Inhalt

VG München, Urteil v. 25.01.2024 – M 24 K 23.1615
Titel:

Widerruf der Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit – Teilnahme am Bundeskongress der JA 

Normenketten:
BayVwVfG Art. 49
LuftSiG § 7 Abs. 1a S. 1, Abs. 3 S. 2, Abs. 6
LuftSiZÜV § 5 Abs. 1
Leitsätze:
1. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des Widerrufs einer luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsfeststellung ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entscheidung der Sicherheitsbehörde über die Zuverlässigkeit der überprüften Personen unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Die persönliche Zuverlässigkeit stellt dabei einen unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum dar, der voller gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 7 Abs. 3 S. 2 LuftSiG gibt für Anhörung der betroffenen Person an der Überprüfung ihrer luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit keine Form vor. Es liegt allein im sachverhaltsorientiertem Ermessen der Luftsicherheitsbehörde, ob sie die Mitwirkungspflicht der betroffenen Person bei deren Überprüfung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit in Form der schriftlichen und / oder der mündlichen Äußerung einfordert. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die aufgrund der Teilnahme eines Luftfahrzeugführers an einem Bundeskongress der „Junge(n) Alternative für Deutschland“ (JA) beim Luftamt aufgekommenen und wegen seines Nichterscheinens zu einer  persönlichen mündlichen Anhörung verbliebenen Zweifel an dessen luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit berechtigen das Luftamt,  die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit des Luftfahrzeugführers zu verneinen und die getroffene Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit iSv § 7 LuftSiG zu widerrufen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit, Mitwirkungspflicht, Persönliche (mündliche) Anhörung der betroffenen Person, Verbleibende Zweifel an der Zuverlässigkeit, Nichterfüllung der obliegenden Mitwirkungspflicht, Fehlende Mitwirkung bei der Ausräumung der Zweifel, Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 23.05.2024 – 8 ZB 24.506
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3232

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Tatbestand

1
Streitgegenständlich ist der Bescheid des Beklagten vom 14. März 2023, mit dem die mit Entscheidung vom 5. Dezember 2019 getroffene Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit des Klägers gemäß § 7 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) widerrufen wurde.
2
1. Beim Kläger wurde im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Luftfahrzeugführer mit der Pilotenlizenz PPL (A) auf Antrag am 5. Dezember 2019 die persönliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 7 LuftSiG festgestellt.
3
Im Zuge der Nachberichtspflicht gemäß § 7 Abs. 9 Satz 1 LuftSiG wurde dem Luftamt ... (Luftamt) durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz am 16. November 2022 folgender Sachverhalt mitgeteilt (Bl. 1ff. der vorgelegten Behördenakte – BA):
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„1. Erkenntnisse zu Herrn …
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… … nahm am elften Bundeskongress der „Junge(n) Alternative für Deutschland“ (JA) teil, der vom 15. bis 16.10.2022 in A. (Thüringen) stattfand.
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2. Erkenntnisse zur Jungen Alternative (JA)
7
Die „Junge Alternative für Deutschland Bayern“ (JA Bayern) ist seit Januar 2019 ein Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz im Bereich Rechtsextremismus. Die programmatischen Aussagen der JA enthalten eine aggressive Rhetorik, in der eine migrations- und insbesondere islamfeindliche Haltung teilweise offen zu Tage tritt. Die JA vertritt einen ethnisch homogenen Volksbegriff und macht jene, die dieser ethnisch geschlossenen Gemeinschaft nicht angehören, verächtlich. Diese diskriminierende Ausgrenzung verletzt nach gerichtlich bestätigter Auffassung die Menschenwürde. Bestimmte Bevölkerungsgruppen werden bewusst ausgegrenzt und Muslimen der Schutz der grundrechtlich garantierten Religionsfreiheit nicht zugebilligt. Unter Verwendung rechtsextremistischer Kampfbegriffe wie etwa „Umvolkung“ wird der „Austausch des deutschen Volkes“ behauptet. (Vgl. Verfassungsschutzbericht 2021, S. 192ff.)“
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Das Luftamt teilte dem Kläger im Schreiben vom 17. Januar 2023 mit, dass aufgrund der Erkenntnis der Teilnahme des Klägers am elften Bundeskongress der „Junge(n) Alternative für Deutschland“ (JA), der vom 15. Oktober bis 16. Oktober 2022 in A. (Thüringen) stattfand, Zweifel hinsichtlich der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers aufgekommen seien. Dem Kläger wurde die Möglichkeit gegeben, sich zu den aufkommenden Zweifeln zu äußern und ihm wurde der Termin am 24. Januar 2023 um 13.30 Uhr zur persönlichen mündlichen Äußerung benannt. Mit E-Mail vom 23. Januar 2023 teilte der Kläger dem Luftamt mit, dass er sich gerne für eine mündliche Äußerung zur Verfügung stelle, allerdings bitte, den Termin berufsbedingt auf die Kalenderwoche 6/7 zu verschieben. Dieser Bitte kam das Luftamt mit einer Terminsverlegung auf den 7. Februar 2023 um 13.30 Uhr nach.
