Titel:
Verpflichtungsklage Vorbescheid für Einfamilienhaus, Bauvorlagen unvollständig, Faktische Baugrenze, Faktische Bebauungstiefe
Normenketten:
BayBO Art. 64 Abs. 2 Satz 1
BauVorlV § 5
BauVorlV § 7
BauGB § 34 Abs. 1 Satz 1
Schlagworte:
Verpflichtungsklage Vorbescheid für Einfamilienhaus, Bauvorlagen unvollständig, Faktische Baugrenze, Faktische Bebauungstiefe
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32422
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines Vorbescheids für den Neubau eines Einfamilienhauses unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Beklagten vom 4. Mai 2021.
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Mit Antrag vom 25. August 2020 beantragte der Kläger die Erteilung eines Vorbescheids für den Neubau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Fl.-Nr. …10 der Gemarkung … (i.F. Vorhabengrundstück). Dabei wurden mehrere Vorbescheidsfragen gestellt, die im Wesentlichen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens betreffen. Auf die Antragsunterlagen samt eingereichter Bauvorlagen wird Bezug genommen.
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Das gemeindliche Einvernehmen wurde seitens des Beigeladenen mit Beschluss seines Bauausschusses vom 8. September 2020 unter Hinweis u.a. auf einen in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 80 „W* …-/B* …straße“ und eine Veränderungssperre verweigert. Später wurde das Vorhabengrundstück mit Beschluss des Gemeinderats des Beigeladenen vom 24. November 2020 aus dem avisierten Geltungsbereich des genannten Bebauungsplans ausgenommen.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 4. Mai 2021 lehnte der Beklagte den Vorbescheidsantrag des Klägers ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Grundstück befinde sich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Allerdings füge sich das Vorhaben nicht ein, weil aufgrund des Abrisses des Gebäudes auf dem südlich gelegenen Grundstück Fl.-Nr. …12 und des Neubaus auf diesem Grundstück mit Orientierung zur B* …straße entlang der W* …straße eine faktische Baugrenze entstanden sei. Diese verlaufe beginnend auf dem Grundstück Fl.-Nr. …3 nach Norden bis zum Grundstück Fl.-Nr. …2; die faktische Baugrenze befinde sich an den östlichen Gebäudeaußenwänden der dort vorhandenen Gebäude. Diese Gebäude seien erkennbar zur B* …straße ausgerichtet und würden von dort aus erschlossen; sie zeigten insoweit eine klare städtebauliche Struktur. Im Gegensatz dazu sei der Bereich zur W* …straße von einer Bebauung freigehalten, sodass die vorhandene Baugrenze nicht lediglich ein Zufallsprodukt darstelle. Das beantragte Gebäude solle jenseits dieser faktische Baugrenze errichtet werden. Es würde eine weitere Bauzeile entlang der W* …straße eröffnen, die zu städtebaulichen Spannungen führe. Im Übrigen wird auf den Bescheid Bezug genommen.
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Hiergegen ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 19. Mai 2021, bei Gericht eingegangen am 20. Mai 2020, Klage erheben und beantragen:
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Der Bescheid des Beklagten vom 04.05.2021 (Az.: … … wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger den beantragten Vorbescheid zu erteilen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Dabei richte sich die Prüfung unter anderem darauf, ob der maßgebenden Umgebungsbebauung eine faktische Baugrenze oder Bauline zu entnehmen sei und ob die Bebauungstiefe, die mit dem Vorhaben verwirklicht werde, ein Vorbild habe. Maßgeblich sei dabei die als Erschließungsanlage gewählte öffentliche Straße. Für die Beurteilung seien die von der W* …straße erschlossenen Grundstücke nördlich der D* …straße als nähere Umgebung einzustellen. Bei der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden W* …straße handele es sich um die als Erschließungsstraße gewählte öffentliche Straße. Das Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein, da die östlich der W* …straße bestehenden Gebäude in die Betrachtung einzubeziehen seien. Diese seien in einem etwa gleich großen Abstand zur W* …straße errichtet. Das geplante Wohngebäude überschreite somit keine faktische Baugrenze. Im Übrigen müsste für die Feststellung einer faktischen Baugrenze eine städtebaulich verfestigte Situation bestehen; die vorhandene Bebauung dürfe kein bloßes Zufallsprodukt sein. Soweit der Beklagte die Ansicht vertrete, dass bereits die vorhandenen drei Gebäude auf der Westseite der W* …straße eine solche städtebaulich verfestigte Situation zu begründen vermögen, könne dem nicht gefolgt werden. Es bedürfe einer deutlich größeren Anzahl von Gebäuden, um eine solche planersetzende Schlussfolgerung ziehen zu können. Darauf komme es aber schon deshalb nicht an, da vorliegend auch die Bebauung östlich der W* …straße rahmenbildend sei, wie dies die Kammer bereits im Jahr 2004 festgestellt habe. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
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Der Beklagte beantragt in der mündlichen Verhandlung
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Eine schriftsätzliche Begründung erfolgte nicht.
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Der Beigeladene stellt keinen Sachantrag.
