Inhalt

VG München, Beschluss v. 30.04.2024 – M 15 E 24.1499
Titel:

BAföG: Wichtiger Grund beim Ausbildungsabbruch

Normenketten:
BAföG § 7 Abs. 3 S. 1, S. 4
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2, Abs. 3
ZPO § 920 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein wichtiger Grund für den Ausbildungsabbruch ist gegeben, wenn dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nach verständigem Urteil unter Berücksichtigung aller im Rahmen des BAföG erheblichen Umstände einschließlich der mit der Förderung verbundenen persönlichen und an Ziel und Zweck der Ausbildungsförderung orientierten öffentlichen Interessen nicht mehr zugemutet werden kann. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Krankheiten können zwar grundsätzlich einen derartigen wichtigen Grund darstellen, allerdings ist zu prüfen, ob eine Beurlaubung trotz des Wegfalls der Förderung und der Notwendigkeit, in dieser Zeit den Lebensunterhalt auf andere Weise - etwa durch andere Sozialleistungen - zu sichern, mit Blick auf die Pflicht, die Ausbildung umsichtig zu planen und zügig durchzuführen, dem Ausbildungsabbruch vorzuziehen ist. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. An einem wichtigen Grund fehlt es, wenn eine Beurlaubung vom betreffenden Studiengang während der Krankheitszeit möglich und dem Antragsteller zumutbar gewesen wäre. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausbildungsabbruch, Fehlende Glaubhaftmachung, wichtiger Grund, fehlende Glaubhaftmachung, Krankheit als wichtiger Grund, Physiotherapie, Beurlaubung statt Abbruch, Obliegenheit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32399

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Gewährung von Ausbildungsförderung.
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Vom ... Oktober 2021 bis … Juli 2023 studierte sie an der … …schule (.. .. ) R.. … Physiotherapie (Bachelor) und erhielt hierfür Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
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Die Antragstellerin beantragte am … Juni 2023 Ausbildungsförderung nach dem BAföG für den Besuch der …schule Ergotherapie in R.. … Laut E-Mail vom … August 2023 sei der Studienabbruch aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. Bereits seit dem ersten Semester habe sie mit Long-Covid zu kämpfen gehabt und seit dem 2./3. Semester sei es ihr körperlich immer schlechter gegangen, sodass sie nicht mehr richtig in die Vorlesungen habe gehen können. Nach der Operation sei sie fünf Wochen handlungsunfähig gewesen und es sei nicht möglich gewesen, sämtlichen Stoff aufzuholen. Seit ein paar Wochen gehe es ihr besser und auch der Entschluss, eine andere Fachrichtung einzuschlagen, habe an ihrem Studiengang gelegen, der nicht zu ihr gepasst habe. Da es keine Anwesenheitspflicht gegeben habe, habe sie sich nicht krankmelden müssen.
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Eine ärztliche Bestätigung, dass die Antragstellerin vom … März 2023 bis … März 2023 in stationärer Behandlung gewesen und vom … März 2023 bis … April 2023 krankgeschrieben worden sei, wurde vorgelegt.
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Laut einem Vermerk des Antragsgegners erklärte die Antragstellerin am … September 2023 telefonisch, dass sie ab dem zweiten Semester gesundheitliche Probleme gehabt und oft gefehlt habe. Bei dem Studiengang könne man nicht wiederholen, sodass sie das dritte Semester belegt habe. Sie sei mit dem Studiengang bezüglich der Lehrstoffvermittlung nicht zufrieden gewesen und habe sich erkundigt für die Ergo-Ausbildung, wobei sie nicht gewusst habe, ob sie genommen werde. Bevor sie ohne Arbeit/Ausbildung sei, habe sie sich weiter immatrikuliert bis sie die Zusage der Schule bekommen habe. Zwischenzeitlich habe sie bei Beginn des vierten Semesters erhöhte gesundheitliche Probleme mit Operation gehabt. Nach der Zusage der Ergo Schule habe sie sich exmatrikuliert.