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Der am 23. Januar 2023 mandatierte Verfahrensbevollmächtigte (Bl. 35 BA) des Klägers äußerte schriftsätzlich am 5. Februar 2023, der Kläger nehme sein Recht auf Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme wahr und werde zur mündlichen Anhörung nicht erscheinen. Der Verfahrensbevollmächtigte führte aus, zum „Regelbeispiel § 7 Abs. 1a S. 1 [richtig wohl Satz 2] Nr. 3 LuftSiG (verfassungsfeindliche Bestrebungen)“, dass dieser Regelbeispiels-Tatbestand nicht gegeben sei. Vorliegend existierten nach dem Anhörungsschreiben vom 17. Januar 2023 keinerlei Erkenntnisse, die Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes beim Kläger erkennen ließen. Im Hinblick auf „§ 7 Abs. 1a S. 3 Nr. 3 LuftSiG (Zweifel am Bekenntnis demokratischer Grundordnung)“ vermöge der zu überprüfende Kläger aus der im Anhörungsschreiben vom 17. Januar 2023 angeführten Erkenntnis der Teilnahme des Klägers am elften Bundeskongress der „Junge(n) Alternative für Deutschland“ (JA), der vom 15. Oktober bis 16. Oktober 2022 in A. (Thüringen) stattfand, unmittelbar keine entsprechenden Zweifel ableiten zu können. Hierzu wurde weiter auf die anliegend überreichte persönliche Stellungnahme des Klägers, aus der sich keine anderen Erkenntnisse ergäben, verwiesen. Der Kläger lebe zudem persönlich und beruflich sowie wirtschaftlich ungebrochen in stabilen und geordneten Verhältnissen. Er sei kompetent, gut ausgebildet und stehe fest verwurzelt und stabil im Leben. Er habe sich bislang absolut straffrei geführt. In der dem Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Februar 2023 anliegenden persönlichen schriftlichen Stellungnahme des Klägers vom 3. Februar 2023 führt der Kläger u.a. aus [Hervorhebungen wie im Original]:
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„…Die Privatpilotenlizenz (Flugzeuge) – PPL (A), mit der Lizenznummer … besitze ich bereits seit dem 29.05.2018. Weder habe ich bis dato Bestrebungen verfolgt oder unterstützt, die gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, noch habe ich die Absicht dies zu tun – ganz im Gegenteil! Ich versichere hiermit ausdrücklich, dass ich mich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland bekenne und Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen eine ihrer grundlegenden Prinzipien gerichtet sind, nicht unterstütze und auch nicht unterstützen werde.
11
Insbesondere erkenne ich das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl zu wählen, die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, das Recht auf Bildung und Ausübung der parlamentarischen Opposition, die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, die Unabhängigkeit der Gerichte, den Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte an.
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Ich erkläre hiermit ausdrücklich, dass ich die vorstehenden Grundsätze der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland bejahe und dass ich bereit bin, mich jederzeit durch mein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu bekennen und für deren Einhaltung eintrete – dies können Ihnen insbesondere folgende Personen meines Freundeskreises bezeugen:
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Ich hoffe, ich konnte Sie mit diesen Ausführungen von meiner positiven Einstellung zur Verfassung überzeugen.