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Nach entsprechendem Hinweis des Gerichts legte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 4. April 2024 einen dem Beigeladenen und dem Beklagten ergänzend zu den bereits eingereichten Bauvorlagen übersandten Lageplan mit weiteren Angaben zu der umliegenden Bebauung vor. Auf den Schriftsatz nebst Anlagen wird Bezug genommen.
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Das Gericht hat am 8. Mai 2024 Beweis erhoben über die örtlichen und baulichen Verhältnisse durch Einnahme eines Augenscheins. Wegen der bei dem Augenschein getroffenen Feststellungen wird auf das Protokoll Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2024, die Gerichtsakte – auch in den beigezogenen Verfahren M 9 K 04.1071 und M 9 K 17.4290 – sowie auf die vorgelegten Behördenakten samt eingereichter Bauvorlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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A. Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung des Vorbescheides gemäß Antrag vom 25. August 2020, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 4. Mai 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Es besteht vorliegend schon deshalb kein Anspruch auf die Erteilung des begehrten Vorbescheids, da es mangels ordnungsgemäßer Bauvorlagen an einem hierfür erforderlichen ordnungsgemäßen Vorbescheidsantrag nach Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 64 BayBO fehlt (I.). Unabhängig davon besteht auch deshalb kein Anspruch auf die Erteilung des begehrten Vorbescheids, da dem streitgegenständlichen Bauvorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen, die im Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 Satz 1 BayBO). Denn die vorliegend gestellten Vorbescheidsfragen sind schon deshalb negativ zu beantworten, da das Vorhaben an dem gewählten Standort bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Das im unbeplanten Innenbereich gelegene Vorhaben fügt sich hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da es zum einen eine faktische Baugrenze überschreitet und zum anderen unter Berücksichtigung der vorgelegten Bauvorlagen nicht positiv festgestellt werden kann, dass das Vorhaben die vorliegende faktische Bebauungstiefe einhält (II.).
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Ein Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids scheitert hier schon an einem ordnungsgemäßen Vorbescheidsantrag. Ein solcher ist nach Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 64 BayBO Voraussetzung für die Erteilung eines Vorbescheids und damit erst recht für die gerichtliche Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung des Vorbescheids. Entspricht ein Vorbescheidsantrag nicht den Anforderungen der Bayerischen Bauordnung – konkretisiert durch die Regelungen der Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsichtliche Anzeigen (Bauvorlagenverordnung – BauVorlV) –, ist er aus gerichtlicher Perspektive nicht verpflichtungsfähig. Vorliegend fehlt es an einem ordnungsgemäßen Lageplan auf Grundlage eines Auszugs aus dem Katasterwerk (Ausschnitt aus der Flurkarte) (nachfolgend 1. und 2.) sowie an den auf dem Auszug aus dem Katasterwerk erforderlichen Angaben (nachfolgend 3.).
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1. Nach Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO sind mit dem Bauantrag „alle für die Beurteilung des Bauvorhabens erforderlichen Unterlagen“ einzureichen. Entsprechendes gilt nach Art. 71 Satz 4 BayBO für den Vorbescheidsantrag. Die Einzelheiten, welche Bauvorlagen beizufügen sind, ergeben sich aus der Bauvorlagenverordnung. Mängel der Bauvorlagen gehen zu Lasten des Bauherrn (vgl. in diesem Zusammenhang BayVGH, U.v. 26.9.2002 – 26 ZB 99.1925 – juris Rn. 14; VG Würzburg, U.v. 10.02.2011 – W 5 K 10.193 – juris m.w.N.; Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.6.2023, Art. 64 Rn. 60). Nach § 3 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 BauVorlV ist ein Lageplan vorzulegen, der auf Grundlage eines ebenfalls nach § 3 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 BauVorlV vorzulegenden Auszugs aus dem Katasterwerk (Ausschnitt aus der Flurkarte) zu erstellen ist. Diese Regelungen sind vorliegend nach § 5 BauVorlV auch im Rahmen des Antrags auf Vorbescheid anzuwenden, da der Auszug aus dem Katasterwerk und der darauf basierende Lageplan auch und gerade für die hier in Frage stehende Beurteilung möglicher faktischer Baugrenzen, faktischer Bebauungstiefen und des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung insgesamt von entscheidender Bedeutung sind. Denn hieraus ergeben sich die geographische Lage des beabsichtigten Vorhabenstandorts und der umliegenden Bebauung.
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2. Vorliegend wurden zwar ein Lageplan sowie ein Auszug aus dem Katasterwerk vorgelegt. Allerdings wurde der Lageplan entgegen § 7 Abs. 2 Satz 1 BauVorlV ersichtlich nicht auf Grundlage des amtlichen Auszugs aus dem Katasterwerk (Ausschnitt aus der Flurkarte), sondern ähnlich wie üblicherweise die anderen Bauvorlagen – etwa die Bauzeichnungen wie Grundrisspläne etc. – ohne den Katasterauszug als zeichnerische Grundlage erstellt. Dies ist bereits daran erkennbar, dass der Lageplan vom 24. August 2020 (Datum der Planerstellung; Unterschrift des Bauherrn vom 25.8.2020) einen Maßstab von 1:500 aufweist, wohingegen der Auszug aus dem Katasterwerk im Maßstab 1:1000 vorliegt. Es handelt sich also offensichtlich um einen anderen Plan.