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Mit Bescheid vom … September 2023 wurde der Antrag auf Ausbildungsförderung abgelehnt. Die Exmatrikulation zum … Juli 2023 gelte nicht als Beginn des vierten Semesters im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG. Auch die Begründung, dass sie sich erst nach Zusage der …schule für Ergotherapie exmatrikuliert habe, um bei Nicht-Aufnahme z.B. Arbeitslosigkeit zu vermeiden, könne nicht anerkannt werden.
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Dagegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom … Oktober 2023 Widerspruch ein. Gesundheitliche Gründe hätten sie daran gehindert, das Studium im vorgegebenen Zeitraum zu absolvieren. Sie habe sieben Monate an den Vorlesungen nicht teilnehmen können, sodass die Regelstudienzeit nicht habe eingehalten werden können. Die Stresssituation sei die Ursache gewesen, dass sie die Gesetzesvorgabe des vierten Semesters übersehen habe.
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Eine Stellungnahme einer psychologischen Psychotherapeutin vom … Oktober 2023 wurde vorgelegt, wonach es der Antragstellerin aufgrund verschiedener psychischer Störungen nicht möglich gewesen sei, regelmäßig und in ausreichendem Maße an den Vorlesungen teilzunehmen. Die Einschreibung ins vierte Semester sei nur „pro forma“ gewesen; die Antragstellerin sei aus ihrer Sicht nicht arbeits- und leistungsfähig und zudem zu einem Großteil ab März 2023 im Krankenstand gewesen
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Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom … Januar 2024, zugestellt am … Januar 2024, zurückgewiesen.
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Die Antragstellerin habe ohne anzuerkennenden wichtigen Grund im Sinne von § 7 Abs. 3 BAföG bzw. nicht unverzüglich ihren Studiengang „Physiotherapie“ an der … in R.. … abgebrochen. Zwar gelte für die Sommersemester 2020, Wintersemester 2020/2021, Sommersemester 2021 und Wintersemester 2021/2022 eine von der Regelstudienzeit abweichende individuelle Regelstudienzeit. Die Wertung „Vornahme eines Abbruchs“ werde dadurch allerdings nicht berührt. Dies gelte auch im Hinblick auf das Eingreifen der Regelvermutung gemäß § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG. Durch die Bewertung des Wintersemesters 2021/2022 als neutrales Semester gelte der Abbruch hier somit als nach Beginn des dritten Semesters vorgenommen, sodass zu prüfen sei, ob hierfür ein wichtiger Grund vorgelegen habe. Es bestünden bereits Zweifel am Vorliegen eines wichtigen Grundes, da die Antragstellerin die diesbezüglichen Angaben im Verfahren mehrfach verändert habe. Während sie im Vorausleistungsverfahren angegeben habe, dass sie mit der Qualität der Ausbildung nicht zufrieden gewesen sei bzw. einen ganzheitlichen Ansatz vermisst habe, seien im weiteren Verfahren Eignungsmängel als Grund für den Abbruch angegeben worden. Qualitätsmängel in der Ausbildung der … …schule seien nicht bekannt bzw. auch nicht substantiiert nachgewiesen worden. Im Übrigen hätte zuerst versucht werden müssen, dies mit der …schule zu klären. Nachweise für die angegebene Corona-Erkrankung seien ebenfalls nicht vorgelegt worden. Die bestätigte Operation sei erst im dritten Semester durchgeführt worden, ein Ausfall hierfür hätte aber durch Inanspruchnahme eines Urlaubssemesters kompensiert werden können. Die bestätigte psychotherapeutische Behandlung lasse keine Rückschlüsse auf den Einfluss auf den Studienverlauf zu. Durch Inanspruchnahme eines Urlaubssemesters und Wiederaufnahme des Studiengangs nach Gesundung wäre ein positiver Abschluss des Studiums nicht ausgeschlossen. Insbesondere problematisch sei, dass der Abbruch nicht unverzüglich nach Erkennen eines eventuellen wichtigen Grundes vorgenommen worden sei. Nach Angabe der Antragstellerin habe diese seit Beginn des ersten Semesters Probleme mit dem Studiengang gehabt und sie habe im ersten Semester auch lediglich zehn ECTS-Punkte erreicht. Im zweiten und dritten