Zeitpunkt maßgeblich ist. Denn das materielle Recht entscheidet, ob eine nach der behördlichen Maßnahme erfolgte Änderung der Sach- und Rechtslage Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns hat. Die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht gibt die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des jeweiligen Berichts (vgl. Art. 27 Abs. 2 des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes [BayVSG] i.d.F. vom 24.7.2023 bzw. Art. 26 Abs. 2 BayVSG i.d.F. vom 12.7.2016) vorliegenden Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden wieder, so dass folglich darauf abzustellen ist, ob die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte die Berichterstattung tragen (BayVGH, a.a.O.).
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b) Rechtsgrundlage für die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht waren zum hier maßgeblichen Zeitpunkt Art. 26 Abs. 1 und 2 BayVSG in Verbindung mit Art. 3 BayVSG in der vom 1. Mai 2019 bis 31. Juli 2021 gültigen Fassung (vgl. zu der Vorgängervorschrift des Art. 15 Satz 1 BayVSG a.F.: BVerfG, B.v. 31.5.2022 – 1 BvR 98/21 – juris 14; zur seit dem 1.8.2023 geltenden Rechtslage BayVGH, B.v. 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris Rn. 79 ff.). Danach informiert das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration mindestens einmal jährlich u.a. über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 BayVSG, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Nach Art. 3 Satz 1 BayVSG hat der Verfassungsschutz die in § 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) bezeichneten Aufgaben. Dazu ordnet Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayVSG an, dass die Begriffsbestimmungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 BVerfSchG Anwendung finden. Das Bundesverfassungsschutzgesetz findet vorliegend in der vom 25. Mai 2018 bis 26. Juni 2020 geltenden Fassung Anwendung.
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c) Die Nennung des Klägers im Verfassungsschutzbericht 2019 war formell rechtmäßig. Mit dem Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration handelte die nach Art. 26 Abs. 1 und 2 BayVSG und Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 BayVwVfG zuständige Stelle. Eine vorherige Anhörung des Klägers war dabei nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris Rn. 155 unter Verweis auf VG München, B.v. 17.4.2023 – M 30 E 22.4913 – juris Rn. 222 m.w.N.).
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d) Die Nennung des Klägers im Verfassungsschutzbericht 2019 war auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 und 2 BayVSG in Verbindung mit Art. 3 BayVSG und §§ 3 und 4 BVerfSchG für die dortige Nennung des Klägers waren im Zeitpunkt von dessen Veröffentlichung erfüllt. Es bestanden tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgte (aa)), die hinreichend gewichtig waren (bb)), und die Nennung wahrte – auch in ihrer konkreten Form – den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (cc)). Falls eine Ermessensentscheidung des Beklagten über die Erwähnung des Klägers im Verfassungsschutzbericht 2019 rechtlich geboten sein sollte, wären jedenfalls Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich (dd)).
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aa) Im für die Beurteilung des Verfassungsschutzberichts 2019 maßgeblichen Zeitpunkt bestanden tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgte.
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(1) Die hierfür maßgebliche verfassungsschutzspezifische Eingriffsschwelle setzt hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, dass Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bestehen. Der Begriff und Schutzumfang der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ ist in der Rechtsprechung ebenso geklärt wie die Voraussetzung der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ in Form „konkreter und hinreichend verdichteter Umstände als Tatsachenbasis“ (vgl. BVerfG, U.v. 26.4.2022 – 1 BvR 1619/17 – juris Rn. 184 ff.; B.v. 31.5.2022 – 1 BvR 98/21 – juris Rn. 14 f.; BVerwG, U.v. 14.12.2020 – 6C 11.18 – juris Rn. 20 ff.; BayVGH, B.v. 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris Rn. 87; B.v. 28.2.2020 – 10 CE 19.2517 – juris Rn. 23).
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(a) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung werden in § 4 Abs. 1 Satz 1 lit.c) BVerfSchG legaldefiniert als solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Das Tatbestandsmerkmal einer „politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweise“ erfordert damit über das bloße Vorhandensein bestimmter Bestrebungen hinaus ein aktives, nicht jedoch notwendig kämpferisch-aggressives oder illegales Vorgehen zu deren Realisierung (BVerwG, U.v. 21.7.2010 – 6 C 22/09 – BVerwGE 137, 275, juris Rn. 59 f. m.w.N. mit Verweis auf Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 168). Verfassungsfeindliche Bestrebungen müssen objektiv geeignet sein, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten (Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, S. 165). Sie müssen über das bloße Vorhandensein einer politischen Meinung hinausgehen, auf die Durchsetzung eines politischen Ziels ausgerichtet sein und dabei auf die Beeinträchtigung eines der Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzielen. Die verantwortlich Handelnden müssen auf den Erfolg der Rechtsgutbeeinträchtigung hinarbeiten. Die bloße Kritik an Verfassungsgrundsätzen reicht für die Annahme einer verfassungsfeindlichen Bestrebung nicht aus, wenn sie nicht mit der Ankündigung von oder der Aufforderung zu konkreten Aktivitäten zur Beseitigung dieser Grundsätze verbunden ist (vgl. BVerfG, U.v. 26.4.2022 – 1 BvR 1619/17 – juris Rn. 185; BVerwG, U.v. 14.12.2020 – 6 C 11/18 – juris Rn. 20 m.w.N.). Ein Vorgehen, das „aggressiv“ im Sinne von „besonders schnell“, „besonders rücksichtslos“ oder gar „gewaltsam“ wäre, verlangt das Verfassungsschutzrecht hingegen nicht. Hieran hat sich auch durch jüngere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts betreffend Nennungen in Verfassungsschutzberichten (BVerfG, B.v. 31.5.2022 – 1 BvR 564/19 – juris Rn. 18; B.v. 31.5.2022 – 1 BvR 98/21 – juris Rn. 16) nichts geändert, die gleichermaßen eine „aktiv-kämpferische Haltung“, aber kein „aggressives“ Vorgehen verlangen. Ein aggressiv-kämpferisches Vorgehen ist erst für den schwerwiegenden aktionellen Eingriff des Vereinsverbots (BVerwG, B.v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24 u.a. – juris Rn. 26; U.v. 14.5.2014 – 6 A 3/13 – juris Rn. 35), nicht aber schon für die informationellen Eingriffe durch die Verfassungsschutzbehörden erforderlich.
