Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 08.11.2024 – Ws 389/24
Titel:

Gesellschafter einer OHG keine "getarnten" Arbeitnehmer

Normenketten:
StPO § 203
StGB § 266a Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein hinreichender Tatverdacht kann mit der Begründung verneint werden, dass in einer Hauptverhandlung wahrscheinlich ein Freispruch oder eine Einstellung ergehen würde. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Entscheidend für die Abgrenzung von unselbständiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind – ausgehend vom Vertragsverhältnis der Beteiligten – die tatsächlichen Gegebenheiten der "gelebten Beziehung", die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind. (Rn. 17 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Stehen sowohl tatsächliche als auch Rechtsgründe einer Eröffnung entgegen, ist es eine Frage der Praktikabilität, welchen von ihnen der Vorzug gegeben wird. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Besteht der Verdacht, dass Arbeitnehmer nur als Gesellschafter einer OHG eingetragen sind, damit der geschäftsführende Gesellschafter keine Sozialversicherungsbeiträge für sie abführen muss, sprechen eine nachgewiesene Gewinnverteilung und die Mitbestimmung aller Gesellschafter über das Geschäft und die Geschicke der OHG gegen ihre abhängige Beschäftigung. (Rn. 27 – 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eröffnungsbeschluss, hinreichende Wahrscheinlichkeit, Scheinselbständigkeit, Scheingesellschaft, OHG
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 28.03.2024 – 12 KLs 504 Js 1820/21
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32573

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft N.-F. gegen den Beschluss der 12. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.03.2024 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten im Beschwerdeverfahren.

Gründe

I.
1
Der Nichteröffnungsbeschwerde liegt eine Anklage der Staatsanwaltschaft N.-F. vom 15.09.2023 zugrunde.
1. Funktion des Angeschuldigten und Anklagevorwurf
2
Zu den Funktionen der einzelnen Angeschuldigten lässt sich der Anklage folgendes entnehmen:
3
Der Angeschuldigte agierte als geschäftsführender Gesellschafter der P. C. OHG mit Sitz in C. eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Fürth unter HRA 11054 (nachfolgend „OHG“), welche auf dem Gebiet des Maurer-, Betonbauer- und Zimmererhandwerks tätig ist.
4
Der Anklagevorwurf im Verfahren stellt sich knapp zusammengefasst wie folgt dar:
5
Die Anklage vom 15.09.2023 legt dem Angeschuldigten 56 Fälle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in Tatmehrheit mit 37 Fällen des Betrugs gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 und S. 2 Nr. 1, 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 13 Abs. 1, 53 StGB zur Last. Der Angeschuldigte soll Arbeitnehmer eingesetzt haben, die nach außen hin Gesellschafter der OHG waren. Nach den tatsächlichen Verhältnissen seien die Gesellschafter aber als seine weisungsgebundenen Arbeitnehmer anzusehen gewesen, für die er Sozialversicherungsbeiträge hätte entrichten müssen.
6
Durch die ihm vorgeworfenen Taten soll der Angeschuldigte im Zeitraum von Januar 2017 bis Dezember 2020 in 52 Fällen insgesamt 677.543,45 € an Sozialversicherungsbeiträgen vorenthalten haben, davon 332.784,87 € Arbeitgeberanteile und 344.758,58 € Arbeitnehmeranteile. Des Weiteren soll der Angeschuldigte für die Beitragsjahre 2017 bis 2020 in vier Fällen gesetzliche Unfallversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 106.097,59 € vorenthalten haben. Zudem wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, im Zeitraum Dezember 2017 bis Dezember 2020 in 37 Fällen entgegen der ihm bekannten Verpflichtung den Sozialkassen der Bauwirtschaft die Bruttolohnsumme der von ihm beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer nicht gemeldet zu haben, um entsprechende Aufwendungen einzusparen und seine Einnahmesituation dauerhaft zu verbessern, so dass es die Sozialkassen aufgrund dessen unterließen, die jeweils entstandenen Sozialkassenbeiträge in Höhe von insgesamt 159.697,71 € geltend zu machen und beizutreiben.
2. Nichteröffnung
7
Mit Beschluss vom 28.03.2024 (Bl. 1704 – 1725 d.A.) hat die 12. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Im Nichteröffnungsbeschluss setzt sich das Landgericht mit den von der Staatsanwaltschaft N.-F. in der Anklageschrift – unter Bezugnahme auf den übrigen Akteninhalt – dargelegten Umständen, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft im Ergebnis für eine Scheinselbständigkeit und Scheingesellschaft sprechen würden, auseinander. Das Landgericht legt unter Würdigung der ermittelten Umstände dar, das die Gesellschafter nicht dem Weisungsrecht des Angeschuldigten unterlegen hätten, sondern im wesentlichen gleichberechtigte Gesellschafter der OHG gewesen seien, die ihre Tätigkeit auf Grundlage des Gesellschaftsvertrags erbracht und genauso wie der Angeschuldigte ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen hätten. Im Rahmen der durchzuführenden Gesamtbetrachtung und -bewertung spreche mehr für das Vorliegen einer „echten“ Gesellschaft als eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zum Angeschuldigten.
3. Sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft N.-F.
8
Die Staatsanwaltschaft N.-F. hat gegen den am 03.04.2024 bei der Staatsanwaltschaft eingegangenen Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.03.2024 mit Schreiben vom 05.04.2024, eingegangen beim Landgericht Nürnberg-Fürth am 08.04.2024, sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 24.04.2024 begründet. Die Staatsanwaltschaft sieht zunächst auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts bereits aufgrund der Darstellungen in der Anklageschrift vom 15.09.2023 einen hinreichenden Tatverdacht als gegeben. Sie trägt des Weiteren vor, dass die Kammer bei ihrer Gesamtabwägung vom Lebenssachverhalt abweiche, wie er in der Anklageschrift dargestellt sei, weshalb keine Nichteröffnung aus Rechtsgründen vorliege. So würden sich die Ausführungen der Kammer zur Beschlussfassung auf den Gesellschafterversammlungen, zur Gewinnverteilung und zum unternehmerischen Risiko beziehungsweise der Erbringung von Einlagen von den Darstellungen in der Anklage unterscheiden. Hinsichtlich der Ausführung, dass die täglichen Stundenaufzeichnungen zu Steuerzwecken erfolgten, handele es sich um eine Annahme, welche die Kammer (ohne weitere Begründung) gänzlich selbst treffe. Insoweit würdige die Kammer die vorgelegten Beweismittel selbst abweichend und rechtfertige die Nichteröffnung mit tatsächlichen Gründen. Im Übrigen sei die Gesamtabwägung in der Anklageschrift zutreffend erfolgt. Es sei zutreffend, dass die Eintragung ins Handelsregister lediglich deklaratorisch für den Eintritt eines Gesellschafters einer OHG sei. Gleichwohl sei dieses formale Erfordernis jedenfalls bei 18 Scheingesellschaftern beachtet worden, bei welchen die konstitutive Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung zu deren Eintritt gänzlich fehle. Gemäß § 6 Abs. 5 des Gesellschaftervertrags der OHG sei über die Aufnahme eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung Beschluss zu fassen, wobei die Zustimmung aller (bisherigen) Gesellschafter erforderlich sei. Entgegen der Auffassung der Kammer seien vorliegende eher formale Anforderungen zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse erfüllt, als dass die Scheingesellschafter tatsächlich an der Aufnahme neuer „Gesellschafter“ beteiligt gewesen seien oder in diesem Kernbereich der Gesellschaft von ihrem Mitbestimmungsrecht gewusst hätten. Zu den Anhaltspunkten, dass alleine der Angeschuldigte hinsichtlich des Bankkontos der Gesellschaft verfügungsbefugt gewesen sei und den faktischen Zugriff auf deren Geschäftsunterlagen gehabt habe, verhalte sich die Kammer nicht. Auch die Tatsache, dass ein früherer Gesellschafter der OHG nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft bei der Agentur für Arbeit Sozialleistungen beantragt habe und der Angeschuldigte diese auf eine vorgeblich selbständige Tätigkeit verwiesen habe, sei unberücksichtigt geblieben.
4. Anmerkung der 12. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth
9
In seiner Vorlageverfügung vom 02.05.2024 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth folgendes angemerkt: Es habe eine vollwertige Rechtsanwendung auf das gegebene – gegebenenfalls unsichere – Tatsachenmaterial zu erfolgen. Die Kammer habe nicht ohne weitere Begründung selbst die Annahme getroffen, dass die Stundenaufzeichnungen der Gesellschaft nicht Grundlage der Gewinnausschüttung gewesen, sondern lediglich für die Steuer relevant gewesen seien, vielmehr würden die durchgeführten Zeugenvernehmungen dies bestätigen. Sofern die Beschwerde darauf abstellte, dass keinerlei Beschlüsse bezüglich der Aufnahme mehrerer Gesellschafter vorliegen würden, sei diese Aussage so nicht zutreffend. Zutreffend sei allenfalls, dass nach Lage der Akten keinerlei Protokolle hierzu vorliegen würden, welche diese Beschlüsse dokumentierten. Ob die Beschlüsse tatsächlich gefasst worden seien oder nicht, sei nicht ermittelt. Zeugen seien zu diesem Punkt – im Gegensatz zur ebenfalls in den Protokollen festgehaltenen Gewinnausschüttung – gerade nicht befragt worden. Die bloße Feststellung der Beschlussfassung im Protokoll sei keine Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen des Beschlusses selbst. Im Übrigen lege schon die Lebenserfahrung nahe, dass die gemeinschaftliche Mitabstimmung mit „neuen“ Gesellschaftern seitens der „alten“ eine Approbation der Mitgliedschaft der ersteren ausdrücke.
5. Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft N.
10
Die Generalstaatsanwaltschaft N. ist in ihrer Stellungnahme vom 13.05.2024 dem Rechtsmittel beigetreten und hat auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung Bezug genommen. Das Landgericht überspanne die Anforderungen an den hinreichenden Tatverdacht. Konkret wird ergänzend ausgeführt, dass nach Ermittlung sowie Abwägung sämtlicher Kriterien des vorliegenden Einzelfalls miteinander im Ergebnis – wie die Staatsanwaltschaft N.-F. ausgeführt habe – nicht von einer selbständigen Tätigkeit der Zeugen auszugehen sei.
6. Stellungnahmen der Verteidiger
11
Die Verteidiger hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schriftsatz vom 27.08.2024 hat Rechtsanwalt W. beantragt, die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft N.-F. zurückzuweisen. Es werde auf die zutreffenden Ausführungen der 12. Großen Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.03.2024 wie auch in der Verfügung vom 02.05.2024 verwiesen. Des Weiteren hat der Verteidiger einen Bescheid der Deutschen Rentenversicherung ... vom 05.08.2024 vorgelegt. In diesem wird ausgeführt, dass die Gesellschafter der OHG nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu dem Angeschuldigten gestanden hätten, sondern im Wesentlichen gleichberechtigte Gesellschafter gewesen seien, die ihre Tätigkeit auf Grundlage des Gesellschaftsvertrags erbracht hätten und genauso ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen hätten.
7. Stellungnahme der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft zum Verteidigervorbringen
12
Mit Verfügung vom 13.09.2024 hat die Staatsanwaltschaft N.-F. ausgeführt, dass der Bescheid der Deutschen Rentenversicherung sachliche Ausführungen, ob die „Gesellschafter“ abhängig beschäftigt gewesen seien, nicht enthalte. Aus den Gesamtumständen könne geschlossen werden, dass die Deutsche Rentenversicherung schlicht der Auffassung der Strafkammer im – nicht rechtskräftigen – angefochtenen Beschluss gefolgt sei. Die nicht begründete sozialrechtliche Einschätzung der Deutschen Rentenversicherung habe für das Strafverfahren keine präjudizielle Wirkung. Mit Schreiben vom 20.09.2024 hat sich die Generalstaatsanwaltschaft N.-F.diesen Ausführungen angeschlossen.
II.
13
Die nach § 210 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht erhobene, unbeschränkt eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist statthaft und zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
14
Ein hinreichender Tatverdacht als Voraussetzung für die Eröffnung des Hauptverfahrens ist letztlich nicht gegeben.
15
1. Der hinreichende Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO setzt die überwiegende Wahrscheinlichkeit späterer Verurteilung bei vorläufiger Tatbewertung voraus. Diese für die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderliche Verurteilungswahrscheinlichkeit verlangt damit einen geringeren Wahrscheinlichkeitsgrad und ist zu unterscheiden vom dringenden Tatverdacht im Sinne des § 112 StPO, dessen Voraussetzung eine große Wahrscheinlichkeit ist, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 112 Rn. 5) und der für die Verurteilung erforderlichen richterlichen Überzeugung nach § 261 StPO. Herzstück der Verdachtsbewertung ist die Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung nach Maßgabe der sich dem Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung bietenden Tatsachengrundlage. Hinzu kommt die umfassende Prüfung des für beweisbar erachteten Verhaltens in rechtlicher Hinsicht. Hierauf aufbauend gilt es sodann prospektiv einzuschätzen, ob die Tat in der Hauptverhandlung mit den Mitteln des Strengbeweises wahrscheinlich nachweisbar ist. Schlussendlich bleibt das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen bzw. das Fehlen von Prozesshindernissen zu prüfen (KK-StPO/Schneider, 9. Aufl. 2023, StPO § 203 Rn. 3). Mit dem Ausdruck „hinreichend” ist bewusst keine Aussage zum Maß der Verurteilungswahrscheinlichkeit getroffen, da die Entwurfsmotive davon ausgingen, dass sich hierüber spezielle Vorschriften nicht geben ließen; die Verurteilung müsse