Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 22.01.2024 – 101 Sch 172/23 e
Titel:

Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruch - Verzugsstrafzins von 25%

Normenkette:
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 4a, § 1053 Abs. 2 S. 2, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b, § 1063 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Vollstreckungstitel muss den im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnen. Das Vollstreckungsorgan hat den Titel notfalls auszulegen. Dazu muss der Titel jedoch aus sich selbst heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen. Es genügt nicht, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder sonst die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dass im Schiedsspruch ein Verzugsstrafzins in Höhe eines Jahreszinses von 25% zugesprochen wird, begründet keinen Verstoß gegen den inländischen materiellen ordre public. Die Titulierung dieser „Zins“-Höhe von 25% ist auch ohne zeitliche Begrenzung im Schiedsspruch nicht sittenwidrig, wenn der Schiedsspruch auf einem Vergleich der Schiedsparteien beruht. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. In Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen entspricht der Streitwert dem Wert der zu vollstreckenden Forderungen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schiedsspruch, Vollstreckbarerklärung, Titel, Vollstreckungsorgan, Bestimmbarkeit, Auslegung, Vergleich, Verzugsstrafzins, ordre public, Streitwert
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3295

Tenor

I. Für vollstreckbar erklärt werden Ziffern I und II des Tenors des in dem Schiedsverfahren zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und dem Antragsgegner als Schiedsbeklagten durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Einzelschiedsrichter Prof. Dr. S. B., am 19. Juli 2023 in München ergangenen Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut mit folgendem Inhalt:
Der Schiedsbeklagte ist verpflichtet, der Schiedsklägerin einen Betrag von EUR 276.000 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per annum hieraus seit 1. August 2023 sowie Zinsen in Höhe von insgesamt 25% per annum ab 1. Oktober 2023 zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens tragen der Antragsgegner 84% und die Antragstellerin 16%.
IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert wird auf 328.440,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut in dessen Ziffern I und II.
2
In dem zwischen den Parteien am Schiedsort München geführten Schiedsverfahren, in dem die Antragstellerin als Schiedsklägerin Ansprüche aus einer Vergütungsvereinbarung gegen den Antragsgegner als Schiedsbeklagten geltend machte, schlossen die Schiedsparteien in der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2023 einen Vergleich und beantragten, einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zu erlassen. Mit Schriftsätzen jeweils vom 13. Juli 2023 änderten die Schiedsparteien den Vergleich in Ziffer VI dahingehend, dass eine Regelung, wonach das Schiedsgericht nach Erlass des Schiedsspruchs die Beendigung des Schiedsverfahrens gesondert durch Beschluss festzustellen habe, gestrichen wurde.
3
Am 19. Juli 2023 erging ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, der wie folgt lautet:
I. Der Schiedsbekl. ist verpflichtet, der Schiedskl. einen Betrag von EUR 276.000 zu zahlen. Dabei handelt es sich um einen Nettobetrag; soweit die Zahlung umsatzsteuerpflichtig ist, zahlt der Schiedsbekl. zusätzlich die gesetzliche Umsatzsteuer. Der Anspruch ist fällig zwei Wochen ab Rechnungsdatum, spätestens am 1. August 2023. Die Rechnung an den Schiedsbekl. ist elektronisch zu übersenden an den Bevollmächtigten des Schiedsbekl.
II. Der in Ziffer I. genannte Betrag ist zu zahlen auf das Konto der Schiedskl. IBAN DE (…), BIC (…), bei der (…) und ab Fälligkeit zu verzinsen mit 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per annum. Unter Berücksichtigung des Abschlags auf die Klageforderung und des Interesses der Schiedskl. an einem zeitnahen Zahlungseingang ist der in Ziffer I genannte Betrag ab 1. Oktober 2023 zu verzinsen mit 25% per annum, soweit bis dahin keine Zahlung erfolgt ist.
