Titel:
Sicherheitsanforderung an Überholen eines Pferdes
Normenketten:
GG Art. 101 Abs. 1
BGB § 253 Abs. 2, § 254, § 834
StVG § 7 Abs. 1, § 7 Abs. 2, § 17, § 18
Leitsätze:
1. Eine Rückabordnung eines Richters in einen Spruchkörper verletzt nicht das Gebot des gesetzlichen Richters. (Rn. 51 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein der Umstand, dass ein tierspezifisches Verhalten im Straßenverkehr selbst bei einem sehr gefestigten Tier nie vollständig ausgeschlossen werden kann, auch objektiv geringe Reize wie Spiegelungen oder Schatten den Fluchtreflex auslösen können, begründet keine straßenverkehrsrechtliche Pflicht, jegliches Vorbeifahren an Pferden zu unterlassen. Ein Vorbeifahren in Sicherheitsabstand begründet daher kein Fehlverhalten. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wer sich auf ein Mitverschulden des Tieraufsehers bei Durchgehen eines Pferdes beruft, hat die Aufsehereigenschaft zu beweisen (Anschluss OLG Hamm BeckRS 2022, 22602). (Rn. 112) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
gesetzlicher Richter, Pferd, Sicherheitsabstand, Gesamtschuld
Vorinstanz:
LG Amberg, Endurteil vom 01.10.2021 – 24 O 1019/15
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33180
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 1. Oktober 2021, Az. 24 O 1019/15, dahingehend geändert, dass die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen wird.
II. Die Berufung der Beklagten zu 2) und 5) gegen das Urteil des Landgerichts Amberg vom 1. Oktober 2021, Az. 24 O 1019/15, wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin 27% und die Beklagten zu 2), 3), 4) und 5) gesamtschuldnerisch 73%. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens des Beklagten zu 1). Von den Kosten des Berufungsverfahrens im Übrigen tragen die Klägerin 35% und die Beklagten zu 2) und 5) gesamtschuldnerisch 65%.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die gegen sie gerichtete Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 633.357,13 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem Unfallereignis, das sich am 28. Juli 2014 am M., … K. ereignet hat.
2
Die Klägerin führte am 28. Juli 2014 das Pferd R. auf Höhe des Anwesens M. am M. in K. Der Beklagte zu 1) fuhr mit einem Lkw, Typ I. „E.“, dessen Halterin die Beklagte zu 5) war und der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, an der Klägerin und dem stehenden Pferd vorbei. Die Beklagten zu 3) und 4) sind die Tierhalter des Pferdes R., das über die Beklagte zu 4) im Rahmen einer Tierhalterversicherung versichert war, die auch Schadensersatzansprüche aus einer Reitbeteiligung mitumfasste.
3
Die reiterfahrene Klägerin war im Juli 2014 im Internet auf ein von der Beklagten zu 4) eingestelltes Angebot des Beklagten zu 3) zur Ausschreibung einer Reitbeteiligung auf dem Pferd R. aufmerksam geworden, das in dem Angebot als zuverlässig und geländesicher beschrieben wurde.
4
Vor dem Unfall gab es keine Probleme mit dem Pferd R., auch nicht bei Annäherungen von Lkw oder Traktoren. In den Gesprächen der Klägerin mit den Beklagten zu 3) und 4) wurde das Pferd als zuverlässig dargestellt. Es erfolgte kein Hinweis auf Probleme oder Schwierigkeiten mit dem Pferd im Gelände, insbesondere bei einem Zusammentreffen mit Fahrzeugen wie Lkw und Traktoren.
5
Die Klägerin unterzeichnete am 13. Juli 2014 einen ihr vom Beklagten zu 3) vorgelegten Formular-Reitbeteiligungsvertrag, in dem als Beginn der Reitbeteiligung der 13. Juli 2014 genannt war. Im unmittelbaren Nachgang zu dieser Unterzeichnung wurde zwischen dem Beklagten zu 3) und der Klägerin vereinbart, dass die Klägerin zunächst einmal bis August 2014 das Pferd nur führen und dieses zunächst nicht reiten solle.
6
Am 28. Juli 2014 führte die Klägerin das Pferd auf einem vor dem Hof, M., … K., befindlichen schmalen einspurigen und mit einer Vielzahl loser Steine geschotterten und mit Schlaglöchern übersäten Ortsverbindungsweg, der nur für „Anlieger“ freigegeben ist.
7
Ca. 300 m nach der Abzweigung von der K. aus kommend war ein Verbotsschild für Reiter angebracht. Der Klägerin war dieses Reitverbotszeichen unbekannt. Sie war nur wenige Male vor dem Unfall beim gegenständlichen Reiterhof und nahm dabei ausschließlich den für Kraftfahrzeuge freigegebenen und geteerten Ortsverbindungsweg über P. bei K.. Sie wurde auch zu keiner Zeit von den Beklagten zu 3) und 4) darüber informiert oder aufgeklärt, dass am M. und im Bereich des gegenständlichen Hofes das Reiten oder Führen eines Pferdes verboten sei.
8
Die Klägerin führte das Pferd am Unfalltag am Zügel. Das Pferd war mit einer sog. Trense gezäumt. Die Klägerin folgte dem Weg, vom Hof aus gesehen, nach rechts. In Begleitung der Klägerin befand sich deren Lebensgefährte R. Am Unfalltag war der Weg staubtrocken.
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Die Klägerin befand sich bereits auf diesem vor dem Hof befindlichen Ortsverbindungsweg, als der Beklagte zu 1) mit dem Lkw auf diesem Weg herannahte. Die Klägerin entschloss sich umgehend, auch auf Anraten ihres Lebensgefährten, die nächste und sichere Ausweichmöglichkeit, nämlich den nahegelegenen Zufahrtsbereich zum Hof, wieder aufzusuchen. Sie drehte das Pferd um und begab sich mit diesem wieder zurück zum Hof. Als sich die Klägerin am Mündungsbereich zum Zufahrtsbereich zum Hof befand, blieb sie mit dem Pferd stehen und der Lkw fuhr ohne anzuhalten an Klägerin und Pferd vorbei. Das Pferd rannte zum Pferdehof zurück und verletzte die Klägerin dabei schwer. Sie erlitt u.a. schwerste Gesichts- und Kopfverletzungen, eine Gehirnblutung, eine offene Fraktur und verlor ferner die Sehfähigkeit auf beiden Augen. Die Netzhaut wurde beiderseitig getrennt und unter anderem der rechte Sehnerv komprimiert. Der Gesichtsbereich der Klägerin wurde weitreichend zertrümmert.
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Die Klägerin behauptet unter anderem, dass ihr die Beklagte zu 4) gesagt habe, dass der Reitbeteiligungsvertrag für die Phase des Führens noch nicht gelten würde, sondern erst ab August mit Beginn des Reitens. Dies sei der Klägerin auch vom Beklagten zu 3) bestätigt worden. Es habe keine Absprache dahingehend gegeben, dass die Klägerin das Pferd nur in Anwesenheit der Beklagten zu 3) oder 4) führen dürfe.
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Die Klägerin trägt weiter vor, das Pferd mit einer Trense auf der linken Seite stehend am Zügel geführt zu haben, wie es der Vorschrift und der korrekten Reitausbildung entspreche.
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Der Beklagte zu 1) habe sie und das Pferd weit vor dem Unfall wahrgenommen. Er habe es äußerst eilig gehabt und sei daher mit viel zu hoher Geschwindigkeit und geringem Abstand an der Klägerin und dem Pferd vorbeigerast. Der Beklagte zu 1) sei mit einer hohen Geschwindigkeit von ca. 30 km/h ohne Geschwindigkeitsreduzierung unter erheblichen Emissionen (große Staubwolke, ohrenbetäubender Lärm, Steinschlag) in den an den Weg angrenzenden Bereich gefahren. Auch bei Schrittgeschwindigkeit würde das Fahren mit dem Lkw eine erhebliche Staubwolke verursachen.
13
Bei unmittelbarer Annäherung des Lkw habe die Klägerin das Pferd mit dem Kopf zum Lkw hin ausgerichtet.
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Der Lkw sei unmittelbar an der Hinterhand des Pferdes mit einem Abstand von ca. ein bis zwei Metern oder zwei bis drei Metern vorbeigefahren. Dabei habe es einen ohrenbetäubenden Lärm gegeben, zum einen durch die enorme Lärmentwicklung beim Betrieb des Fahrzeuges und zum anderen durch ein Aufeinanderschlagen der Fahrzeugteile und das Aufschlagen von Schottersteinen an die Karosserie.
15
Das Pferd habe Angst vor dem großen, geräuschvollen Laster und dessen Emissionen gehabt.
16
Während der Zufahrt auf die Klägerin und das Pferd habe möglicherweise ein Steinschlag auf das Pferd durch den Lkw stattgefunden. Ob das Pferd von einem Stein getroffen wurde, habe sich nicht abschließend klären lassen. Die eine Woche nach dem Unfallereignis vorgefundene Verletzung beim Pferd habe nicht zweifelsfrei auf einen Steinschlag durch das Fahrzeug des Beklagten zu 1) am 28. Juli 2014 zurückgeführt werden können.
17
Durch den Lkw und dessen Emissionen bedingt sei es zu einem Scheuen oder Steigen des Pferdes und letztlich zu der schweren Verletzung der Klägerin gekommen.
18
Das Pferd habe beim Vorbeifahren des Lkw plötzlich gescheut oder sei gestiegen und in Richtung Stall davongaloppiert, wobei die Klägerin bei diesem Vorgang vom Pferd umgerissen und von einem Tritt des Pferdes im Gesicht getroffen worden sei. Sie sei der Länge nach um- und hingefallen und nicht mitgeschleift worden. Das Pferd sei auf halber Strecke zum Hof auf die Zügel gestiegen, sodass die Zügel von der Trense heruntergerissen worden seien. Dementsprechend seien die Zügel und Trense auch auf halber Strecke zwischen der am Boden liegenden Klägerin und dem Hof gefunden worden. Die Klägerin habe sofort nach Realisierung des plötzlichen Scheuvorgangs des Pferdes die Zügel losgelassen, habe dabei das Gleichgewicht verloren und sei mit dem Körper in Richtung Stall gefallen.
19
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte zu 1) den Weg wegen der Freigabe nur für „Anlieger“ nicht habe befahren dürfen, während das bloße Führen des Pferdes aufgrund des Reitverbotszeichens nicht verboten gewesen sei. Letzteres gelte im Übrigen nur für Personen, die von P. in Richtung M. gehen.