aber mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Das ist dahin zu präzisieren, dass im Beschlusszeitpunkt, ungeachtet der Unwägbarkeiten einer späteren Hauptverhandlung, auf Grund eines Evidenzurteils nach richterlicher Erfahrung entweder die Verurteilung überwiegend wahrscheinlich erscheinen oder ein Zweifelsfall vorliegen muss, zu dessen Klärung die besonderen Erkenntnismittel der Hauptverhandlung notwendig sind. Diffizile Beweiswürdigungsfragen dürfen nicht im Zuge der nicht-öffentlichen und nicht-unmittelbaren „vorläufigen Tatbewertung” des eröffnenden Gerichts endgültig entschieden werden. Die Eröffnungsentscheidung soll erkennbar aussichtslose Fälle ausfiltern, aber der Hauptverhandlung ansonsten nicht vorgreifen. (OLG Saarbrücken Beschluss vom 17.07.2008, 1 Ws 131/08). Für den Grundsatz „in dubio pro reo“ ist bei einem Wahrscheinlichkeitsurteil noch kein Raum (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. § 203 Rn. 2; KK-StPO/Schneider, 9. Aufl. 2023, StPO § 203 Rn. 10; OLG Saarbrücken a.a.O.). Jedoch kann hinreichender Tatverdacht mit der Begründung verneint werden, dass in einer Hauptverhandlung nach dieser Regel wahrscheinlich Freispruch oder Einstellung ergehen würde (KK-StPO/Schneider a.a.O., OLG Saarbrücken a.a.O., OLG Celle, Beschluss vom 26.03.2015, 1 Ws 560/14).
16
Die Grundlage für den Eröffnungsbeschluss bilden im Rahmen der Anklage die vorangegangenen Ermittlungen, also die gesamten Akten, nicht bloß die Anklageschrift (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. § 203 Rn. 1).
17
2. Die nach diesen Vorgaben vom Senat als Beschwerdegericht selbständig (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013; StB 16/13, juris) vorzunehmende Bewertung ergibt, dass der Angeschuldigte der ihm vorgeworfenen Straftaten nicht hinreichend verdächtig ist.
18
Insbesondere ist der Angeschuldigte aufgrund der ermittelten Tatsachengrundlage nicht mit der erforderlichen Verurteilungswahrscheinlichkeit als Arbeitgeber und die weiteren Gesellschafter der OHG sind nicht als Arbeitnehmer anzusehen.
19
a. § 266a StGB stellt die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber unter Strafe, wobei Absatz 1 das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen erfasst, Absatz 2 das Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen.
20
Zur Abgrenzung der Beschäftigung als Arbeitnehmer von selbständiger Tätigkeit führt der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 17.09.2020 (1 StR 576/18, juris, Rn. 17) aus: „Beschäftigung ist die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).“
21
Entscheidend für die Abgrenzung von unselbständiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind – ausgehend vom Vertragsverhältnis der Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R Rn. 18; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2018 – 5 StR 275/18, NStZ-RR 2019, 151 f. mwN) – die tatsächlichen Gegebenheiten der „gelebten Beziehung“, die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind (BGH, Beschluss vom 24.09.2019, 1 StR 346/18, juris, Rn. 24 unter Verweis auf die st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2018 – 5 StR 275/18). Bei Werkleistungen ausführenden Personen wird insoweit auf die Subkriterien „umfassende Weisungsgebundenheit“, „Entlohnung nach festen Stundensätzen“, „Einbindung in den Betriebsablauf des Arbeitgeberbetriebs“, sowie das „Fehlen eines eigenen unternehmerischen Risikos“ abgestellt. Zusätzlich wurde im Fall vermeintlich selbständig tätiger Prospektverteiler mit polnischer Staatsangehörigkeit auf das Fehlen eigener inländischer Geschäftslokale und ihre für eine selbständige gewerbliche Tätigkeit in Deutschland unzureichenden Sprachkenntnisse abgestellt (MüKoStGB/Radtke, 4. Auflage 2022, StGB, § 266a Rn. 13, beck-online).
22
b. Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass die durch die Ermittlungen festgestellten tatsächlichen Gegebenheiten nicht den hinreichenden Verdacht tragen, dass der Angeschuldigte anstelle seiner formalen Stellung als Gesellschafter als Arbeitgeber anzusehen ist und die übrigen Gesellschafter als dessen Arbeitnehmer.