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(b) Die – an Sachlichkeit und weltanschaulich-politische Neutralität gebundene – Verfassungsschutzbehörde darf auch mit Blick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Meinungsäußerungen berücksichtigen und daran anknüpfend Schlüsse auf verfassungsfeindliche Bestrebungen ziehen, wenn sich darin tatsächliche Bestrebungen manifestieren, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen (stRspr des BVerfG, vgl. z.B. B.v. 31.5.2022 – 1 BvR 98/21 – juris Rn. 16 m.w.N.; BayVGH, B.v. 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris Rn. 97). Entsprechendes gilt für etwaige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen durch Äußerungen im wissenschaftlichen Kontext im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG, der insofern kein höheres Schutzniveau vermittelt (vgl. BVerfG, B.v. 31.5.2022 – 1 BvR 98/21 – juris Rn. 8 zu Gewährleistungen der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit einem Vereinsverbot; vgl. zu staatlichen Integritätsinteressen Gärditz in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand April 2024, Rn. 183 f. zu Art. 5 Abs. 3).
45
Geklärt ist, dass sich rechtsextremistische Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten (BVerfG, B.v. 31.5.2022 – 1 BvR 98/21 – juris 15 unter Verweis auf BVerfG, U.v. 17.1.2017 − 2 BvB 1/13 − juris Rn. 528 ff.) und dass Geschichtsrevisionismus, typischerweise im Hinblick auf die Geschichte des Nationalsozialismus, die Kriegsschuldfrage und den Holocaust, ein wesentliches Element des Rechtsextremismus ist (BVerfG, U.v. 23.1.2024 – 2 BvB 1/19 – BVerfGE 144, 20 -juris Rn. 405 [Relativierung des Holocausts]; U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 805, 831 ff. [Geschichtsrevisionismus; z.B. Rn. 836 u.a. zur Relativierung der Kriegsschuld]; BayVGH, B.v. 22.12.2022 – 3 B 21.2793 – juris Rn. 53; U.v. 26.10.2022 – 16a D 20.2695 – juris Rn. 22; VG Berlin, B.v. 2.2.2024 – 1 L 340/23 – juris Rn. 29; VG Greifswald, U.v. 2.12.2008 – 2 A 1267/08 – juris Rn. 104). U.a. eine Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus kann die Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bestätigen (BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 842 f.). Auch der im Geschichtsrevisionismus häufig anzutreffende Begriff der „Umerziehung“ als abwertende und polemische Kritik an den Maßnahmen der Alliierten zur Schaffung der Grundlagen für die Entwicklung zu demokratischen Einstellungen und Verhaltensweisen in Deutschland nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus bringt eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung zum Ausdruck (BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 2WD 42/00 u. 2 WD 43/00 – juris Rn. 64). (Positive) Äußerungen über die Waffen-SS können ebenfalls ein Indiz für eine geistige Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie sein (BayVGH, B.v. 28.2.2020 – 10 CE 19.2517 – juris Rn. 19).