20
Ferner ist die Klägerin der Ansicht, dass ein Fahren mit Schrittgeschwindigkeit geboten gewesen wäre, um einen Steinschlag ansatzweise zu vermeiden. Der Abstand, mit dem der Beklagte zu 1) an dem Pferd vorbeigefahren sei, sei nicht als ausreichender Sicherheitsabstand anzusehen. Er hätte der Klägerin die Möglichkeit eröffnen müssen, das Pferd weiter in den Zufahrtsbereich zu verbringen. Der Beklagte zu 1) hätte hierfür vor dem Einfahrtsbereich in ausreichendem Abstand anhalten müssen. Dies hätte der Beklagte zu 1) als in der konkreten Situation geboten erkennen müssen. Es sei ein unmittelbares und erheblich gefahrträchtiges Vorbeifahren an der Hinterhand des Pferdes gegeben gewesen.
21
Es liege ein Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 1 Abs. 1, 2 StVO vor, da dieser mit einem Abstand von ein bis zwei Meter an der Hinterhand des Pferdes vorbeigefahren sei und hierbei noch Gas gegeben und beschleunigt habe.
22
Für die Klägerin sei das Unfallereignis dagegen unabwendbar gewesen.
23
Den Anspruch gegen den Beklagten zu 1) stützt die Klägerin auf § 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, den gegen die Beklagte zu 2) auf § 115 VVG i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG und den gegen die Beklagte zu 5) auf § 7 Abs. 1 StVG. Den Anspruch gegen die Beklagten zu 3) und 4) stützt die Klägerin auf § 833 Abs. 1 BGB.
24
Mit offener Teilklage vom 2. November 2015 beantragte die Klägerin erstinstanzlich zunächst zu erkennen:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, wenigstens 400.000,00 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15. Dezember 2014, zu bezahlen. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden, der ihr aus dem Unfall/Hufschlag vom 28. Juli 2014 am M., M., … K., entsteht, zu ersetzen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 7.670,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
25
Die offene Teilklage vom 2. November 2015 wurde den Beklagten zu 1) bis 5) jeweils am 12. November 2015 zugestellt.
26
Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2017 erklärte der Klägervertreter die Klage hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruches der Klägerin im Klageantrag Ziff. 1 in Höhe eines Betrages von 100.000,00 € für teilweise erledigt.
27
Die Beklagtenvertreterin zu 3) und 4) widersprach zunächst der Teilerledigungserklärung hinsichtlich der Zahlung über 100.000,00 €. Im Termin vom 15. Februar 2018 erklärte sie, der teilweisen Erledigungserklärung der Klägerin gemäß Schriftsatz vom 5. Dezember 2017 zuzustimmen.
28
Weiterhin erweiterte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2017 die Klage wie folgt:
„I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für einen Haushaltsführungsschaden in dem Zeitraum vom 16. Dezember 2014 bis zum 31. Oktober 2017 einen Betrag in Höhe von 60.580,29 € netto, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für einen Haushaltsführungsschaden (netto) vierteljährig, beginnend ab dem 1. November 2017, jeweils am 1. November, am 1. Februar, am 1. Mai und am 1. August eines jeden Jahres, einen Betrag in Höhe von jeweils 5.260,92 € netto zu bezahlen.
III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für Glasauge-, Augenbrauen-, Hand-, Fuß- und Schminkpflege in dem Zeitraum vom 16. Dezember 2014 bis zum 31. Oktober 2017 einen Betrag in Höhe von 6.909,85 € netto, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, zu bezahlen.
IV. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für Glasauge-, Augenbrauen-, Hand-, Fuß- und Schminkpflege vierteljährlich, beginnend ab dem 1. November 2017, jeweils am 1. November, am 1. Februar, am 1. Mai und am 1. August eines jeden Jahres, einen Betrag in Höhe von jeweils 600,06 € netto zu bezahlen.
V. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für eine Begleitperson in dem Zeitraum vom 16. Dezember 2014 bis zum 31. Oktober 2017 einen Betrag von 36.812,02 € netto, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, zu bezahlen.
VI. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für eine Begleitperson vierteljährlich, beginnend ab dem 1. November 2017, jeweils am 1. November, am 1. Februar, am 1. Mai und am 1. August eines jeden Jahres, einen Betrag in Höhe von jeweils 3.169,83 € netto zu bezahlen.
VII. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für eine Begleitperson im Urlaub und für die Jahre 2015 und 2016 einen Betrag in Höhe von 5.768,32 € netto, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
VIII. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für eine Begleitperson im Urlaub jährlich, beginnend ab dem 1. Juni 2018, jeweils am 1. Juni eines jeden Jahres, einen Betrag in Höhe von jeweils 8.120,02 € zu bezahlen.
IX. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für Verdienstausfall in dem Zeitraum vom 28. Juli 2014 bis zum 30. November 2017 einen Betrag in Höhe von 64.522,69 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, zu bezahlen.
X. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für Krankenversicherungsbeiträge in dem Zeitraum vom Januar 2017 bis Oktober 2017 einen Betrag in Höhe von 4.242,61 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, zu bezahlen.
XI. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 7.670,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, zu bezahlen.
XII. 1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin die Steuerbeträge als Gesamtschuldner zu 100% zu ersetzen, um die sich die Steuerlast der Klägerin in Folge der unter Ziff. IX des Urteilstenors ausgeurteilten Zahlung erhöht.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin auf Nachweis den Mehraufwand für Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zu 100% zu ersetzen, um die sich die dem Urteilstenor/Zahlungsbetrag zu Ziff. II, IV, VI, VIII, zugrundeliegenden Nettozahlungen erhöhen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin die jährlichen und üblichen Kosten für die Inanspruchnahme eines Steuerberaters und zur Erstellung der Jahressteuererklärung zu 100% zu erstatten.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jedweden weiteren vergangenen und zukünftigen materiellen Schaden zu 100% zu ersetzen, welcher dieser aus dem Unfallereignis vom 28. Juli 2014 am M., M., … K., entstanden ist und noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger, Sozialhilfeträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen.
XIII. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeld, wenigstens weitere 300.000,00 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15. Dezember 2014, zu bezahlen. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden, der ihr aus dem Unfallereignis vom 28. Juli 2014 am M., M., … K., entsteht, zu 100% zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger, Sozialhilfeträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen.
29
Die Klageerweiterung vom 5. Dezember 2017 wurde den Beklagtenvertretern zu 3) und 4) am 14. Dezember 2017 und dem Beklagtenvertreter zu 1), 2) und 5) am 18. Dezember 2017 zugestellt.
30
Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2021 erklärte der Klägervertreter den Klageantrag zu XIII. gemäß Schriftsatz vom 5. Dezember 2017 in Höhe von 50.000,00 € für teilweise erledigt.
31
Die Beklagten schlossen sich dieser Erklärung im Termin vom 14. Juni 2021 an.
32
Die Beklagten zu 1) bis 5) beantragten erstinstanzlich,
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Die Beklagten zu 1), 2) und 5) behaupteten erstinstanzlich, dass der Beklagte zu 1) den Weg berechtigt und langsam befahren habe. Er sei zunächst ca. 20 km/h gefahren. Als er die Klägerin und das Pferd in einer Entfernung von 200 Metern erstmals gesehen habe, habe er die Geschwindigkeit bei Annäherung und Vorbeifahrt an der Zufahrt auf ca. 10 km/h reduziert. Als er sich der Zufahrt mit dem Pferd und der Klägerin genähert habe, habe er auf Schrittgeschwindigkeit abgebremst. Der Lkw sei so langsam gefahren, dass er keinen Staub aufgewirbelt habe und die Reifen auch keine Steine weggeschleudert hätten. Bei der Anfahrt habe sich allenfalls wenig Staub entwickelt. Bei der Vorbeifahrt sei gar kein Staub aufgewirbelt worden. Bei der Vorbeifahrt an der Zufahrt zum Hof habe der Abstand zwischen Lkw und Pferd ca. 10 Meter betragen.
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Die Klägerin habe das Pferd, kurz bevor der Lkw auf Höhe der Zufahrt ankam, wieder in Richtung des Lkw umgedreht. Das Pferd sei aufgrund der Führung in unterschiedliche Richtungen und der ihm nicht vertrauten Person irritiert gewesen. Allein deshalb habe es die Flucht in den vertrauten Stall angetreten. Es habe sich plötzlich umgedreht und die Klägerin ein Stück mitgeschleift. Das Pferd sei nicht aufgestiegen und habe auch nicht ausgeschlagen. Die Klägerin habe die Zügel des Pferdes, bevor sie dieses umgedreht habe, extra eng an sich genommen und um die Hand geschlungen. Hierdurch bedingt sei die Klägerin mitgeschleift worden und hierbei habe erst die Verletzung entstehen können. Die Klägerin sei beim Mitschleifen vom Huf des Pferdes getroffen worden. Hätte die Klägerin die Trense wie üblich nur locker in der Hand gehalten und nicht um die Hand gewickelt gehabt, wäre sie nicht auf den Boden gefallen und mitgeschleift worden und hätte keine Verletzungen erlitten. Hierfür spreche auch die Beschädigung des Zaumzeugs.
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Es habe damit nach Ansicht der Beklagten zu 1), 2) und 5) zwar ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Vorbeifahrt des Lkw und dem Verhalten des Tieres bestanden. Eine Ursächlichkeit könne hieraus jedoch nicht hergeleitet werden. Selbst bei Annahme einer Mitursächlichkeit trete die Betriebsgefahr des Lkw vollständig hinter das erhebliche Verschulden der Klägerin durch das unsachgemäße Führen und Festhalten der Leine zurück. Den Beklagten zu 1) treffe auch kein Verschulden. Vielmehr beruhe der Unfall auf der Tiergefahr des Pferdes einerseits und dem schuldhaften Verhalten der Klägerin andererseits. Es stehe noch nicht einmal fest, dass das Pferd auf den Lkw reagiert habe. Laut dem tierärztlichen Sachverständigen habe das Pferd keinerlei Schreckreaktion vor Maschinen gezeigt. Des Weiteren müsse sich die Klägerin nach Ansicht der Beklagten zu 1), 2) und 5) durch die vereinbarte Reitbeteiligung die Tierhalterhaftung nach § 833 BGB anrechnen lassen. Die Tiergefahr sei der Klägerin vollständig zuzurechnen.
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Wegen den weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
37
Das Landgericht hat umfassend Beweis erhoben. Es hat 15 Zeugen vernommen (vgl. Zusammenstellung auf S. 83 des angegriffenen Urteils unten) sowie sieben verschiedene Sachverständige Gutachten erstatten lassen (pferdekundlich, unallanalytisch, rechtsmedizinisch, augenfachärztlich, HNOärztlich, gynäkologisch und nervenärztlich), wobei sämtliche Sachverständige auch mündlich angehört wurden (vgl. Zusammenstellung auf S. 84 f. des angegriffenen Urteils).