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Dies entspricht nicht den Vorgaben der Bauvorlagenverordnung. Erforderlich ist es gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 BauVorlV, einen Lageplan dergestalt vorzulegen, dass das neue Vorhaben in den bestehenden und von der katasterführenden Behörde beglaubigten bzw. entsprechend qualifiziert abgerufenen (vgl. jeweils § 7 Abs. 2 Satz 3 BauVorlV) amtlichen Katasterauszug eingezeichnet wird. Dies folgt schon aus dem Wortlaut von § 7 Abs. 2 Satz 1 BauVorlV, wonach der Lageplan auf der Grundlage des Auszugs aus dem Katasterwerk zu erstellen ist. Dies schließt nicht aus, dass der vorhandene Auszug aus dem Katasterwerk beispielsweise gescannt/kopiert und mit der Einzeichnung des beantragten Vorhabens versehen wird. Ebensowenig ist es ausgeschlossen, den vorhandenen Auszug aus dem Katasterwerk mittels Scan/Kopie auf ein größeres Blatt – etwa neben den Grundrissplan oder andere Bauzeichnungen – zu übertragen und dort das Vorhaben einzuzeichnen. Ausreichend, aber auch notwendig ist, dass das Vorhaben – so wie beantragt – in den ansonsten unveränderten Auszug aus dem Katasterwerk eingezeichnet und so der Lageplan erstellt wird. Nur dies entsprich dem Wortlaut und Telos von § 7 Abs. 2 Satz 1 BauVorlV sowie der Systematik des § 7 BauVorlV insgesamt. Neben dem oben bereits angesprochenen Wortlaut lässt die Systematik des § 7 BauVorlV die zwingende Verknüpfung von Lageplan und Katasterauszug erkennen. Während Abs. 1 der Norm den Auszug aus dem Katasterwerk näher beschreibt, regelt Abs. 2 zunächst den Lageplan, um in seinem Satz 4 wieder Modalitäten des Katasterauszuges (nämlich dessen Beglaubigung bzw. qualifizierten Abruf) zu regeln. Diese Regelungstechnik lässt erkennen, dass der Lageplan – auch dem Wortlaut von § 7 Abs. 2 Satz 1 BauVorlV entsprechend – unmittelbar auf Grundlage des Katasterauszugs erstellt werden muss. Schon die Normsystematik legt damit einen konsekutiven Zusammenhang im Sinne eines zwingenden Aufbauens des Lageplans auf dem Katasterauszug fest; es muss ein unmittelbarer zeichnerischer Zusammenhang bestehen und es genügt nicht, nur die Informationen aus dem Katasterauszug zu entnehmen und diese in einen anderen, neu zu erstellenden Plan zu übertragen.
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Gleiches ergibt sich aus dem Sinn und Zweck von § 7 Abs. 2 Satz 1 BauVorlV. Das Erfordernis der Vorlage eines auf Grundlage des Auszugs aus dem Katasterwerk erstellten Lageplans zielt darauf ab, es den Adressaten der Bauvorlagen (Behörde, Gericht, Nachbar, etc.) zu ermöglichen, die Lage des Bauvorhabens mit einem Blick zu erkennen und im Vergleich zur Umgebungsbebauung und den katastermäßigen Grundstücksgrenzen einzuordnen. Dies soll nicht auf einem beliebigen Plan, sondern auf Grundlage eines amtlichen und entsprechend den strengen Vorgaben des § 7 Abs. 2 Satz 3 BauVorlV beglaubigten bzw. zweckgebunden abgerufenen Katasterauszugs erfolgen, um die Richtigkeit der Darstellung der Flurstücke und der Umgebungsbebauung zu gewährleisten. Eine solche Gewähr für die Richtigkeit kann ein durch einen privaten Dritten erstellter sonstiger Plan der Umgebung nicht bieten. Dementsprechend fordert der Bauvorlagenverordnungsgeber in § 3 Nr. 1 und Nr. 2 BauVorlV die Vorlage nicht nur der Bauzeichnungen (vgl. § 8 BauVorlV), sondern auch eines amtlichen Plans, also des Auszugs aus dem Katasterwerk nach § 7 Abs. 1 BauVorlV, auf dessen Grundlage nach § 7 Abs. 2 BauVorlV ein ebenfalls vorzulegender Lageplan zu erstellen ist. Ebenfalls aus diesem Grund des zwingenden Verwendens eines amtlichen Plans als Basis des Lageplans reicht es auch gerade nicht aus, die Informationen aus dem Katasterauszug zu entnehmen und mit deren Hilfe einen anderen, neuen Lageplan zu erstellen. Denn die Gewähr für die Richtigkeit bezogen auf die Umgebungsbebauung und Grundstückgrenzen ginge verloren. Offenbleiben kann dabei, ob insoweit zwingend zwei Pläne (unveränderter amtlicher Auszug aus dem Katasterwerk sowie Lageplan) vorzulegen sind oder eine Einzeichnung des Vorhabens in den ansonsten originalen Katasterauszug und damit ein kombinierter Lage-/Katasterplan ausreicht. Denn vorliegend wurden zwei getrennte Pläne vorgelegt, wobei der Lageplan allerdings nicht den Vorgaben der Bauvorlagenverordnung entspricht.