Semester seien weitere Probleme hinzugekommen, sodass offensichtlich keine weiteren Studienerfolge erzielt worden seien. Auch die Therapeutin bestätige, dass die Einschreibung im vierten Semester nur noch „pro forma“ erfolgt sei, ein Studienabschluss offensichtlich schon gar nicht mehr angestrebt worden sei. Obwohl der Antragstellerin die gesundheitlichen Probleme und/oder der Neigungswandel bereits früher bekannt gewesen seien, habe sie weder ein Urlaubsemester beantragt noch den Studiengang abgebrochen, sondern sei insgesamt vier Semester immatrikuliert gewesen, obwohl der Abschluss bereits nicht mehr angestrebt worden sei bzw. nicht mehr sichtbar gewesen sei, dass dieser erreicht werden sollte. Auf Tz. 7.3.16 der Verwaltungsvorschriften zum BAföG (BAföGVwV) wurde Bezug genommen. Die Sicherung des Lebensunterhalts in der Zwischenzeit sei nicht Aufgabe der Ausbildungsförderung nach dem BAföG. Ein zögerliches Verhalten sei mit dem öffentlichen Interesse an einer zweckentsprechenden Nutzung der zur Verfügung gestellten Studienkapazitäten unvereinbar.
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Hiergegen erhoben die Prozessbevollmächtigten am … Februar 2024 Klage (.. … .. ….. ).
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Zudem beantragten sie mit Schriftsatz vom … März 2024, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache die beantragte Ausbildungsförderung für die Ausbildung zur staatlich anerkannten Ergotherapeutin an der …schule für Ergotherapie R.. … zu gewähren.
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Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, dass die Antragstellerin das Studium zur Physiotherapeutin aus einem wichtigen Grund im vierten Hochschulsemester abgebrochen habe. Das Wintersemester 2021/2022 gelte gemäß Art. 130 Bayerisches Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG) aufgrund der Bewältigung der Covid-19-Pandemie nicht als Fachsemester und die Regelstudienzeit habe sich um dieses Semester verlängert. Somit habe die Antragstellerin ihr Studium während des dritten Fachsemesters abgebrochen. Der Grund für den Abbruch seien gesundheitliche Gründe gewesen, aufgrund derer es ihr nicht möglich gewesen sei, das Studium wie vorgesehen vorzuführen und dieses erfolgreich abzuschließen. Mithin sei hier von einem Eignungsmangel auszugehen. Die Antragstellerin habe sich während des ersten Semesters nach ca. drei Wochen erstmals mit Corona infiziert und sei für mehr als zwei Wochen außer Gefecht gesetzt gewesen. Sie sei dann wieder in die Vorlesungen gegangen, habe die Treppen bis in den fünften Stock der …schule aber nicht mehr hinauflaufen können und extreme Kurzatmigkeit, Herzrasen und Schwindel gehabt. Zudem habe sie plötzlich in einer Vorlesung ihren linken Arm, ihre Schulter und ein Teil ihres Gesichts nicht mehr richtig gespürt. Als sie sich unverzüglich in die Notaufnahme begeben habe, sei sie für zwei Tage in ein Isolationszimmer gekommen und bei einem nochmaligen Aufenthalt in der Notaufnahme der Begriff „Long Covid/Post Covid“ genannt worden. Die körperlichen Beeinträchtigungen hätten sich leider auch auf ihre Klausuren ausgewirkt, sodass die Antragstellerin nur wenige ECTS-Punkte habe erzielen können. Gegen Mitte des zweiten Semesters habe sie dann einen Rückfall ihrer bereits seit 2018 bestehenden Magenerkrankung erlitten. Im zweiten Semester habe es sogenannte „Hürdenprüfungen“ gegeben. Aufgrund der sehr hohen Anforderungen seien 60% nicht weiter gerückt, sondern hätten das Ganze noch mal wiederholen müssen. Das bedeute, dass man ab diesem Moment mit Verzögerungen studiere, was den Studierenden aber erst richtig im dritten Semester klargemacht worden sei. Leider habe auch die Antragstellerin zu diesen 60% gehört, aber sie sei sich nach wie vor sicher gewesen, sie werde weitermachen und das Studium schaffen. Aufgrund der psychischen Belastung durch die Erkrankungen sowie den Druck des Studiums habe sich die Antragstellerin ab November 2022 psychotherapeutische Hilfe