23
Das Landgericht hat insbesondere sämtliche von der Staatsanwaltschaft in der Anklage – unter Bezugnahme auf die durchgeführten Ermittlungen – aufgeführten Anhaltspunkte, die gegen das Vorliegen einer Gesellschaft sprechen würden, berücksichtigt. Es hat die ermittelten tatsächlichen Gegebenheiten zugrunde gelegt und eine wertende Gesamtbetrachtung vorgenommen. Hierbei hat es insbesondere umfassend Ausführungen zur Mitbestimmung der Gesellschafter über das Geschäft und Geschick der OHG im Rahmen der mindestens einmal im Monat stattfindenden Gesellschafterversammlungen getätigt. Das Landgericht hat sich insoweit eingehend mit den Fragen der Mitbestimmung der Gesellschafter bei der Auswahl der Aufträge, der Gewinnverteilung und der Partizipation des Angeschuldigten am Erfolg des Unternehmens im Verhältnis zur entsprechenden Partizipation der übrigen Gesellschafter, des Vorliegens eines jeweiligen eigenen Unternehmerrisikos und des Leistens von Einlagen auseinandergesetzt.
24
Den grundsätzlich zutreffenden und detaillierten Ausführungen des Landgerichts im Beschluss vom 28.03.2024 sowie in der Verfügung vom 02.05.2024, auf die Bezug genommen wird, schließt sich der Senat aus eigener Überzeugung an.
25
Lediglich soweit das Landgericht auf Seite 10 des angegriffenen Beschlusses ausführt, dass die Protokolle vom 03. März 2019 bis 13. Februar 2020 (BWA I Band 3 Bl. 105-213) zeigen würden, dass dem Angeschuldigten für die Zeiträume, die Gegenstand dieser Versammlungen waren, der gleiche Gewinn wie den übrigen Mitgesellschaftern ausbezahlt worden sei, ist dies nach den vorliegenden Kontoauszügen des Postbank-Kontos der OHG (TEA I, Bl. 50) nicht zutreffend. Der Umstand, dass dem Angeschuldigten auch in diesem Zeitraum tatsächlich jeweils höhere Beträge als den übrigen Gesellschaftern ausbezahlt wurden, führt aber bei der vorzunehmenden Gesamtbewertung nicht dazu, dass ein hinreichender Tatverdacht für eine Arbeitgeberstellung gegeben ist. Denn die unterschiedlichen Auszahlungsbeträge spiegeln auch in diesem Zeitraum die zuvor von den Gesellschaftern praktizierte Gewinnverteilung nach Prozentsätzen wider und entsprechen dieser. Zutreffend weist das Landgericht zudem darauf hin, dass dem Angeschuldigten und den übrigen Mitgesellschaftern für die erste Augusthälfte des Jahres 2021 (Protokoll vom 12. August 2021; BWA I Band 3 Bl. 241) der gleiche Gewinn ausbezahlt wurde. Dies deckt sich mit dem entsprechenden Kontoauszug. Wie sich aus dem Protokoll vom 30.07.2021 und dem entsprechenden Kontoauszug ergibt, wurde dem Angeschuldigten und den übrigen Mitgesellschaftern überdies auch Ende Juli 2021 der gleiche Gewinn ausbezahlt.
26
3. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen sind folgende ergänzende Ausführungen veranlasst:
27
a. Das Landgericht hat die Eröffnung des Hauptverfahrens zutreffend aus Rechtsgründen abgelehnt.
28
aa. Stehen sowohl tatsächliche als auch Rechtsgründe der Eröffnung entgegen, ist es eine Frage der Praktikabilität, welchen von ihnen der Vorzug gegeben wird. Es bleibt dem Gericht überlassen, auf welchen mehrerer möglicher Gründe es die Ablehnung stützt (BeckOK StPO/Ritscher StPO § 204 Rn. 7).
29
bb. Dies zugrunde gelegt, ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens auf Rechtsgründe gestützt hat.
30
Soweit die Staatsanwaltschaft rügt, dass die Kammer die vorgelegten Beweismittel selbst abweichend würdige und die Nichteröffnung mit tatsächlichen Gründen rechtfertige, überzeugt dies nicht. Die Staatsanwaltschaft trägt insoweit vor, dass sich die Ausführungen der Kammer zur Beschlussfassung auf den Gesellschafterversammlungen, zur Gewinnverteilung und zum unternehmerischen Risiko beziehungsweise der Erbringung von Einlagen von den Darstellungen in der Anklage unterscheiden würde und es sich hinsichtlich der Ausführung, dass die täglichen Stundenaufzeichnungen zu Steuerzwecken erfolgten, um eine Annahme handele, welche die Kammer (ohne weitere Begründung) gänzlich selbst treffe.
31
Vorliegend kommt es für eine Strafbarkeit des Angeschuldigten entscheidend auf das Vorliegen des normativen Tatbestandsmerkmals der Stellung des Angeschuldigten als Arbeitgeber an (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2018 – 1 StR 331/17, beck-online). In Zweifelsfällen ist eine wertende Gesamtbetrachtung der für die Arbeitgeberstellung relevanten Umstände vorzunehmen.
