Titel:
Vollziehung eines Tabaksteuerbescheids
Normenketten:
StPO § 153 Abs. 1
TabStG § 1 Abs. 8, § 6, § 15 Abs. 1, § 31 Abs. 1 S. 1
TabStV § 4 Abs. 3 S. 2
RL 2011/64/EU Art. 5 Abs. 1 Buchst. a
FGO § 136
Leitsatz:
Das Trägermaterial muss nicht entzündlich sein und spricht nicht gegen „Rauchfähigkeit“ i.S. des TabStG, denn das Rauchen vom Wasserpfeifentabak beruht darauf, dass durch die glühende Kohle die im Wasserpfeifentabak enthaltene Feuchtigkeit mit den Aromastoffen erhitzt und verdampft wird (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 2021 – 4 K 743/20 VTa, BeckRS 2021, 5716; FG Hamburg, Beschluss vom 3. Mai 2018 – 4 V 271/17, BeckRS 2018, 14723). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wann handelt es sich bei Wasserpfeifentabak-Imitat um Rauchtabak, ernstliche Zweifel, Beurteilung, Bescheid, Beschaffenheit, Herstellung von Tabakerzeugnissen, Finanzgerichtsordnung, Vollziehung, Wasserpfeifentabak, Wettbewerb, Tabaksteuer, Tabakwaren, Tabaksteuerbescheid
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32539
Tenor
1. Die Vollziehung des Tabaksteuerbescheids vom 2. Dezember 2022 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens in Höhe von 48.960,21 € ausgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner zu 88% und der Antragsteller zu 12%.
Gründe
1
Streitig ist im Hauptsacheverfahren die Inanspruchnahme des Antragstellers als Steuerschuldner für die Herstellung von Tabakerzeugnissen nach § 1 Abs. 8 des Tabaksteuergesetzes in der im Februar 2021 anwendbaren Fassung (TabStG).
2
Die Herren A und B kontaktierten den Antragsteller Anfang des Jahres 2021 und stellten in Aussicht, dass durch Misch- und Verpackungsarbeiten Geld zu verdienen sei. Der Antragsteller unterrichtete davon seinen damaligen Angestellten C. Die notwendigen Maschinen (Teigrührer und Vakuumiergerät) sowie Zutaten und Verpackungsmaterial wurden von A und B zur Verfügung gestellt. Über die Ankunft des Materials unterrichtete der Antragsteller C und stellte für die Arbeiten auch einen von ihm angemieteten Lagerraum bzw. Vorraum zur Verfügung.
3
In der Folge fertigte C mit Mitarbeitern nach Anleitung und zunächst unter Hilfe von D und E (beide aus Ungarn) Anfang bis Mitte Februar 2021 ein Stoffgemisch aus Sägespänen versetzt mit Rinde (80% – 90%), Zuckersirup in 20-Liter-Eimern, rotem Farbstoff in Pulverform und Apfelaroma (insgesamt 2.520 kg). Dieses wurde von ihnen wie Wasserpfeifentabak in silberfarbenen Metallbeuteln vakuumisiert abgepackt, in Kartons verpackt und auf Paletten nach genauen Anweisungen hinsichtlich der Ausrichtung gestapelt. Da sich C über die Arbeit beschwerte, arbeitete der Antragsteller an einem Tag für ca. 5 Stunden mit. Danach beschlossen der Antragsteller und C die Arbeiten einzustellen und veranlassten die Abholung der Gerätschaften.
4
Das abgepackte Gemisch, gestapelt auf zunächst mit schwarzer Folie, dann mit Klarsichtfolie umwickelten Paletten, wurde am 25. Februar 2021 im Auftrag von A in ein Lager in Z transportiert.
5
Das wie echter Wasserpfeifentabak abgepackte Gemisch sollte nach dem Plan der Auftraggeber unter Umgehung der zollrechtlichen Nämlichkeitssicherungen gegen echten Wasserpfeifentabak ausgetauscht werden, der aus der Türkei bzw. den Vereinigten Arabischen Emiraten regulär im T1 Versandverfahren eingeführt wurde. Anschließend sollte das abgepackte Gemisch in ein Zolllager in Y eingelagert werden, bevor es (als echter Wasserpfeifentabak) wieder aus der Europäischen Union (EU) ausgeführt werden sollte.