III. Auf schriftliche Anforderung des Schiedsbekl. wird die Schiedskl. eine Rechnung über den in Ziffer 1 genannten Betrag (zusätzlich gesetzlicher Umsatzsteuer, soweit die Zahlung umsatzsteuerpflichtig ist) an eine vom Schiedsbekl. zu benennende Gesellschaft ausstellen. Eine Zahlung dieser Gesellschaft oder eines sonstigen Dritten ist auf den Anspruch aus Ziffer I anzurechnen.
IV. Mit der Zahlung sind sämtliche Ansprüche der Schiedskl. im Zusammenhang mit der Vergütungsvereinbarung vom 16. März 2018 abgegolten, insbesondere auch Ansprüche der Schiedskl. gegen die B. A. Ltd. und die I. E. GmbH.
V. Die Parteien machen im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren keine Kostenerstattungsansprüche geltend. Das Schiedsgericht wird keine Kostenerstattung festsetzen.
VI. Mit diesem Schiedsspruch ist nach dem Willen der Parteien das Schiedsverfahren beendet.
4
In den Gründen des Schiedsspruchs heißt es unter anderem:
„Die Schiedskl. behauptet, der Schiedsbekl. sei Partei der Vergütungsvereinbarung. Sie habe für eine Unternehmensakquisition einer vom Schiedsbekl. beherrschten Gesellschaft eine Finanzierung von mehr als 40 Mio. Euro vermittelt. Nach der Vergütungsvereinbarung schuldet der Schiedsbekl. für die Vermittlung dieser Finanzierung eine Provision in der eingeklagten Höhe von EUR 369.559, 36 (brutto).
Der Schiedsbekl. behauptet, er sei nicht persönlich Partei der Vergütungsvereinbarung und der darin enthaltenen Schiedsvereinbarung. Der tatsächlich vermittelte Hauptvertrag sei nicht kongruent mit dem in der Vergütungsvereinbarung zugrunde gelegten bzw. ins Auge gefassten Hauptvertrag.“
5
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 1. August 2023 beantragt,
Der in dem Schiedsverfahren (DISIHK-…) zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Einzelschiedsrichter Prof. Dr. B., am 19. Juli 2023 erlassene und den Parteien am 24. Juli 2023 übersandte Schiedsspruch, durch den der Antragsgegner zur Zahlung von EUR 328.440,00 (276.000,00 netto zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer i.H.v. 19%) sowie Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. seit 18. Juli 2023 (zwei Wochen nach Rechnungsdatum, hilfsweise ab 1. August 2023) sowie Zinsen in Höhe von insgesamt 25% p.a. ab 1. Oktober 2023 verpflichtet worden ist, wird für vollstreckbar erklärt.
6
Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, der Antragsgegner habe trotz ordnungsgemäßer Rechnungsstellung durch die Antragstellerin mit Rechnung vom 4. Juli 2023, in welcher auch die anfallende Umsatzsteuer ausgewiesen sei, und Zugang einer Zahlungsaufforderung am 21. Juli 2023, der die Rechnung vom 4. Juli 2023 erneut beigefügt gewesen sei, nicht bezahlt.
7
Mit Schriftsatz vom 21. August 2023 hat die Antragstellerin eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs im Original vorgelegt.
8
Mit Beschluss vom 17. November 2023 hat der Senat darauf hingewiesen, dass dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs hinsichtlich einer Verpflichtung des Antragsgegners, einen Bruttobetrag in Höhe von 328.440,00 € und nicht lediglich den Nettobetrag in Höhe von 276.000,00 € zu entrichten, nicht zu entsprechen sein dürfte, da der Schiedsspruch die Verpflichtung, Umsatzsteuer zu bezahlen, unter den rechtlichen Vorbehalt stelle, dass die im Vergleichsweg mit einem Nettobetrag in Höhe von 276.000,00 € zu vergütende Leistung der Antragstellerin umsatzsteuerpflichtig sei. Zudem hat der Senat darauf hingewiesen, dass Bedenken bestünden, eine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per annum „zwei Wochen ab Rechnungsdatum“, somit seit „18. Juli 2023“, für vollstreckbar zu erklären, weil die Schiedsparteien davon ausgegangen seien, dass eine Rechnung erst noch gestellt würde.