32
Nichts anderes hat das Landgericht getan. Es hat die durch die durchgeführten Ermittlungen festgestellten tatsächlichen Gegebenheiten wertend einer Gesamtbetrachtung unterzogen.
33
So hat das Landgericht hinsichtlich der Beschlussfassung auf den Gesellschafterversammlungen die nach den durchgeführten Ermittlungen vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten zugrunde gelegt und hieraus lediglich nicht die gleiche wertende Schlussfolgerung wie die Staatsanwaltschaft, die aus den tatsächlichen Gegebenheiten auf das Vorliegen von Scheinabstimmungen geschlossen hat, gezogen. Entsprechendes gilt, soweit das Landgericht vom Vorliegen eines unternehmerischen Risikos für die einzelnen Gesellschafter ausgeht und die Staatsanwaltschaft kein solches Unternehmerrisiko annimmt. Auch insoweit handelt sich letztlich jeweils um die wertende Schlussfolgerung der sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch vom Landgericht zugrunde gelegten ermittelten tatsächlichen Gegebenheiten.
34
Hinsichtlich der Gewinnverteilung hat das Landgericht, ebenso wie die Staatsanwaltschaft auch, das Protokoll einer Gesellschafterversammlung vom 01.02.2021 (BWA I Band 3 Bl. 231), auf welches im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in der Anklage Bezug genommen wird, zugrunde gelegt. Darüber hinaus hat die Kammer, ebenso wie die Staatsanwaltschaft, berücksichtigt, dass der Angeschuldigte nach den tatsächlichen Verhältnissen im Tatzeitraum mindestens einen um 5 Prozentpunkte höheren Gewinnanteil erhielt.
35
Soweit die Staatsanwaltschaft im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen ausführt, dass die (Schein-)Gesellschafter keine Einlagen geleistet hätten, nimmt auch das Landgericht nicht im Widerspruch hierzu stehend an, dass diese Geldeinlagen geleistet haben. Vielmehr führt es ergänzend, gestützt auf die durchgeführten Ermittlungen, aus, dass die Gesellschafter ihre Arbeitszeit und Arbeitskraft eingebracht und sich an den Kosten für die erforderlichen Anschaffungen (Werkzeuge, Firmenfahrzeug), beteiligt hätten, da der Gewinn erst im Anschluss an die Begleichung der Kosten für diese Anschaffungen an die Gesellschafter verteilt worden sei.
36
Schließlich hat das Landgericht, ebenso wie die Staatsanwaltschaft, bei seiner Bewertung zugrunde gelegt, dass auf Weisung des Angeschuldigten Aufzeichnungen über die täglichen Arbeitszeiten geführt wurden. Eine weitere Wertung dieses Umstands anhand der durchgeführten Ermittlungen ist durch die Staatsanwaltschaft insoweit in der Anklage nicht erfolgt. Entgegen der Beschwerdebegründung hat das Landgericht die Annahme, dass diese Aufzeichnungen nicht Grundlage der Gewinnausschüttung waren, sondern lediglich für die Steuer relevant waren, nicht ohne weitere Begründung gänzlich selbst getroffen. Vielmehr hat sie insoweit die durchgeführten Ermittlungen, insbesondere die Zeugenvernehmungen (TEA III Bl. 10, 22, 34, 42, 48, 59, 67, 71, 85) zugrunde gelegt.
37
b. Zwar hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass es in der gegebenen Konstellation durchaus Elemente gibt, die für einen – von Inländern betriebenen – gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluss eher untypisch sind oder die tendenziell darauf hinweisen, dass Beschäftigung in einer persönlichen Abhängigkeit vorliegen könnte. Der Senat ist jedoch, ebenso wie das Landgericht, der Auffassung, dass bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung aber die wesentlichen Elemente, nämlich das Unternehmensrisiko und die gesellschaftsrechtlich fundierte Mitwirkung jedes einzelnen Gesellschafters – die der Annahme eines Weisungsverhältnisses widerstreitet – insgesamt gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung zwischen ihnen und dem Angeschuldigten sprechen.
38
aa. Als weiteres entscheidendes Argument – welches auch die Staatsanwaltschaft in der Anklage als tatsächlichen Anhaltspunkt, der für das Vorliegende einer Gesellschaft sprechen könnte, aufführt – kommt hinzu, dass die Gewinnentnahmen der Gesellschafter in Bezug auf den Unternehmenserfolg variierten. Die durchgeführten Ermittlungen haben insoweit gerade nicht ergeben, dass ein fester Stundenlohn vereinbart war und die konkrete Entlohnung lediglich in dem Umfang der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden erfolgt ist. Soweit die Zeugen angegeben haben, dass sie Arbeitsaufzeichnungen geführt und diese monatlich beim Angeschuldigten abgegeben hätten, haben die durchgeführten Zeugenvernehmungen gerade nicht etwa bestätigt, dass dies Grundlage für die „Lohn“-Zahlungen war, sondern vielmehr, dass dies in irgendeiner Form für die Steuer wichtig gewesen sei und der Angeschuldigte die Stundenaufzeichnungen zum Steuerberater bringe.