6
Laut D war sogar von A angedacht, dass das Imitat zukünftig mehrmals „wiederverwendet“ werden könne bzw. lt. Aktenvermerk über diese Vernehmung, dass es im Anschluss an den Austausch verbrannt würde.
7
Im Zuge der Ermittlungen gegen A und andere Tatbeteiligte, die den zum Versandverfahren T1 angemeldeten Wasserpfeifentabak durch Tabak-Imitat ersetzten und dies auch mit dem vom Antragsteller angemischten Imitat vorhatten, wurden am 1. Mai 2021 im Lager in Z 26 Proben der dort gelagerten Gemische entnommen und zur Begutachtung an das Bildungs- und Wissenschaftszentraum der Bundesfinanzverwaltung (bwz) weitergeleitet. Die bei der Sicherstellung abgelichteten Paletten waren – bis auf solche mit Kältemittel – durchsichtig foliert.
8
Durch ein Gutachten des bwz vom 18. Juni 2021 wurde bestätigt, dass es sich bei dem sichergestellten Stoffgemisch in den silberfarbenen Beuteln tabaksteuerrechtlich um Rauchtabak handele. Die Beutel waren befüllt mit Holzfasern in verschiedenen Größen, teilweise durchsetzt mit Rinden- oder Holzstücken, die von einer roten, klebrigen Flüssigkeit (Zuckersirup bestehend aus Glucose, Fructose und Maltose) durchtränkt waren. Die Proben wiesen einen fruchtig-holzigen Geruch auf. Tabak und Stärke waren nicht nachweisbar. Nach der Beurteilung des bwz handelte es sich jeweils um ein ganz aus Tabakersatzstoffen hergestelltes Erzeugnis, welches aufgrund der Beschaffenheit dazu geeignet sei, unmittelbar ohne weitere industrielle Be- oder Verarbeitung in einer handelsüblichen Wasserpfeife geraucht zu werden. Da sie als Wasserpfeifentabak-Imitat produziert worden seien, seien sie auch dazu bestimmt, als Wasserpfeifentabak verwendet zu werden.
9
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2022 setzte der Antragsgegner (das Hauptzollamt – HZA –) Tabaksteuer in Höhe von 55.440,00 € gegen den Antragsteller fest. Zur Begründung gab es an, dass das hergestellte Gemisch ein Tabakimitat sei und durch die Herstellung von Tabakimitat die Tabaksteuer entstanden sei. Der Antragsteller sei Steuerschuldner, weil er an der Herstellung beteiligt gewesen sei. Hierfür genüge seine logistische Unterstützung und die C erteilten Weisungen. Er wurde als Gesamtschuldner u.a. mit A, B und C in Anspruch genommen.
10
Das Steuerstrafverfahren gegen den Antragsteller wurde in der Folge nach § 153 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
11
Gegen den Tabaksteuerbescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 30. Dezember 2022 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV).
12
Mit Bescheid vom 12. Juli 2023 gewährte das HZA AdV für einen Betrag in Höhe von 6.479,79 €, da insofern Zahlungen auf die Steuerschuld von anderen Gesamtschuldnern erfolgt seien, lehnte den Antrag im Übrigen (i.H.v. 48.960,21 €) aber ab. Auf die ergänzten Ermessenserwägungen wird verwiesen.
13
Den dagegen eingelegten Einspruch wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 11. April 2024 als unbegründet ab.
14
Der Antragsteller macht bisher geltend, der steuerliche Tatbestand sei nicht erfüllt, da es nicht zu einer Verpackung/Portionierung der Ware gekommen sei und die Gerätschaften komplett zurückgegeben worden wären.
15
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Tabaksteuerbescheides vom 2. Dezember 2022 in voller Höhe auszusetzen.