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3. Schließlich fehlt es auf dem vorgelegten Auszug aus dem Katasterwerk an der Angabe des Namens des Bauherrn, der Bezeichnung des Bauvorhabens und des Datums des dazugehörigen Antrags nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BauVorlV. Diese Angaben sind nach dem Wortlaut zwingend („ist […] zu beschriften“) auf dem Auszug aus dem Katasterwerk anzubringen. Dieses sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebende Erfordernis wird wiederum bestätigt durch den Telos der Vorgaben der Bauvorlagenverordnung. Diese zielt darauf ab, den Bau- bzw. Vorbescheidsantrag mit eindeutig zuordenbaren Unterlagen zu präzisieren, auf deren Grundlage in der Folge ein i.S.d. Art. 37 Satz 1 BayVwVfG bestimmter Verwaltungsakt ergehen kann. Dafür ist zunächst einmal notwendig, dass eine bestimmte Unterlage eindeutig einem bestimmten Antrag zugeordnet werden kann. Hierfür dienen die nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BauVorlV erforderlichen und vorliegend fehlenden Angaben.
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Unabhängig davon besteht vorliegend auch deshalb kein Anspruch auf die Erteilung des begehrten Vorbescheids und die positive Beantwortung der Vorbescheidsfragen, da das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
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Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 34 BauGB, da es im unbeplanten Innenbereich verwirklicht werden soll. Der Vorhabenstandort liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Ein Bebauungsplan besteht nicht; das Vorhabengrundstück wurde auch aus dem avisierten Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 80 „…B* …straße“ ausgenommen.
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Allerdings fügt sich das Vorhaben nicht gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da es zum einen eine faktische Baugrenze überschreitet und zum anderen unter Berücksichtigung der vorgelegten Bauvorlagen nicht positiv festgestellt werden kann, dass das Vorhaben die vorliegende faktische Bebauungstiefe einhält. Zudem sind städtebauliche Spannungen zu erwarten.
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1. Mit dem gem. § 34 Abs. 1 BauGB einfügungsrelevanten Merkmal der „Grundstücksfläche, die überbaut werden soll“ ist die konkrete Größe der baulichen Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung gemeint; es geht um den Standort des Vorhabens im Sinne von § 23 BauNVO. Die planungsrechtlichen Instrumente Baugrenze, Baulinie und Bebauungstiefe (§ 23 Abs. 1 bis 4 BauNVO), mit denen die überbaubare Grundstücksfläche in einem Bebauungsplan festgesetzt werden kann, werden daher auch im Rahmen von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zur näheren Bestimmung dieses Zulässigkeitskriteriums herangezogen (vgl. nur z.B. BVerwG, B.v. 28.9.1988 – 4 B 175.88 – NVwZ 1989, 354 = juris Rn. 4; B.v. 16.6.2009 – 4 B 50.08 – ZfBR 2009, 693 = juris Rn. 4; B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – ZfBR 2014, 574 = juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 15 ZB 20.280 – juris Rn. 8; B.v. 25.4.2005 – 1 CS 04.3461 – juris Rn. 16; B.v. 11.11.2014 – 15 B 12.2765 – juris Rn. 13; B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris Rn. 8; ThürOVG, U.v. 26.4.2017 – 1 KO 347/14 – BauR 2018, 485 = juris Rn. 41).
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Maßstabsbildend im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (st. Rspr; etwa BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – BVerwGE 55, 369 <380> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 48; U.v. 21.11.1980 – 4 C 30.78 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 79 S. 85; U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – NVwZ 2014, 370 Rn. 10). Dabei ist die nähere Umgebung für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen. Denn die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart dieser näheren Umgebung einfügen muss, sind jeweils unabhängig voneinander zu prüfen (vgl. zum Ganzen und m.w.N. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 11). Bei der überbaubaren Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich der näheren Umgebung in der Regel enger zu begrenzen als bei der Art der baulichen Nutzung, weil die Prägung, die von der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksfläche maßgeblichen Stellung der Gebäude auf den Grundstücken ausgeht, im Allgemeinen deutlich weniger weit reicht, als die Wirkungen der Art der baulichen Nutzung. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass nur wenige, unter Umständen sogar nur zwei Grundstücke den maßgeblichen Rahmen bilden (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246 = juris Rn. 7 ff.; BayVGH, B.v. 19.12.2006 – 1 ZB 05.1371 – juris Rn. 19; U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19 f.; B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris Rn. 8; ThürOVG, U.v. 26.4.2017 – 1 KO 347/14 – BauR 2018, 485 = juris Rn. 38).