gesucht. Im dritten Semester sei die Frage aufgekommen, ob sie nicht ein Jahr zurückgehen könne, um die Inhalte/Kurse aufzuholen und auch an ein Urlaubssemester habe sie gedacht. Eine Dozentin habe ihr in einem Beratungsgespräch jedoch schnell klargemacht, dass eine Beurlaubung in diesem speziellen Studiengang nicht vorgesehen sei, da die Kursauslastung bzw. Praktikumskoordination genau geplant sei. Ihr sei also gesagt worden, es gebe nur die Option des Weitermachens oder das Beenden des Studiums. Die Antragstellerin sei nach wie vor überzeugt gewesen, das Studium noch erfolgreich beenden zu können und habe mit vier weiteren Kommilitonen eine Lerngruppe gebildet. Zu Beginn des vierten Semesters habe sie jedoch unerwartet zum zweiten Mal am Magen operiert werden müssen und es sei ihr auch nach der Operation nicht sofort möglich gewesen, wieder alle Vorlesungen zu besuchen, da die meisten praktisch abliefen und mit körperlicher Anstrengung verbunden gewesen sein. Die Antragstellerin habe aber für ca. sechs Wochen keiner körperlich schweren Betätigung nachgehen dürfen und auch die Nahrungsaufnahme sei erschwert gewesen. Im April 2023 seien bei der Antragstellerin dann Zweifel aufgekommen, ob sie körperlich und psychisch noch in der Lage sei, das Studium in der vorgeschriebenen Zeit abzuschließen und sie sei dann im April 2023 zu dem Entschluss gelangt, dass sie den Studiengang nicht mehr weiterführen könne. Die zunächst erfolgte Angabe der Antragstellerin, dass sie mit der Ausbildung nicht zufrieden gewesen sei, sei darauf zurückzuführen, dass sie ihre gesundheitlichen Gründe nicht habe vertieft darlegen wollen. Die Antragstellerin habe während des laufenden Sommersemesters 2023 erkannt, dass sie das Studium aus gesundheitlichen Gründen nicht erfolgreich zum Ende führen könne und habe sich daher entschieden, die Ausbildung als Ergotherapeutin zu beginnen und sich hierfür zu bewerben. Frühestmöglicher Ausbildungsbeginn sei September 2023 gewesen. Mithin müsse es unschädlich sein, ob der tatsächliche Abbruch des Studiums erst auf Exmatrikulationsantrag der Antragstellerin von Juni 2023 im Juli 2023 erfolgt sei, da auch ein Abbruch im April 2023 nicht zu einem früheren Beginn der Ausbildung als Ergotherapeutin geführt hätte. Nach dem Bundesverfassungsgericht sei die Versagung von Ausbildungsförderung mangels Unverzüglichkeit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, sofern der Neigungswandel gegen Ende des ersten Fachsemesters erkannt werde, in diesem Zeitpunkt der Anmeldetermin für das neue Studium bereits verstrichen sei und sodann ein weiteres Semester bis zum Fachrichtungswechsel vergehe. Die Verzögerung des Studienabbruchs um einige Monate, um abzuwarten, ob eine Zulassung zum neuen Studium erfolge, sei nicht von solcher Art und solchem Gewicht, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Vorliegend handele es sich um eine vergleichbare Fallgestaltung. Aufgrund der nur geringfügigen Verzögerung des Studienabbruchs sei es völlig unverhältnismäßig, die begehrte Ausbildungsförderung für die Ausbildung zu Ergotherapeutin nicht zu genehmigen. Das Nichtstellen eines Beurlaubungsantrags könne der Antragstellerin nicht vorgeworfen werden, da ihr mitgeteilt worden sei, eine Beurlaubung sei nicht möglich. Auch sei der Abschluss des Studiums noch im vierten Fachsemester angestrebt worden. Zwar habe die Psychotherapeutin in ihrer Stellungnahme vom … Oktober 2023 geschrieben, dass die Einschreibung ins vierte Semester nur „pro forma“ gewesen sei. In einer – beigefügten – Stellungnahme vom … März 2024 erläutere sie aber, dass dies dahingehend zu verstehen sei, dass sich die Antragstellerin erst postoperativ im April 2023 für eine neue Ausbildungsrichtung interessiert habe. Bis zu diesem Zeitpunkt sei sie in jeder Hinsicht glaubhaft gewillt und motiviert gewesen, das vierte Semester anzutreten und vollständig zu absolvieren. Doch aufgrund der massiven Erkrankungen sei es ihr nicht möglich gewesen, das Semester bzw. Studium zu Ende zu führen.