38
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 1. Oktober 2021 wie folgt entschieden:
I. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für einen Haushaltsführungsschaden in dem Zeitraum vom 16. Dezember 2014 bis zum 31. Oktober 2017 einen Betrag in Höhe von 42.103,05 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19. Dezember 2017 zu bezahlen.
II. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für einen Haushaltsführungsschaden (netto) vierteljährlich, beginnend ab dem 1. November 2017, jeweils am 1. November, am 1. Februar, am 1. Mai und am 1. August eines jeden Jahres, einen Betrag in Höhe von jeweils 3.490,11 € netto zu bezahlen.
III. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für Glasaugen-, Augenbrauen-, Hand-, Fuß- und Schminkpflege in dem Zeitraum vom 16. Dezember 2014 bis zum 31. Oktober 2017 einen Betrag in Höhe von 5.118,41 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 19. Dezember 2017 zu bezahlen.
IV. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für Glasaugen-, Augenbrauen-, Hand-, Fuß- und Schminkpflege vierteljährlich, beginnend ab dem 1. November 2017, jeweils am 1. November, am 1. Februar, am 1. Mai und am 1. August eines jeden Jahres, einen Betrag in Höhe von jeweils 444,48 € netto zu bezahlen.
V. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für eine Begleitperson in dem Zeitraum vom 16. Dezember 2014 bis zum 31. Oktober 2017 einen Betrag von 25.517,00 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 19. Dezember 2017 zu bezahlen.
VI. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für eine Begleitperson (ohne Urlaub) vierteljährlich, beginnend ab dem 1. November 2017, jeweils am 1. November, am 1. Februar, am 1. Mai und am 1. August eines jeden Jahres, einen Betrag in Höhe von jeweils 2.215,95 € netto zu bezahlen.
VII. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für eine Begleitperson im Urlaub für die Jahre 2016 und 2017 einen Betrag in Höhe von 3.332,00 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 19. Dezember 2017 zu bezahlen.
VIII. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für eine Begleitperson im Urlaub vierteljährlich, beginnend ab dem 1. Juni 2018, jeweils am 1. Juni, am 1. September, am 1. Dezember und am 1. März eines jeden Jahres, einen Betrag in Höhe von jeweils 475,98 € netto zu bezahlen.
IX. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin als Ersatz für Verdienstausfall für die Tätigkeiten als Flugbegleiterin und Krankenschwester in dem Zeitraum vom 28. Juli 2014 bis zum 30. November 2017 einen Betrag in Höhe von insgesamt 37.034,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19. Dezember 2017 zu bezahlen.
X. 1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 5) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin die Steuerbeträge zu 100% zu ersetzen, um die sich die Steuerlast der Klägerin in Folge der unter Ziff. IX des Urteilstenors ausgeurteilten Zahlung erhöht.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 5) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin auf Nachweis den Mehraufwand für Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zu 100% zu ersetzen, um die sich die dem Urteilstenor/Zahlungsbetrag zu Ziff. II, IV, VI, VIII, zugrundeliegenden Nettozahlungen erhöhen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 5) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin die jährlichen und üblichen Kosten für die Inanspruchnahme eines Steuerberaters und zur Erstellung der Jahressteuererklärung zu 100% zu erstatten.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 5) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jedweden weiteren vergangenen und zukünftigen materiellen Schaden zu 100% zu ersetzen, welcher dieser aus dem Unfallereignis vom 28. Juli 2014 am M., M., … K., entstanden ist und noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht kraft Gesetzes auf Sozialversicherungsträger, Sozialhilfeträger oder sonstige Dritte übergegangen sind, übergehen bzw. übergehen werden.
XI. 1. Die Beklagten zu 1) bis 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin über das bereits bezahlte Schmerzensgeld hinaus ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 250.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15. Dezember 2014 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 5) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden, der ihr aus dem Unfallereignis vom 28. Juli 2014 am M., M., … K., zukünftig entsteht und der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2021 noch nicht objektiv vorhersehbar war, mit dem also noch nicht ernstlich zu rechnen war, zu 100% zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger, Sozialhilfeträger oder sonstige Dritte übergegangen sind, übergehen bzw. übergehen werden.
XII. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Das Gericht erster Instanz hat eine vollständige Haftung sämtlicher Beklagten bejaht und stützte diese hinsichtlich des Beklagten zu 1) auf § 18 Abs. 1 StVG, hinsichtlich der Beklagten zu 2) auf § 115 VVG i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG, hinsichtlich der Beklagten zu 5) auf § 7 Abs. 1 StVG und hinsichtlich der Beklagten zu 3) und 4) auf § 833 Abs. 1 BGB.
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In tatsächlicher Hinsicht hat sich das Landgericht auf der Grundlage seiner umfassenden Beweisaufnahme, insbesondere unter sachverständiger Auswertung des im Lkw befindlichen Tachografen, davon überzeugt, dass der Beklagte zu 1) die Geschwindigkeit des Lkw bereits rund 25 Meter vor der Unfallstelle auf nur noch 9 km/h reduziert hatte und bei der Vorbeifahrt an dem Pferd wegen einer beginnenden Steigung Gas gab und auf 15 km/h beschleunigte. Der Abstand des Kopfs des Pferds zum vorbeifahrenden Lkw habe dabei rund fünf Meter betragen. Das Landgericht kam zu dem Schluss, dass dem Beklagten zu 1) damit kein unfallursächlicher Geschwindigkeitsverstoß, kein unfallursächlicher Verstoß gegen § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 StVO wegen nicht ausreichenden Seitenabstands beim Vorbeifahren und auch kein unfallursächliches verbotswidriges Befahren des M. anzulasten ist. Das Landgericht bejahte aber gleichwohl eine Haftung des Beklagten zu 1) und vertrat dazu die Ansicht, der Beklagte zu 1) hätte aufgrund der gegebenen Gesamtumstände in ausreichendem Abstand zum Pferd anhalten und mit der Weiterfahrt abwarten müssen, bis die Klägerin den Weg in Richtung Hofstelle mit dem geführten Pferd komplett verlassen hat. Im Nichtanhalten liegt nach der Wertung des Erstgerichts ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO, was wiederum ein Verschulden des Beklagten zu 1) begründe.
41
Ferner war das Erstgericht der Ansicht, dass die Vorbeifahrt des Lkw ursächlich für das leichte Steigen und das fluchtartige Davonrennen des Pferdes und damit für den Hufschlag ins Gesicht der Klägerin, der die Verletzungen auslöste, war. Der Vorfall habe sich damit bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs gemäß § 7 Abs. 1 StVG ereignet, so dass die Beklagte zu 5) als Halterin den entstandenen Schaden ersetzen müsse und eine akzessorische Haftung der Beklagten zu 2) nach § 115 VVG eingreife. Das Erstgericht verneinte neben der Tierhalterstellung i. S. d. § 833 BGB der Klägerin auch deren Tierhütereigenschaft i. S. d. § 834 BGB mangels einer entsprechenden Selbständigkeit sowie jegliches weiteres Mitverschulden durch den Umgang mit dem Pferd sowie durch das Führen des Pferdes auf dem Unfallweg und ohne die Beklagten zu 3) oder 4).
42
Gegen dieses der Klägerin und den Beklagten zu 1), 2) und 5) am 1. Oktober 2021 zugestellte Urteil legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2021, Eingang bei Gericht am gleichen Tag, und die Beklagten zu 1), 2) und 5) mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2021, Eingang bei Gericht am gleichen Tag, Berufung ein, welche sie jeweils am 3. Januar 2022 fristgemäß begründeten.
43
Die Klägerin hat ihre Berufung im Termin vom 4. Juli 2024 zurückgenommen.
44
Die Berufung der Beklagten zu 1), 2) und 5) zielt auf eine vollständige Klageabweisung gegen die Beklagten zu 1), 2) und 5). Sie rügen einen Verstoß gegen Artikel 101 Abs. 1 GG sowie eine unvollständige und unrichtige Tatsachenfeststellung. Weiter tragen sie vor, dass kein Verschulden des Beklagten zu 1) vorliege und auch keine Haftung aus Betriebsgefahr. Des Weiteren rügen die Beklagten zu 1), 2) und 5) die Höhe des Schmerzensgeldes als zu hoch bemessen.
45
Die Beklagten zu 1), 2) und 5) haben in der Berufungsinstanz beantragt,
das Urteil des Landgerichts Amberg vom 1. Oktober 2021, Az. 24 O 1019/15, aufzuheben und die Klage gegen die Beklagten zu 1), 2) und 5) abzuweisen.
46
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung der Beklagten zu 1), 2) und 5) zurückzuweisen.
47
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungen und Berufungserwiderungen Bezug genommen.
48
Der Senat hat die Klägerin und die Beklagten zu 3) und 4) informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R. und J.. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 4. Juli 2024 (Bl. 1912 ff. der Akte) Bezug genommen.
49
Die zulässige Berufung des Beklagten zu 1) ist begründet. Die Berufungen der Beklagten zu 2) und 5) sind unbegründet. Es ist insbesondere kein Verstoß des Erstgerichts gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG gegeben. Eine ergänzende Anhörung des technischen und tiermedizinischen Sachverständigen – wie von den Beklagten zu 1), 2) und 5) beantragt – war nicht veranlasst.
50
1. Das Landgericht hat nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen.
51
a) Der Vorsitzende der Kammer war ab 16. Juli 2021 Direktor des Amtsgerichts Tirschenreuth und mit 2% seiner Arbeitskraft rückabgeordnet ans Landgericht Amberg. Laut dem am 14. Juli 2021 geänderten Geschäftsverteilungsplan war geregelt, dass er nur für das hiesige Verfahren Vorsitzender der 24. Kammer bleiben sollte. Im Übrigen scheide er aus der Zivilkammer aus.
52
b) Mit dieser Regelung liegt keine unzulässige Ausnahmebesetzung nach Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG oder eine Umgehung von Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG durch die Abordnung vor, wie die Beklagten zu 1), 2) und 5) rügen.
53
Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet Ausnahmegerichte. Hierunter versteht man die Errichtung von Gerichten, die in willkürlicher Abweichung von der im Übrigen für vergleichbare Fälle bestehenden gesetzlichen Zuständigkeit besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter oder individuell bestimmter Fälle berufen sind (so schon BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 1953 – 1 BvR 335/51, Rn. 34). Vorliegend war es jedoch gerade nicht so, dass das Gericht besonders gebildet wurde, um über den Einzelfall zu entscheiden, sondern über die Abordnung sollte vielmehr nur ein Fortbestehen des bei Zuteilung zuständigen gesetzlichen Richters gewährleistet werden.
