Titel:
Gegenstandswert für Streit über Versetzung des Arbeitnehmers
Normenketten:
RVG § 33
ZPO § 3
Leitsätze:
Streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber vorgenommenen Versetzung oder einer Weisung des Arbeitgebers nach § 106 GewO, ist für den Wert des hiergegen gerichteten Feststellungsantrag in der Regel eine Bruttomonatsvergütung bis zu einem Vierteljahresentgelt, abhängig vom Grad der Belastungen aus der Änderung der Arbeitsbedingungen für die klagende Partei festzusetzen. (Rn. 14)
1. Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Vergleichsabschlusses nach § 33 RVG. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entscheidung des Erstgerichts ist vom Beschwerdegericht nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen. Vielmehr hat das Beschwerdegericht eine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist zwischen den Parteien von Anfang an streitig, ob überhaupt eine Versetzung des Arbeitnehmers von der Position des Schichtleiters vorliegt und wurde dem Arbeitnehmer während des Entgeltfortzahlungszeitraums die Schichtleiterzulage auch fortgezahlt, ohne dass sich für ihn Belastungen aus der streitigen Änderung der Arbeitsbedingungen ergeben haben, so ist der Gegenstandswert für den Klageantrag, dass keine Versetzung stattgefunden hat, mit einer Bruttomonatsvergütung zu bewerten. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwert, Gegenstandswert, Versetzung
Vorinstanz:
ArbG München, Sitzungsprotokoll vom 30.11.2023 – 21 Ca 105/23
Fundstellen:
BeckRS 2024, 3235
FDArbR 2024, 003235
Tenor
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 30.11.2023 – 21 Ca 105/23 – wird zurückgewiesen.
Der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat die Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG zu tragen.
Gründe
1
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers begehrt im Beschwerdeverfahren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts für das Verfahren und den Vergleich zur Berechnung seiner Anwaltsgebühren.
2
Mit seiner Klage hat sich der in der Fertigung II. als Schichtleiter beschäftigte und seit dem 17.02.2022 durchgehend arbeitsunfähig erkrankte Kläger dagegen gewandt, dass er seit März 2022 in den Schichtplänen als „normaler“ Schichtarbeiter in der Fertigung I geführt worden sei, und bestritten, dass die Personalmaßnahme vom Direktionsrecht der Beklagten gem. § 106 GewO gedeckt gewesen sei. Die Beklagte hat in Abrede gestellt, dass eine Versetzung ausgesprochen worden sei. Unstreitig ist während des Entgeltfortzahlungszeitraums die Schichtleiterzulage in Höhe von 300,00 € und eine übertarifliche Zulage von 150,00 € fortgezahlt worden.
3
Im zweiten Gütetermin haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, demzufolge keine Versetzung des Klägers aus der Position als Schichtleiter vorgenommen worden sei.
4
Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Arbeitsgericht durch in der zweiten Güteverhandlung vom 30.11.2023 verkündeten Beschluss – 21 Ca 105/23 – den Gegenstandswert für das Verfahren und den Vergleich auf 5.250,00 € festgesetzt, was einem Bruttomonatsgehalt des Klägers entspricht. Eine Rechtsmittelbelehrungwurde nicht erteilt. Am 11.12.2023 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers hiergegen Beschwerde eingelegt und beantragt, den Gegenstandswert für das Verfahren und den Vergleich auf zwei Bruttomonatsvergütungen, d. h. 10.500,00 € € festzusetzen. Es habe sich um eine umfangreiche und für den Kläger äußerst bedeutungsvolle Angelegenheit gehandelt. Neben der Gehaltsreduzierung habe es sich um eine massive Änderung in der Hierarchieebene gehandelt. Es läge ein umfangreicher Schriftverkehr vor. Es hätten zwei Gütetermine stattgefunden.
5
Durch Beschluss vom 19.12.2023 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Für die Versetzung sei als Gegenstandswert ein Bruttomonatsgehalt anzusetzen. Der tatsächliche Verhandlungsaufwand sei dafür nicht relevant.
6
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat im Beschwerdeverfahren seinen Vortrag wiederholt.
7
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat keinen Erfolg.
8
1. Die Beschwerde ist statthaft.
9
Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Vergleichsabschlusses nach § 33 RVG. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 RVG, dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des in § 33 RVG geregelten Verfahrens der „Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren“ (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 39 ff.).
10
2. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden, § 33 Abs. 3 S. 1 und S. 3 RVG. Mangels Rechtsmittelbelehrunghat die Beschwerdefrist nicht begonnen. Der Beschwerdewert von über 200,00 € ist bei dem beantragten Gegenstandswert erreicht, § 33 Abs. 3 S. 1 RVG.
11
3. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert nach § 33 Abs. 1 RVG für das Verfahren und den Vergleich auf ein Bruttomonatsgehalt festgesetzt.
12
a) Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer gibt die von ihr bisher vertretene Auffassung ausdrücklich auf, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist und das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 50 f.).
13
b) Die Beschwerdekammer folgt im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 09.02.2018 (im Folgenden: Streitwertkatalog 2018, abgedruckt in NZA 2018, 497 ff.; ebenso LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.07.2014 – 4 Ta 83/14 – Rn. 18 und Beschluss vom 29.07.2021 – 2 Ta 72/21 – Rn. 9; LAG Hessen, Beschluss vom 04.12.2015 – 1 Ta 280/15 – Rn. 7 m.w.Nachw.; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.02.2016 – 5 Ta 264/15 – Rn. 4; LAG Hamburg, Beschluss vom 20.5.2016 – 5 Ta 7/16 – Rn. 10; LAG Sachsen, Beschluss vom 28.10.2013 – 4 Ta 172/13 (2) unter II. 1 der Gründe¸ LAG Hamm Beschluss vom 26.10.2022 – 8 Ta 198/22 – Rn. 11; LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 52 f.). Dabei wird nicht verkannt, dass der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist.