46
Auch wenn einzelne, typische geschichtsrevisionistische Aussagen grundsätzlich den Schutz der Meinungsfreiheit genießen und für sich genommen nicht strafbar oder sonst unzulässig sind (vgl. BVerfG, B.v. 11.1.1994 – 1 BvR 434/87 – BVerfGE 90, 1 – juris Rn. 68 für die Kriegsschuldfrage), bedeutet dies nicht, dass entsprechende Äußerungen nicht als Anknüpfungspunkt für verfassungsfeindliche Bestrebungen herangezogen werden können, zumal es sich bei der Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht um eine Sanktion, sondern um nachrichtendienstliche Gefahrerforschung handelt (BayVGH, B.v. 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – Rn. 98) und der Bestrebungsbegriff nicht an die Unterscheidung von rechtmäßig oder rechtswidrig anknüpft (s.o.). Ob die Maßstäbe an die Auslegung und Heranziehung von dem Schutz der Meinungs-, Kunst- oder Wissenschaftsfreiheit unterfallenden Äußerungen, die die Rechtsprechung für aktionelle bzw. sanktionierende Eingriffe entwickelt hat (vgl. zusammenfassend BVerwG, U.v. 26.4.2023 – 6 C 8/21 – BVerwGE 178, 246 – juris Rn. 29), in gleicher Weise für informationelle Eingriffe durch den Verfassungsschutz bei Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen anwendbar sind, bedarf vorliegend jedoch keiner Klärung. Insbesondere bei den hier in Frage stehenden rechtsextremistischen, insbesondere geschichtsrevisionistischen Äußerungen mit ihren sich gleichförmig wiederholenden Codes und Narrativen (zur Notwendigkeit und Zulässigkeit einer „Gesamtbetrachtung“ auch anhand „mitunter […] subtilen Indizien“ bei „wiederkehrenden Schlagworten und Begriffen“ BVerwG, B.v. 14.8.2024 – 6 VR 1.24 – juris Rn. 40 f. sogar für ein Vereinsverbot) sind verfassungsschutzrechtlich irrelevante Deutungen in aller Regel – wie auch hier – fernliegend. Wer sich bewusst eines Begriffs (wie vorliegend „Umerziehung“, „Reconquista“ oder „internationales Großkapital“) bedient, den eingeweihte Kreise als Code in einem bestimmten Sinne verstehen, muss sich die Deutung seiner Äußerung gemäß dem decodierten Sinngehalt grundsätzlich entgegenhalten lassen.
47
Dass es sich beim rechtsextremistischen Geschichtsrevisionismus um eine Strategie der Diskursverschiebung handelt, die kurzfristig keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder eines ihrer Elemente zur Folge hat, nimmt ihm nach dem Gesagten nicht die Qualität einer verfassungsfeindlichen Bestrebung, denn auch er dient dazu, rechtsextremistische Inhalte und Thesen im öffentlichen Diskurs (wieder) gesellschaftlich anschlussfähig zu machen und ist auf diese Weise längerfristig auf eine Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet.
48
(c) Einschlägige Verhaltensweisen, insbesondere Äußerungen und Aktivitäten seiner Repräsentanten und Funktionsträger können als tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen eines Vereines herangezogen und verwertet werden (BayVGH, B.v. 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris Rn. 88). Texte und Äußerungen von leitenden Mitgliedern einer Vereinigung sind dieser grundsätzlich zuzurechnen, auch dann, wenn sie als solche zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Vereinigung verfasst oder getätigt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen dieser Vereinigung handeln (BVerwG U.v. 14.5.2014 – 6 A 3/13 – juris Rn. 35; BayVGH, U.v. 22.10.2015 – 10 B 15.1320 – juris Rn. 37; U.v. 22.10.2015 – 10 B 15. 609 – juris Rn. 33; B.v. 30.7.2015 – 10 ZB 15.819 – juris Rn. 43). Der Besuch oder gar das Halten von Reden bei einer Veranstaltung einer anderen in Verfassungsschutzberichten erwähnten Organisation kann jedenfalls ein Indiz dafür sein, dass die dort vorherrschende politische Haltung geteilt wird (BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 2 WD 42/00 u. 2 WD 43/00 – juris Rn. 27).
49
Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen können schließlich darin liegen, dass Personen oder Personengruppen, die selbst keine verfassungsfeindlichen Äußerungen tätigen, anderen Personen oder Personenvereinigungen eine Plattform oder Infrastruktur für die Verbreitung verfassungsfeindlicher Inhalte zur Verfügung stellen (vgl. BayVGH, B.v. 6.4.2020 – 10 ZB 18.2223 – juris Rn. 11, nachgehend BVerfG, B.v. 31.5.2022 – 1 BvR 98/21 – juris). Gleiches gilt für die Vernetzung von extremistischen Personen und Vereinigungen und die darin liegende Förderung extremistischer Strukturen.
50
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es für die Frage der Unterstützung eines verfassungsfeindlichen Personenzusammenschlusses allein auf objektive Kriterien an. Einem Mangel von auf Grund subjektiver Überzeugung erbrachten Beiträgen oder dem Fehlen einer intentionalen Beteiligung an Handlungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist danach erst bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen (BVerwG, U.v. 14.12.2020 – 6 C 11.18 – juris Rn. 30).
51
(d) Insgesamt ausreichend ist, dass die Gesamtschau aller tatsächlichen Anhaltspunkte auf entsprechende Bestrebungen hindeutet, mag auch jeder für sich genommen nicht genügen (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris Rn. 97, B.v. 28.2.2020 – 10 C 19.2517 – juris Rn. 23 jew. m. Rspr-Nachweisen). Dabei ist auch nicht zu beanstanden, wenn sich die Behörde auf Auswertungen von Verlautbarungen und Aktivitäten außerhalb des Berichtszeitraums stützt (BayVGH, B.v. 30.6.2021 − 10 ZB 21.679 – juris Rn. 23). Verfassungsfeindliche Bestrebungen müssen sich nicht notwendig nur aus Ereignissen im Berichtszeitraum ablesen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – BVerfGE 113, 63 – juris Rn. 84; OVG NW, B.v. 8.7.2009 – 5 A 203/08 – juris Rn. 3 f.). Auch müssen die Behörden nicht alle die Beobachtung rechtfertigenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Verfassungsschutzbericht aufführen (BayVGH, B.v. 6.4.2020 – 10 ZB 18.2223 – Rn. 12).