17
Das HZA hält dem im Wesentlichen entgegen, dass u.a. aufgrund der eigenen Aussage des Antragstellers keine Zweifel daran bestünden, dass es zur Herstellung des Tabakimitats bekommen sei. Das vom Antragsteller hergestellte Produkt sei rauch- bzw. anzündungsfähig gewesen. Wasserpfeifentabak bestehe vor allem aus Tabak, Glycerin als Feuchthaltemittel und Zucker. Wenn der Tabak auf glühende Kohlen gelegt werde, verdampfe durch die Hitzeeinwirkung die Flüssigkeit im Tabak. Dieser diene als Trägermedium. Das hergestellte Imitat habe eine – was die Rauchfähigkeit betrifft – vergleichbare Zusammensetzung: Die Sägespäne und mit einem geringen Anteil die Rinde dienten als Trägermedium, während die Flüssigkeit und der Zucker für die Rauchentwicklung bzw. Verdampfung erforderlich sei. Eine Anzündbarkeit durch eine kurze Flammeneinwirkung wie bei einer Zigarette sei nicht Voraussetzung für eine Tabaksteuerpflicht. Auch auf die Genusstauglichkeit komme es nicht an.
18
Der Antragsteller sei Steuerschuldner, da er C zur Durchführung der Produktionstätigkeit angeworben und das Lager zur Durchführung der Produktion zur Verfügung gestellt habe. Er habe auch selbst bei der Produktion mitgeholfen.
19
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Behördenakten und die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
20
Der Antrag ist unzulässig, soweit bereits durch Bescheid vom 12. Juli 2023 i.H.v. 6.479,79 € AdV gewährt wurde, da insofern kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Im Übrigen ist er begründet.
21
1. Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
22
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei einer summarischen Überprüfung des Bescheids neben für die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände, gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der AdV gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 27. Mai 2024 – II B 78/23 (AdV), juris, Rn. 25, m.w.N.).
23
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen nach summarischer Prüfung ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, denn es bestehen Gründe, die Unsicherheit darüber bewirken, ob im konkreten Einzelfall ein Produkt hergestellt wurde, das unter § 1 Abs. 8 TabStG fällt. Unabhängig von der Erfolgswahrscheinlichkeit in der Hauptsache ist die Entscheidung dieser Frage dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
24
a) Nach § 15 Abs. 1 TabStG entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr, ohne dass sich eine Steuerbefreiung an-schließt. Eine solche Überführung in den freien Verkehr ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 TabStG insbesondere dann gegeben, wenn Tabakwaren ohne Erlaubnis nach § 6 TabStG hergestellt werden.
25
b) Nach summarischer Einschätzung des Senats liegt eine Herstellungshandlung i. S. des § 6 TabStG vor.
26
aa) Im vorliegenden Fall geht der Senat aufgrund der eigenen Einlassung des Antragstellers sowie der Aussage des C davon aus, dass der Antragsteller selber sowie sein Angestellter C auf seine Veranlassung hin Sägespäne mit Glukosesirup und Farbstoff gemischt, die Masse aromatisiert und das Produkt verpackt hat. Darin ist eine Herstellung i. S. des § 6 TabStG zu sehen.
27
bb) Herstellung i. S. des § 6 TabStG ist als Oberbegriff zu verstehen, der auch die Be- und Verarbeitung einschließt. Im vorliegenden Fall liegt eine Herstellung des potentiellen Steuergegenstands in Form der „Gewinnung“ vor, da für sich genommen steuerneutrale Zutaten gemischt wurden und dadurch erst der potentielle Steuergegenstand entstand.
28
cc) Dem steht auch nicht § 4 Abs. 3 Satz 2 der Tabaksteuerverordnung (TabStV) entgegen.
29
Zwar regelt § 4 Abs. 3 Satz 2 TabStV, dass innerhalb eines Steuerlagers das hier in Frage kommende Verpacken von Tabakwaren (§ 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 TabStV) bzw. das Mischen, Aromatisieren und Pressen von Rauchtabak (§ 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 TabStV) keine Herstellungshandlungen sind.