54
c) Die Beklagten zu 1), 2) und 5) berufen sich bei ihrer Argumentation auf das Urteil des BGH vom 5. Juni 1985 (VIII ZR 135/84). Die dortige Fallkonstellation ist mit der hiesigen jedoch nicht vergleichbar. In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um einen Hilfsrichter, der aufgrund Beförderungssperre keine Planstelle bekommen hatte und nur deswegen weiterhin als Hilfsrichter an dem Verfahren mitwirkte. Der BGH hegte hier die Besorgnis, dass der nicht verplante Richter nicht ausreichend unabhängig sei und damit auch die Unabhängigkeit des Spruchkörpers an sich gefährdet sei. Diese Gefahr bestand bei dem zum Direktor des Amtsgerichts Tirschenreuth ernannten Vorsitzenden Richter im hiesigen Fall nicht. An dessen Unabhängigkeit bestehen keine Zweifel. Dass sog. „Rückabordnungen“ seitens des BGH keinen grundsätzlichen Bedenken begegnen, zeigt z. B. auch der Beschluss des BGH vom 10. Dezember 2008 (1 StR 322/08). In diesem Beschluss führt der BGH aus, dass eine Rückabordnung (im dortigen Fall eines Vorsitzenden Richters am OLG ans LG) zulässig sei, wenn die Voraussetzungen des § 37 DRiG vorliegen. Dies war im hiesigen Fall gegeben. Es lag die Zustimmung des Richters vor, § 37 Abs. 1 DRiG, und die Abordnung war auf eine bestimmte Zeit ausgesprochen, § 37 Abs. 2 DRiG. Auch eine Teilabordnung ist laut der genannten BGH-Entscheidung möglich.
55
Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 GG läge außerdem nur bei willkürlicher Verletzung vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine Maßnahme sich so weit vom Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht mehr gerechtfertigt werden kann (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 2020 – 1 BvR 1750/19, juris Rn. 11; Beschluss vom 14. Mai 1968 – 2 BvR 544/63, juris Rn. 122). Davon kann vorliegend keine Rede sein; denn durch die Rückabordnung und die Regelung in der Geschäftsverteilung wird gerade die Kontinuität des ursprünglich berufenen Spruchkörpers gewahrt und dem einmal bestimmten gesetzlichen Richter seine Zuständigkeit belassen. Die Schutzzwecke des Art. 101 Abs. 1 GG sind damit nicht gefährdet. Vielmehr ist eine derartige Kontinuität sogar gewollt, wie § 21e Abs. 4 GVG zeigt (Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 21e Rn. 149).
56
d) Im Übrigen würde sich ein gedachter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG in der Berufungsinstanz nicht auswirken, da eine neue Tatsacheninstanz gegeben ist.
57
2. Eine nochmalige Anhörung des technischen (unfallanalytischen) und des tiermedizinischen (pferdekundlichen) Sachverständigen – wie von den Beklagten zu 1), 2) und 5) beantragt – war nicht veranlasst. Beide Sachverständige wurden schon erstinstanzlich mündlich angehört, wobei für alle Prozessbeteiligten Gelegenheit bestand, ergänzende Fragen an diese zu richten.
58
Die Beklagten zu 1), 2) und 5) haben in der ersten Instanz keine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen beantragt. Sie tragen in ihrer Berufungsbegründung im Zusammenhang mit dem gestellten Antrag (S. 4 f. der Berufungsbegründung vom 3. Januar 2023) weder konkrete Tatsachenbehauptungen vor, zu denen sie die Sachverständigen ergänzend hören wollen, noch legen sie dar, dass es ihnen um Erkenntnisse oder Fragen geht, die sich erst später ergeben haben (vgl. Bl. 1742 der Akte). Für den Senat ist nach eigener Sachprüfung nicht ersichtlich, welche maßgeblichen Punkte, die einer vertiefenden Begutachtung zugänglich wären, bei der in erster Instanz erschöpfend vorgenommenen Begutachtung offengeblieben sind.
59
3. Die Berufung des Beklagten zu 1) ist begründet, sie führt zur Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 1). Eine Haftung des Beklagten zu 1) nach § 18 Abs. 1 StVG besteht nicht.
60
Zwar wird ein Verschulden des Fahrzeugführers nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG zunächst vermutet. Jedoch ist diese Vermutung vorliegend widerlegt.
61
a) Das Landgericht hat sich auf der Grundlage einer umfassenden Beweisaufnahme nachvollziehbar davon überzeugt, dass der Beklagte zu 1) die Geschwindigkeit des Lkw bereits rund 25 m vor der Unfallstelle auf nur noch 9 km/h reduziert hatte und bei der Vorbeifahrt an dem Pferd wegen einer beginnenden Steigung Gas gab und auf 15 km/h beschleunigte. Der Abstand des Kopfs des Pferds zum vorbeifahrenden Lkw habe dabei rund fünf Meter betragen. Die diesbezügliche Beweiswürdigung ist auch aus Sicht des Senats uneingeschränkt nachvollziehbar und überzeugend. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil Bezug. Hervorzuheben ist, dass die Ermittlung der gefahrenen Geschwindigkeit auf der Basis der vorhandenen Tachografen-Aufzeichnung extrem genau und zuverlässig war, auch hinsichtlich der räumlichen Zuordnung über sog. Koppelungspunkte (vgl. dazu im Einzelnen die sehr gut nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. ab S. 15 des Protokolls vom 16. Februar 2018, Bl. 497 der Akte).
62
b) Das Landgericht kam zu dem Schluss, dass dem Beklagten zu 1) damit kein unfallursächlicher Geschwindigkeitsverstoß, kein unfallursächlicher Verstoß gegen § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 StVO wegen nicht ausreichenden Seitenabstands beim Vorbeifahren und auch kein unfallursächliches verbotswidriges Befahren des M. anzulasten ist.
63
Auch diese rechtlichen Folgerungen teilt der Senat uneingeschränkt:
64
aa) Die festgestellte sehr niedrige Geschwindigkeit war nicht nur allgemein zulässig, sondern auch situativ angemessen angepasst. Anzumerken ist, dass – wie vom Sachverständigen Prof. Dr. B. nachvollziehbar ausgeführt (S. 18 des Protokolls vom 16. Februar 2018, Bl. 500 der Akte) – ein noch langsameres Vorbeifahren mit echter Schrittgeschwindigkeit (5 km/h) deutlich höhere Geräuschemissionen zur Folge gehabt hätte und deshalb keine (vorteilhafte) Veränderung des Pferdeverhaltens hätte herbeiführen können. Die Beschleunigung des Lkw von 9 auf 15 km/h an der beginnenden Steigung des Weges war derart moderat, dass sie nicht als vorwerfbar unangepasste Geschwindigkeitserhöhung bewertet werden kann, auch wenn sie zu einer gewissen Veränderung von Geräusch- und Rauchentwicklung am Lkw geführt haben wird.
65
bb) Der Seitenabstand war ebenfalls ausreichend. Ausgehend von der vom Landgericht festgestellten Entfernung des Kopfes von fünf Metern vom vorbeifahrenden Lkw musste der Abstand der Hinterläufe mindestens zwei Meter betragen haben (ausgehend von einer Kopf-Rumpf-Länge von maximal drei Metern selbst bei großen Pferden), je nach konkreter Ausrichtung des Pferdes relativ zur Straße auch deutlich mehr. Damit war der grundsätzlich erforderliche Seitenabstand bei Vorbeifahrt an einem Pferd jedenfalls eingehalten (vgl. etwa OLG Celle, Urteil vom 10. April 2018 – 14 U 147/17, juris Rn. 23: Abstand von 1,5 bis 2,0 m).
66
Auch aus dem Befahren der nur für Anlieger freigegebenen Straße lässt sich vorliegend kein Verschulden des Beklagten zu 1) am streitgegenständlichen Unfall ableiten. Zum einen spricht viel dafür, dass der Beklagte zu 1) Anlieger war, da die Straße den direkten Weg zur Baustelle, die er anfahren sollte, darstellte. Selbst wenn man dies aber verneinen wollte, fällt die Vermeidung des Unfalls jedenfalls nicht in den Schutzbereich dieser Regelung. Die Vermeidung eines Unfalls war nicht Schutzzweck der Beschränkung auf Anliegerverkehr. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Unfälle mit Reitern und Pferden, nachdem auf dem M. das Reiten absolut untersagt war (auch für Anlieger), aber nicht jeglicher Verkehr Fahrzeugen verboten, auch nicht jeglicher Lkw-Verkehr auf der Straße.
67
b) Anders als vom Landgericht angenommen bestand aber für den Beklagten auch keine straßenverkehrsrechtliche Pflicht, den Lkw (in ausreichendem Abstand) anzuhalten.
68
Grundsätzlich darf an einem Pferd – unter Einhaltung eines angemessenen Seitenabstands – vorbeigefahren werden. Zwar kann selbst bei einem als wenig schreckhaft und verkehrssicher auf einer Bundesstraße eingeschätzten Pferd im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass dieses gleichwohl vor einem vorbeifahrenden Auto erschrickt (Ausführung des Sachverständigen Dr. B. auf Bl. 495 der Akte, oben), wobei schon ein objektiv geringer Reiz wie etwa ein von einem Fahrzeug ausgehender Schattenwurf oder eine Spiegelung der Sonne die Fluchtreaktion des Pferdes auslösen kann (Ausführung des Sachverständigen Dr. B. auf Bl. 495 der Akte, unten). Allein der Umstand, dass dieses tierspezifische Verhalten im Straßenverkehr selbst bei einem sehr gefestigten Tier nie vollständig ausgeschlossen werden kann, kann aber keine straßenverkehrsrechtliche Pflicht begründen, jegliches Vorbeifahren an Pferden zu unterlassen. Dem steht schon wertungsmäßig entgegen, dass man Pferde nicht grundsätzlich als straßenverkehrsuntauglich einschätzt. Dann muss aber das Vorbeifahren an derartigen Pferde auch möglich sein.
69
Damit kann sich aus dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall die Notwendigkeit ergeben, das Fahrzeug mit größerem Abstand von dem Tier (zunächst) anzuhalten. Dies mag in Betracht kommen, wenn das Tier sich in wechselnde Richtungen unruhig hin und her bewegt oder der Reiter oder Pferdeführer dem Fahrer etwa durch Handzeichen deutlich macht, dass ein Anhalten geboten ist, weil es sich beispielsweise um ein, wie dem Reiter oder Pferdeführer bekannt ist, besonders schreckhaftes Tier handelt.