39
bb. Zudem hat sich der Angeschuldigte nach den Aussagen der vernommenen Zeugen auch immer gemeinsam mit den übrigen Gesellschaftern auf der Baustelle befunden und dort mitgearbeitet. Auch dies spricht für seine Stellung als „primus inter pares“ und gegen eine Stellung als Arbeitgeber.
40
c. Die von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung vorgetragenen Umstände führen nicht dazu, dass bei wertender Gesamtbetrachtung ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich des Vorliegens der Arbeitgebereigenschaft angenommen werden kann.
41
aa. Zwar ist zutreffend, dass nach den durchgeführten Ermittlungen bei 18 Gesellschaftern eine Beschlussfassung zu deren Eintritt in die OHG in den vorliegenden Gesellschafterprotokollen nicht enthalten war. Allerdings folgt aus dem Umstand, dass diesbezüglich keine Protokolle vorliegen nicht, dass eine entsprechende Beschlussfassung nicht erfolgt ist. So können gemäß § 6 Abs. 3 S. 3 des Gesellschaftervertrags der OHG bei Zustimmung aller Gesellschafter Beschlüsse auch außerhalb einer Gesellschafterversammlung mündlich oder schriftlich gefasst werden. Werden Beschlüsse mündlich gefasst, hat der Gesellschafter, der diese Form der Beschlussfassung angeregt hat, zwar gemäß § 6 Abs. 3 S. 4 des Gesellschaftervertrags der OHG unverzüglich ein Protokoll zu fertigen und den Beteiligten vorzulegen. Dass die mündliche Beschlussfassung unwirksam ist, wenn diese Protokollfertigung unterbleibt, ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag der OHG und auch von Gesetzes wegen (vgl. Ebenroth/Boujong/Freitag, 5. Aufl. 2024, HGB § 109 Rn. 7) indes nicht. Soweit die Staatsanwaltschaft insoweit weiter behauptet, dass vorliegend eher formale Anforderungen zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse erfüllt worden seien, als dass die Gesellschafter tatsächlich an der Aufnahme neuer Gesellschafter beteiligt gewesen seien oder in diesem Kernbereich der Gesellschaft von ihrem Mitbestimmungsrecht gewusst hätten, tragen die durchgeführten Ermittlungen diese Schlussfolgerung nicht. So sind in mehr als 30 Fällen Beschlussfassungen über den Eintritt eines neuen Gesellschafters in den Gesellschaftsversammlungsprotokollen vermerkt. Den weiteren durchgeführten Ermittlungen, insbesondere den Zeugenvernehmungen ist auch nicht etwa zu entnehmen, dass die Gesellschafter an der Aufnahme neuer Gesellschafter tatsächlich nicht beteiligt waren oder von ihrem Mitbestimmungsrecht keine Kenntnis hatten. Die Zeugenvernehmungen verhalten sich hierzu vielmehr überhaupt nicht.
42
bb. Soweit in der Beschwerdebegründung gerügt wird, dass sich das Landgericht zu den Anhaltspunkten, dass alleine der Angeschuldigte hinsichtlich des Bankkontos der Gesellschaft verfügungsbefugt war und den faktischen Zugriff auf deren Geschäftsunterlagen hatte, nicht verhalte, trifft dies nicht zu. Das Landgericht hat hierzu auf S. 18 des angegriffenen Beschlusses Ausführungen getätigt und diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass die vernommenen Zeugen nicht angegeben haben, dass ihnen der Zugang verwehrt gewesen wäre, sondern nur, dass es eben der Angeschuldigte war, bei dem diese Unterlagen verwahrt wurden.
43
cc. Soweit schließlich seitens der Staatsanwaltschaft bemängelt wird, dass die Tatsache, dass ein früherer Gesellschafter der OHG nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft bei der Agentur für Arbeit Sozialleistungen beantragte und der Angeschuldigte diese auf eine (vorgeblich) selbständige Tätigkeit verwies, unberücksichtigt geblieben sei, ist dies nicht geeignet, eine abweichende Bewertung hinsichtlich des Vorliegens beziehungsweise Nichtvorliegens der Arbeitgebereigenschaft des Angeschuldigten zu begründen.
