Titel:
Erstattung der Umsatzsteuer bei privaten Photovoltaikanlagen
Normenkette:
UStG § 3 Abs. 7, § 12 Abs. 3, § 29 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine Lieferung einer Photovoltaikanlage gilt nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG als ausgeführt, wenn die Abnahme erfolgt und die Anlage an das inländische Stromnetzwerk angeschlossen ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für Lieferung und Montage einer privaten Photovoltaikanlage ist Umsatzsteuer nicht zu entrichten, wenn diese erst nach dem 1.1.2023 fertiggestellt wurde. (Rn. 13 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Photovoltaikanlage, Umsatzsteuer, Lieferungszeitpunkt, Fertigstellung, Ausführung, Anschluss, Abnahme, Einheitlichkeit der Leistung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32618
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.021,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2023 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 453,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.12.2023 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung von auf die Lieferung und Installation einer Photovoltaikanlage entrichteter Umsatzsteuer geltend.
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Der Kläger erteilte der Beklagten, bestätigt durch Auftragsbestätigung vom 15.07.2022 (Anlage K2), einen Auftrag über die Installation einer Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 9.000 kWp einschließlich Planungsleistungen, Wechselrichter, Fördermittelberatung, Anlagenmontage, Anmeldung beim zuständigen Netzbetreiber, Elektroinstallationsarbeiten an der Solarstromanlage sowie Umbau des Zählerkastens für sein privates Wohnhaus im ... zum Preis von 15.900 € netto zzgl. 3.021 € Umsatzsteuer, mithin 18.921 € brutto. Die Beklagte rechnete die gesamte Leistung mit Rechnung vom 16.09.2022, vorgelegt als Anlage K3, inklusive Umsatzsteuer ab, und wies darauf hin, dass die Fertigmeldungsunterlagen erst nach vollständigem Rechnungsausgleich versendet würden und der Elektroanschlusstermin erst nach vollständigem Zahlungseingang erfolge. Der Kläger bezahlte die Rechnung am 20.09.2022.
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Nach der Montage der Module auf dem Dach des klägerischen Wohnhauses im September 2022 wurden von der Beklagten erst am 27.12.2022 der Wechselrichter montiert und weitere Kabel verlegt. Die Anlage wurde nicht in Betrieb genommen, da der örtliche Netzwerkbetreiber die Elektrik abnehmen musste. Am 17.02.2023 war ein Mitarbeiter des Netzbetreibers vor Ort, der feststellte, dass von Seiten der Beklagten die Kabel nicht richtig verlegt und bestimmte Kabel nicht wie erforderlich getauscht worden waren. Dies wurde gegenüber der Beklagten moniert. Diese war am 17.03.2023 nochmals vor Ort, um Kabel neu zu verlegen bzw. wie erforderlich zu tauschen. Am 08.05.2023 demontierten die Mitarbeiter des Netzbetreibers den bisherigen Zähler und montierten den zur Einspeisung ins Stromnetz erforderlichen Zwei-Richtungs-Zähler.
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Im Oktober 2022 wandte sich der Kläger per E-Mail, vorgelegt in den Anlagenkonvoluten K6 und K7, an die Beklagte und verlangte aufgrund des Inkrafttretens von § 12 Abs. 3 UStG die Erstattung der von ihm entrichteten Mehrwertsteuer sowie die Ausstellung einer neuen Rechnung. Mit E-Mail vom 17.10.2023 bestätigte die Beklagte, dass die Erstattung der gezahlten Steuer in Bearbeitung sei. Der zu erstattende Betrag belaufe sich auf 3.021 €. Der Kläger wurde um Mitteilung einer Bankverbindung gebeten. Diese teilte der Kläger der Beklagten mit E-Mail vom 18.10.2023 mit. Eine Zahlung der Beklagten erfolgte jedoch nicht.
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Mit Schreiben vom 28.11.2023, vorgelegt als Anlage K8, wandten sich die Klägervertreter an die Beklagte und forderten nochmals auf, den Umsatzsteuerbetrag i.H.v. 3.021,00 € bis spätestens 06.12.2023 zurückzuzahlen sowie die dem Kläger entstandenen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 453,87 € brutto unter Verzugsgesichtspunkten bis 06.12.2023 zu erstatten.
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Der Kläger ist der Auffassung, für die gesamte mit der Rechnung der Beklagten vom 16.09.2022 abgerechnete Photovoltaikanlage gelte der Nullsteuersatz des § 12 Abs. 3 UStG. Die Anlage sei erst im Jahr 2023 fertiggestellt und in Betrieb genommen worden. Es komme darauf an, wann die Anlage vollständig installiert worden sei. Hierbei sei der Zeitpunkt der Abnahme entscheidend, der regelmäßig mit dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme zusammenfalle. Dies sei vorliegend frühestens der 17.03.2023 gewesen, vermutlich sogar erst der 08.05.2023.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.021 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2023 sowie nicht anrechenbare vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 453,87 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2023 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass jedenfalls die Dachmontage bereits im September 2022 bewirkt worden sei, sodass eine Steuerbefreiung diesbezüglich nicht eingreife. § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG stelle auf die Ausführung der Umsätze, hier der Montage, ab. Vorliegend sei zwischen der Dachmontage einerseits und der Montage von Batteriespeicher, Wechselrichter etc. andererseits zu unterscheiden. Anknüpfungspunkt der Steuerbarkeit der Leistung sei der jeweilige Leistungszeitpunkt. Nur die im Jahr 2023 erbrachten Leistungen seien steuerfrei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 05.06.2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
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1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch aus § 29 Abs. 2 UStG auf Erstattung der von ihm entrichteten Umsatzsteuer in Höhe von 3.021,00 €.