70
Hier war aber nichts dergleichen der Fall. Das Pferd verhielt sich auch bei Annährung des Lkw zunächst unauffällig. Auch die Klägerin gab dem Beklagten zu 1) nicht zu verstehen, dass es ein Problem geben könnte. Nachdem sie den Blick in Richtung des herannahenden Lkw gewendet und diesen erkennbar wahrgenommen hatte, ohne irgendwelche warnenden Gesten, durfte der Beklagte zu 1) davon ausgehen, dass es auch für die das Pferd führende Person, die Klägerin, keinen etwa im Naturell des geführten Pferdes liegenden besonderen Grund gab, den Lkw anzuhalten. Allein die Tatsache, dass die Klägerin mit dem Pferd kehrt machte und sich mit diesem in die Hofeinfahrt begab, reicht nicht aus, um vom Beklagten zu 1) erwarten zu können, dass dieser anhält, um sich mit der Klägerin über das weitere Vorgehen zu verständigen oder ihr die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Pferd noch weiter zu entfernen.
71
Ein Anhaltegebot lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass der Beklagte zu 1) keinen Pkw, sondern einen Lkw bewegte. Diesem Umstand hat der Beklagte zu 1) mit der sehr deutlichen Reduzierung der Geschwindigkeit bereits in deutlicher Entfernung zum Pferd jedenfalls hinreichend Rechnung getragen.
72
4. Die Berufung der Beklagten zu 2) und 5) ist dagegen unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen.
73
Das Erstgericht hat sich zu Recht eine Überzeugung davon gebildet, dass das Vorbeifahren des Lkw ursächlich für den Unfall war und eine vollständige Haftung der Beklagten zu 2) und 5) nach § 7 Abs. 1 StVG aus der Betriebsgefahr des Lkw angenommen.
74
a) Der Unfall ereignete sich „bei Betrieb“ des Lkw.
75
aa) Zwar handelt es sich vorliegend um einen sog. „berührungslosen Unfall“, bei dem die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Kausalität stellt und der BGH wiederholt betont hat, dass die bloße Anwesenheit des Fahrzeugs am Unfallort nicht ausreiche, sondern vielmehr erforderlich sei, dass die Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zum Entstehen des Unfalls beigetragen haben, um das Merkmal „bei Betrieb“ bejahen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2010 – VI ZR 263/09, juris Rn. 5; Urteil vom 22. November 2016 – VI ZR 533/15, juris Rn. 14).
76
bb) Diese Voraussetzungen liegen im hiesigen Fall jedoch vor. Hier hat das – dem Fahrzeugführer nicht als Pflichtverletzung vorwerfbare (vgl. oben II. 3 b) – Vorbeifahren des Beklagtenfahrzeugs zur Überzeugung des Erstgerichts und auch des Senats zum Entstehen des Unfalls beigetragen.
77
(1) Sowohl die Klägerin als auch insbesondere der Beklagte zu 1) und der Zeuge R. schildern einen klaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Vorbeifahren des Lkw und dem Unfall.
78
Die Klägerin hat in ihrer informatorischen Anhörung erstinstanzlich nur angegeben, dass sie den Lkw wahrgenommen habe und noch gedacht habe, dass sie der Situation ausweichen könne, indem sie mit R. zur Hofeinfahrt zurückkehrt. An den Unfall im Übrigen habe sie keine Erinnerung (vgl. Bl. 446 der Akte).
79
Der Beklagte zu 1) hat in seiner informatorischen Anhörung erstinstanzlich angegeben, dass er die Klägerin, ihren Begleiter und das Pferd gesehen und bereits in einer Entfernung von etwa 50 m auf 10 km/h herabgebremst habe. Er sei in der Kurve an den Personen vorbeigefahren. In diesem Moment habe er die Personen nicht gesehen, vermutlich seien diese im toten Winkel gewesen. Als er sodann in den Seitenspiegel gesehen habe, habe die Klägerin am Boden gelegen (Bl. 447 der Akte).
80
Der Zeuge R. hat in seiner Vernehmung erstinstanzlich ausgesagt, dass das Pferd fluchtartig nach vorne weggelaufen sei, als der Lkw vorbeigefahren sei (Bl. 459 der Akte).
81
(2) Der tiermedizinische Sachverständige Dr. B. gelangte in seinem Gutachten trotz der Aussage, dass das Pferd auf Motorengeräusche nicht besonders schreckhaft reagiere (Bl. 490 der Akte), zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Lkw die Reaktion des Pferdes ausgelöst habe. Aus seiner Sicht gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Anreiz oder Auslöser für die Flucht des Pferdes durch die Pferdeführerin gesetzt wurde (Bl. 495 der Akte).
82
(3) Die Ausführungen des unfallanalytischen Sachverständigen Prof. Dr. B. bestätigen ebenfalls diese Annahme. Er hat dargelegt, dass es bei der Beschleunigung zu einer vermehrten Rauch- und Geräuschentwicklung gekommen sei, und eine Staubwolke etwa bis zur Oberkante der Reifen entstanden sei. Damit unterscheide sich die Situation bei dem Unfall von einer bloßen Annäherung motorisierter Gefährte, auf die das Pferd laut dem tiermedizinischen Sachverständigen nicht besonders empfindlich reagierte.
83
(4) Aufgrund des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme ist daher auch der Senat mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass das Vorbeifahren des Lkw – neben dem unmittelbar schadensverursachenden tierspezifischen Verhalten des Pferds – mitursächlich für den Unfall war.
84
Hervorzuheben ist, dass die entsprechende Überzeugungsbildung des Landgerichts wie auch des Senats sich nicht allein auf die Überlegungen des pferdekundlichen Sachverständigen und die von ihm bejahte „hohe Wahrscheinlichkeit“ dafür, dass das Vorbeifahren des Lkw die (tierspezifische) Fluchtreaktion ausgelöst hat, stützt, sondern auf die Gesamtschau der Beweisaufnahme und der Verhandlung im Übrigen, in welche auch etwa die informatorischen Angaben des Beklagten zu 1) und die Aussage des Zeugen R. einfließen sowie der Umstand, dass ein sonstiger Auslöser des Fluchtverhaltens des Pferdes nicht konkret ersichtlich ist. Insbesondere hat der pferdekundliche Sachverständige keinerlei Anhaltspunkte für ein eigenes Verhalten der Klägerin feststellen können, das in der konkreten Situation eine Fluchtreaktion des Tieres ausgelöst haben könnte.
85
Letztlich ist das Vorbeifahren des Lkw also sowohl in raum-zeitlicher Hinsicht als auch hinsichtlich seiner Eignung der derart konkret naheliegende Auslöser der pferdespezifische Fluchtreaktion, dass sich hiervon auch der Senat eine persönliche richterliche Gewissheit verschaffen kann, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass nach Ausführung des pferdekundlichen Sachverständigen Dr. B. schon ein objektiv geringer Reiz wie etwa ein von einem Fahrzeug ausgehender Schattenwurf oder eine von diesem ausgelöste Spiegelung der Sonne die Fluchtreaktion des Pferdes auslösen und dies auch durchaus bei einem Pferd möglich ist, das normalerweise wenig schreckhaft ist.
86
b) Diese Art der Unfallverursachung ist auch vom Schutzzweck der Norm des § 7 StVG umfasst. Die Gefährdungshaftung des § 7 StVG ist sehr weit gefasst und soll alle Unfälle erfassen, die durch die Gefahr des Kraftfahrzeugs als solchem mitverursacht wurden. Ob dies der Fall ist, muss in einer am Schutzzweck der Norm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. Hierbei ist eine weite Auslegung geboten (BGH, Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18, juris Rn. 8; Urteil vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13 –, BGHZ 199, 377-381, Rn. 5; Urteil vom 2. Juli 1991 – VI ZR 6/91, juris Rn. 10). Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (BGH, Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18, juris Rn. 8; Urteil vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13 –, BGHZ 199, 377-381, Rn. 5).
87
Vorliegend hat sich zur Überzeugung des Senats die Gefahr des Kraftfahrzeugs als solchem bei der Entstehung des Unfalls verwirklicht. Das Pferd hat laut dem Sachverständigen gescheut aufgrund der Geräuschentwicklung, der Staub- oder Rauchentwicklung oder weil das Pferd durch die Vorbeifahrt etwas geblendet hat oder ein Schattenwurf entstanden ist. Die Rauchwie auch die Geräusch- und Staubentwicklung, im unmittelbaren Umfeld der Straße aber auch Spiegelungen und Schattenwürfe, sind bei der gebotenen weiten Auslegung typische Gefahren eines motorisierten Gefährts. Eine eigenständige Gefahr, die durch die Klägerin gesetzt wurde, ist hingegen nicht ersichtlich. Vielmehr hat sich neben der hauptursächlichen Tiergefahr vorliegend auch die Betriebsgefahr des Lkw als Mitursache verwirklicht. Der Umstand, dass von einem Pferd im Straßenverkehr die weitaus größere Gefahr ausgeht als vom Betrieb eines Fahrzeugs als solchem, ist lediglich für die Haftungsquote im Verhältnis zwischen Tierhalter und Kraftfahrzeughalter relevant (vgl. etwa OLG Celle, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 14 U 94/02, juris Rn. 7; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 7. April 2011 – 12 U 6/11 –, juris Rn. 7), nicht jedoch für die Haftung des Kraftfahrzeughalters im Außenverhältnis zur Klägerin, die nicht Tierhalterin ist.
88
c) Ein Fall höherer Gewalt, § 7 Abs. 2 StVG, war nicht gegeben. Ob der Unfall ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG war, kann dahinstehen, weil kein Fall der Schadenverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge nach § 17 Abs. 1 oder 2 StVG gegeben ist und die Klägerin auch nicht Tierhalterin war (§ 17 Abs. 4 StVG).
89
d) Es ist auch kein Mitverschulden der Klägerin feststellbar.
90
aa) Ein Haftungsausschluss gegenüber den Beklagten zu 2) und 5) besteht – unabhängig von der Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses nach § 307 BGB – nicht. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus der Reitbeteiligung, denn dieser Vertrag entwickelt nur inter-partes-Wirkung.