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2. Für die Annahme einer faktischen Baugrenze als eine durch die tatsächliche Bebauung faktisch herausgebildete Linie, die entsprechend § 23 Abs. 3 BauNVO von Gebäuden und Gebäudeteilen im rückwärtigen (hinteren) oder vorderen (erschließungsstraßenseitigen) Bereich nicht überschritten werden darf, muss aus der Lage der in der vorhandenen Umgebungsbebauung befindlichen Hauptgebäude eine Regel ableitbar – d.h. erkennbar und formulierbar – sein, wie aus der Flucht der Gebäudlichkeiten eine gemeinsame Grenze gebildet wird. Hierfür bedarf es unter Berücksichtigung grundrechtlicher Wertungen aus Art. 14 Abs. 1 GG wegen der einschränkenden Wirkung auf das Grundeigentum hinreichender Anhaltspunkte für eine städtebaulich verfestigte Situation; die tatsächlich vorhandene Bebauung darf kein bloßes „Zufallsprodukt“ ohne eigenen städtebaulichen Aussagewert sein (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris Rn. 12; OVG Berlin-Bbg, U.v. 13.3.2013 – OVG 10 B 4.12 – juris Rn. 45; U.v. 24.5.2018 – OVG 2 B 3.17 – juris Rn. 30; OVG SH, U.v. 19.2.2015 – 1 LB 5/14 – juris Rn. 31; vgl. auch BVerwG, B.v. 22.9.2016 – 4 B 23.16 – BRS 84 Nr. 74 = juris Rn. 7). Bei einer höchst unterschiedlichen Bebauung ohne gemeinsame vordere oder hintere Gebäudeflucht kann von einer faktischen vorderen bzw. rückwärtigen Baugrenze nicht gesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.9.2013 – 2 ZB 12.1544 – juris Rn. 8; OVG LSA, B.v. 5.11.2019 – 2 M 83/19 – juris Rn. 26). Den nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen „Rahmen“ bilden in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche nur die in der näheren Umgebung vorhandenen Hauptgebäude, weil das Bauplanungsrecht in § 23 Abs. 5 BauNVO für die räumliche Lage von Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO sowie von (sonstigen) in den Abstandsflächen zulässigen baulichen Anlagen gewisse Erleichterungen vorsieht (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.1997 – 4 B 172.97 – NVwZ-RR 1998, 539 = juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris Rn. 12, 18; OVG Berlin-Bbg, U.v. 13.3.2013 – OVG 10 B 4.12 – juris Rn. 51; U.v. 24.5.2018 – OVG 2 B 3.17 – juris Rn. 30; ThürOVG, U.v. 26.4.2017 – 1 KO 347/14 – BauR 2018, 485 = juris Rn. 41). Nebenanlagen i.S. von § 23 Abs. 5 Satz 1 i.V. mit § 14 Abs. 1 BauNVO (zum Begriff vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2017 – 4 C 9.16 – NVwZ 2018, 1231 = juris Rn. 10 m.w.N.) sind bei der Beurteilung, ob eine (vordere oder rückwärtige) faktische Baugrenze besteht, mithin ebenso auszublenden wie sonstige bauliche Anlagen, die (wie z.B. kleinere Garagen) in den landesrechtlich geregelten Abstandsflächen zulässig sind (entsprechend § 12, § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO, in Bayern i.V. mit Art. 6 Abs. 7 BayBO).
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Ist nach diesen Maßstäben aufgrund der Rahmensetzung durch die Hauptgebäude in der im Einzelfall prägenden Umgebungsbebauung von einer faktischen vorderen oder hinteren Baugrenze auszugehen (zur einzelfallbezogenen Annahme einer vorderen/straßenseitigen faktischen Baugrenze vgl. z.B. OVG NW, U.v. 25.4.2018 – 7 A 165/16 – juris Rn. 40; ThürOVG, U.v. 26.4.2017 – 1 KO 347/14 – BauR 2018, 485 = juris Rn. 42), gilt nach der auch bei der Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB entsprechend heranzuziehenden Bestimmung des § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO, dass Gebäude oder Gebäudeteile diese grundsätzlich nicht überschreiten dürfen (ThürOVG, U.v. 26.4.2017 a.a.O. juris Rn. 43).