9
Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 23. November 2023 ihren Hauptantrag hinsichtlich des Zinsbeginns für die Zahlung von Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per annum wie folgt beschränkt und beantragt:
Der in dem Schiedsverfahren (DISIHK-…) zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Einzelschiedsrichter Prof. Dr. B., am 19. Juli 2023 erlassene und den Parteien am 24. Juli 2023 übersandte Schiedsspruch wurde (sic) insoweit für vollstreckbar erklärt, wie (sic) der Antragsgegner zur Zahlung von EUR 328.440,00 (EUR 276.000,00 netto zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer i.H.v. 19%) sowie Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 9%- Punkten über dem Basiszinssatz p.a. seit 1. August 2023 sowie Zinsen i.H.v. insgesamt 25% p.a. ab 1. Oktober 2023 verpflichtet worden ist.
Hilfsweise für den Fall, dass dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung hinsichtlich der Bezahlung von Umsatzsteuer nicht stattgegeben werde, hat die Antragstellerin den Antrag auf Vollstreckbarerklärung weiter beschränkt und beantragt,
Der in dem Schiedsverfahren (DISIHK-…) zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Einzelschiedsrichter Prof. Dr. B., am 19. Juli 2023 erlassene und den Parteien am 24. Juli 2023 übersandte Schiedsspruch wird insoweit für vollstreckbar erklärt, wie (sic) der Antragsgegner zur Zahlung von EUR 276.000,00 sowie Zinsen aus diesem Betrag i.H.v. 9%-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. seit 1. August 2023 sowie Zinsen i.H.v. insgesamt 25% p.a. ab 1. Oktober 2023 verpflichtet worden ist.
10
Im Hinblick auf ihren Antrag, den Schiedsspruch auch hinsichtlich der Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Umsatzsteuer für vollstreckbar zu erklären, werde im Schiedsspruch festgestellt, dass der von der Antragstellerin gegen den Antragsgegner geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die Vermittlung einer Finanzierung geltend gemacht werde. Damit stehe zugleich fest, dass die zur Abgeltung dieser Vergütungsansprüche vereinbarte Zahlung (Ziffer IV des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut) der gesetzlichen Umsatzsteuer unterfalle, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
11
Der im Libanon wohnhafte Antragsgegner ist Geschäftsführer der I. E. GmbH, die ihren Sitz und ihre Geschäftsanschrift in (…) H. hat. Die Antragsschrift vom 1. August 2023 ist dem Antragsgegner auf Antrag der Antragstellerin gemäß Verfügung der Vorsitzenden des Senats vom 5. September 2023 mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis 4. Oktober 2023 durch einen Obergerichtsvollzieher am 18. September 2023 gemäß Postzustellungsurkunde vom selben Tag, ergänzt am 17. Oktober 2023 (vgl. auch das Schreiben des Obergerichtsvollziehers vom 18. Oktober 2023), durch Einlegen in den zum Geschäftsraum der I. E. GmbH gehörenden Briefkasten zugestellt worden, nachdem der Obergerichtsvollzieher zunächst versucht hatte, das Schriftstück dem Zustelladressaten zu übergeben und die Übergabe des Schriftstücks in dem Geschäftsraum nicht möglich war. Der Schriftsatz der Antragstellerin vom 23. November 2023 sowie unter anderem der Hinweisbeschluss des Senats vom 17. November 2023, die Postzustellungsurkunde vom 18. September 2023, das Schreiben des Obergerichtsvollziehers vom 18. Oktober 2023 und die Ergänzung der Postzustellungsurkunde vom 17. Oktober 2023 sind dem Antragsgegner gemäß Verfügung der Vorsitzenden des Senats vom 27. November 2023 mit Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung gemäß Postzustellungsurkunde am 4. Dezember 2023 ebenfalls unter der Anschrift der I. E. GmbH durch Einlegen in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten zugestellt worden, nachdem der Obergerichtsvollzieher zunächst versucht hatte, das Schriftstück dem Zustelladressaten zu übergeben und die Übergabe des Schriftstücks in dem Geschäftsraum nicht möglich war. Die I. E. GmbH hat zu den Zustellungen jeweils erklärt, diese zurückzuweisen.