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Mein Grundwehrdienst von 2006 bis 2007 und meine langjährige Tätigkeit als Bauingenieur in einer gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft sprechen auch dafür, wie viel mir an unserer Bundesrepublik Deutschland, unserer Demokratie sowie dem Recht- und der Gerechtigkeit in unserem Land liegt.“
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Das Luftamt teilte dem Verfahrensbevollmächtigten mit E-Mail vom 13. Februar 2023 mit, dass die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Februar 2023 und die Stellungnahme des Klägers die Zweifel des Luftamts nicht ausräumen konnten. Eine persönliche Anhörung des Klägers sei unumgänglich. Dem Kläger wurde der 7. März 2023 um 13.30 Uhr als Termin zur mündlichen Äußerung benannt unter Hinweis darauf, wenn der Kläger nicht zum Termin erscheine, nach Aktenlage entschieden werde. Der Kläger erschien nicht zum Anhörungstermin.
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2. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. März 2023 (Bl. 36ff. BA), gegen Empfangsbekenntnis des Verfahrensbevollmächtigten am 25. März 2023 (Bl. 48 BA) zugestellt, widerrief das Luftamt die mit Entscheidung vom 5. Dezember 2019 getroffene Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit i.S.v. § 7 LuftSiG des Klägers.
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Der Widerruf wurde auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) i.V.m. § 7 LuftSiG i.V.m. § 5 Abs. 1 Luftsicherheits-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (LuftSiZÜV) gestützt. Es lägen nachträglich eingetretene Tatsachen vor, die bei einer Neubeantragung die Luftsicherheitsbehörde berechtigten, die Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit nicht zu treffen und ohne den erfolgten Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Insbesondere wurde auf § 5 Abs. 1 LuftSiZÜV wonach die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit zu verneinen sei, wenn daran Zweifel verblieben, und auf § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG zur Mitwirkungspflicht bei der Ausräumung von Zweifeln an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit hingewiesen. Die Erkenntnisse des Nachberichts vom 16. November 2022 des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz wurden widergegeben. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht sei der Kläger aufgefordert worden, zur persönlichen Anhörung zu erscheinen. Das persönliche Erscheinen sei erforderlich gewesen, um die Umstände und Zusammenhänge der Teilnahme des Klägers am elften Bundeskongress der „Junge(n) Alternative für Deutschland“ (JA), der am 15. Oktober bis 16. Oktober 2022 in A. (Thüringen) stattfand, sowie seinen persönlichen Hintergrund aufzuklären. Gerade die persönliche Konfrontation mit der genannten Erkenntnis sollte dem Luftamt einen persönlichen Eindruck vermitteln, was die schriftliche Äußerung des Klägers nicht zu leisten vermöge. Die klägerische Stellungnahme vom 3. Februar 2023 und die seines Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Februar 2023 hätten die Zweifel des Luftamts nicht ausräumen können und hätten auch nicht zur Aufklärung beigetragen, was genau den Kläger bewogen habe, an der oben genannten Veranstaltung teilzunehmen. Der Kläger sei seiner Verpflichtung zur persönlichen Anhörung trotz mehrmaliger Aufforderungen und Terminsverschiebungen nicht nachgekommen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 LuftSiZÜV verblieben Zweifel an der Zuverlässigkeit, wenn der Betroffene die ihm nach § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG obliegenden Mitwirkungspflichten nicht erfüllt habe. Nach der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Klägers und des dem Luftamt vorliegenden Sachverhalts besitze der Kläger deshalb derzeit nicht die nach § 7 LuftSiG erforderliche Zuverlässigkeit. In der Bescheidsbegründung wird zur pflichtgemäßen Ermessensausübung und Verhältnismäßigkeit hinsichtlich des Widerrufs ausgeführt.
18
Auf die Begründung des Bescheides wird im Übrigen verwiesen.
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3. Der Kläger ließ durch seinen Bevollmächtigten mit Eingang am 1. April 2023 Klage zum Verwaltungsgericht München erheben. Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung:
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1. Der Widerrufsbescheid des Beklagten vom 14. März 2023 wird aufgehoben.
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2. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die beantragte Zuverlässigkeit im Sinne des § 7 LuftSiG zu erteilen.
