Inhalt

VG München, Beschluss v. 04.11.2024 – M 1 E1 24.5567
Titel:

Eilantrag, Nachbar, Vorbescheid, Aufschiebende Wirkung, Einstweilige Verfügung, Baustopp

Normenketten:
VwGO § 80a Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123
BauGB § 212a Abs. 1
BayBO Art. 71
Schlagworte:
Eilantrag, Nachbar, Vorbescheid, Aufschiebende Wirkung, Einstweilige Verfügung, Baustopp
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32407

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren Rechtsschutz im Zusammenhang mit einem Vorbescheid, welchen der Antragsgegner der Beigeladenen erteilt hat.
2
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks 1208/17 Gem. T... Östlich davon sind die Grundstücke FlNrn. 1208/18, 19, 20 21, 22 und 23 Gem. T... (Vorhabengrundstücke) gelegen. Für diese Grundstücke erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen am ...August 2024 den positiven Vorbescheid „Bebauungsvarianten eines Grundstücks mit einem Dreispänner (V1), einem Doppelhaus (V2) oder einem Einfamilienhaus (V3)“. Im Vorbescheid wird folgende Auflage festgesetzt: „1. Die Niederschlagswasserbeseitigung wurde im Rahmen dieses Vorbescheidsverfahrens nicht geprüft. Mit den Bauantragsunterlagen ist das Formular „Erklärung und Antrag zur Niederschlagswasserbeseitigung“ ausgefüllt und mit den erforderlichen Planunterlagen einzureichen.“
3
Gegen diesen Bescheid, den Antragstellern ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am … August 2024, haben die Antragsteller am 15. September 2024 Anfechtungsklage (M 1 K 24.5566) erhoben und zugleich einstweiligen Rechtsschutz ersucht.
4
Diesbezüglich beantragen sie,
5
dem Antragsgegner bzw. dem Bauherrn im Wege der einstweiligen Verfügung einen Baustopp auf den Grundstücken Flurziffern in der Gemarkung T..., Flurstücke 1208/18, 1208/19, 1208/20, 1208/21, 1208/22, 1208/2 aufzuerlegen, insbesondere der Rechtwirksamkeit des Genehmigungsbescheides eine Suspensivwirkung bis Klärung der Hauptsache aufzuerlegen (§§ 80a Abs. 3 S. 1, 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO).
6
Bereits in der Vergangenheit sei es in dem Gebiet zu Überschwemmungen gekommen. Bei einem Hochwasser im Jahr 2008 sei das klägerische Anwesen, anders als das den Vorhabengrundstücken gegenüberliegende Grundstück, nur knapp einer Überschwemmung entkommen. Dennoch enthalte der Genehmigungsbescheid keinerlei Auflagen zum Hochwasserschutz. Es bestünden daher erhebliche Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des Hochwasserschutzes und Bedenken zu einer Flächenversiegelung ohne Hochwasserauflagen, diesbezüglich könnten die Antragsteller sich auf das ihnen gegenüber zu berücksichtigende Gebot der Rücksichtnahme berufen. Zur Vermeidung irreversibler Schäden durch Flächenversiegelung sei daher auch Eilrechtsschutz geboten.
7
Der Antragsgegner beantragt,
8
den Antrag abzulehnen
9
und weist darauf hin, dass entgegen der Ausführungen der Antragsteller kein Genehmigungsbescheid, sondern lediglich ein Vorbescheid erteilt worden ist.
10
Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte, auch im Hauptsacheverfahren M 1 K 24.5566, sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
12
1. Die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz, im wohlverstandenen Interesse der Antragsteller gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO verstanden als Anträge auf Verpflichtung des Antragsgegners zum Erlass einer einstweiligen Baueinstellung gegenüber der Beigeladenen (§ 123 Abs. 1 VwGO) sowie Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in der Hauptsache (§§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO), sind bereits unzulässig.
13
a) Dem Antrag, soweit er auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in der Hauptsache gemäß §§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 5 VwGO gerichtet ist, ist unzulässig, weil den Antragstellern jedenfalls das Rechtsschutzinteresse fehlt.
14
Gemäß § 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs, die gemäß § 80 Abs. 2 VwGO entfallen ist, anordnen bzw. wiederherstellen. Zu denken wäre vorliegend an einen Entfall der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragsteller gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Gemäß Art. 71 Satz 1 BayBO ist vor Einreichung des Bauantrags auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens durch die Bauaufsichtsbehörde ein Vorbescheid zu erteilen. Vorbescheide stellen für die Dauer ihrer – auf drei Jahre befristeten – Geltung das Vorliegen bestimmter rechtlicher Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens fest. Vorbescheide sind feststellende Verwaltungsakte mit (befristeter) Dauerwirkung. Der Vorbescheid gibt aber den Bau – mangels verfügenden Teils – nicht frei; das ist nur bei der (Teil-) Baugenehmigung der Fall. Im Hinblick darauf verneint der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 12. November 2018, dass es sich bei einem Vorbescheid nach Art. 71 BayBO um eine bauaufsichtliche Zulassung im Sinne von § 212 Abs. 1 BauGB handelt und geht davon aus, dass einer gegen einen Vorbescheid gerichteten Nachbarklage gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt, sodass er in o.g. Entscheidung den Antrag eines Nachbarn auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Vorbescheid als unstatthaft angesehen hat (VGH München, B.v.12.11.2018 – 2 CS 18.2165 – BeckRS 2018, 30673 Rn. 3 m.w.N. auch zur Gegenansicht). Letztlich bedarf die Frage, ob es sich bei einem Vorbescheid um eine bauaufsichtliche Zulassung im Sinne von § 212a Abs. 1 BauGB handelt, vorliegend jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn man dies und damit die Statthaftigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO bejahen wollte, fehlte den Antragstellern jedenfalls das Rechtsschutzinteresse für einen solchen Antrag. Denn dieser brächte ihnen keine Vorteile, weil die von ihnen befürchtete Flächenversiegelung durch Baumaßnahmen durch den Vorbescheid gerade nicht genehmigt, sondern lediglich die unter Gliederungspunkt A. des Bescheids genannten Feststellungen zur baurechtlichen Vereinbarkeit der Vorhabenvarianten getroffen werden. Schließlich ergäbe sich auch keine Verbesserung der Rechtsstellung der Antragsteller im Hinblick auf die Bindungswirkung des Vorbescheids für ein eventuelles Baugenehmigungsverfahren. Diese entfaltet ein Vorbescheid dem Nachbarn gegenüber ohnehin erst, wenn er in Bestandskraft erwachsen ist (VGH München, B.v. 1.4.1999 – 2 CS 98.2646 – juris Rn. 11).
15
b) In Hinblick auf den rein feststellenden Charakter des Vorbescheids ist der Antrag auch unzulässig, soweit der Erlass eines Baustopps gegenüber dem Antragsgegner bzw. der Beigeladenen im Wege einer einstweiligen Verfügung gemäß § 123 VwGO begehrt wird. Es fehlt den Antragstellern ein Rechtsschutzinteresse, weil sie mit einer solchen Anordnung ihre Rechtsposition nicht verbessern können, denn der Vorbescheid genehmigt ein „Bauen“ der Vorhabenvarianten gerade nicht.
16
2. Der Antrag war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen, wobei es der Billigkeit entspricht (§ 162 Abs. 3 VwGO), die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, weil sie mangels Antragstellung ihrerseits ein Kostenrisiko nicht eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
17
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt § 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.