52
Eine starre Zeitgrenze, jenseits derer Sachverhalte nicht mehr als Anhaltspunkte für einen bestimmten Berichtszeitraum herangezogen werden könnten, gibt es demnach nicht. Es trifft zwar zu, dass die Indizwirkung länger zurückliegender Vorgänge für die Annahme aktueller verfassungsfeindlicher Bestrebungen mit der Zeit nachlässt und irgendwann ganz entfallen kann. Entscheidend bleiben gleichwohl immer die Umstände des Einzelfalls. Insbesondere, wenn sich einzelne Anhaltspunkte in einen Gesamtzusammenhang einfügen, der bis in den Beobachtungszeitraum reicht, können auch länger zurückliegende Sachverhalte in die Gesamtbewertung einbezogen werden. Für diese Beurteilung kommt es schließlich nicht auf eine quantitative, sondern auf eine wertende Betrachtung an. Da Personen und Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich das Überschreiten zur beobachtungsbedürftigen Bestrebung in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Äußerungen und Verhaltensweisen gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (vgl. BVerwG, B.v. 14.8.2024 – 6 VR 1/24 – juris Rn. 27 zu einem Vereinsverbot).
53
(2) Gemessen daran ist die Auffassung des Beklagten, es bestünden hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne des 26 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG dafür, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2019 verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge, rechtlich nicht zu beanstanden.
54
(a) Objektive Anhaltspunkte im vorgenannten Sinn sind die vom Kläger betriebene Vernetzung rechtsextremistischer Personen oder Personenvereinigungen und die Bereitstellung einer Plattform für diese zur Verbreitung rechtsextremistischer, insbesondere antisemitischer und geschichtsrevisionistischer Positionen. Auch liegen Anhaltspunkte für die aktive Unterstützung anderer rechtsextremistischer Personenvereinigungen insbesondere durch Veranstaltungsteilnahmen vor.
55
Bei den dem Kläger selbst veranstaltete Tagungen traten auf Einladung des Klägers wiederholt Redner auf, deren Vorträge verfassungsfeindliche Narrative enthielten.
56
Auf der Frühjahrstagung 2017 des Klägers bediente sich der Redner Dr. K1. wiederholt antisemitischer Codes („Journalisten aus der … Hochfinanz“) und des Narrativs der „Umerziehung“. Aus dem Sinnzusammenhang ergibt sich, dass vorliegend mit dem Begriff der „Umerziehung“ die Zielsetzung der Maßnahmen angegriffen wird, mit denen die Alliierten nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus versuchten, in Deutschland die Grundlagen für die Entwicklung zu demokratischen Einstellungen und Verhaltensweisen zu schaffen (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 2 WD 42.00 – juris Rn. 64). Dr. K1. selbst ist mit Kontakten zur „Gesellschaft für freie Publizistik“ sowie zu den Parteien NPD und „Der III. Weg“ in der rechtsextremistischen Szene bekannt und vernetzt. In seiner Rede anlässlich der Herbsttagung 2017 fand Dr. J. lobende Worte für die Waffen-SS, bezweifelte die Souveränität Nachkriegsdeutschlands und sprach ebenfalls von der „Umerziehung“ der Deutschen im vorgenannten Sinne. In anderen Zusammenhängen bediente sich Dr. J. unter anderem des von der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“ gebrauchten Begriffs der „Reconquista Europas“. Auf der Frühjahrstagung 2019 brachte der Redner Dr. B1. subtil Zweifel zumindest am Ausmaß des Holocaust zum Ausdruck, relativierte die deutsche Kriegsschuld (wörtlich: „Zwar werde ich hier nicht den Holocaust mit seinen sechs Millionen Toten in Zweifel ziehen – keine Angst. Leider Gottes hat dieses schreckliche Ereignis sicher in der ein oder anderen Form stattgefunden und wohl auch schätzungsweise so viele Opfer gefordert… Anstatt daran lange herum zu deuteln und darüber vielleicht auch noch eine Anklage wegen Volksverhetzung zu riskieren, kommt es mir auf den Nexus von Holocaust, Hitler und Zweiter Weltkrieg an, der aus dem roosevelteischen Zeitalter stammt und sich in den letzten siebzig, achtzig Jahren wie ein Fluch über uns Deutsche gelegt hat.“) und bediente wiederholt das Narrativ der „Umerziehung“. Diese Interpretation der Beiträge als rechtsextremistisch-revisionistisch wird durch den Vortrag des Klägers nicht in Zweifel gezogen. Insbesondere haben sich Dr. J. und Dr. K1. nicht auf eine Kritik an den Alliierten und auf eine Bezeichnung der deutschen Kapitulation als Niederlage beschränkt (vgl. dazu BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 2 WD 42.00 – juris Rn. 64), wie der Beklagte aufgezeigt hat (vgl. im Einzelnen Klageerwiderung vom 20.12.2019). Dr. B1. hat in seinem Referat insbesondere Zweifel am Holocaust angedeutet, die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland bestritten und die deutsche Kriegsschuld relativiert (z.B. Bezeichnung von Roosevelt als „Hauptverantwortlichen“ des deutschen Angriffs auf Polen).