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Die Installation der klägerischen Photovoltaikanlage unterliegt dem Nullsteuersatz des § 12 Abs. 3 Nr. 4 UStG. Nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 UStG ist die Installation von Photovoltaikanlagen begünstigt, wenn die Lieferung der Komponenten nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG dem Nullsteuersatz unterliegt.
14
Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG sind erfüllt, insbesondere ist die streitgegenständliche Photovoltaikanlage auf einer Privatwohnung installiert worden und unterliegt dem Limit von 30 kW (peak).
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Zwar ist in der Umsatzsteuer jede Lieferung und jede sonstige Leistung als selbständige Leistung zu betrachten. Jedoch gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung. Ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang darf nicht künstlich aufgesplittet werden. Die Beurteilung, ob es sich um mehrere selbständige Leistungen oder um eine einheitliche Leistung handelt, erfolgt aus Sicht des Leistungsempfängers. Vorliegend wünscht der Leistungsempfänger eine betriebsfertige Photovoltaikanlage zu erhalten. Auf die einzelnen Elemente sowie auf das Verhältnis von Material und Arbeitsleistung kommt es dem Kunden nicht an. Planung, Lieferung und Aufbau einer Photovoltaikanlage sind somit grundsätzlich einheitlich als ein Umsatz zu beurteilen (Zugmaier/Mateev, DStR 2022, 2337, beck-online m.w.N.; so auch Bunjes/Heidner, 22. Aufl. 2023, UStG § 12 Rn. 267; BMF-Schreiben vom 27.02.2023, III C 2 – S 7220/22/10002 :010 (2023/0197236), Seite 9).
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Änderungen des UStG sind gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Umsätze im Inland anzuwenden, die ab Inkrafttreten der maßgeblichen Änderungsvorschrift, vorliegend ab 01.01.2023, ausgeführt werden. Das gilt nach § 27 Abs. 1 Satz 2 UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen auch insoweit, als die Steuer dafür nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Satz 4, lit. b oder § 13b Absatz 4 Satz 2 UStG vor dem Inkrafttreten der Änderungsvorschrift entstanden ist. Dem Datum der Bestellung, der Vertragsunterzeichnung oder der Rechnungsstellung kommt in diesem Zusammenhang aus umsatzsteuerlicher Sicht keinerlei Bedeutung zu. Der Zeitpunkt der Leistungserbringung hängt wiederum von der Art des Umsatzes ab. Mit der Lieferung und Installation der Photovoltaikanlage nebst Speichermodulen und weiterer Einzelteile erbringt der Leistende eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG an den Kunden. Eine (Montage- oder Werk-)Lieferung gilt nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG als ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den geschuldeten Gegenstand erhält. Das ist in der Regel erst nach beendeter Abnahme und erfolgtem Anschluss der Photovoltaikanlage an das inländische Stromnetzwerk der Fall (Zugmaier/Mateev, DStR 2022, 2337, beck-online m.w.N.).
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Vorliegend fällt die (konkludente) Abnahme der Photovoltaikanlage durch den Kläger mit dem Anschluss der Anlage an das inländische Stromnetz durch den örtlichen Netzbetreiber am 08.05.2023 zusammen. Erst zu diesem Zeitpunkt stand für den Kläger die Funktionsfähigkeit der Anlage fest. Für eine Abnahme vor dem 01.01.2023 ergeben sich keine Anhaltspunkte. Die Unterzeichnung der dem Kläger nach der Montage der einzelnen Bestandteile vorgelegten Regieberichte stellt weder eine Abnahme der Photovoltaikanlage als einheitlicher Leistung noch eine (im Übrigen nicht vereinbarte) Teilabnahme dar.
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Der streitgegenständliche Umsatz wurde somit im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG erst nach dem 01.01.2023 ausgeführt, sodass vorliegend der Nullsteuersatz anzuwenden ist.
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Der Vertrag wurde am 15.07.2022 und damit vor der Viermonatsfrist des § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG geschlossen, sodass der Kläger von der Beklagten einen angemessenen Ausgleich verlangen kann. Als „angemessen“ ist im Regelfall – wie auch hier – der volle Ausgleich anzusehen (vgl. BGH NJW 1972, 874; 1973, 1744). Damit besteht ein Anspruch des Klägers auf vollständige Rückzahlung der von im entrichteten Umsatzsteuer in Höhe von 3.021,00 €.
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2. Der Anspruch auf Zinsen und Nebenkosten folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 29 UStG entsteht im Zeitpunkt der Entstehung der geänderten Umsatzsteuer (§ 13 UStG), ist hier also am 01.01.2023 entstanden. Die Beklagte befand sich nach Zahlungsaufforderung des Klägers spätestens seit Ende Oktober 2023 in Verzug und hat diesem daher unter Verzugsgesichtspunkten vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu erstatten und Zinsen zu zahlen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in § 709 ZPO.