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Nach der Rechtsprechung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sei im Falle der Versagung von Ausbildungsförderung regelmäßig auch vom Vorliegen eines Anordnungsgrundes für das Ergehen einer einstweiligen Anordnung auszugehen. Ohne die beantragte Bewilligung von Ausbildungsförderung sei die Weiterführung der Ausbildung der Antragstellerin zur staatlich anerkannten Ergotherapeutin gefährdet, da sie andernfalls ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten könne. Die Eltern der Antragstellerin seien nicht verpflichtet, eine weitere Ausbildung ihrer Tochter zu finanzieren. Die monatlichen Ausbildungskosten beliefen sich auf …,- € und sie müsse mehrere Praktika absolvieren, die teilweise bis zu 75 km (einfache Fahrt) entfernt lägen und nicht immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar seien. Hierfür entstünden der Antragstellerin zusätzlich hohe Fahrtkosten. Zudem habe sie die weiteren allgemeinen Lebensunterhaltungskosten wie Miete etc. zu tragen. Diese Kosten ließen sich allein mit einem Mini-Job auf maximal …,- €-Basis sowie mit Kindergeld (das im Februar 2025 wegfallen werde) nicht bezahlen.
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Insbesondere diverse medizinische Unterlagen und eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin vom … März 2024 wurden vorgelegt.
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Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag, führte aber im Klageverfahren aus, dass die geltend gemachten gesundheitlichen Gründe nicht als wichtiger Grund für den Abbruch anzuerkennen seien. Die Anforderungen seien insoweit umso höher, je weiter die Ausbildung schon fortgeschritten sei bzw. je länger sie schon durchlaufen gewesen sei. Der Abbruch des Studiums habe hier am Ende des (tatsächlichen) vierten Semester stattgefunden. Hinzuweisen sei auch auf die geänderten Angaben der Klägerin zum Grund für den Abbruch, da dieser zunächst mit der Unzufriedenheit über die Qualität der Ausbildung angegeben worden sei. Die geltend gemachte Long-Covid-Erkrankung habe seit 2021 und somit bereits etwa anderthalb Jahre bestanden, bevor das Studium abgebrochen worden sei. Es sei der Antragstellerin auch mit der Erkrankung in dieser Zeit möglich gewesen, das Studium weiter durchzuführen. Es stellte sich hier die Frage, inwieweit diese Diagnose zu berücksichtigen sei, da die geltend gemachten längerfristigen Beeinträchtigungen auch weiterhin bestünden. Zu dem Rückfall gegen Mitte des zweiten Semesters und zur Beratung durch eine Dozentin im dritten Semester seien keine Nachweise vorgelegt worden. Auch die Angaben bezüglich eines eventuell nicht möglichen Urlaubsemesters seien nicht nachgewiesen worden. Die Krankschreibung für ca. dreieinhalb Wochen im März 2023 stelle keine überdurchschnittlich hohe Ausfallzeit dar bzw. bedeute ein Ausmaß, das das Nachholen des verpassten Stoffes nicht unmöglich machen würde. Weitere krankheitsbedingte Ausfallzeiten seien nicht nachgewiesen worden. Ein hinreichender Anhaltspunkt für eine gesundheitsbedingte Unmöglichkeit, das Studium fortzuführen, sei somit nicht erkennbar. Im Telefonat vom … September 2023 habe die Antragstellerin angegeben, sie habe auch das dritte Semester nur belegt, weil keine Möglichkeit der Wiederholung für das zweite Semester