91
bb) Entgegen den Ausführungen der Beklagten zu 2) und 5) ist der Klägerin die Tiergefahr nicht zuzurechnen. Eine solche Zurechnung ergibt sich zum einen nicht aus § 17 Abs. 4 StVG, der nur die Halter des Pferdes betrifft, die unstreitig nur die Beklagten zu 3) und 4) sind. Sie folgt aber auch nicht aus § 834 BGB. Dieser rechnet gerade nicht die Tiergefahr zu, sondern regelt nur das vermutete Verschulden (die Beklagten zu 2) und 5) berufen sich hier zu Unrecht auf BGH, Urteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, juris Rn. 21, da der BGH gerade nur die Verschuldensvermutung anwendet; vgl. zu dem Auseinanderfallen der Haftung von Tierhalter und Tierhüter auch Wagner in MüKo-BGB, § 834 Rn. 1).
92
cc) Die Klägerin muss sich vorliegend auch kein Mitverschulden aus vermutetem Aufsichtsverschulden anrechnen lassen.
93
Es ist keine Beweislastumkehr nach § 834 BGB gegeben.
94
(1) Zwar haften Tierhalter und Tieraufseher grundsätzlich gegenüber dem Kfz-Halter mit derselben Quote, da sie eine Zurechnungseinheit bilden (OLG Hamm, Urteil vom 25. April 2006 – 9 U 7/05, juris Rn. 24; Burmann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Auflage 2024, § 17 Rn. 28d).
95
Die Beweislastregel des § 834 BGB gilt zur Begrenzung der Tierhalterhaftung auch bei der Prüfung des Mitverschuldens der Geschädigten als Reiterin (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1992 – VI ZR 49/91, juris Rn. 21; Urteil vom 22. Dezember 1992 – VI ZR 53/92, juris Rn. 19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. Oktober 2008 – 9 U 75/07, juris Rn. 21 f.; OLG Nürnberg, Urteil vom 29. März 2017 – 4 U 1162/13, juris Rn. 40).
96
(2) Tieraufseher nach § 834 BGB ist, wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt. Nach seinem Wortlaut setzt § 834 BGB damit voraus, dass die Führung der Aufsicht gerade durch Vertrag übernommen worden ist. Dies kann auch im Rahmen einer sog. Reitbeteiligung geschehen. Die vertragliche Vereinbarung unterliegt dabei keiner bestimmten Form und kann damit auch mündlich erfolgen.
97
Für die Abgrenzung zu dritten Personen, die zwar mit dem Tier in Berührung kommen, aber deren Beziehung zu dem Tier nicht intensiv genug ist, um Tieraufseher zu sein, ist entscheidend, wie selbständig die Person agiert. Die Eigenschaft eines Tieraufsehers verlangt nämlich eine gewisse Selbständigkeit (vgl. Spickhoff in BeckOGK BGB, § 834 Rn. 6). Die Tieraufsehereigenschaft hat der BGH z. B. bejaht bei einer Person, die mit einem Pferd so ausreitet, dass der Tierhalter keine Einflussmöglichkeit mehr hat, sodass er davon ausgehen kann, dass der Reiter auch die Aufsicht über das Tier übernimmt (BGH, Urteil vom 30. September 1986 – VI ZR 161/85, juris Rn. 15). Das OLG Nürnberg hat die Tieraufsehereigenschaft in einem Fall bejaht, in dem die Geschädigte an den vereinbarten Reittagen selbständig mit dem Pferd geritten und sich auch sonst um das Pferd gekümmert habe, ihm also z. B. Leckerli gegeben und den Stall ausgemistet habe (OLG Nürnberg, Urteil vom 29.3.2017 – 4 U 1162/13, juris Rn. 40).
98
(3) Zur Überzeugung des Gerichts ist aber nicht nachgewiesen, dass die Klägerin zum Unfallzeitpunkt Tieraufseherin im Sinne des § 834 BGB war.
99
Für die genannte Frage gilt das strenge Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO, das die volle Überzeugung des Tatgerichts erfordert. Eine Überzeugungsbildung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO setzt zwar nicht eine mathematisch lückenlose Gewissheit voraus. Selbst nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO bedarf es keines naturwissenschaftlichen Kausalitätsnachweises und auch keiner an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2019 – VI ZR 164/18, juris Rn. 8). Allerdings darf sich der Tatrichter nicht mit einer bloßen, wenn auch erheblichen Wahrscheinlichkeit begnügen. Zwar kann die objektiv erhebliche Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Geschehens im Einzelfall zur Begründung der persönlichen Gewissheit des Tatrichters ausreichen, wenn dieser an sich mögliche Zweifel überwindet. Von der Erlangung der persönlichen Gewissheit des Richters von der Wahrheit darf jedoch nicht abgesehen werden. Hält der Tatrichter ein bestimmtes Geschehen selbst nur für hinreichend oder überwiegend wahrscheinlich, ohne sich dessen gewiss zu sein, kann dies für eine Überzeugungsbildung nur im Rahmen des – hier nicht in Rede stehenden – § 287 ZPO genügen, nicht aber im Anwendungsbereich des § 286 ZPO (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2019 – VI ZR 164/18, juris Rn. 8).
100
Vorliegend ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass im Unfallzeitpunkt zwischen den Beklagten zu 3) und 4) einerseits und der Klägerin andererseits eine Vereinbarung bestand, aufgrund derer die Klägerin ohne Einflussmöglichkeit der Tierhalter die Aufsicht über das Pferd übernehmen sollte. Es war nicht mit für eine Überzeugungsbildung hinreichender Sicherheit nachgewiesen, dass der Reitbeteiligungsvertrag schon vor dem 1. August 2014 gelten sollte. Ebensowenig konnte gesichert festgestellt werden, dass vorher eine mündliche Vereinbarung bestand, dass die Klägerin das Pferd ohne Anwesenheit der Beklagten zu 3) oder 4) führen durfte.
101
(a) Der Senat hat hierzu selbst nochmals ergänzend die daran beteiligten Parteien informatorisch angehört und die dazu benannten Zeugen R. und J. vernommen.
102
Der Beklagte zu 3) gab an, ihm sei wichtig gewesen, dass die Klägerin das Pferd am Anfang nur führe und zwar zunächst auch nur, wenn er dabei sei. Dies habe er auch gesagt, möglicherweise aber erst nach Vertragsunterzeichnung. Er hätte damals in fünf Minuten im Stall sein können und sei wegen Resturlaubs auch zuhause gewesen.
103
Auch hat die Beklagte zu 4) geschildert, es sei besprochen worden, dass die Beklagten zu 3) und 4) der Klägerin den restlichen Juli „schenken“, die Klägerin hierfür also nichts bezahlen müsse. Es sei vorgesehen gewesen, dass die Klägerin das Pferd zunächst nur führt und die Beklagten zu 3) und 4) vorher informiert werden, wenn die Klägerin auf den Hof fährt. Ob ausdrücklich darüber gesprochen worden sei, dass die Beklagten zu 3) und 4) dabei sein wollen, wenn die Klägerin das Pferd führt, konnte die Beklagte zu 4) nicht sicher sagen.
104
Die Klägerin selbst gab an, sie sei überrascht gewesen, dass es an diesem Tag bereits zum Abschluss einer Reitbeteiligung gekommen sei. Der Beklagte zu 3) habe gesagt, es brauche einen derartigen Vertrag, wenn sie R. reiten wolle. Sie habe den Vertrag dann unterschrieben, nachdem ihr die Beklagte zu 4) erklärt habe, dass der Vertrag erst ab August gelten solle und zuvor noch eine Kennenlernphase vorgesehen sei. Nach dem Verständnis der Klägerin sei es so gewesen, dass der Vertrag noch nicht bindend geschlossen worden sei, sondern nur für den Fall, dass sie in der Kennenlernphase feststelle, dass das mit dem Pferd und ihr passe. Es wäre aus ihrer Sicht aber auch nicht nötig gewesen, dass sie den Vertrag nochmal extra bestätigt, wenn sie mit R. einverstanden wäre. Dann hätte der Vertrag einfach gelten sollen. Für die Kennenlernphase sei vereinbart gewesen, dass die Klägerin das Pferd nur führe, nicht reite. Sie habe selbst angeboten, dass sie die Beklagte zu 4) informiere, wenn sie zum Pferd gehe. Es habe keine Äußerung der Beklagten zu 3) oder 4) gegeben, dass diese anwesend sein müssen, wenn die Klägerin das Pferd führt. Sie hätten darüber gesprochen, dass die Klägerin eher unter der Woche beim Pferd sein werde und die Beklagten am Wochenende, und die Klägerin dann auch nicht einfach am Wochenende kommen könne, um das Pferd zu führen. Zunächst habe sie die Kennenlernphase nur mit der Beklagten zu 4) besprochen, später hätten sie aber noch draußen auf der Bank gesessen und da habe sie dasselbe Thema auch noch mit dem Beklagten zu 3) besprochen. Die erste Rate für die Reitbeteiligung habe die Klägerin bereits am 25. Juli 2014 überwiesen, weil sie sich ungern nachsagen lasse, mit Zahlungen zu spät zu sein.
105
Der Zeuge R. gab an, dass er nicht mehr wisse, wer den Vertrag vorgelegt habe, auf jeden Fall die Beklagten zu 3) oder 4), und er sei zwischenzeitlich auch auf der Toilette gewesen. Als er zurückgekommen sei, sei der Vertrag bereits unterschrieben gewesen, was er als plötzlich empfunden habe. Zu den Gesprächen im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss wisse er nichts mehr, sei eben auch nicht durchweg im Zimmer gewesen. Vor Vertragsunterzeichnung habe der Beklagte zu 3) aber jedenfalls noch gesagt, der Vertrag gelte erst ab August. Es sei auch darüber gesprochen worden, dass die Klägerin das Pferd vor August nicht reite, sondern zum Kennenlernen nur führe. Die Klägerin sollte dazu vorher Bescheid geben. Der Zeuge habe angenommen, dass dies den Sinn gehabt habe, dass nicht andere gerade das Pferd nutzen, das sei mit diesem Inhalt aber nicht geäußert worden. Es sei zumindest nicht die Rede davon gewesen, dass die Beklagten zu 3) und 4) dabei sein müssen, wenn das Pferd von der Klägerin geführt wird.