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So liegt der Fall hier. Die maßgebliche nähere Umgebung bestimmt sich vorliegend mit Bezug auf die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, jedenfalls anhand der Bebauung mit Hauptgebäuden auf den Grundstücken Fl.-Nrn. …10, …12, …3 und …29, jeweils Gemarkung … Die dort vorliegende Wohnbebauung in einem Straßenabschnitt, der lang genug ist, um hinsichtlich der Überbaubarkeit der rückwärtigen Gartenflächen einen eigenen als Umgebung im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgeblichen Bereich zu bilden, weist in diesem Bereich eine einheitliche Struktur (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2005 – 1 CS 04.3461 – juris Rn. 20) auf. Die dortigen Hauptgebäude lassen eine deutliche Orientierung zur westlich gelegenen B* …straße – von der aus sie auch erschlossen sind (zur Relevanz der Erschließungsstraße für eine rückwärtige Bebauung näher unten im Rahmen der faktischen Bebauungstiefe unter 3.) – auf. Die von der B* …straße aus gesehen rückwärtigen Grundstückbereiche bleiben jeweils ab einer gedachten Linie entlang der Flucht der östlichen Gebäudeaußenwände der Gebäude auf den Grundstücken Fl.-Nrn. …10, …12 und …3, jeweils Gemarkung …, frei. Das Gericht konnte im Rahmen des durchgeführten Augenscheins die beschriebene Gebäudeflucht wahrnehmen. Diese stellte sich nach dem durch den Augenschein gewonnenen Eindruck als deutlich sichtbar und den angesprochenen Bereich prägend dar. Die Anordnung der Hauptgebäude lässt an deren östlichen Gebäudeaußenwänden eine gemeinsame Flucht erkennen; in der Folge ist eine Regelhaftigkeit erkenn- und formulierbar. Es handelt sich bei der vorgefundenen baulichen Situation nicht um ein bloßes „Zufallsprodukt“, sondern um eine verfestigte bauliche Situation mit korrespondierendem städtebaulichen Aussagegehalt.
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Dieses Ergebnis bestätigt sich, wenn man die Bebauung auf den Grundstücken Fl.-Nrn. …2 und/oder …15, jeweils Gemarkung …, mit in die Betrachtung einstellt, sodass offen bleiben kann, ob diese Bebauung bezogen auf das Einfügensmerkmal der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ganz oder teilweise ebenfalls zur prägenden näheren Umgebung zählt. Denn wie dargestellt ergibt sich eine hinreichende verfestigte Situation mit entsprechender städtebaulicher Aussagekraft auch schon aus der Bebauung auf den oben genannten Grundstücken. Es ist – wie ebenfalls bereits ausgeführt – nicht ausgeschlossen, dass nur einige wenige, unter Umständen sogar nur zwei Grundstücke den maßgeblichen Rahmen bilden; es kommt allein auf die wechselseitige Prägung der Bebauung in Bezug auf das jeweilige Einfügensmerkmal sowie darauf an, was aus dieser Bebauung ablesbar ist. Hier folgt eine faktische Baugrenze wie dargestellt schon aus der Betrachtung der Bebauung auf den Grundstücken Fl.-Nrn. …10, …12, …3 und …29, jeweils Gemarkung … Unabhängig davon spricht vorliegend einiges dafür, auch die Bebauung auf den Grundstücken Fl.-Nrn. …2 und/oder …15, jeweils Gemarkung …, mit einzubeziehen. Auch an dieser Bebauung manifestiert sich die deutlich erkennbare Orientierung an der B* …straße (bzw. deren gedachter Verlängerung nach Süden im Falle des südliches Grundstück Fl.-Nr. …15, Gemarkung …*) bei gleichzeitiger Freihaltung der östlichen, zur W* …straße hin orientierten Grundstückbereiche. Auch insoweit setzt sich nach dem im Rahmen des Augenscheins gewonnenen Eindruck des Gerichts die Gebäudeflucht und die damit verbundene Regelhaftigkeit fort; der städtebauliche Aussagegehalt perpetuiert sich an dieser Stelle und vertieft sich sogar noch. Dass das Gebäude auf dem Grundstück Fl.-Nr. …2, Gemarkung …, nicht von der B* …straße aus erschlossen ist, ist für das Vorliegen der faktischen Baugrenze dabei unerheblich. Denn für diese kommt es allein auf die Lage der Bebauung, nicht auf die Lage in Relation zu einer gemeinsamen Erschließungsstraße an, da allein die Situierung der Bebauung und die sich ergebende gemeinsame Gebäudeflucht maßgeblich sind. Die Lage in Bezug zu einer gemeinsamen Erschließungsstraße ist hingegen für eine (faktische) Bebauungstiefe von maßgeblicher Bedeutung (näher unter 3.).