57
Diese Beiträge muss sich der Kläger zurechnen lassen. Alle drei Vorträge wurden vom Kläger zunächst unkommentiert auf seiner Homepage im Volltext veröffentlicht und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Vorbringen des Klägers zu diesen unstreitigen Tatsachen, er habe sich von den vom Beklagten beanstandeten veröffentlichten Inhalten distanziert, überzeugt nicht.
58
Der Kläger verfolgt gemäß seiner Satzung den Zweck der Geschichtsforschung nach wissenschaftlichen Standards. Seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung zufolge trifft der Vereinsvorstand die Themen- und Referentenauswahl für seine Tagungen; vorzugsweise solle über aktuelle Forschungsergebnisse berichtet werden. Eine solche Auswahlentscheidung setzt voraus, dass sich der Vorstand vorab über die Person des jeweiligen Referenten sowie dessen Forschungsinhalte und Thesen informiert. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass der Kläger über rechtsextremistische Bezüge der von ihm eingeladenen Referenten und im Rahmen der Vortragsthemen zu erwartende Inhalte im Unklaren gewesen sein könnte. So ist z.B. nicht glaubhaft, dass seine Vertreter – wie angeblich im Falle Dr. K1. – von verfassungsfeindlichen Thesen irritiert gewesen sein sollen. Hinzu kommt, dass gerade Dr. K1. und das Vorstandsmitglied H. schon beide bei einer Tagung des „Gedächtnisstätte e.V.“ im Jahr 2015 angekündigt waren. Gleichermaßen unglaubhaft ist der Vortrag, das Tagungsformat mit Referaten und anschließender Diskussion ermögliche gerade eine kontroverse Auseinandersetzung. Wenn dies so gewesen wäre, bliebe unverständlich, warum im Nachgang kein Tagungsbericht zu Referaten und anschließenden Diskussionen, sondern lediglich Redemanuskripte unkommentiert auf der vereinseigenen Homepage veröffentlich wurden und eine Distanzierung nicht zeitnah (vgl. dazu BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 673, 724) erfolgte. Der Kläger distanzierte sich lediglich eingeschränkt in Form von auf der Homepage ohne Datum unter Namenszeichnung publizierte „Anmerkungen“; diese wurden nach der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und nur hinsichtlich der Redner, deren Referate vom Verwaltungsgericht in der Verhandlung beanstandet worden waren, verfasst. Der Vortrag Dr. B1. wird darin als „weder rechtsextremistisch noch antisemitisch“, sondern „einfach nur schlecht“ eingestuft; hinsichtlich des Vortrags von Dr. K1. werden nur die antisemitischen Anklänge kritisiert. Im Übrigen wurden diese Kommentare erst nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2019 veröffentlicht und hätten damit vom Beklagten nicht berücksichtigt werden können. Erst recht stellt der allgemeine „Disclaimer“ des Klägers im Impressum seiner Homepage im Abschnitt „Haftungsbeschränkung“, wonach namentlich gekennzeichnete Beiträge die Meinung des jeweiligen Autors und „nicht immer“ die Meinung des Klägers wiedergäben, keine konkrete, auf einer kritischen inhaltlichen Auseinandersetzung beruhende glaubhafte Distanzierung dar.
59
Art, Umfang und Zeitpunkt dieser späteren Erklärungen lassen nach Auffassung des Senats mehr auf eine taktische Motivation des Klägers als auf eine von innerer Überzeugung getragene Distanzierung schließen (zur Glaubhaftigkeit einer Distanzierung, die erst während eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 – juris Rn. 656; BayVGH, B.v. 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris Rn. 142). Vielmehr spricht alles dafür, dass der Kläger im Berichtszeitraum 2019 hinter dem Inhalt der vom Beklagten beanstandeten Referate stand.
60
Schließlich kann sich der Kläger angesichts der sich dem Senat darbietenden Tatsachenlage auch nicht auf seine redaktionelle oder wissenschaftliche Freiheit unter dem Gesichtspunkt eines „Marktes der Meinungen“ berufen und sich auf diese Weise einer Zurechnung der von ihm publizierten Äußerungen der Redner auf seinen Veranstaltungen entziehen. Zwar ist von Wissenschaftsfreiheit – wie von der Pressefreiheit – auch die Entscheidung erfasst, ein Forum nur für ein bestimmtes wissenschaftliches Spektrum bieten zu wollen, dort aber den Autoren große Freiräume zu gewähren und sich in der Folge nicht mit allen einzelnen Veröffentlichungen zu identifizieren (siehe BVerfG, B.v. 24.4.2005 – 1 BvR 1072/01 – BVerfGE 113, 63 – juris Rn. 85; BVerwG, B.v. 14.8.2024 – 6 VR 1/24 – juris Rn. 37 jeweils zur Pressfreiheit). Eine Zurechnung ist aber möglich, wenn aus der Auswahl der Beiträge und Äußerungen von Dritten eine bestimmte inhaltliche Linie erkennbar wird (BVerfG, a.a.O. Rn. 76). Gemessen daran vermag der Senat schon nicht zu erkennen, dass der Kläger – etwa im Hinblick auf die Kriegsschuldfrage („Roosevelt“) oder die Einordnung der Entnazifizierung Deutschlands durch die Alliierten („Umerziehung“) – überhaupt ein Meinungsspektrum ermöglicht hätte. Entsprechendes hat der Kläger auch nicht vorgetragen. Vielmehr hat der Kläger zu diesen Fragen – jedenfalls im hier relevanten Zeitraum und den hier thematisierten Fragestellungen – immer wieder Redner für seine Tagungen ausgewählt, deren persönlicher Hintergrund und deren Thesen einer bestimmten, revisionistischen Tendenz entsprachen.