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In der mündlichen Verhandlung führte der Kläger an, dass – in Anbetracht der Mitwirkungspflichten – die Mitwirkung in Form der persönlichen mündlichen Anhörung nicht vorgesehen sei. Dies ergebe sich aus § 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 2 LuftSiG. Bei der vorliegenden Fallgestaltung – der Teilnahme einer Person bei einer Veranstaltung an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit – sehe er nicht den Sinn einer Mitwirkungspflicht – im Gegensatz zu der in § 7 Abs. 3 Satz 3 LuftSiG genannten Mitwirkungspflicht bei Drogen-, Alkohol- oder psychischen Auffälligkeiten. Auch die entsprechende Regelung in § 4 Abs. 7 Satz 2 LuftsicherheitsZuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (LuftSiZÜV) sehe lediglich das grundsätzliche Recht zur Einholung von Informationen bei dem Betroffenen vor, nicht aber auch eine entsprechende Verpflichtung zu einer mündlichen Anhörung. Das Luftamt hätte ihm auch einen schriftlichen Fragenkatalog zur heute angesprochenen Thematik stellen können Er wäre jederzeit für eine ergänzende schriftliche Stellungnahme auf die eben genannten Fragen / angesprochenen Themenkomplexe bereit gewesen. Er hätte entsprechende Nachweise gebracht. Er sei der Ansicht, dass offensichtlich nicht ausreichende Tatsachen oder Beweise nach dem Gesetz vorgelegen hätten. Aus seiner Sicht habe das Luftamt in einer mündlichen persönlichen Anhörung Gefühle und Eindrücke gewinnen wollen.
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Das Luftamt übersandte am 28. Juni 2023 die elektronische Behördenakte und beantragte
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Klageabweisung.
25
Der Beklagte erwiderte in der mündlichen Verhandlung. Die mündliche persönliche Anhörung sei unumgänglich gewesen, insbesondere um auch Rückfragen zum Kontext im Betreff des Nachberichts an den Kläger zu stellen. Wesentlich für die mündliche Anhörung des Klägers sei zudem der persönliche Eindruck im Hinblick auf die Plausibilität und Glaubwürdigkeit der Äußerungen und Angaben und auch die Möglichkeit von Rückfragen gewesen. Weiterhin sei die Unmittelbarkeit des persönlichen Wortes bei der mündlichen Anhörung ein beachtlicher Umstand für die Glaubwürdigkeit und Plausibilität. Die schriftlichen Äußerungen des Klägers und des Bevollmächtigten hätten nichts zur Sachverhaltsaufklärung beitragen können und kämen insofern nicht als milderes Mittel in Betracht.
26
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.
28
1. Im Hinblick auf den Verpflichtungsklageantrag ist die Klage unzulässig, da es insoweit am Rechtsschutzbedürfnis fehlt (vgl. § 42 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Kläger hat nicht die Erteilung einer Zuverlässigkeitsfeststellung im Sinne des § 7 LuftSiG beantragt. Im Hinblick auf das Klagebegehren (§ 88 VwGO) der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 14. März 2023, mit dem das Luftamt ... seine mit Entscheidung vom 5. Dezember 2019 getroffenen Feststellung über die persönliche Zuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 7 LuftSiG widerrufen hat – mithin des Wiederauflebens der mit Entscheidung des Luftamts ... vom 5. Dezember 2019 getroffenen Feststellung über die persönliche Zuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 7 LuftSiG – genügt der Anfechtungsklageantrag.
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2. Im Hinblick auf den Anfechtungsklageantrag ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Luftamts ... vom 14. März 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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2.1. Da es sich um einen Anfechtungsklageantrag handelt und das einschlägige Recht keine anderweitige Regelung trifft, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des streitgegenständlichen Widerrufs der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsfeststellung vom 14. März 2023 der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich. Vorliegend der 14. März 2023 (BayVGH, B.v. 30.11.2020 - 8 ZB 19.1757 – juris Rn. 10 mit w.N.z.Rspr.; VGHBW, Urteil vom 22. Juni 2021 – 8 S 3419/20 – juris Rn. 44).
31
2.2. Der streitgegenständliche Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig.
32
2.2.1. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheides (§ 117 Abs. 5 VwGO). Zutreffend hat der Beklagte darin ausgeführt, dass mit den im Nachbericht des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom 16. November 2022 mitgeteilten bekanntgewordenen Erkenntnissen tatsächliche Anhaltspunkte zum Kläger auftraten, die Zweifel an seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit begründeten. Entgegen der dem Kläger nach § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG obliegenden Mitwirkungspflicht hat dieser die Zweifel an seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht ausgeräumt. Verbleibende Zweifel, wie vorliegend, gehen zu Lasten des Klägers und berechtigten den Beklagten zum rechtmäßigen Widerruf der zuvor mit Entscheidung vom 5. Dezember 2019 getroffenen Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 7 LuftSiG.
