Inhalt

VG München, Beschluss v. 14.11.2024 – M 20 P 24.3843
Titel:

Personalvertretungsrecht des Landes, Wahlanfechtung, Mangelhafte Angaben im Wahlausschreiben, Möglichkeit der schriftlichen Stimmenabgabe, Änderungen im Wahlvorschlag

Normenketten:
BayPVG Art. 25
WO-BayPVG § 6
WO-BayPVG § 17
Schlagworte:
Personalvertretungsrecht des Landes, Wahlanfechtung, Mangelhafte Angaben im Wahlausschreiben, Möglichkeit der schriftlichen Stimmenabgabe, Änderungen im Wahlvorschlag
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33299

Tenor

Die Wahl zum Personalrat beim BRK Kreisverband … am 18./20. Juni 2024 wird für ungültig erklärt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerinnen begehren im Wege der Wahlanfechtung zum Verwaltungsgericht München die Ungültigerklärung der Wahl des Personalrats beim BRK Kreisverband … am 18. und 20. Juni 2024.
2
Mit am 28. Juni 2024 beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz der Antragstellerin zu 1) zusammen mit einem Schreiben vom 21. Juni 2024 der Antragstellerinnen 1) bis 6) haben die Antragstellerinnen die Personalratswahl beim BRK Kreisverband … angefochten. Zur Begründung führen sie aus, die Wahl sei insofern fehlerhaft, als die Antragstellerin zu 1) kandidiert habe, aber nicht in den Wahlvorschlag aufgenommen worden bzw. von diesem gestrichen worden sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die genannten Schriftsätze sowie die Ausführungen in der Anhörung am 14. November 2024 Bezug genommen.
3
Die Antragsteller beantragen die Feststellung der Ungültigkeit der Personalratswahl am 18./20. Juni 2024 beim BRK Kreisverband …
4
Die Beteiligten stellen keinen Antrag.
5
Der beteiligte Kreisgeschäftsführer als Dienststellenleiter hat durch seinen Bevollmächtigten nach Einsicht in die beigezogenen Wahlunterlagen mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2024 sowie im Termin am 14. November 2024 zu Verstößen gegen die Wahlvorschriften, insbesondere hinsichtlich des Wahlausschreibens und des zugelassenen Wahlvorschlags, vorgetragen.
6
Der beteiligte Personalrat hat sich durch seinen Personalratsvorsitzenden in der Anhörung am 14. November 2024 geäußert.
7
Hinsichtlich der Einzelheiten, insbesondere der Anhörung am 14. November 2024, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Wahlunterlagen des Wahlvorstands Bezug genommen.
II.
8
Die Wahlanfechtung ist zulässig und begründet.
9
1. Die Wahl des Personalrats am 18. und 20. Juni 2024 wurde fristgerecht innerhalb der 14tägigen Frist i.S.v. Art. 25 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) durch mindestens 3 Wahlberechtigte unter Angabe eines Sachverhalts, der den Antragstellerinnen Anlass zur ihrer Ansicht geben kann, bei der angefochtenen Wahl sei gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen worden (vgl. zu diesem Erfordernis VG München, B.v. 10.10.2023 – M 20 P 23.1360 – beck-online Rn. 12 m.w.N.; Ballerstedt, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Art. 25 Rn. 25b), angefochten.
10
2. Bei der Personalratswahl wurde gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen.
Dabei kommt es nicht darauf an, dass die durchgreifenden Verstöße nicht von den Antragstellerinnen benannt wurden, sondern der Bevollmächtigte des Beteiligten zu 1) hierzu vorgetragen hat. Das Erfordernis, innerhalb der Frist des Art. 25 BayPVG einen Sachverhalt anzugeben, der Anlass zur Ansicht geben kann, bei der angefochtenen Wahl sei gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen worden, führt nicht zu einem Ausschluss der Berücksichtigung von erst nach Ablauf der Frist im verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren benannten weiteren Anfechtungsgründen (vgl. BVerwG, B.v. 23.2.2018 – 5 PB 6.17 – beck-online Rn. 17 f. m.w.N.; Ballerstedt, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Art. 25 Rn. 27 m.w.N.; a.A. OVG NRW, B.v. 11.9.1997 – 1 A 778/97.PVL – beck-online). Das Gericht ist aufgrund des objektiven Charakters des Wahlanfechtungsverfahrens nicht auf das Vorbringen der Antragsteller beschränkt (BVerwG, a.a.O.). Zudem besteht jedenfalls auch ein Zusammenhang zum Vortrag der Antragstellerinnen, als sich diese gerade am Zustandekommen des Wahlvorschlags stören.
11