30
Allerdings gilt diese Fiktion nach dem Wortlaut der Regelung lediglich im Steuerlager, was hier nicht vorlag. Zudem sind das Begriffsverständnis „Herstellung“ (ohne Erlaubnis) im Rahmen der Steuerentstehung und der Herstellungsbegriff als zugelassene Lagerbehandlung unter Steueraussetzung nicht zwingend identisch (vgl. Bongartz/Schröer-Schallenberg VerbrauchStR, Kap. D Rn. 9). Und schließlich spricht viel dafür, dass „Mischen“ i. S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 TabStV das Vermischen verschiedener Steuergegenstände (z.B. Tabak unterschiedlicher Qualitäten) meint, während ein Zufügen von weiteren Zutaten, so dass mengenmäßig ein größerer Steuergegenstand entsteht (z.B. Versetzen von Tabak mit Glyzerin) auch im Steuerlager nicht zu den in der Negativ-Liste des § 4 Abs. 3 Satz 2 TabStV aufgeführten Tätigkeiten gehört (vgl. Beschluss des Finanzgerichts – FG – Hamburg, vom 14. Juli 2016 – 4 V 111/16, juris, Rn. 18; ebenso ging auch das FG Düsseldorf, Urteil vom 8.Juli 2020 – 4 K 36/18 VTa –, Rn. 52, davon aus, dass z.B. das Hinzufügen von Glycerin, Molasse und Armomastoffen zu Tabak Scraps zu den Arbeitsschritten des Herstellungsprozesses gehörte).
31
c) Fraglich ist aber, ob das hergestellte Wasserpfeifen-Imitat als Rauchtabak gilt und damit zu den Tabakwaren gehört.
32
aa) Zu den Tabakwaren gehört gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG Rauchtabak in der Form von Feinschnitt und Pfeifentabak. Dabei handelt es sich nach der gesetzlichen Definition um geschnittenen oder anders zerkleinerten oder gesponnenen oder in Platten gepressten Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet. Gemäß § 1 Abs. 8 Satz 1 TabStG gelten Erzeugnisse als Rauchtabak, die statt aus Tabak ganz oder teilweise aus anderen Stoffen bestehen und die sonstigen Voraussetzungen für Rauchtabak nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG erfüllen.
33
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist für die Annahme steuerbaren Rauchtabaks entscheidend, ob der nach Hitzeeinwirkung entstehende Rauch durch Einziehen in den Mundraum bzw. Inhalation genossen werden kann; nicht die Qualität des Tabaks oder seine lebensmittelrechtliche Zulassung, sondern seine Rauchbarkeit ist für die Steuerbarkeit maßgeblich (BGH-Beschluss vom 1. April 2020 – 1 StR 5/20, juris, Rn. 7, m.w.N.).
34
bb) Dem Wortlaut nach erfüllt das vom Antragsteller hergestellte Gemisch diese Voraussetzungen. Der Hauptbestandteil, die Sägespäne sind anders zerkleinert und ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen geeignet.
35
Nach den Feststellungen des bwz war das in den silbernen Packungen befindliche Gemisch rauchfähig. Insofern ist unerheblich, ob die vom bwz untersuchten Proben tatsächlich vom Antragsteller hergestellt wurden – wogegen aufgrund der vorgenommenen Umverpackungsarbeiten nicht die Art der Folierung der vorgefundenen Paletten sprechen würde –, denn zumindest wurden die im Lager befindlichen und dementsprechend beprobten Gemische nach den vorliegenden Zeugenaussagen nach dem gleichen „Rezept“ hergestellt.
36
Auch der Einwand es hätten sich zu große Holzstücke im Produkt befunden bzw. dieses sei zu feucht gewesen, spricht nicht gegen die „Rauchfähigkeit“ i.S. des TabStG, denn das Trägermaterial muss nicht entzündlich sein, vielmehr beruht das Rauchen von Wasserpfeifentabak gerade darauf, dass durch die glühende Kohle die im Wasserpfeifentabak enthaltene Feuchtigkeit mit den Aromastoffen erhitzt und verdampft wird (vgl. auch zur Wasserpfeifenwatte: FG Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 2021 – 4 K 743/20 VTa, juris, Rn. 19ff; zu „Räucherfrucht“: FG Hamburg, Beschluss vom 3. Mai 2018 – 4 V 271/17, juris, Rn. 7).