14
c) Streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber vorgenommenen Versetzung, empfiehlt die Streitwertkommission unter Ziffer I. Nr. 14 Streitwertkatalog 2018, einen Gegenstandswert von in der Regel einer Monatsvergütung bis zu einem Vierteljahresentgelt, abhängig vom Grad der Belastungen aus der Änderung der Arbeitsbedingungen für die klagende Partei, festzusetzen. Dieser Bewertung schließt sich die Beschwerdekammer an. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass bei Klagen gegen Maßnahmen des Direktionsrechts die Beschäftigung des Arbeitnehmers zu geänderten Arbeitsbedingungen im Streit ist, so dass ein mit der Änderungskündigung vergleichbarer Tatbestand vorliegt, der es nahelegt, den Streit um die Wirksamkeit von Vertragsänderungen nach den für das Änderungsschutzverfahren geltenden Grundsätzen zu bewerten (vgl. Tschöpe/Ziemann/Altenburg, Streitwert und Kostenrecht im Arbeitsrecht, 2012, Teil A. Rn. 73). Bei einer inhaltlichen Änderung durch Änderungskündigung, die sich nicht auf die Vergütung auswirkt, ist nach Ziff. I Nr. 4.1. Streitwertkatalog 2018 bei dem Gegenstandswert von einer Monatsvergütung auszugehen, der je nach dem Grad der Vertragsänderung bis zu einem Vierteljahresentgelt erhöht werden kann. Bei Änderungen mit Vergütungsänderung oder sonstigen messbaren wirtschaftlichen Nachteilen ist wie bei der Änderungskündigung (Ziff. I Nr. 4.2. Streitwertkatalog 2018) die dreifache Jahresdifferenz, mindestens eine Monatsvergütung und höchstens die Vergütung für ein Vierteljahr anzusetzen. Hierdurch wird dem (wirtschaftlichen) Interesse der klagenden Partei an dem Bestand bzw. Fortbestand der streitbefangenen Arbeitsbedingungen, das nach § 3 ZPO zu bewerten ist, ausreichend Rechnung getragen. Die Begrenzung auf ein Vierteljahresentgelt folgt aus der Bewertungsregel in § 42 Abs. 2 S. 1 GKG, die für Streitigkeiten über die Änderung des bisherigen Vertragsinhaltes entsprechend heranzuziehen ist (so beispielsweise im Rahmen einer Änderungsschutzklage BAG, Beschluss vom 23.03.1989 – 7 AZR 527/85 (B) – Rn. 20 (zit. nach juris); vgl. auch LAG Hessen, Beschluss vom 05.07.2013 – 1 Ta 164/13- unter II. der Gründe; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.10.2019 – 26 Ta (Kost) 6100/19 – Rn. 4; GKArbGG/Schleusener, November 2020, § 12 Rn. 323; Tschöpe/Ziemann/Altenburg, Streitwerte und Kosten im Arbeitsrecht, A Rn. 73 m.w.N.).
15
d) Danach hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für den hier streitgegenständlichen Antrag zutreffend mit einer Bruttomonatsvergütung festgesetzt.
16
Es war zwischen den Parteien von Anfang an streitig, ob überhaupt eine Versetzung von der Position des Schichtleiters vorliegt. Unstreitig wurde dem Kläger während des Entgeltfortzahlungszeitraums die Schichtleiterzulage auch fortgezahlt. Sonstige Belastungen aus der bestrittenen Änderung der Arbeitsbedingungen haben sich für den Kläger nicht ergeben; aufgrund der Arbeitsunfähigkeit kam es faktisch nicht zu seinem Einsatz als Schichtarbeiter gemäß Schichtplan. Der Kläger war dort lediglich als solcher in der Fertigung I mit dem Zusatz „k“ wie krank geführt. Durch Vergleich vom 30.11.2023 haben sich die Parteien dann darauf geeinigt, dass keine Versetzung des Klägers aus der Position als Schichtleiter vorgenommen worden ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, den streitgegenständlichen Antrag mit einer Bruttomonatsvergütung zu bewerten.
17
Entgegen der Auffassung des Klägervertreters rechtfertigt sich eine höhere Wertfestsetzung nicht aus dem Umstand, dass zwei Gütetermine stattgefunden haben und die Schriftverkehr überdurchschnittlich gewesen sei, wobei Letzteres bei zwei klägerischen Schriftsätzen im Umfang von insgesamt 18 Seiten einschließlich Anlagen fraglich erscheint. Maßgebend für die Wertfestsetzung ist das (wirtschaftliche) Interesse der klagenden Partei am Fortbestand der streitbefangenen Arbeitsbedingungen, das gem. § 3 ZPO zu bewerten ist. Darüber hinaus liegt dem RVG eine Konzeption zugrunde, nach der erst das Gebührenaufkommen des Rechtsanwalts in seiner Gesamtheit geeignet sein muss, sowohl seinen Kostenaufwand als auch seinen Lebensunterhalt abzudecken. Dies soll durch eine Mischkalkulation, also eine Quersubventionierung der weniger lukrativen durch gewinnträchtige Mandate, sichergestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19 – Rn. 14). Es kommt für die Wertfestsetzung folglich nicht auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit an.
18
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Kosten nicht erstattet werden, § 33 Abs. 9 RVG. Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die angefallene Gebühr, Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG, zu tragen.
19
Diese Entscheidung, die gem. § 78 S. 3 ArbGG durch die Vorsitzende der Beschwerdekammer allein ergeht, ist unanfechtbar, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.