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Nicht maßstabsbildend für das Einfügensmerkmal der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist hingegen im vorliegenden Fall die Bebauung östlich der W* …straße. Hier fehlt es nach dem Eindruck, den das Gericht im Rahmen des durchgeführten Augenscheins gewinnen konnte, mit Blick auf das hier fragliche Einfügensmerkmal an einer wechselseitigen Prägung. Es ist insoweit nicht mehr erkennbar, dass die Ausführung des Vorhabens sich auf die dortige Bebauung auswirken kann und diese Bebauung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabenstandorts prägt oder beeinflusst. Die Bebauung östlich der W* …straße weist eine gänzlich andere Struktur auf als die Bebauung in dem insoweit jedenfalls die nähere Umgebung bildenden Bereich der Grundstücke Fl.-Nrn. …10, …12, …3 und …29, jeweils Gemarkung … Während dieser Bereich wie dargestellt hinsichtlich der überbauten Grundstücksfläche eine homogene Bebauungsstruktur aufweist, setzt sich dies östlich der W* …straße nicht fort. Dies korrespondiert mit dem Eindruck, den das Gericht vor Ort gewinnen konnte. Die Bebauung östlich der insoweit sozusagen trennenden W* …straße vermittelt nach der konkreten örtlichen Situation im vorliegenden Einzelfall, wie sie das Gericht im Rahmen des Augenscheins wahrnehmen konnte, nicht den Eindruck der wechselseitigen Auswirkungen im Verhältnis von Vorhaben und Umgebung. Die Bebauung östlich der W* …straße ist gekennzeichnet durch eine von den Straßen abgerückte Stellung der Hauptgebäude vorwiegend im mittleren Grundstücksbereich und zeigt sich insgesamt als stärker verdichtet. Die Gebäudlichkeiten sind dort gerade nicht überwiegend zu einer größeren (Erschließungs-)Straße hin ausgerichtet und ordnen sich gerade nicht weitgehend entlang einer solchen an. Demgegenüber stehen die Hauptgebäude auf den Grundstücke Fl.-Nrn. …10, …12, …3 und …29, jeweils Gemarkung …, straßennah – bezogen auf die B* …straße – mit deutlicher Orientierung hin zu dieser in verhältnismäßig geringer Entfernung; die östlichen Grundstücksteile sind jeweils freigehalten. Auch mit Blick auf diese Unterschiede fehlt es für die Bebauung östlich der W* …straße an wechselseitigen Auswirkungen im Verhältnis von Vorhaben und Umgebung; sie ist insoweit nach dem Eindruck des Gerichts aus dem Augenschein nicht mehr zur näheren Umgebung hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche zu zählen.
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Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass – ohne dass insoweit eine Bindungswirkung bestünde – der in diesem Verfahren durch das Gericht vor Ort gewonnene Eindruck bezüglich der vorhandenen Baugrenze nicht im Widerspruch zu der im Rahmen des Ortstermins des Vorgängerverfahrens M 9 K 04.1071 am 4. August 2004 geäußerten vorläufigen Rechtsauffassung steht. Zum einen lag damals eine (feststehende) Erschließung über die W* …straße zugrunde (vgl. zur unklaren Situation bzgl. des hier gegenständlichen Vorhabens sogleich unter 3.). Zum anderen – und für die Frage einer faktischen Baugrenze entscheidend – kam eine faktische Baugrenze zum damaligen Zeitpunkt nicht in Betracht, weil die damalige und inzwischen abgebrochene Wohnbebauung auf dem südlichen Nachbargrundstück Fl.-Nr. …12, Gemarkung …, sehr viel weiter östlich situiert war als die nunmehrige Bebauung; eine gemeinsame Gebäudeflucht schied ausweislich des sich bei den Gerichtsakten befindlichen historischen Luftbildes aus. Für die hiesige Beurteilung allein maßgeblich ist hingegen die Bebauung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung und damit die neue Bebauung auf dem südlichen Nachbargrundstück. Zu bedenken ist schließlich, dass aus dem damaligen Protokoll nicht hervorgeht, dass sich die Einschätzung, dass die Bebauung östlich der W* …straße zur näheren Umgebung zähle, auf das Einfügensmerkmal der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, bezog.
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3. Zudem kann unter Berücksichtigung der vorgelegten Bauvorlagen nicht positiv festgestellt werden, dass das Vorhaben die faktische Bebauungstiefe einhält. Auch deshalb ist das Tatbestandsmerkmal des Einfügens hinsichtlich der Grundstückfläche, die überbaut werden soll (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB), vorliegend nicht erfüllt.
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Ob eine rückwärtige Bebauung eines Grundstücks zulässig ist, hängt auch davon ab, in welchem Umfang die den Maßstab bildenden umliegenden Grundstücke eine rückwärtige Bebauung aufweisen (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.1997 – 4 B 172.97 – juris Rn. 7). Zur näheren Konkretisierung kann insofern auf die Begriffsbestimmungen in § 23 BauNVO zur „überbaubaren Grundstücksfläche“, die wiederum gemäß § 23 Abs. 4 BauNVO auch durch Festsetzung der Bebauungstiefe bestimmt werden kann, zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, B.v. 16.6.2009 – 4 B 50.08 – ZfBR 2009, 693). Nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BauNVO ist die Bebauungstiefe von der tatsächlichen Straßengrenze aus zu ermitteln (vgl. BVerwG, B.v. 12.8.2019 – 4 B 1.19 – juris). Konsequenz ist daher, dass die Reichweite der näheren Umgebung insoweit auf diejenigen Grundstücke beschränkt ist, die durch die gleiche Erschließungsstraße erschlossen sind und in der Regel auch auf der gleichen Straßenseite liegen (zum Ganzen BayVGH, B.v. 10.2.2022 – 2 ZB 21.1560 – juris Rn. 6 m.w.N.).