12
Der Antragsgegner hat keine Stellungnahme abgegeben.
II.
13
Dem auf Vollstreckbarerklärung der Ziffern I und II des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut gerichteten Hauptantrag vom 23. November 2023 ist im Umfang des Hilfsantrags zu entsprechen. Der Hauptantrag vom 23. November 2023 ist zurückzuweisen, soweit mit diesem auch die Vollstreckbarerklärung einer Verpflichtung zur Bezahlung von Umsatzsteuer beantragt wird. Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut spricht keine vorbehaltlose Verpflichtung des Antragsgegners zur Bezahlung von Umsatzsteuer aus und kann auch nicht in diesem Sinne ausgelegt werden.
14
1. Der Hauptantrag vom 23. November 2023 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
15
a) Für den Antrag ist das Bayerische Oberste Landesgericht nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5, § 1043 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu in der seit dem 1. Mai 2020 geltenden Fassung zuständig, weil der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens i. S. d. § 1043 Abs. 1 ZPO in Bayern liegt.
16
b) Die Antragstellerin hat den Schiedsspruch vom 19. Juli 2023 in beglaubigter Abschrift vorgelegt, § 1064 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung des Schiedsgerichts entspricht auch den formellen Voraussetzungen des § 1054 ZPO.
17
c) Rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Insbesondere ist ein rechtlich anzuerkennendes Interesse der Antragstellerin an der Vollstreckbarerklärung gegeben, soweit die Antragstellerin ihren Antrag auf die Ziffern I und II des Schiedsspruchs beschränkt hat. Die erforderliche Teil- und Abgrenzbarkeit ist gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2020, I ZB 108/19, SchiedsVZ 2021, 341 Rn. 25; BayObLG, Beschluss vom 20. Januar 2023, 102 Sch 115/21, GmbHR 2023, 396 Rn. 126; Beschluss vom 7. Dezember 2022, 101 Sch 76/22, juris Rn. 66 f.).
18
Die im Schiedsverfahren obsiegende Partei hat grundsätzlich Anspruch auf einen vollstreckungsfähigen Titel, der dem Schiedsspruch dieselbe Durchsetzungsmöglichkeit verleiht wie einem Gerichtsurteil. Dieser Titel wird erst durch die Vollstreckbarerklärung geschaffen, § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO. Die Vollstreckbarerklärung erfüllt darüber hinaus das gleichfalls rechtlich geschützte Interesse, den Schiedsspruch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen abzusichern (BGH, Beschluss vom 30. März 2006, III ZB 78/05, NJW-RR 2006, 995 [juris Rn. 10]; OLG München, Beschluss vom 25. Januar 2017, 34 Sch 37/16, jurisRn. 9; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. November 2015, 26 Sch 4/15, juris Rn. 10).
19
2. Dem Hauptantrag vom 23. November 2023 ist lediglich im Umfang des Hilfsantrags zu entsprechen. Soweit mit dem Hauptantrag die Vollstreckbarerklärung eines Titels auf Bezahlung von Umsatzsteuer begehrt wird, ist er unbegründet, da der Schiedsspruch keine solche Regelung enthält. Von Amts wegen zu berücksichtigende Aufhebungsgründe im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.
20
a) Ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut hat dieselbe Wirkung wie jeder andere Schiedsspruch zur Sache, § 1053 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Für die Vollstreckbarerklärung gelten die allgemeinen Vorschriften (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2000, III ZB 55/99, NJW 2001, 373 [juris Rn. 11]).
21
b) Vorliegend bestimmt der Schiedsspruch, dass der Antragsgegner der Antragstellerin zusätzlich zu dem zu zahlenden „Nettobetrag“ in Höhe von 276.000,00 € die gesetzliche Umsatzsteuer zu erstatten hat, „soweit die Zahlung umsatzsteuerpflichtig ist“. Eine Vollstreckbarerklärung hat insoweit zu unterbleiben. Denn weder hat der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zum Inhalt, dass der Antragsgegner der Antragstellerin vorbehaltlos Umsatzsteuer zu bezahlen hat, noch darf der Schiedsspruch dahin „konkretisiert“ werden, dass Umsatzsteuer zu bezahlen ist.
