Titel:
Verfahrensgebühr nach Tod des Mandanten
Normenkette:
RVG VV Nr. 4141
Leitsätze:
1. Die Mitteilung des Todes des beschuldigten Mandanten durch den Verteidiger führt nicht zum Anfall der Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG. (Rn. 1 – 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG kann, unabhängig vom Vorliegen einer Mitwirkungstätigkeit des Pflichtverteidigers, nach dem Tod des Mandanten nicht mehr anfallen. (Rn. 7 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tod des Mandanten, Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung, Einstellung des Verfahrens, Pflichtverteidiger, Gebühren und Auslagen, zusätzliche Verfahrensgebühr
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3270
Tenor
Die Erinnerung des Pflichtverteidigers des Angeklagten, Herrn Rechtsanwalt Z., vom 21.12.2023 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.12.2023 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
1
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Cham vom 18.12.2023 wurden die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen des Pflichtverteidigers auf 678,69 EUR festgesetzt. Hierbei wurden die geltend gemachten Gebühren mit Ausnahme der Gebühr nach VV RVG Nr. 4141 berücksichtigt. Das Amtsgericht Cham hat die Ansicht des Pflichtverteidigers, wonach auch für die Mitteilung des Todes des beschuldigten Mandanten die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG entsteht, nicht geteilt. Der Pflichtverteidiger hat mit Schreiben vom 21.12.2023 Erinnerung gegen den ihm am 20.12.2023 zugegangenen Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt. Zur Begründung wird angegeben, dass der Verteidiger dem Gericht aktiv mitgeteilt habe, dass der Beschuldigte verstorben sei. Das Gericht habe daraufhin das Verfahren eingestellt, sodass eine tatsächliche Mitwirkung des Verteidigers unbestreitbar sei.
2
Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Regensburg hat mit Schreiben vom 15.01.2024 beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
3
Die zuständige Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Richter zur Entscheidung vorgelegt.
4
Die Erinnerung war als unbegründet zurückzuweisen.
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In der Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob eine Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG nach dem Tod eines Mandanten grundsätzlich noch anfallen kann.
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In von dem Verteidiger zitierten Entscheidung des Landgerichts Leipzig (Beschluss vom 19.06.2020 – 2 Qs 8/20 jug – juris) wird die Ansicht vertreten, dass der Anfall einer solchen Gebühr möglich ist, soweit das Gericht nicht bereits anderweitig von dem Tod des Angeklagten erfahren hat.
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Nach hiesiger Auffassung kann jedoch, unabhängig von dem Vorliegen einer Mitwirkungstätigkeit, eine Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG nach dem Tod des Mandanten nicht mehr anfallen.
8
Diese Auffassung wird auch in der (bereits in der Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses zitierten) Kommentarstelle (SchneiderNolpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage 2021, Rn. 15 – beckonline) vertreten.
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Das Amtsgericht Halle (Saale), (Beschluss vom 8. Juni 2022 – 322 Ds 285 Js 32704/21 –, Rn. 14, 15 juris) macht zum Nichtanfall der Gebühr Nr. 4141 VV RVG folgende Ausführungen:
„Nach Auffassung des Gerichts liegt aber auch aus einem anderen Grund der Gebührentatbestand nicht vor, unabhängig davon, ob das Schreiben des Verteidigers als Mitwirkung betrachtet wird. Denn bereits der Wortlaut der Gebührenvorschrift lässt erkennen, dass es um „Mitwirkung“ an der Entbehrlichkeit“ einer Hauptverhandlung geht, also eine gewisse Einflussnahme (nicht Ursächlichkeit!) auf die entsprechenden Entscheidungen von Gericht und Staatsanwaltschaft im Rahmen der Verfahrenseinstellung zumindest möglich erscheint. Im Falle des Todes des Angeklagten endet das Strafverfahren jedoch von sich aus, sodass eine Hauptverhandlung nicht erst entbehrlich wird, sondern gar nicht stattfinden kann. Eine Einflussnahme auf den Ausgang des Verfahrens ist dem Verteidiger gar nicht mehr möglich. Da eine Hauptverhandlung nicht – mehrstattfinden kann, hat der Verteidiger auch grundsätzlich keine Gebühr dafür mehr verdient, deren Verlust durch eine Handlung von ihm durch eine zusätzliche Gebühr zu kompensieren wäre.
Dass das Verfahren gemäß § 206a StPO später einzustellen sein wird, hat dementsprechend rein deklaratorische Bedeutung, ohne dass damit eine weitere Rechtswirkung eintritt, außer dass gegebenenfalls Nebenentscheidungen plausibel werden, wie etwa eine Kostenentscheidung. Mit dem Tod des Mandanten endet im Übrigen bereits die Verteidigung, so dass Handlungen nach dem Tod des Angeklagten keine -zusätzlichenGebühren auslösen können. Lediglich über die bereits entstandenen Gebühren wären gegebenenfalls noch Entscheidungen zu treffen (überzeugend: Stollenwerk in SchneiderNolpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, RNr. 15 zu Nr. 4141 m.w.N.).“
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Auch mit Entscheidung des Amtsgerichts Kelheim vom 16.08.2022 (Az. 6 Ds 408 Js 26519/21 – nicht veröffentlicht) wurde die Ansicht vertreten:
„Eine Hauptverhandlung hätte in keinem Fall mehr durchgeführt werden können, dies völlig ungeachtet des Antrags des Verteidigers. Der Tod das Angeklagten ist auch kein Umstand, der einer rechtlichen Würdigung zugänglich ist. Der'Antrag des Verteidigers vom 04.02.2022 konnte das Verfahren im Sinne einer Einstellung nicht mehr zugunsten seines bereits verstorbenen Mandanten fördern. Der Zweck des Gebührentatbestands, das Verfahren durch Vermeidung einer Hauptverhandlung zugunsten seines Mandanten dauerhaft zu beenden, konnte durch das Schreiben des Verteidigers nicht mehr erreicht werden. Der Beschluss gern. § 206a StPO hat insoweit vielmehr deklaratorische Wirkung.“