106
Der Zeuge W. sagte aus, dass die Beklagten zu 3) und 4) ihm einen Tag nach dem Unfall berichtet hätten, dass die Reitbeteiligung erst ab August gelten sollte. Im Juli sollte nur eine Kennenlernphase stattfinden. Als er später den schriftlichen Vertrag mit Vertragsbeginn 13. Juli 2014 gesehen habe, habe er bei der Beklagten zu 4) nachgefragt und diese habe ihm mit der E-Mail vom 13. August 2014 (Anlage K 14) geantwortet. Sie habe ihm geschildert, dass für die Zeit vor dem 1. August 2014 nur ein Führen des Pferdes vereinbart gewesen sei und kein Reiten. Den Zeugen habe dies beruhigt, weil es ja ein Reitbeteiligungsvertrag sei, es also ums Reiten ginge und nicht ums Führen des Pferdes. Andernfalls habe er befürchtet, dass sich aus dem Vertrag eine Haftung der Klägerin ergeben könnte. Die Klägerin habe ihm geschildert, dass sie die Beklagten zu 3) und 4) nur informieren musste vor dem Führen. Die Klägerin habe nie davon gesprochen, dass die Beklagten zu 3) und 4) beim Führen anwesend sein wollen.
107
(b) Der Senat kann sich – wie das Landgericht – nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass der Reitbeteiligungsvertrag nach dem Willen der Parteien tatsächlich schon ab dem Tag der Vertragsunterzeichnung gelten sollte. Dafür spricht zwar das als Beginn der Reitbeteiligung in den Vertrag eingetragene Datum, das dem des Unterzeichnungstags entspricht. Dagegen spricht allerdings, dass ein Entgelt unstreitig erst für die Zeit ab 1. August 2014 vereinbart war und dass die Klägerin – ebenfalls unstreitig – das Pferd vor dem 1. August 2014 noch nicht reiten, sondern allenfalls führen durfte. Angesichts dessen ist die Aussage des Zeugen R., auch wenn dieser als Lebensgefährte der Klägerin ein Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits hat, nicht per se unglaubhaft, wonach der Beklagte zu 3) bei den Vertragsverhandlungen erklärt haben soll, der Vertrag solle erst ab August gelten. Dass der Beklagte zu 3) den Vertragsschluss mit dieser Erklärung verbunden hat, ist angesichts der geschilderten Gesamtumstände jedenfalls nicht zur Überzeugung des Senats widerlegt.
108
(c) Damit kommt als Grundlage für eine Tieraufseherstellung der Klägerin nur die im Raum stehende mündliche Absprache zum Führen des Pferdes im Zeitraum vom 13. bis 31. Juli 2014 in Betracht. Die für die Tieraufseherstellung erforderliche vertragliche Übernahme kann auch mündlich erfolgen, muss aber auch dann inhaltlich auf eine Selbständigkeit ausgerichtet sein, die eine Einflussmöglichkeit des Tierhalters ausschließt.
109
Der Senat konnte sich aber nicht hinreichend sicher davon überzeugen, dass vereinbart war, dass die Klägerin das Pferd auch in Abwesenheit der Beklagten zu 3) oder 4) führen durfte.
110
Die Angaben der Beteiligten sind im Detail widersprüchlich, teils auch von begrenzter Aussagekraft, weil nicht alle Personen bei den relevanten Gesprächen durchgängig anwesend waren. Soweit in den entscheidenden Punkten Widersprüche zwischen den Angaben bestehen, fehlt es an hinreichend sicheren Anhaltspunkten, anhand derer sich der Senat von der Richtigkeit der einen oder anderen Version mit der erforderlichen Sicherheit überzeugen könnte. Alle Beteiligten schilderten die Ereignisse ruhig und ohne innere Widersprüche. Letztlich steht die Aussage des Beklagten zu 3), er habe gesagt, dass er beim Führen des Pferdes anwesend sein wolle, gegen die Aussage der Klägerin, ein derartiger Wunsch sei nicht geäußert worden, wobei auch den Angaben der Klägerin allerdings nicht zu entnehmen ist, ob es die eindeutige positive Absprache gegeben hat, dass sie das Pferd vollkommen selbständig führen darf, sondern nur, dass sich der Beklagte zu 3) nicht ausdrücklich gegenteilig geäußert hat. Die Beklagte zu 4) konnte sich nicht erinnern, ob dies ausdrücklich Thema war, der Zeuge R. war nicht bei dem gesamten Gespräch dabei und der Zeuge W. konnte als Zeuge vom Hörensagen keine weiterführenden Angaben machen.
111
Insgesamt bleibt das Bild, dass für die Phase des Führens des Pferdes in der zweiten Julihälfte, vor Beginn des Reitens ab August 2014, nur eine diffuse mündliche Absprache zu einer Kennenlernphase existierte, bei welcher die Modalitäten des jedenfalls nur vorgesehenen Führens des Pferdes nicht in hinreichend klarer Weise festgelegt worden waren. Vor diesem Hintergrund konnte sich das Gericht keine Überzeugung davon bilden, dass die mündliche Absprache zur Kennenlernphase eine Übertragung der selbständigen Tieraufsicht frei von Einflussnahmemöglichkeiten der Beklagten zu 3) und 4) beinhaltete.
112
Die Beweislast dafür, dass die Klägerin Tieraufseherin war, trifft die Beklagtenseite (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. April 2022 – 7 U 55/21, juris Rn. 19).
113
dd) Der Klägerin konnte vorliegend auch kein konkretes schuldhaftes Verhalten im Umgang mit dem Pferd nachgewiesen werden. Weder konnte sich der Senat wie auch das Landgericht vorliegend eine Überzeugung davon bilden, dass die Klägerin den Zügel um die Hand gewickelt hatte, noch davon, dass ihr irgendein Fehlverhalten im Umgang mit dem Pferd vorzuwerfen ist.
114
ee) Aus dem Reitverbotsschild für die Straße lässt sich ebenfalls kein Verschulden herleiten. Dass der Klägerin das Reitverbotsschild unbekannt war und sie bei den wenigen Malen, die sie vor dem Unfall auf dem Reiterhof war, aus derjenigen Richtung zu diesem gefahren ist, aus welcher kein entsprechendes Schild angebracht ist, ist unstreitig. Ebenso unstreitig ist, dass die Klägerin auch zu keiner Zeit von den Beklagten zu 3) und 4) darüber informiert oder aufgeklärt worden war, dass am M. und im Bereich des gegenständlichen Hofes das Reiten oder Führen eines Pferdes verboten ist (vgl. Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, S. 8).
115
Ein entsprechendes Verbot dürfte für den fraglichen Bereich schon nicht wirksam angeordnet sein, da nicht an allen Zuwegungen ein entsprechendes Schild angebracht war. Selbst wenn trotz der aus einer Richtung fehlenden Beschilderung ein Verbot des Reitens und Führens von Pferden wirksam angeordnet gewesen sein sollte, hat die Klägerin diesbezüglich aber jedenfalls keine Sorgfaltspflicht verletzt und damit auch nicht fahrlässig gehandelt. Es besteht keine Sorgfaltspflicht des Inhalts, sich vor Nutzung eines Weges aus allen Richtungen zu vergewissern, ob und welche Anordnungen für die Nutzung des Weges durch Ge- oder Verbotsschilder getroffen sind. Die Klägerin war nicht gehalten, vor Erstbenutzung des Weges diesen aus sämtlichen in Betracht kommenden Zuwegungsrichtungen abzugehen, um abzusichern, ob es über die ihr bekannte Beschilderungssituation aus der von ihr bis dahin genutzten Zuwegungsrichtung hinaus keine abweichende Beschilderung zu Nutzungsbeschränkungen der Verkehrsfläche aus anderer Richtung gibt.
116
ff) Dass die Klägerin dadurch, dass sie das Pferd ohne die Anwesenheit der Beklagten zu 3) oder 4) geführt hat, eine Absprache mit diesen verletzt hat, ist aus den bereits geschilderten Gründen nicht positiv feststellbar, da das Bestehen einer solchen Absprache weder nachgewiesen noch widerlegt werden konnte (vgl. oben cc). Soweit die Beklagtenseite ein Mitverschulden der Klägerin auf die Verletzung einer entsprechenden Absprache stützen will, ist sie für das (streitige) Vorliegen der Absprache beweispflichtig. Nur am Rand sei angemerkt, dass nach dem konkreten Unfallverlauf auch fraglich ist, ob dieser durch eine Anwesenheit der Beklagten zu 3) oder zu 4) beim Führen des Pferdes verhindert worden wäre.
117
e) Das vom Erstgericht auf insgesamt 400.000 € bemessene Schmerzensgeld war angemessen, so dass es zu Recht zu einer weiteren Schmerzensgeldzahlung von 250.000,00 € – über die bereits gezahlten 150.000,00 € hinaus – verurteilt hat.
118
aa) Mit ihrer Berufung wenden sich die Beklagten zu 2) und 5) weder gegen die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zu den in die Bewertung einzustellenden Umständen noch gegen die Bewertung dieser Umstände bei der Schmerzensgeldbemessung als solche. Die Beklagten machen mit der Berufungsbegründung allein geltend, dass sich das zuerkannte Schmerzensgeld der Höhe nach erheblich von vergleichbaren Urteilen anderer Gerichte unterscheide.
119
bb) Die Schmerzensgeldhöhe muss unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgebenden Umstände festgesetzt werden und in einem angemessenen Verhältnis zur Art und Dauer der Verletzungen stehen; dabei ist in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – V GS 1/16, juris Rn. 49, 54). Für die Bestimmung der „billigen Entschädigung in Geld“ (Schmerzensgeldbemessung) sind vom Gericht im jeweiligen Einzelfall alle für die Bemessung maßgeblichen Umstände einschließlich derjenigen Spätfolgen, soweit sie bereits jetzt objektiv vorhersehbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2006 – VI ZR 322/04, juris Rn. 7, mit zahlreichen weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung), heranzuziehen.
120
Soweit nicht im Einzelfall, insbesondere bei Verletzungen durch Vorsatztaten, die Genugtuungsfunktion besondere Bedeutung erlangt, orientiert sich die Schmerzensgeldbemessung in erster Linie an der Ausgleichsfunktion der Zahlung. Dieser sind allerdings von vorneherein allein deshalb Grenzen gesetzt, weil die Folgen einer körperlichen Verletzung mit Geld – anders als bei materiellen Schäden – regelmäßig nicht zu beseitigen sind.
121
Der Schmerzensgeldanspruch des § 253 Abs. 2 BGB ist daher seinem Inhalt nach nicht gleichzusetzen mit einem Schadensersatzanspruch, welcher den Ersatz von Sach- und Vermögensschäden ermöglichen soll. Die Wiederherstellungsfunktion lässt sich hier nicht wie bei der Naturalherstellung von Vermögensschäden durchführen. Es gibt insoweit keine wirkliche Wiedergutmachung. Es soll zwar auch ein Ausgleich vorgenommen werden, dieser ist aber rechnerisch nicht streng festlegbar. Das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken ist unmöglich, weil immaterielle Schäden sich nie und Ausgleichsmöglichkeiten nur beschränkt in Geld ausdrücken lassen (grundlegend BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955, – GSZ 1/55, juris Rn. 17). Der Ausgleichszweck gibt, je größer der immaterielle Schaden ist, für die Bemessung der Entschädigung nur einen recht groben Anhalt. Das zeigt sich besonders dann, wenn der immaterielle Schaden so groß ist, dass ein Ausgleich überhaupt kaum denkbar ist (BGH, a. a. O.).