22
aa) Nach deutschem Vollstreckungsrecht muss ein Vollstreckungstitel den im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnen. Zwar hat das Vollstreckungsorgan den Titel notfalls auszulegen. Dazu muss der Titel jedoch aus sich selbst heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen (BGH, Beschluss vom 30. November 2011, III ZB 19/11, SchiedsVZ 2012, 41 Rn. 6). Es genügt nicht, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder sonst die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann (BGH, Urt. v. 6. November 1985, IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440 [juris Rn. 14]).
23
Für die hinreichende Konkretisierung hat das staatliche Gericht im Verfahren der Vollstreckbarerklärung, mit der ein Vollstreckungstitel geschaffen wird (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO), im Rahmen seiner Befugnis zur Auslegung des zugrundeliegenden Schiedsspruchs zu sorgen, weil es dem deutschen ordre public widersprechen würde, eine zu vollstreckende Anordnung zu erlassen, die von den Vollstreckungsorganen nicht ausgeführt werden kann (vgl. BGH, SchiedsVZ 2012, 41 Rn. 6; BayObLG, Beschl. 29. Oktober 2020, 1 Sch 90/20, juris Rn. 18 f. jeweils zur Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs). Allerdings darf das Gericht nicht seine eigene Entscheidung an die Stelle derjenigen des Schiedsgerichts setzen oder diese inhaltlich verändern, sondern nur den in dem Schiedsentscheid bereits – wenn auch unvollkommen und für eine Vollstreckung noch nicht ausreichend bestimmt – zum Ausdruck kommenden Willen verdeutlichen und insoweit diesem zur Wirksamkeit verhelfen (BGH, a. a. O.).
24
bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs hinsichtlich einer Verpflichtung des Antragsgegners, einen Bruttobetrag in Höhe von 328.440,00 € und nicht lediglich den Nettobetrag in Höhe von 276.000,00 € zu entrichten, nicht zu entsprechen, da der Schiedsspruch die Verpflichtung, Umsatzsteuer zu bezahlen, seinem Inhalt nach nicht ausspricht, sondern unter den rechtlichen Vorbehalt stellt, dass die im Vergleichsweg mit einem Nettobetrag in Höhe von 276.000,00 € zu vergütende Leistung der Antragstellerin umsatzsteuerpflichtig ist.
25
Nach dem Wortlaut des Schiedsspruchs steht die Verpflichtung des Antragsgegners zur Bezahlung von Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt, dass die Zahlung vom noch zu prüfenden Vorliegen einer Umsatzsteuerpflicht nach dem Umsatzsteuergesetz abhängen sollte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Juli 2012, 16 U 159/11, juris Rn. 37: „etwaige Umsatzsteuer“). Es ist weder offenkundig (vgl. BGH, Urt. v. 15. Dezember 1994, IX ZR 255/93, NJW 1995, 1162 [juris Rn. 12]), dass die Leistung, für die die Antragstellerin nach dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut einen Nettobetrag in Höhe von 276.000,00 € erhalten soll, der Umsatzsteuer unterliegt, noch ergibt sich aus dem Wortlaut des Schiedsspruchs, dass die Parteien bei Abschluss des Vergleichs, dessen Wortlaut dem Schiedsspruch zugrunde liegt, übereinstimmend die Vorstellung hatten, dass der Antragsgegner Umsatzsteuer schuldet. Damit hat der Schiedsspruch ausgehend von seinem Wortlaut nicht den Inhalt, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin Umsatzsteuer zu bezahlen hat.