bestanden habe. Es hätten also bereits Zweifel an der Eignung bestanden. Zudem habe sie angegeben, sich im vierten Semester zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit weiter immatrikuliert zu haben bis die Zusage für die Ergotherapie ergangen sei. In der Stellungnahme der Klägerin werde angegeben, der Entschluss für den Abbruch sei bereits im April 2023 gefallen, wofür auch spreche, dass der Antrag auf Ausbildungsförderung für Ergotherapie am .. . Juni 2023 von der Klägerin unterzeichnet worden sei. Die Exmatrikulation datiere auf den … Juli 2023. Den Abbruch habe die Antragstellerin nicht mitgeteilt, sondern stattdessen durchgehend weiter Leistung bis einschließlich August 2023 erhalten. Von der Unverzüglichkeit des Abbruchs könne unabhängig von der Dauer der Verzögerung nicht gesprochen werden.
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Die Antragstellerseite erwiderte daraufhin, dass verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen zu einer Studienverzögerung geführt hätten und eine Beurlaubung in diesem speziellen Studiengang nicht möglich gewesen sei. Die Antragstellerin habe alles unternommen, um das Studium erfolgreich beenden zu können. Sie sei in ärztlicher Behandlung gewesen, habe sich unter anderem psychotherapeutische Unterstützung geholt und eine Lerngruppe gebildet. Sie sei der Überzeugung gewesen, das Studium so noch erfolgreich beenden zu können. Nach ihrer Operation am Magen im April 2023 habe sie jedoch erkannt, dass sie ihr Studium aufgrund der nunmehr eingetretenen gesundheitsbedingten Verzögerungen und Versäumnisse nicht mehr erfolgreich abschließen werden können. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG werde beim Abbruch des Studiums bis zum Beginn des dritten Fachsemesters sogar vermutet, dass ein wichtiger Grund vorliege. Da sich die Antragstellerin in ihrem Studium nicht habe krankmelden müssen, könne sie keine weiteren Krankschreibungen vorweisen. Sie sei nach der Operation zwar nur 3,5 Wochen krankgeschrieben gewesen, sei aber mindestens sechs Wochen nach der OP außer Gefecht gewesen und habe Vorlesungen nicht besuchen können. Dies habe sie auch emotional sehr mitgenommen. Das Telefonat am … September 2023 belege, dass im dritten Fachsemester die Frage aufgekommen sei, ob sie nicht ein Jahr zurückgehen könne, um die krankheitsbedingt versäumten Inhalte aufzuholen und sich bezüglich eines Urlaubssemesters habe beraten lassen. Beides sei jedoch nicht möglich gewesen. Es werde bestritten, dass die Antragstellerin geäußert habe, sie habe sich im vierten Semester zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit weiter immatrikuliert. Eventuell zu Unrecht erhaltene Leistungen nach dem Antrag auf Ausbildungsförderung für Ergotherapie könnten zurückgefordert werden. Die Antragstellerin habe hinsichtlich des Studienabbruchs ihre privaten gesundheitlichen Gründe aus Selbstschutz zunächst nicht preisgeben wollen. Sie habe sich nach ihrer Operation so sehr auf ihre Genesung fokussiert, dass sie in dieser Zeit auch nicht sofort an eine Exmatrikulation gedacht habe. Ein Anordnungsgrund liege vor, insbesondere stehe Studenten grundsätzlich kein Anspruch auf Bürgergeld zu, da sie vorrangig Leistungsansprüche nach dem BAföG hätten. Sie stehe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, sondern widme sich ihrem Studium.