61
Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Kläger die verfassungsfeindlichen Äußerungen der von ihm eingeladenen Redner zugerechnet werden können, und darüber als weitere Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen durfte der Beklagte auch berücksichtigten, dass Vorstandsmitglieder des Klägers ihrerseits bei mehreren rechtsextremistischen Vereinigungen aufgetreten waren und diese auch sonst unterstützt und damit zur Bildung und Stärkung rechtsextremer Netzwerke beitragen haben. Zwar stellen die Teilnahme an Veranstaltungen und andere Kontakte mit Organisationen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wurden, für sich genommen keinen Nachweis für verfassungsfeindliche Bestrebungen dar. Ohne weitergehende Anhaltspunkte ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass dabei die von Verfassungs wegen zustehenden Freiheiten auf Meinungsäußerung und/oder Information wahrgenommen werden (BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 2 WD 42.00 u.a. – juris Rn. 27). Dementsprechend ergeben sich vorliegend aus den Veranstaltungsteilnahmen und sonstigen Unterstützungshandlungen und sonstigen Kontakten von Vorstandsmitgliedern des Klägers zu rechtsextremistisch eingestuften Organisationen zwar keine gesicherten Nachweise, jedoch weitere Indizien für derartige Bestrebungen.
62
So schrieb das Vorstandsmitglied H. im Dezember 2014 in einer Zeitschrift positiv über den seit 2011 regelmäßig in Verfassungsschutzberichten erwähnten rechtsextremistischen Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ (vgl. etwa Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 2013, S. 103 f.; Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2019, S. 31 f.) aus Gu. in Thüringen (wörtlich: „Mit dieser Gedenkstätte hatten sich die Initiatoren das Ziel gesetzt, einen längst überfälligen Ort der Erinnerung für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs durch den alliierten Bombenkrieg, die Vertreibung, die Deportation deutscher Zivilisten und die in den Gefangenenlagern der ehemaligen Kriegsgegner umgekommenen Soldaten der Wehrmacht zu schaffen“). Mit diesem Beitrag hat er objektiv die Bemühungen des Vereins unterstützt, in der öffentlichen Darstellung den Vereinszweck (Errichtung einer Gedenkstätte für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs) ohne rechtsextremistische Bezüge zu vermitteln, Bevölkerungskreise außerhalb des rechtsextremistischen Spektrums für sich zu gewinnen und ideologischen Einfluss auf bürgerliche, national-konservative Kreise zu erlangen. Der Verein unterhielt seit seiner Gründung im Jahr 1992 vielfältige Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen (vgl. Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2018, S. 53 ff.). Es liegt nahe, dass ein Vorstandsmitglied eines Vereins wie dem Kläger mit dem Anspruch einer wissenschaftlichen Aufarbeitung zeitgeschichtlicher Themen zu dieser Netzwerkstrategie beitragen konnte.
63
Weiter war H. im Juni 2015 Redner bei einer Tagung dieses Vereins, bei der auch Dr. K1. und F. R., ein rechtsextremer Liedermacher und früherer Bundespräsidentenkandidat der NPD, angekündigt waren. H. nahm auch am 2. Februar 2014 am so genannten „Herrschaftsfreien Dialog“ der seit 2015 unter der Beobachtung durch den Verfassungsschutz stehenden Münchner Burschenschaft D2. (vgl. etwa Bayerischer Verfassungsschutzbericht 2015 S. 137, wonach bei Veranstaltungen der D2. „seit Jahren“ Referenten aus dem rechtsextremistischen Bereich auftraten) teil und trat als Redner des Jahreskongresses 2017 der seit langem vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremistischen „Gesellschaft für freie Publizistik“ (vgl. etwa Verfassungsschutzbericht des Bundes 2006, S. 142, Bayerischer Verfassungsschutzbericht 2015 S. 137) auf. Das weitere Vorstandsmitglied Facius nahm am 31. Mai 2013 am „Herrschaftsfreien Dialog“ der D2. teil. Bei der Frühjahrstagung 2019 des Klägers war auch der Inhaber des rechtsextremistischen Verlags „D1. & V1.“, Dr. G. S., anwesend.
64
Unglaubhaft ist für den Senat in diesem Zusammenhang das Vorbringen des Klägers, seine Vorstandsmitglieder hätten andere Vereinigungen besucht, um dort gleichsam bekehrend für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu werben. Abgesehen davon, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Frage des Gerichts hierfür kein konkretes Beispiel benennen konnte, lässt es sich mit dem sonstigen Vortrag des Klägers, die Vorstandsmitglieder hätten gar nicht gewusst, dass die von ihnen besuchten Vereinigungen verfassungsfeindliche Ziele verfolgt hätten und seien nur an der Verbreitung ihrer eigenen Thesen interessiert gewesen sein, nicht in Einklang bringen.