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Eine Überschreitung der faktischen Bebauungstiefe – von der B* …straße aus gesehen – ist vorliegend ausgehend von den eingereichten Bauvorlagen jedenfalls nicht ausgeschlossen. Denn aus den vorgelegten Bauvorlagen ergibt sich an keiner Stelle eindeutig, von welcher Straße aus das Vorhaben wegemäßig erschlossen werden soll. Zwar liegt eine Erschließung über die W* …straße – im Wortsinne – nahe. Allerdings erschiene es nicht ausgeschlossen, dass eine Erschließung über das Wegegrundstück Fl.-Nr. …20, Gemarkung …, erfolgt, zumal der eingereichte Lageplan insoweit auf ein Geh- und Fahrtrecht hinweist. Auch eine Erschließung unmittelbar über die B* …straße kommt vorliegend in Frage, da das Vorhabengrundstück noch nicht geteilt ist und auch an die B* …straße angrenzt; es wäre daher möglich, das Vorhaben ebenso wie die Bestandsbebauung über die B* …straße zu erschließen. Die im Lageplan angedeutete und klägerseits auch sonst ausgeführte Absicht einer Grundstücksteilung ändert hieran nichts. Denn zum einen ist diese noch nicht erfolgt. Zum anderen träfe ein potentiell zu erteilender Vorbescheid hierzu keine Aussage – er würde unabhängig von einer möglicherweise folgenden oder auch nicht folgenden Grundstücksteilung erteilt. Es kann daher im relevanten Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht davon ausgegangen werden, dass eine Grundstücksteilung erfolgt bzw. erfolgen muss und eine Erschließung über die B* …straße daher ausscheidet. Den Bauvorlagen ist insoweit schlicht keine eindeutige Aussage zu entnehmen. Schließlich spricht auch der in den Bauvorlagen eingezeichnete durchgehende Grünzug zwischen dem Vorhaben und der W* …traße gegen eine Erschließung über die W* …straße. Es ist daher im Ergebnis den Bauvorlagen nicht eindeutig zu entnehmen, dass das Vorhaben – wie klägerseits wohl beabsichtigt – über die W* …straße erschlossen wird.
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Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Vorhaben von der B* …straße aus erschlossen wird. In diesem Falle überschreitet das Vorhaben die von dieser Erschließungsstraße aus gemessene faktische Bebauungstiefe, da das Vorhaben deutlich weiter östlich situiert ist als die übrige von der B* …straße aus erschlossene Bebauung – nur auf die von der gleichen Straße aus erschlossene Bebauung kommt es nach dem oben gefundenen Maßstab an – in der näheren Umgebung (vgl. die Bebauung auf den Grundstücken Fl.-Nrn. …10, …12, …3 und …29, jew. Gemarkung …; das Gebäude auf Fl.-Nr. …2, Gemarkung …, ist von der W* …straße aus erschlossen und deshalb nach dem obigen Maßstab nicht mit einzubeziehen).
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Dass eine Überschreitung der faktischen Bebauungstiefe von der B* …straße aus gesehen vorliegend nicht ausgeschlossen werden kann, führt zur bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens. Denn § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB fordert, dass sich das Vorhaben nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Dieses Tatbestandsmerkmal muss positiv erfüllt sein. Die Umstände, die eine Erfüllung des Tatbestandsmerkmals tragen, müssen sich eindeutig aus dem Vorbescheidsantrag nebst eingereichter Bauvorlagen ergeben; anderenfalls scheidet eine gerichtliche Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung des Vorbescheids aus. Vorliegend ist wie dargestellt jedoch gerade nicht eindeutig erkennbar, dass das Vorhaben und insbesondere seine Erschließung so ausgestaltet ist, dass keine Überschreitung der faktischen Bebauungstiefe vorliegt. Es kann daher nicht positiv festgestellt werden, dass sich das Vorhaben nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
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4. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass das Vorhaben nicht deshalb bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB trotz Überschreitung des maßgeblichen Rahmens zulässig ist, weil es bodenrechtlich beachtliche städtebauliche Spannungen weder herbeiführt noch erhöht (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369 = juris Rn. 47; U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 – NVwZ 1995, 698 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 15 ZB 20.280 – juris Rn. 7; B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 13 m.w.N.; ThürOVG, U.v. 26.4.2017 – 1 KO 347/14 – BauR 2018, 485 = juris Rn. 40). Bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen. Hierfür reicht die mögliche Vorbildwirkung des Vorhabens, die ein Bedürfnis nach planerischer Gestaltung auslösen kann (vgl. BVerwG, B.v. 25.3.1999 – 4 B 15.99 – ZfBR 2000, 68 = juris Rn. 5 f.; U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – BVerwGE 148, 290 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 15 ZB 20.280 – juris Rn. 7; B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris Rn. 17) aus. Auf dieser Grundlage ergeben sich städtebauliche Spannungen vorliegend jedenfalls aus der erheblichen negativen Vorbildwirkung des Vorhabens. Es würde als Bezugsfall für eine Bebauung aller rückwärtigen Grundstückbereiche etwa auf den Grundstücken Fl.-Nr. …12 und …3, jeweils Gemarkung …, wirken.
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Die Klage wird daher abgewiesen.
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B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit nicht in ein Kostenrisiko begeben. Es entspricht daher der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.