26
Der Zahlungsverpflichtung gemäß Ziffer I des Tenors des Schiedsspruchs kann auch nicht im Wege der Auslegung mit der gebotenen Deutlichkeit entnommen werden, dass Umsatzsteuer zu entrichten ist. Eine solche Auslegung ist nicht deswegen gerechtfertigt, weil dem Antragsgegner nach dem Vorbringen der Antragstellerin noch am 4. Juli 2023 nach Abschluss des materiell-rechtlichen Vergleichs in der mündlichen Verhandlung beim Schiedsgericht eine Rechnung vom selben Tag zugegangen ist, in der unter Bezugnahme auf einen „Schiedsspruch vom 04.07.2023“ (gemeint: unter Bezugnahme auf den an diesem Tag abgeschlossenen Vergleich) ein Umsatzsteuerbetrag nach § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG ausgewiesen ist. Nach dem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, der die vergleichsweise Einigung der Parteien vom 4. Juli 2023 (in der Folgezeit bis zum Erlass des Schiedsspruchs übereinstimmend modifiziert nur hinsichtlich Ziffer VI Satz 2) wiedergibt, waren die Parteien über die Frage einer Umsatzsteuerschuld weiterhin im Ungewissen. Dem Schiedsspruch liegen ausweislich seiner Begründung überdies abschriftlich lediglich die Erklärungen der Parteien vom 4. Juli 2023 bei, mit denen sie nach Abschluss des materiell-rechtlichen Vergleichs vom selben Tag beantragt hatten, einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zu erlassen. Aus dem Umstand, dass der Antragsgegner der Rechnung vom 4. Juli 2023 nicht widersprochen hat, ist nicht zu folgern, dass bei Erlass des Schiedsspruchs am 19. Juli 2023 Einigkeit zwischen den Parteien hinsichtlich der Frage der Umsatzsteuer bestanden hat. Dem Inhalt des Schiedsspruchs lässt sich solches jedenfalls nicht durch Auslegung entnehmen.
27
Eine andere Bewertung folgt nicht daraus, dass das Schiedsgericht in den Gründen des Schiedsspruchs ausführt, die Antragstellerin habe als Schiedsklägerin im Schiedsverfahren geltend gemacht, der Schiedsbeklagte schulde ihr für die Vermittlung einer Finanzierung eine Provision in der eingeklagten Höhe von 369.559,36 € (brutto). Aus dem Umstand, dass die Schiedsklage auf die Bezahlung eines Bruttobetrags für die Vermittlung einer Finanzierung „für eine Unternehmensakquisition einer vom Schiedsbekl. beherrschten Gesellschaft“ gerichtet und die Schiedsklageforderung auf eine nach der Behauptung der Schiedsklägerin mit dem Schiedsbeklagten geschlossene Vergütungsvereinbarung gestützt war, ist nicht zu schließen, dass der Vergleich die Bezahlung von Umsatzsteuer vom Antragsgegner an die Antragstellerin einschloss. Dem steht, wie bereits ausgeführt, der Wortlaut des Schiedsspruchs entgegen, der keine Verpflichtung zur Bezahlung der Umsatzsteuer tituliert, sondern eine solche unter den rechtlichen Vorbehalt stellt, dass die Zahlung des Nettobetrags umsatzsteuerpflichtig ist. Ob dies der Fall ist, wäre gegebenenfalls vom Schiedsgericht zu beantworten, was jedenfalls im vorliegenden Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut nicht geschehen ist. Der Schiedsbeklagte hat ausweislich der Gründe des Schiedsspruchs im Schiedsverfahren bestritten, Partei der Vergütungsvereinbarung zu sein, und der Schiedsspruch beinhaltet in Ziffer III die Regelung, dass auf schriftliche Anforderung des Schiedsbeklagten eine Rechnung über den in Ziffer I genannten Betrag „(zusätzlich gesetzlicher Umsatzsteuer, soweit die Zahlung umsatzsteuerpflichtig ist)“ an eine vom Schiedsbeklagten zu benennende Gesellschaft auszustellen ist, deren Zahlung oder diejenige eines Dritten auf den Anspruch aus Ziffer I anzurechnen sei. Es trifft somit nicht zu, dass im Hinblick auf die Begründung des Schiedsspruchs – auch unter Berücksichtigung der Abgeltungsklausel in Ziffer IV – feststehe, dass die vereinbarte Zahlung der gesetzlichen Umsatzsteuer unterfalle.