65
Hinsichtlich der Burschenschaft D2. verfängt der Einwand, zu deren Veranstaltungen hätten die – nicht vom Verfassungsschutz beobachteten – Altherren der Vereinigung eingeladen, nicht. Eine Zuordnung der Veranstaltungen der Verbindung – der Verfassungsschutzbericht 2019 (S. 183) spricht insofern von „Veranstaltungen der Aktivitas“ – ausschließlich zu den Altherren oder zur Aktivitas ist zur Überzeugung des Senats unter Verfassungsschutzgesichtspunkten nicht möglich. Denn nach dem vom Kläger unwidersprochenen Vortrag des Beklagten, der insofern die Eigendarstellung der D2. heranzieht, werden Veranstaltungen von den „jungen Bundesbrüdern“ der D2., folglich der Aktivitas, organisiert. Ebenso finden sich eine Historie der „Herrschaftsfreien Dialoge“ im Archiv auf der Homepage der D2., ohne dass dort darauf hingewiesen wird, dass es sich um eine Veranstaltung der Alten Herren handele. Nicht zuletzt fanden diese Veranstaltungen im Verbindungshaus der D2. statt. Selbst wenn also formal Einladender die Alten Herren gewesen sein sollten, sind bei den Veranstaltungen Aktivitas und Altherrenschaft derart verschränkt, dass die Teilnahme am „Herrschaftsfreien Dialog“ sowohl deren Altherren als auch deren Aktivitas gefördert hat und deshalb jedenfalls als Indiz für verfassungsfeindlich Bestrebungen zu werten ist, weil die entsprechenden Veranstaltungen aufgewertet wurden. Im Übrigen darf davon ausgegangen werden, dass bei solchen Veranstaltungen auch eine Vernetzung mit der Aktivitas stattfand.
66
(b) Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung durfte der Beklagte seine Erkenntnisse zwischen den Jahren 2013 und 2019 berücksichtigen, da sie zum einen nicht allzu weit auseinanderlagen und zum anderen aufgrund der personellen und inhaltlichen Kontinuität im Verein für jedenfalls diesen Zeitraum ein Gesamtzusammenhang ersichtlich gegeben war. Der Annahme des Beklagten, es bestünden hinreichende tatsächliche Anhaltspunkt für verfassungsfeindliche Bestrebungen des Klägers, steht dabei auch nicht entgegen, dass der Kläger auch weitere Aktivitäten verfolgte, insbesondere Vorträgen Raum bot, die verfassungsschutzrechtlich nicht zu beanstanden gewesen sein dürften. Ungeachtet der Frage, ob – wie der Kläger meint – bei einem Verhältnis von drei revisionistischen Vorträgen zu elf unproblematischen Vorträgen überhaupt davon gesprochen werden kann, die Redebeiträge seien „in weiten Teilen“ (so die Formulierung bei BVerwG, B.v. 14.8.2024 – 6 VR 1/24 – juris Rn. 42) unproblematisch, kann dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade bei zentralen Fragen wie der Kriegsschuld oder der Entnazifizierung praktisch durchgängig verfassungsfeindliche Aussagen dominierten. Dass daneben auch unverfängliche Vorträge zu finden sind, spielt dabei keine entscheidungserhebliche Rolle, denn eine rein quantitative Betrachtung ist insofern nicht angezeigt (vgl. BVerwG, B.v. 14.8.2024 – 6 VR 1/24 – juris Rn. 27). Hinzu kommt, dass auch die bereits angesprochenen aktiven Kontakte von Vorstandsmitgliedern zu rechtsextremistischen Organisationen darauf hindeuten, dass der Kläger im Gegenzug gezielt Referenten mit geschichtsrevisionistischem Hintergrund aus diesem Milieu eingeladen, deren Referate publiziert und sich mit deren Thesen identifiziert hat.
67
Unabhängig davon erfordert die Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch keine endgültige Gewissheit über die vorherrschende Richtung innerhalb einer Personenvereinigung. Vielmehr darf eine Beobachtung bei tatsächlichen Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen auch stattfinden, um aufzuklären, welchen Einfluss verfassungsrechtliche Strömungen für die künftige Entwicklung einer Personenvereinigung haben und in welche Richtung sich die Vereinigung letztlich entwickelt (BayVGH, B.v. 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris Rn. 131).
68
(c) Auf der Ebene der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Nennung im Verfassungsschutzbericht unbeachtlich ist schließlich der Einwand des Klägers, er habe keine subjektive Absicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen oder auch nur zu gefährden. Denn auf subjektive Elemente kommt es – wie dargestellt – nicht an. Einem Mangel von auf Grund subjektiver Überzeugung erbrachten Beiträgen oder dem Fehlen einer intentionalen Beteiligung an Handlungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist danach erst bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit (BVerwG, U.v. 14.12.2020 – 6 C 11.18 – juris Rn. 30) erforderlich. Selbst wenn man im Hinblick darauf, dass die verantwortlich Handelnden auf die Verletzung eines verfassungsschutzrechtlichen Schutzgutes „hinarbeiten“ müssen (s.o.), ein subjektives Element verlangen wollte, läge dies beim Kläger zur Überzeugung des Senats vor (dazu sogleich).