44
Zum einen legt der Angeschuldigte in seinem Antwortschreiben an die Agentur für Arbeit vom 24.02.2015 lediglich dar, dass der frühere Gesellschafter nicht als Arbeitnehmer, sondern als persönlich haftender Gesellschafter der OHG tätig gewesen sei, dieser nur Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gehabt habe, so dass eine Arbeitsbescheinigung nicht ausgefüllt werden könne und nicht bekannt sei, inwiefern der frühere Gesellschafter aus seiner selbständigen Tätigkeit einen Anspruch bei der Agentur für Arbeit herleiten könne. Zum anderen ergibt sich aus den durchgeführten Ermittlungen auch nicht, ob und welche – richtigen oder unrichtigen oder falsch verstandenen – Vorstellungen der frühere Gesellschafter der OGH über seine Berechtigung bei der Beantragung von Sozialleistungen hatte, etwa ob er davon ausgegangen ist, als Arbeitnehmer oder aber auch als Selbständiger einen Anspruch auf Sozialleistungen zu haben oder ob er sich hierüber überhaupt keine Gedanken gemacht und einfach einen Antrag gestellt hat.
45
dd. Den durchgeführten Ermittlungen sind auch keine weiteren tatsächlichen Anhaltspunkte zu entnehmen, die bei der vorzunehmenden Gesamtbewertung einen hinreichenden Tatverdacht in Bezug auf eine tatsächliche Arbeitgebereigenschaft des Angeschuldigten begründen könnten.
46
(1) Die Finanzermittlungen haben keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Gewinnverteilung etwa losgelöst von den Beschlüssen auf den Gesellschafterversammlungen erfolgt ist. So ist den Kontoauszügen zu entnehmen, dass die Überweisung der jeweiligen Gewinnanteile nicht etwa bereits einige Tage vor den Gesellschafterversammlungen erfolgte, sondern erst am Tag der Gesellschafterversammlung selbst oder kurz danach.
47
(2) Der Umstand, dass Rentenzahlungen durch die Gesellschaft nur für den Angeschuldigten bezahlt wurden, war Thema einer eigens hierzu einberufenen Gesellschafterversammlung am 15.01.2018. Die Gesellschafter kamen aufgrund des Umstands, dass die Gesellschaft Arbeiten des Maurer- und Betonbauerhandwerks nur ausführen könne, wenn ein Maurermeister vorhanden sei und der Angeschuldigte als Handwerksmeister Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung zahlen müsse, zu dem Schluss, dass die Beiträge von der Gesellschaft übernommen würden, da die Beiträge indirekt mit dem Betrieb zusammenhängen würden. Aus Sicht der Gesellschafter gab es damit sehr wohl einen sachlichen Grund dafür, dass (nur) die Beiträge zur Rentenversicherung des Angeschuldigten durch die Gesellschaft bezahlt wurden.
48
(3) Zur Wohnsituation ist ergänzend zu den Ausführungen des Landgerichts anzuführen, dass sich den Akten eine einseitige Bestimmung der Wohngegebenheiten durch den Angeschuldigten nicht entnehmen lässt. Vielmehr wurde nach der Aussage des Zeugen C. gemeinsam die neue Wohnimmobilie in Cadolzburg besichtigt und über die Nutzung gemeinsam entschieden.
49
(4) Soweit als Indiz für eine Arbeitgeberstellung in der Anklage unter anderem aufgeführt wurde, dass der Angeschuldigte sich auf dem Aushängeschild der OHG als „Inhaber“ dargestellt hat, ist ergänzend anzuführen, dass auf dem Aushängeschild aber auch zusätzlich die weiteren Gesellschafter namentlich aufgeführt waren.
50
(8) Zwar hat der Angeschuldigte, wie den Zeugenvernehmungen zu entnehmen ist, auf der Baustelle den Gesellschaftern Anweisungen erteilt und diese koordiniert. Ein umfassendes Weisungsrecht des Angeschuldigten kann hieraus aber nicht geschlussfolgert werden, vielmehr erfolgten Anweisungen ausweislich der Zeugenvernehmungen wohl nur, wenn sich einzelne Gesellschafter nicht gut genug auskannten. So ist der Aussage des Zeugen V. (TEA III Bl. 62 ff.) zu entnehmen, dass er keine Anweisungen kriege, da er seine Tätigkeit kenne, er könne die Pläne lesen, nur bei wenigen Sachen müsse er sich mit dem Angeschuldigten besprechen, in der Regel wisse jeder, was er zu tun habe. Der Zeuge T. (TEA III Bl. 103) hat ausgesagt, dass der Angeschuldigte nur komme, wenn sie mal etwas nicht verstehen sollten. Der Zeuge B. (TEA III Bl. 13 ff.) hat ausgesagt, dass der Angeschuldigte am Morgen an der Baustelle sage, was genau gemacht werden soll, wie etwas auszuführen sei, wüssten die meisten selber.
III.
51
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
-