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Auf entsprechende Anfrage des Gerichts teilte die … R.. … (.. …amt) mit E-Mail vom … April 2024 mit, dass im Studiengang Physiotherapie in 2022/2023 eine Beurlaubung für ein (oder mehr) Semester möglich gewesen sei, wenn der Betreffende länger oder öfter krank gewesen sei.
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Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin führten hierzu aus, dass erstaunlich sei, dass die angeschriebene Studiengangsleiterin Physiotherapie keine Antwort zu der Frage der Beurlaubung speziell im Studiengang Physiotherapie habe liefern können und auf das Studienamt verwiesen habe. Dessen Antwort beziehe sich nur allgemein auf die Möglichkeit der Beurlaubung, die zitierten Vorschriften stammten aus der allgemeinen Immatrikulations-, Rückmelde- und Exmatrikulationssatzung der … …schule R.. … Ob eine Beurlaubung speziell im Studiengang Physiotherapie möglich war, sei damit nicht glaubhaft beantwortet. Die Antragstellerin habe in ihrer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft dargelegt, dass ihr bei einem Beratungsgespräch mit einer Dozentin des Studiengangs klargemacht worden sei, dass eine Beurlaubung in diesem speziellen Studiengang nicht vorgesehen sei, da die Kursauslastung bzw. Praktikumskoordination genau geplant sei. Es würde nur die Option des Weitermachens oder das Beenden des Studiums geben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren .. … .. … sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
22
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat dabei sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu regelnden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Maßgebend sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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2. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin zumindest das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht.
24
Unstrittig liegt hier ein Ausbildungsabbruch vor, da die Antragstellerin den Besuch einer Ausbildungsstätte einer Ausbildungsstättenart (Hochschule) endgültig aufgab und zu einer anderen Ausbildungsstättenart (Berufsfachschule) wechselte (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BAföG). Bei einem Abbruch wird die andere Ausbildung (hier Ergotherapie an der …schule) nur gefördert, wenn (zumindest) ein wichtiger Grund für den Abbruch vorlag (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG). Das Vorliegen eines derartigen wichtigen Grundes wird hier nicht vermutet, da zwar ein erstmaliger Abbruch vorliegt, die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG aber bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen, wie hier der … R.. …, auch voraussetzt, dass der Abbruch bis zum Beginn des dritten Fachsemesters erfolgt. Im vorliegenden Fall erfolgte der Abbruch aber zum Ende des vierten bzw. – aufgrund der coronabedingten Nichtzählung des Wintersemesters 2021/2022 – zum Ende des dritten Semesters.
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Das tatsächliche Vorliegen eines wichtigen Grundes konnte die Antragstellerin, die insoweit die Beweis- bzw. Feststellungslast trägt (vgl. z.B. VG Ansbach, U.v, 7.12.2022 – AN 2 K 22.00466 – juris Rn. 42 m.w.N.), nicht glaubhaft machen:
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2.1 Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nach verständigem Urteil unter Berücksichtigung aller im Rahmen des BAföG erheblichen Umstände einschließlich der mit der Förderung verbundenen persönlichen und an Ziel und Zweck der Ausbildungsförderung orientierten öffentlichen Interessen nicht mehr zugemutet werden kann (BVerwG, U.v. 21.6.1990 – 5 C 45/87 – juris Rn. 11; U.v. 6.9.1979 – 5 C 12/78 – juris Rn. 12; U.v. 12.2.1976 – 5 C 86/74 – juris Rn. 17). Der Begriff des wichtigen Grundes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegt. Mit zunehmender Dauer der bisherigen Ausbildung werden gesteigerte Anforderungen an die Anerkennung eines wichtigen Grundes gestellt. Es erscheint zumutbar, eine bestimmte Ausbildung fortzusetzen und den Beruf dann zu ergreifen, auch wenn dies z.B. nicht voll der Neigung des Auszubildenden entspricht (vgl. VG München, U.v. 9.12.2022 – M 15 K 21.3980 – UA Rn. 37; Buter in Rothe/Blanke, BAföG, Stand: November 2022, § 7 Rn. 42, 42.2 m.w.N.).