37
cc) Allerdings ist das Merkmal „zum Rauchen geeignet“ zumindest bei Erzeugnissen i.S. des § 1 Abs. 8 TabStG nach vorläufiger Rechtsauffassung des Senats unionsrechtskonform dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Steuergegenstand nur dann vorliegt, wenn das Erzeugnis in Wettbewerb mit anderen tabakhaltigen Erzeugnissen tritt. Dies erfordert zumindest, dass das Produkt zum Konsum in den Handel gelangen soll bzw. gelangen könnte. Ob ein Erzeugnis zum menschlichen Rauchkonsum gedacht ist, kann sich dabei z.B. aufgrund der Darreichungsform, Aufmachung und der damit einhergehenden Konsumentenerwartung an das in Rede stehende Erzeugnis ergeben (vgl. Mayr, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern – ZfZ – 2022, 2, 4).
38
aaa) Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der RL 2011/64/EU des Rates vom 21. Juni 2011 über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (RL 2011/64) umfasst der Begriff „Rauchtabak“ geschnittenen oder anders zerkleinerten, gesponnenen oder in Platten gepressten Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet, und Art. 2 Abs. 2 der RL 2011/64 regelt, dass Erzeugnisse, die ausschließlich oder teilweise aus anderen Stoffen als Tabak bestehen, aber den übrigen Kriterien des Art. 5 Abs. 1 entsprechen, Zigaretten und Rauchtabak gleichgestellt sind.
39
bbb) Nach den Erwägungsgründen der RL 2011/64/EU bezweckt diese ein Funktionieren des Binnenmarktes und gleichzeitig ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten (zweiter Erwägungsgrund). Dabei soll nach dem 9. Erwägungsgrund die Harmonisierung der Strukturen der Verbrauchsteuern insbesondere dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den einer gleichen Gruppe angehörenden Kategorien von Tabakwaren durch die Folgen der Besteuerung nicht verfälscht wird.
40
ccc) Eine entsprechende Wettbewerbssituation mit Tabakerzeugnissen liegt bei rein theoretisch entflammbaren bzw. rauchentwickelnden Produkten ohne Tabakgehalt jedoch nur vor, wenn diese wie Tabakerzeugnisse konsumiert werden sollen.
41
Dementsprechend kommt es auch nach Auffassung des FG Düsseldorf nicht darauf an, ob Tabak rein theoretisch geraucht werden könnte, sondern, ob dafür im konkreten Einzelfall Anhaltspunkte bestehen bzw. ob entsprechende Produkte üblicherweise geraucht werden, d.h. unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zum menschlichen Konsum geeignet sind (FG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juli 2020 – 4 K 35/18, juris, Rn. 33, 39). Und auch der BGH hält in Bezug auf Wasserpfeifentabak für wesentlich, dass dieser für den Einsatz in Wasserpfeifen bestimmt und geeignet und auch entsprechend bestimmungsgemäß verbraucht wird (BGH-Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 StR 19/16, juris, Rn. 4).
42
In Übereinstimmung mit dieser Auslegung regelt der im Streitzeitraum noch nicht anwendbare § 1 Abs. 2b des ab 1. Januar 2022 anwendbaren Tabaksteuergesetzes, dass Wasserpfeifentabak im Sinne des Gesetztes auch Erzeugnisse für Wasserpfeifen sind, die keinen Tabak enthalten. Die Regelung sollte nach der Einschätzung des Gesetzgebers jedoch keine Gesetzeslücke schließen, sondern dafür sorgen, dass es statt des bisher zur Anwendung gelangenden niedrigeren Steuertarifs für Pfeifentabak zu einer zusätzlichen Besteuerung kommt (vgl. BT-Drs. 19/30490 S. 29).
43
dd) Im vorliegenden Fall entsprach Gewicht, Geruch und Verpackung des hergestellten Produkts nach Aktenlage dem von zum Rauchkonsum bestimmten Wasserpfeifentabak. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Imitat bei Kontrollen durch den Zoll den Eindruck erwecken sollte, es handele sich um den ursprünglich eingeführten „echten“ Wasserpfeifentabak.