28
c) Aufhebungsgründe, die der Vollstreckbarerklärung entgegenstehen könnten (§ 1060 Abs. 2, § 1059 Abs. 2 ZPO), sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Dass im Schiedsspruch ein Verzugsstrafzins ab 1. Oktober 2023 in Höhe eines Jahreszinses von 25% zugesprochen wird, begründet keinen Verstoß gegen den inländischen materiellen ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b] ZPO) (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. Oktober 2020, 1 Sch 90/20, juris Rn. 24 ff. m. w. N. zum ordre public internationale; Wilske/Markert in BeckOK ZPO, 51. Ed. Stand: 1. Dezember 2023, § 1059 Rn. 63.2). Der Verzugsstrafzins in Höhe von 25% wurde nicht zusätzlich zum Verzugszins in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per annum ab 1. August 2023 zugesprochen, sondern gilt ab 1. Oktober 2023 „insgesamt“. Die Titulierung der „Zins“-Höhe von 25% bezogen auf den in Ziffer I des Schiedsspruchs genannten Betrag ist auch ohne zeitliche Begrenzung im Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut nicht sittenwidrig. Der Schiedsspruch beruht auf einem Vergleich der Schiedsparteien. Die Gründe für die Beanspruchung des Verzugsstrafzinses sind unmittelbar in Ziffer II des Tenors und somit mit Signalwirkung für den Antragsgegner genannt.
29
Die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung kann daher gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen (BGH, Beschluss vom 2. März 2017, I ZB 42/16, SchiedsVZ 2017, 200 Rn. 24; Beschluss vom 15. Juli 1999, III ZR 21/98 BGHZ 142, 204 [juris Rn. 7]).
30
3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör des Antragsgegners (vgl. § 1063 Abs. 1 Satz 2 ZPO) ist gewahrt. Die Ersatzzustellungen gemäß § 180, § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vom 18. September und 4. Dezember 2023 sind wirksam. Die Zustellung an den Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann in deren Geschäftsräumen vorgenommen werden, weil dem Adressaten der Zustellung diese Geschäftsräume (auch) als eigene zugerechnet werden. Dies gilt auch dann, wenn das Schriftstück eine persönliche Angelegenheit des gesetzlichen Vertreters betrifft, denn die den Normzweck des § 178 ZPO bildende Erwartung, dass eine Weitergabe der Zustellungssendung an den Adressaten gewährleistet ist, ist hier ebenso begründet (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. April 2018, 10 S 358/18, juris Rn. 5; OLG Frankfurt, Urt. v. 9. November 2017, 1 U 137/16, Rn. 39 m. w. N.; LG Darmstadt, Beschluss vom 26. Oktober 2018, 5 T 357/18, juris Rn. 15 ff.; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, § 178 Rn. 19 ff.; Dorndörfer in BeckOK ZPO, 51. Ed. Stand 1. Dezember 2023, § 178 Rn. 12; Häublein/Müller in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 178 Rn. 21; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 178 ZPO, Rn. 16; Wittschier in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 178 Rn. 4; vgl. auch RG, Urt. v. 22. Juni 1886, II 174/86, RGZ 16, 349 zur offenen Handelsgesellschaft). Die fehlenden Angaben in der Postzustellungsurkunde vom 18. September 2023 hat der zuständige Obergerichtsvollzieher hinreichend zeitnah zur Zustellung am 17. Oktober 2023 ergänzt. Die Zurückweisung der Zustellungen durch die I. E. GmbH steht der Wirksamkeit der Zustellungen nicht entgegen.
III.
31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die teilweise Zurücknahme des Hauptantrags vom 1. August 2023 mit dem Hauptantrag vom 23. November 2023 (Zinsbeginn für die Bezahlung von Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per annum) wirkt sich kostenmäßig nicht aus.
32
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen.
33
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 1, § 43 Abs. 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. In Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen entspricht der Streitwert dem Wert der zu vollstreckenden Forderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018, I ZB 12/17, juris Rn. 4). Haupt- und Hilfsantrag sind wirtschaftlich identisch gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, so dass der höhere Wert allein maßgebend ist.