Titel:
Verfahrensgebühr bei einer Zurückweisung an die Berufungsinstanz nach einer erfolgreichen Revision
Normenkette:
RVG § 15, § 20, VV Nr. 4124
Leitsätze:
1. Wird das Verfahren vom Revisionsgericht zur erneuten Durchführung der Berufung an das Landgericht zurückverwiesen, so löst eine allgemeine Information des Angeklagten über den weiteren Verlauf des neuen Berufungsverfahrens keine neue Verfahrensgebühr aus. Diese Tätigkeit des Verteidigers ist noch durch die bereits festgesetzte Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren abgegolten. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Erfolgt die Erläuterung des Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer etwaigen sofortigen Beschwerde gegen die erfolgte Entpflichtung des Verteidigers zeitlich nach der Entpflichtungsentscheidung, so ist allein deshalb ist bereits keine Grundlage mehr für eine Festsetzung gegen die Staatskasse gegeben. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfahrensgebühr, Revision, Zurückverweisung, neue Berufungsinstanz, Information über das weitere Verfahren, Entpflichtung, sofortige Beschwerde
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3269
Tenor
Der Kostenfestsetzungsantrag des Pflichtverteidigers Gero L. vom 13.01.2024 wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 20.05.2022 wurde Rechtsanwalt G. L. dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet und hat ihn seither im ersten, zweiten sowie dritten Rechtszug vertreten. Die Revision war teilweise erfolgreich und die Sache wurde mit Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgericht vom 23.11.2023 im Umfang der erfolgten Aufhebung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
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Am 29.12.2023 ging die Sache wieder beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein und wurde mit dortiger Verfügung vom 03.01.2024 an die 15. Strafkammer übertragen. Als erste Verfahrenshandlung dieser Kammer wurde mit Beschluss vom 10.01.2024 die Pflichtverteidigerbestellung gemäß § 143 Abs. 2 StPO aufgehoben.
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Rechtsanwalt L. macht in seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 13.01.2024 die Verfahrensgebühr W-Nr. 4124 RVG samt einer Post- und Telekommunikationspauschale nach W-Nr. 7002 RVG geltend. Diese sind vorliegend nicht entstanden und nicht festsetzbar.
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Grundsätzlich können mehrere Angelegenheiten im Falle einer Verweisung entstehen. Zu unterscheiden ist dabei danach, ob an ein Gericht desselben oder eines niedrigeren Rechtszugs verwiesen wird. Bei einer Verweisung an das Gericht desselben Rechtszugs zählt das weitere Verfahren noch zur selben gebührenrechtlichen Angelegenheit (§ 20 S. 1 RVG). Wird dagegen – wie vorliegend – an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszugs verwiesen, handelt es sich bei dem weiteren Verfahren nach Verweisung um eine neue Angelegenheit i. S. d. § 15 RVG (§ 20 S. 2 RVG).
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Damit die Gebühr nach W-Nr. 4124 RVG entsteht, muss allerdings auch eine entsprechende, die Gebühr auslösende Tätigkeit des Anwalts erfolgt sein. In seinen Ausführungen gibt Rechtsanwalt L. auf Nachfrage des Gerichts hierzu an, er habe seinem Mandanten mit Schreiben vom 13.01.2024 die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer etwaigen sofortigen Beschwerde gegen die Entpflichtungsentscheidung erläutert. Er habe seinen Mandanten weiterhin mit Schreiben vom 27.11.2023 auch über das Ergebnis der erfolgreichen Revision und den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens informiert.
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Grundsätzlich gilt für die Gebühr W-Nr. 4124 RVG, dass die Einlegung einer Berufung und die Besprechung der erstinstanzlichen Entscheidung noch durch die Verfahrensgebühr der ersten Instanz abgedeckt sind. Analog auf das Verfahren nach Zurückverweisung angewendet ist demnach die im Schreiben vom 27.11.2023 entfaltete Tätigkeit noch von der – bereits am 23.01.2024 aufgrund eines anderen Kostenfestsetzungsantrages des Antragstellers – festgesetzten Verfahrensgebühr der dritten Instanz abgedeckt. Eine allgemeine Information über den grundsätzlichen weiteren Verlauf der neuen Berufungsinstanz vor der eigentlichen Anhängigkeit bei der 15. Strafkammer löst ebenfalls noch keine neue Verfahrensgebühr aus. Es ist üblich, dass sich nach der Kenntnisnahme einer Entscheidung der Prozessbevollmächtigte gegenüber dem Mandanten mündlich oder schriftlich äußert. Diese Tätigkeit ist jedoch noch der gerade zu Ende gegangenen Instanz zuzurechnen.
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Die Erläuterung des Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer etwaigen sofortigen Beschwerde gegen die erfolgte Entpflichtung erfolgte zeitlich nach der Entpflichtungsentscheidung. Allein deshalb ist bereits keine Grundlage mehr für eine Festsetzung gegen die Staatskasse gegeben. Zudem ist jedoch anzumerken, dass die im Schreiben vom 13.01.2024 entfaltete Tätigkeit m.E. an der Stelle in der neuen Berufungsinstanz die Gebühr W-Nr. 4124 RVG generell auch noch nicht ausgelöst hat: Die von Rechtsanwalt L. zitierte Fundstelle „Burhoff, Nr. 4124 W, Rn. 13“ listet zwar unter den von VV-Nr. 4124 RVG erfassten, allgemeinen Tätigkeit u.a. „Pflichtverteidigerbestellung und damit ggf. zusammenhängende Rechtsmittel“, meint m.E. damit aber auch explizit Tätigkeiten in Bezug nur auf eine Bestellungs- und eben gerade nicht auf eine Entpflichtungsentscheidung. Die Prüfung von Erfolgsaussichten dazu sind m.E. vielmehr zunächst nach den VV-Nr. 2100 ff RVG durch den Mandanten selbst zu tragen. Wäre ein Rechtsmittel eingelegt worden, würden dafür dann die üblichen Anrechnungsmodalitäten auf später entstehenden Gebühren gelten.
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Die Post- und Telekommunikationspauschale war ebenfalls abzusetzen, da diese grundsätzlich nur entstehen kann, wenn auch eine Gebühr in einer Angelegenheit entstanden war.