44
Allerdings bestehen bei summarischer Prüfung Zweifel, ob es ausreicht, dass die Bestimmung zum Konsum sich aus der objektiven Beschaffenheit des Produkts ergibt (z.B. Konsumempfehlung auf der Verpackung bzw. der homepage, vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 2021 – 4 K 743/20 VTa, juris, Rn. 10) oder ob einer Besteuerung entgegensteht, wenn im konkreten Einzelfall tatsächlich eine Abgabe an Konsumenten nie beabsichtigt war. Letzteres war hier der Fall, da die Päckchen mit Imitat als „Attrappe“ an Stelle des „echten“ Wasserpfeifentabaks wieder unversteuert aus der EU ausgeführt werden sollten. Insofern käme es auch nicht darauf an, ob die Päckchen als solche Attrappen mehrfach zum Einsatz kommen oder diese außerhalb der EU verbrannt werden sollten.
45
aaa) Für eine einschränkende Auslegung des Tabakwarenbegriffs könnte sprechen, dass die Tabaksteuer als Verbrauchssteuer nur auf Waren erhoben werden soll, die in den Wirtschaftskreislauf gelangen, und nicht, wenn sie zu anderen als den erfassten Fällen verwendet werden. Bei tatsächlich nicht zum Konsum bestimmten Produkten, die auch mangels Verkaufs nicht mit anderen Tabakwaren in Wettbewerb treten, würde es einer Besteuerung nicht bedürfen. Dies könnte insbesondere für Waren wie die vorliegenden gelten, da diese dem steuerrechtlich freien Verkehr gerade entzogen und unter zollamtlicher Kontrolle ausgeführt werden sollen.
46
bbb) Dagegen spricht jedoch, dass die nicht der Besteuerung unterliegenden Fälle ausdrücklich gesetzlich in § 30 TabStG geregelt sind. Unabhängig davon, dass die Tabaksteuerbefreiungen nach § 30 Abs. 1 TabStG – anders als die nach Abs. 2, die ausdrücklich auch Tabakwaren gleichgestellte Erzeugnisse umfassen – nur für Tabakwaren gelten, sind die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Insbesondere handelt es sich nicht um Ansichtsmuster i.S. des § 30 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c TabStG, da – insbesondere aufgrund der Rauchfähigkeit des Produkts – eine anderweitige Verwendung möglich war. Und eine Steuerfreiheit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e TabStG scheidet mangels nach § 31 Abs. 1 Satz 1 TabStG erforderlicher Erlaubnis aus.
47
ccc) Außerdem könnte das Abstellen auf Verwendungsabsichten dem Realaktsteuercharakter der Tabaksteuer widersprechen und erhebliches Unsicherheitspotential generieren, da auch vorgeschützte Verwendungsabsichten überprüft werden müssten.
48
Insofern wird auch hinsichtlich des Erfordernisses „ohne weitere industrielle Bearbeitung“ vertreten, dass für die Qualifikation als Rauchtabak nicht allein auf die im konkreten Einzelfall geplante Weiterverarbeitung abzustellen ist, sondern auch andere Weiterverarbeitungsmöglichkeiten (solange diese nicht rein theoretisch sind) berücksichtigt werden müssen (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juli 2020 – 4 K 1771/19 VTa –, Rn. 40). Soweit in der Einspruchsentscheidung vom 11. April 2024 (S. 7) Herr D dahingehend wiedergegeben wird, dass er auf einen Verkauf des Imitats als Tabak verzichtet habe, ist diese Aussage zwar bei überschlägiger Prüfung den nicht geschwärzten übermittelten Aktenbestandteilen nicht zu entnehmen, jedoch hätten nach Einschätzung des Senats im vorliegenden Fall durchaus Möglichkeiten bestanden, dass das zur Nutzung als Attrappe gedachte Imitat schlussendlich doch zum Rauchen verkauft worden wäre.
49
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 FGO.