122
Da immaterielle Schäden in Geld überhaupt nicht unmittelbar messbar sind, müssen die durch Übereinkunft der Rechtsprechung bisher gewonnenen Maßstäbe in der Regel den Ausgangspunkt für die tatrichterlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung bilden (BGH, Urteil vom 18. November 1969 – VI ZR 81/68, juris Rn. 33; KG, Urteil vom 2. September 2002 – 12 U 1969/00, juris Rn. 103; beide je m. w. N.). In Schmerzensgeldtabellen erfasste „Vergleichsfälle“ sind dabei im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen, ohne dabei verbindliche Präjudizien zu sein (OLG München, Urteil vom 24. November 2017 – 10 U 952/17, juris Rn. 8, m. w. Nw.). Bei der Ausübung des Ermessens hat das Gericht unabhängig von den stets zu beachtenden Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen, dass vergleichbare Verletzungen annähernd gleiche Entschädigungen zur Folge haben (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl., § 253 Rn. 37). Die in den in Schmerzensgeldtabellen zusammengetragenen „Vergleichsfälle“ hindern das zur Entscheidung berufene Gericht zwar nicht, die Entschädigung im konkreten Einzelfall abweichend festzulegen. Allerdings bedarf es einer besonderen Begründung, wenn von der Größenordnung, in der sich die Schmerzensgelder der Gerichte in vergleichbaren Fällen bewegen, signifikant abgewichen wird (OLG Celle, Urteil vom 16. Oktober 1996 – 20 U 17/96, juris Rn. 4).
123
cc) Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass im Streitfall ein Gesamtschmerzensgeld in Höhe von insgesamt 400.000,00 € in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der erlittenen Verletzungen und der dauerhaft entstandenen Lebensbeeinträchtigungen der Klägerin steht, auch unter Berücksichtigung eines sich aus Entscheidungen anderer Gerichte ergebenden Orientierungsrahmens.
124
(1) Ein Schmerzensgeld von 400.000,00 € bewegt sich nicht außerhalb des – weiten – Rahmens, der sich aus vergleichbaren anderen gerichtlichen Entscheidungen ergibt.
125
Die von den Beklagten zu 2) und 5) in ihrer Berufungsbegründung herangezogenen Urteile, bei denen ein geringeres Schmerzensgeld ausgeurteilt wurde, bilden die Bandbreite dessen, was Gerichte in vergleichbaren Fällen als Schmerzensgeld ausgesprochen haben, nicht ab. Sie nennen – von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart abgesehen – nur landgerichtliche Entscheidungen, die darüber hinaus auch noch durchweg deutlich älteren Datums sind (von Landgericht Freiburg von 27. Dezember 1996 und Landgericht Wuppertal vom 15. Juli 1998) und die sich im eher unteren Bereich des Spektrums bewegen, welches sich bei breiterer Rechtsprechungsauswertung ergibt.
126
Demgegenüber hat das Erstgericht im vorliegenden Fall eine Reihe von weiteren Vergleichsentscheidungen aufgeführt, darunter auch solche, die sich durchaus in der Größenordnung des zuerkannten Betrags bewegen. Anzusprechen ist etwa die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Mai 1998, bei welchem ebenfalls eine jüngere Frau (dort 23 Jahre alt) durch den Huftritt eines Pferdes vollständig erblindet ist. In diesem Fall hat das Oberlandesgericht Köln – bei einem Mitverschulden der dortigen Klägerin von 34% – ein Schmerzensgeld von 300.000,00 DM ausgeurteilt, was bei 100%iger Haftung – zumindest für die Vergleichbarkeit – 450.000,00 DM entspricht. Bei Indexierung, die sachgerechterweise an den Beginn der Verzinsung anknüpfen sollte (also 1991 im Fall des OLG Köln und 2017 im vorliegenden Fall, was Indexwerten von 61,9 bzw. 96,4 entspricht bei Bezugspunkt 100 im Jahr 2020, abgerufen bei www-genesis.destatis.de), entspricht dies einem Betrag von knapp 360.000,00 €. Es kommt hinzu, dass im genannten Fall das Oberlandesgericht Köln zusätzlich eine monatliche Schmerzensgeldrente von 400,00 DM zugesprochen hat. Dies entspricht 600 DM monatlich bei Vollhaftung, umgerechnet 306,78 € monatlich, indexiert 477,76 € monatlich, also 5.733,12 € jährlich. Bezogen auf das Alter der Geschädigten im vom Oberlandesgericht Köln entschiedenen Fall entspricht dies bei versicherungsmathematischer Umrechnung auf eine abgezinste Einmalzahlung einem zusätzlichen Schmerzensgeldbetrag, der sich im deutlich sechsstelligen Bereich bewegt. Der vom Oberlandesgericht Köln erfolgte Schmerzensgeldzuspruch liegt also insgesamt, wenn man die für die Vergleichbarkeit offenkundig gebotenen Betragskorrekturen vornimmt (Abweichung beim Mitverschulden, Indexanpassung sowie Berücksichtigung der Schmerzensgeldrente), deutlich über 400.000,00 €. Selbst wenn man berücksichtigt, dass dort – anders als vorliegend – wohl kein immaterieller Vorbehalt ausgesprochen wurde und die Klägerin 12 Jahre älter war als die Geschädigte im Kölner Fall, liegt das vorliegend zuerkannte Schmerzensgeld von 400.000,00 € nicht über dem, was vom Oberlandesgericht Köln insgesamt zugesprochen wurde.
127
Auch die vom Erstgericht angesprochene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 15. Februar 2007 kommt bei ähnlichen Unfallfolgen bei einer im Unfallzeitpunkt 39-jährigen Frau zu einer Schmerzensgeldhöhe, die der im vorliegenden Fall zuerkannten in etwa entspricht. Im genannten Frankfurter Fall wurde das Schmerzensgeld bei Einbeziehung einer kapitalisierten Schmerzensgeldrente auf knapp 313.000,00 € bemessen (OLG Frankfurt, Urteil vom 15. Februar 2007 – 16 U 70/0, juris Rn. 50), was bei Indexierung bezogen auf die Urteilszeitpunkte (von 2007 auf 2017) gut 356.000,00 €, bei Indexierung bezogen auf den jeweiligen Zinsbeginn (von 1999 auf 2017) gut 405.000,00 € entspricht.
128
Schon die beiden vorgenannten Entscheidungen zeigen, dass sich ein Schmerzensgeld von 400.000,00 € nicht außerhalb des Rahmens bewegt, der sich aus vergleichbaren anderen gerichtlichen Entscheidungen ergibt, und daher die Schmerzensgeldhöhe nicht unter dem Aspekt der Gleichbehandlung zu beanstanden ist.
129
(2) Der Senat teilt auch nach eigener Bewertung die Auffassung des Landgerichts, dass das Schmerzensgeld bei Berücksichtigung aller Umstände des Falls, die das Landgericht detailliert und ausführlich wiedergegeben hat, mit insgesamt 400.000,00 € zutreffend bemessen ist.
130
Nachdem das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 26. Mai 1998 im Rahmen seiner Schmerzensgeldbemessung auf den Punkt gebracht ausformuliert hat, was bei einem Fall wie dem vorliegenden im Kern zu berücksichtigen ist und besonderes Gewicht für das Schmerzensgeld hat, sei dies wie folgt vollständig zitiert, da es auf den vorliegenden Fall uneingeschränkt übertragbar ist (OLG Köln, Urteil vom 26. Mai 1998 – 22 U 254/97, juris Rn. 29 f.):
„Die völlige Erblindung gehört mit zu den denkbar schwerwiegendsten Unfallfolgen. Höhe und Maß der damit verbundenen Lebensbeeinträchtigung können nach Auffassung des Senats schwerlich überbewertet werden. Dabei dürfte die Vorstellungskraft eines Sehenden kaum ausreichen, sich auch nur annähernd wirklichkeitsnah in die Lebenssituation eines unfallbedingt erblindeten Menschen hineinzuversetzen, der mit seiner Behinderung und ihren schweren Folgen bei nahezu allen Verrichtungen des täglichen Lebens und darüber hinaus auch im Rahmen der Beziehung zu seinen Mitmenschen und zur Umwelt ständig konfrontiert wird. Für die Klägerin – vor dem tragischen Unfall offenbar eine lebensbejahende, sportliche und auch in Bezug auf ihr berufliches Fortkommen engagierte junge Frau – ist die Bewältigung des täglichen Lebens mit der Erblindung zu einer schweren Belastung geworden. Unter Verlust ihrer früheren Selbständigkeit ist sie fortan bei jedem Schritt außerhalb ihrer engsten Wohnumgebung weitestgehend auf die Inanspruchnahme der Hilfe anderer Menschen angewiesen. Dies bei gleichzeitigem Verlust der optischen Wahrnehmungen und Reize, die das Leben für die Sehenden in außerordentlichem Maße bereichern. Die Klägerin wird den herben Verlust und die lebenslängliche Beeinträchtigung daher immer wieder erneut schmerzlich empfinden, und sie wird, wie nicht ernsthaft bezweifelt werden kann, selbst bei einer positiven Grundeinstellung zu ihrer veränderten Lebenssituation seelisch wie psychisch dauerhaft daran leiden.
Eine wirkliche Wiedergutmachung kann es für diese Dauerfolgen der von der Klägerin erlittenen Verletzung naturgemäß nicht geben. Es besteht allein die Möglichkeit, sie durch Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten bis zu einem gewissen Grad auszugleichen. Dann aber muss das Schmerzensgeld seiner gesetzlichen Bestimmung gemäß so bemessen sein, dass es einen möglichst weitreichenden Ausgleich verschaffen kann. Denn die in jedem Fall verbleibende, nicht ausgleichsfähige Benachteiligung gegenüber unversehrten Menschen wiegt auch dann immer noch schwer.“
131
Die Kostenentscheidung erging gemäß §§ 91, 92 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO.
132
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
133
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Im Vordergrund stehen tatrichterliche Fragen der Beweiswürdigung. Soweit Rechtsfragen von Bedeutung sind, weicht der Senat nicht von der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ab.