Titel:
Prozesskostenhilfe bei Erledigung des Rechtsstreits
Normenketten:
FGO § 79a Abs. 1 Nr. 3, § 142 Abs. 1
ZPO § 114 Abs. 1, § 118 Abs. 1 S. 4 u. 5
Leitsätze:
1. Die Erledigung der Hauptsache führt zum Wegfall der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung.
2. Eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe darf in solchen Fällen grundsätzlich nicht mehr erfolgen.
Eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe darf bei Erledigung des Rechtsstreits nicht erfolgen, wenn die Klagebeschwer entfällt und die Klage unzulässig wird, da bei der Erledigung der Hauptsache die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung wegfällt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2012 – II-4 WF 60/12, MDR 2012, 1368; FG Köln, Beschluss vom 18. Juni 2018 – 6 K 1075/18, BeckRS 2018, 21813, EFG 2018, 1830). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bescheid, Einspruchsentscheidung, Einspruchsfrist, Erfolgsaussicht, Erfolgsaussicht in der Hauptsache, Erledigung, Erledigung der Hauptsache, Familienkasse, Finanzgerichtsordnung, Prozesskostenhilfe, Prozesskostenhilfeverfahren, Kindergeldfestsetzung, Prozesskostenhilfe-Bewilligung, Schriftsätze
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32538
Tenor
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
1
Die […] (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 22. Juni 2023 die Kindergeldfestsetzung für die Kinder [… TT] und [… NN] ab Mai 2023 auf und forderte das bereits ausbezahlte Kindergeld für Mai in Höhe von 500 € zurück. Die Familienkasse stellte den Bescheid öffentlich zu; der Aushang des Bescheids erfolgte am 13. Juli 2023. Gegen den Bescheid vom 22.Juni 2023 erhob der Antragsteller vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. Mai 2024 Einspruch und trug vor, dass ihm der Bescheid am 2. Mai 2024 zugegangen sei. Der Bescheid sei rechtswidrig, da der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder und des Antragstellers in Deutschland sei.
2
Die Familienkasse verwarf mit Einspruchsentscheidung vom 13. August 2024 den Einspruch als unzulässig, da der öffentlich zugestellte Bescheid am 28. Juli 2023 als bekannt gegeben gelte und die Einspruchsfrist bereits abgelaufen sei.
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Der Antragsteller lies durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 13. September 2024 Klage erheben und beantragt,
ihm für die Prozessführung im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt […] als Prozessbevollmächtigter beizuordnen.
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Die Familienkasse hob aufgrund der Anfechtungsklage des Antragstellers mit Bescheid vom 30. September 2024 die Einspruchsentscheidung auf und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2024 für erledigt. Der Antragsteller erklärte mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2024 ebenfalls den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom 21. Oktober 2024 entschied der Berichterstatter des 12. Senats des Finanzgerichts, dass die Familienkasse die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
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Auf die Anregung des Berichterstatters, den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurück zu nehmen, lies der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten erklären (Schriftsatz vom 22. Oktober 2024), dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe nach dem Beschluss vom 21. Oktober 2024 erledigt sei.
6
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
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Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 142 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist kein Raum mehr, wenn sich – wie vorliegend – der materielle Streit in der Hauptsache bereits erledigt hat.
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Die Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe sind in einer derartigen Konstellation nicht erfüllt, weil es an der erforderlichen Erfolgsaussicht in der Hauptsache fehlt (§ 142 Abs. 1 FGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 127 ZPO Rz. 16 m.w.N.). Die Erledigung der Hauptsache führt zum Wegfall der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung, denn mit Erledigung des Rechtsstreits entfällt die Beschwer des Klägers und die Klage wird unzulässig. Eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe darf in solchen Fällen grundsätzlich nicht mehr erfolgen, da ansonsten unzulässigerweise Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt würde (OLG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2012 – II-4 WF 60/12, MDR 2012, 1368; FG Köln, Beschluss vom 18. Juni 2018 – 6 K 1075/18 (PKH), EFG 2018, 1830).
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Der Antragsteller hat deshalb auch zu Recht den Antrag auf Prozesskostenhilfe für erledigt erklärt. Da der Antrag auf Prozesskostenhilfe aber nicht zurückgenommen wurde, war das Verfahren wegen Prozesskostenhilfe nicht durch Beschluss nur einzustellen, sondern es war über den Antrag zu entscheiden.
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Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 142 FGO Rz. 56 [Mai 2021]). Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 i.V.m. dem Kostenverzeichnis des Gerichtskostengesetzes; BFH-Beschluss vom 26. August 2020 – V S 12/20 (PKH), BFH/NV 2021, 343).
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Die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe ergeht durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 1 Nr. 3 FGO).