a) Mangelhaft ist die Wahl – und insbesondere auch das Wahlausschreiben vom 8. April 2024 – bereits insoweit, als im Wahlausschreiben entgegen § 6 Abs. 2 Buchst. p) der Wahlordnung zum Bayerischen Personalvertretungsgesetz (WO-BayPVG) zunächst sämtliche Angaben des Vordrucks über die Möglichkeit schriftlicher Stimmenabgabe gestrichen wurden und (erst) in einem späteren undatierten und nicht unterschriebenen Hinweisschreiben (nur) die Möglichkeit schriftlicher Stimmenabgabe bei Verhinderung an den beiden Wahltagen unter den dort genannten Verhinderungsgründen benannt wurde. Nach § 17 WO-BayPVG ist nach der Änderung der Wahlordnung zum 1. August 2023 das frühere Verhinderungserfordernis jedoch entfallen (vgl. Ballerstedt, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, § 17 WO-BayPVG Rn. 13).
12
b) Das Wahlausschreiben erfüllt zudem weitere Anforderungen des § 6 Abs. 2 WO-BayPVG nicht.
Fehlen Angaben in einem Wahlausschreiben, die nach § 6 Abs. 2 WO-BayPVG enthalten sein müssen, ist gegen zwingende Vorschriften des Wahlverfahrens verstoßen worden (Ballerstedt, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, § 6 WO-BayPVG Rn. 36 m.w.N.).
13
(1) Die nach § 6 Abs. 2 Buchst. s) WO-BayPVG erforderliche Angabe des Ortes, an dem Einsprüche, Wahlvorschläge und andere Erklärungen gegenüber dem Wahlvorstand abzugeben sind, fehlt. Der Verweis auf eine Erreichbarkeit des Wahlvorstands per Email mit dem Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur genügt bereits deshalb nicht, da nicht alle Beschäftigte eine solche Signaturmöglichkeit besitzen.
14
(2) Mangels Auswirkung auf das Ergebnis der Wahl ist hingegen nicht von Belang sein, dass die Wahl im Wahlausschreiben i.S.v. § 6 Abs. 2 Buchst. d) WO-BayPVG fehlerhaft als „gemeinsame“ Wahl bezeichnet wurde. Im weiteren Verlauf der Wahl wurde diese – schon mangels verbeamteter Beschäftigter auf der Dienststelle – als Gruppenwahl der Gruppe der Arbeitnehmer durchgeführt.
15
(3) Dahinstehen kann auch, ob nach § 6 Abs. 2 Buchst. c) WO-BayPVG statt oder ergänzend zum – vorliegend im Wahlausschreiben dargestellten – prozentualen Verhältnis die zahlenmäßige Angabe der Frauen und Männer unter den Beschäftigten anzugeben ist (vgl. hierzu Ballerstedt, Bayerischer Personalvertretungsgesetz, § 6 WO-BayPVG Rn. 18 und § 2 Rn 18 f.) und ggf. zudem die Angabe der insgesamt Wahlberechtigten erforderlich ist.
16
c) Gegen wesentliche Wahlvorschriften wurde zudem durch die Zulassung des – einzigen eingereichten – Wahlvorschlags verstoßen.
17
Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Listenvertreter die Antragstellerin entgegen ihrer gewollten Kandidatur nicht in den Wahlvorschlag aufnahm. Auch ist gerade nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin zu 1) zu einem Zeitpunkt vom Wahlvorschlag gestrichen worden wäre, als dieser bereits Unterstützerunterschriften erhalten hat.
18
Der Wahlvorschlag ist vielmehr deshalb ungültig gewesen, da er durch die handschriftliche Hinzufügung eines Bewerbers auf Platz 14 nachträgliche Änderungen erfuhr.
19
Nachträgliche Änderungen auf einem Wahlvorschlag sind zwar bis zur Einreichung beim Wahlvorstand nicht ausgeschlossen (vgl. Ballerstedt, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, § 7 Rn. 13 WO-BayPVG m.w.N.). Sie verlangen aber eine Zustimmung sämtlicher Unterzeichner (Ballerstedt, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, § 7 Rn. 14 WO-BayPVG m.w.N). An einer solchen fehlt es vorliegend.
20
Den Angaben des Listenvertreters nach ist gerade nicht belegt, dass diese handschriftliche Änderung bereits zu einem Zeitpunkt erfolgte, bevor die ersten Unterstützer ab dem 24. April 2024 unterschrieben. Der Zeitpunkt, an dem der unter Platz 14 hinzugefügte Bewerber seine Unterschrift an Nr. 16 auf die Unterstützerliste setzte (der 30. April 2024), ist vielmehr um einige Tage später als die ersten Unterstützerunterschriften.
21
Zudem bilden Wahlvorschlag und die Unterstützerliste keine einheitliche Urkunde (zum Erfordernis: BVerwG, B.v. 4.10.1957 – VII P 5.57 – beck-online, VGH Kassel, B.v. 23.3.2017 – 22 A 2145/16 – beck-online Rn. 37; BAG, B.v. 25.5.2005 – 7 ABR 39/04 – beck-online; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.6.2024, UA Rn. 49 f., VG München, B.v. 24.1.2023 – M 20 P 21.2952 – beck-online Rn. 16 ff.). Das einheitliche Druckbild reicht hierfür nicht.
22
3. Eine Auswirkung der Verstöße gegen die wesentlichen Wahlvorschriften auf das Wahlergebnis ist nicht ausgeschlossen, vgl. Art. 25 BayPVG.
23
Folglich war die Wahl für ungültig zu erklären.
24
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Des Verfahrens gerichtskostenfrei.