69
(d) Insgesamt bestanden damit im maßgeblichen Zeitpunkt der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes 2019 hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen des Klägers.
70
bb) Die tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sind im Fall des Klägers auch hinreichend gewichtig im Sinne des Art. 26 Abs. 1 und Abs. 2 BayVSG.
71
Maßstab hierfür ist, ob hinreichend gewichtige Anhaltspunkte in ausreichender Zahl über einen aussagekräftigen Zeitraum hinweg bestehen. Es bedarf demnach Anhaltspunkte in ausreichender Evidenz und Dichte (BVerwG, U.v. 18.5.2001 – 2 WD 42/00 u. 2 WD 43/00 – juris Rn. 28). Eine Nennung im Verfassungsschutzbericht wäre danach rechtswidrig, wenn nur vereinzelte oder wenig belastbare Erkenntnisse vorlägen (vgl. BVerfG, B.v. 31.5.2022 – 1 BvR 98/21 – juris 16; BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 − juris Rn. 45). Hiervon kann angesichts der dargestellten Vernetzung des Klägers innerhalb der rechtsextremistischen Szene und der damit einhergehenden Förderung rechtsextremistischer Strukturen sowie der wiederholten Zurverfügungstellung einer Plattform für verfassungsfeindliches Gedankengut und dessen Verbreitung durch den Kläger über mehrere Jahre hinweg nicht die Rede sein.
72
cc) Im Übrigen ist die Nennung des Klägers im Verfassungsschutzbericht 2019 auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden.
73
(1) Die Berichterstattung ist zunächst im Hinblick auf die – von ihm bestrittene – Absicht des Klägers, sich an Handlungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu beteiligen, nicht unverhältnismäßig. Dem Kläger und seinen Organen musste zur Überzeugung des Senats gerade vor dem Hintergrund seines eigenen Anspruchs an Wissenschaftlichkeit bewusst sein, dass die dargestellten revisionistischen Vorträge, zu denen er eingeladen und die er verbreitet hat, letzten Endes und auf lange Sicht zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beitragen können. Entsprechendes gilt für die Aufwertung von und die Vernetzung mit anderen rechtsextremistischen Vereinigungen.
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(2) Schließlich begegnet auch die Art und Weise der Darstellung des Klägers im Verfassungsschutzbericht 2019 keinen Bedenken. Der kurze Abschnitt ist zurückhaltend und sachlich formuliert und bezieht sich rein auf Fakten. Aus ihm ergibt sich auch nicht, dass der Beklagte schon mit Gewissheit von verfassungsfeindlichen Bestrebungen des Klägers ausginge (vgl. zur unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten notwendigen Unterscheidung zwischen solchen Organisationen, für die nur ein Verdacht besteht, und solchen, für die solche Bestrebungen erwiesen sind BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 78, 89; zweifelnd, ob sich diese Rechtsprechung ohne weiteres auf die bayerische Rechtslage, die eine Verdachtsberichterstattung nicht kennt, übertragen lässt Meermagen in Möstl/Schwabenbauer, Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand: 1.10.2022, Art. 26 BayVSG Rn. 30 ff.). Zwar gebietet der Grundsatz der Erforderlichkeit, durch die Gestaltung des Berichts zu verdeutlichen, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen keineswegs festgestellt sind (BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 89). Der Senat stellt hierzu als für die entsprechende Auslegung des Verfassungsschutzberichts zuständiges Fachgericht (BVerfG, a.a.O.) fest, dass unter Einbeziehung der an der bayerischen Rechtslage orientierten einleitenden Formulierungen im Verfassungsschutzbericht 2019 (auf S. 23 wörtlich: „Der Verfassungsschutz hat den gesetzlichen Auftrag, Regierung und Parlament sowie die Öffentlichkeit über Aktivitäten und Ziele verfassungsfeindlicher Organisationen zu informieren. (…) Eingang in den Verfassungsschutzbericht finden Bestrebungen, bei denen hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für Extremismus vorliegen. Eine Verdachtsberichterstattung findet in Bayern nicht statt.“) für den verständigen Leser ohne weiteres ersichtlich ist, dass hinsichtlich der Einordnung des Klägers als rechtsextremistisch noch keine Gewissheit besteht, sondern lediglich über entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte berichtet wird. Daher bedarf es keiner weitergehenden differenzierenden Darstellung im Verfassungsschutzbericht dahingehend, ob beim Kläger „nur ein Verdacht“ verfassungsfeindlicher Bestrebungen besteht oder ob derartige Bestrebungen nachweislich vorliegen (BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 45 m.w.N.).
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dd) Dahinstehen kann schließlich, ob bei Vorliegen hinreichend gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und die Information der Öffentlichkeit hierüber im Ermessen der Verfassungsschutzbehörde steht (vgl. die Nachweise bei BayVGH 14.9.2023 – 10 CE 23.796 – juris Rn. 147), denn Ermessensfehler des Beklagten sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.