27
Krankheiten können dabei grundsätzlich einen derartigen wichtigen Grund darstellen, allerdings ist u.a. zu prüfen, ob eine Beurlaubung trotz des Wegfalls der Förderung und der Notwendigkeit, in dieser Zeit den Lebensunterhalt auf andere Weise, etwa durch andere Sozialleistungen, zu sichern mit Blick auf die Pflicht, die Ausbildung umsichtig zu planen und zügig durchzuführen, nun vorrangig und hinreichend ist (Rothe/Blanke, BAföG, Stand November 2022, § 7 Rn. 42.4).
28
2.2 Im vorliegenden Fall bestehen nach Auffassung des Gerichts bereits Zweifel, ob die Fortsetzung des Studiums Physiotherapie an der … R.. … für die Antragstellerin tatsächlich unzumutbar war, da insbesondere ihre Angaben im Verwaltungsverfahren in gewisser Weise im Widerspruch zu ihrem geltend gemachten Abbruch aus gesundheitlichen Gründen stehen (u.a.: „Studiengang habe nicht zu ihr gepasst“, E-Mail v. …8.2023) und eine Beeinträchtigung durch Long Covid überhaupt nicht nachgewiesen wurde. Es wurde für den gesamten Zeitraum vom .. . Oktober 2021 bis … Juli 2023 auch nur eine Krankschreibung für insgesamt drei Wochen und zwei Tage vorgelegt.
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Zumindest steht der Annahme eines wichtigen Grundes hier entgegen, dass eine Beurlaubung vom Studiengang Physiotherapie während der Krankheitszeit möglich und der Antragstellerin zumutbar gewesen wäre. Dass eine krankheitsbedingte Beurlaubung – entgegen der Angabe der Antragstellerin – zulässig war, hat die … R.. … auf entsprechende Anfrage des Gerichts ausdrücklich bestätigt.
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Der Einwand der Antragstellerseite, die … habe die Frage der möglichen Beurlaubung nicht glaubhaft beantwortet, weil die Studiengangsleiterin Physiotherapie keine Antwort habe liefern können und sich das Studienamt, an das sie verwiesen habe, nur auf die allgemeine Möglichkeit und die allgemeinen Vorschriften bezogen habe, vermag nicht zu überzeugen. Das Studienamt der … (und nur dieses) ist generell und damit auch für den Studiengang Physiotherapie für Beurlaubungsfragen zuständig und sowohl die Anfrage des Gerichts als auch die Antwort des Studienamts bezogen sich explizit auf diesen Studiengang. Es bestehen somit keinerlei Anhaltspunkte, dass es für das Studium Physiotherapie irgendwelche, von der generellen Beurlaubungsoption abweichende Sonderregelungen gab. Dies wurde letztendlich auch von der (beweispflichtigen, s.o.) Antragstellerin nicht belegt.
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Sollte die Antragstellerin tatsächlich eine anderslautende Auskunft einer Dozentin erhalten haben, was allerdings ebenfalls nicht nachgewiesen wurde, hätte sie sich darauf nicht verlassen dürfen, sondern bei der zuständigen Stelle – dem genannten Studienamt – nachfragen müssen, ob dies stimmt und gegebenenfalls, ob in ihrem Fall eine Ausnahme gemacht werden kann. Dies gilt umso mehr, als auf der Internet-Seite der …schule und im Studienleitfaden (S. 22) auf die (allgemeine) Möglichkeit der Beurlaubung ausdrücklich hingewiesen wird (vgl. www. …-r.. …de/studium-und-weiterbildung/im-studium/studienorganisation/beurlaubung; https://www. …-r.. …de/fileadmin/abteilungen_und_einrichtungen/studienberatung/Studienleitfaden_.. .. _R.. …_2022-23_Web.pdf?utm_source= Study Check& utm_campaign=StudyCheck& utm_medium=Premiumprofil- …schule).
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Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).