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Der Kläger ist seiner Mitwirkungspflicht nach § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG nicht nachgekommen. Die Folgen verbleibender Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Betroffenen sind in § 5 Abs. 1 LuftSiZÜV normiert; Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Betroffenen verbleiben auch, wenn der Betroffene die ihm nach § 7 Abs. 3 Satz 2 des Luftsicherheitsgesetzes obliegenden Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat (§ 5 Abs. 1 Satz 2 LuftSiZÜV). So liegt es hier.
34
2.2.2. Nach dem strengen Ansatz des Gesetzes ist es Sache der betroffenen Person, (rechtzeitig) im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht (§ 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG) einen vollständigen Nachweis zu erbringen, dass keinerlei Zweifel an der Zuverlässigkeit (mehr) verbleiben; auch die amtliche Begründung zu § 7 LuftSiG (Gegenäußerung der Bundesregierung – Bundestags-Drucksache 15/2361 – S. 36, zu Nr. 12) betont, dass es dem jeweils Betroffenen obliegt, einen entstandenen Verdacht auszuräumen.
35
2.2.3. Gemäß § 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG bewertet die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit des Betroffenen aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LuftSiZÜV ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn daran Zweifel verbleiben. Es ist also nicht erforderlich, explizit eine Unzuverlässigkeit festzustellen, vielmehr genügen bloße Zweifel an der Zuverlässigkeit, um eine solche nicht (mehr) festzustellen. Umgekehrt folgt daraus, dass zuverlässig im Sinne dieser Normen nur ist, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotenzials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Daher ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn an ihr auch nur geringe Zweifel bestehen (BVerwG U.v. 15.7.2004 – 3 C 33/03 – BVerwGE 121, 257, Leitsatz 2, juris).
36
Die Entscheidung der Sicherheitsbehörde über die Zuverlässigkeit der überprüften Personen unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Die persönliche Zuverlässigkeit stellt dabei einen unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum dar, der voller gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist (BVerwG, U.v. 15.7.2004 – 3 C 33/03 – juris Rn. 16).
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2.2.4. Entgegen der Auffassung der Klagepartei beinhaltet § 7 Abs. 3 Satz 3 LuftSiG keine Einschränkung der in § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG normierten Mitwirkungspflicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 LuftSiG (klarstellend) die Reichweite der Mitwirkungspflicht ergänzend geregelt; in Bezug auf die in § 7 Abs. 3 Satz 3 LuftSiG genannten Fallgestaltungen und den genannten Voraussetzungen kann diese – in § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG normierte – Mitwirkungspflicht auch die Verpflichtung zur Beibringung ärztlicher Gutachten oder zur Durchführung eines Tests auf Betäubungsmittel nach dem Betäubungsmittelgesetz umfassen. Dies lässt sich eindeutig aus dem Wortlaut entnehmen. Entgegen der Auffassung der Klagepartei ergibt sich aus § 7 Abs. 3 Satz 3 LuftSiG nicht, dass in Anbetracht der Mitwirkungspflichten der betroffenen Person die Mitwirkung in Form der persönlichen mündlichen Anhörung nicht vorgesehen sei. Die Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 LuftSiG wird hinsichtlich der Folgen der fehlenden Mitwirkung der betroffenen Person durch die Regelung in § 7 Abs. 6 Satz 2 LuftSiG ergänzt und in § 5 Abs. 1 LuftSiZÜV konkretisiert. Soweit der Kläger auf § 4 Abs. 7 Satz 2 LuftSiZÜV verweist und vorträgt, dass sich hieraus ergebe, dass beim Betroffenen keine Verpflichtung zur mündlichen Anhörung bestehe, liegt er falsch. Die Befugnis der Luftsicherheitsbehörde nach § 4 Abs. 7 Satz 1 LuftSiZÜV, die mit der Regelung in § 7 Abs. 4 LuftSiG korrespondiert, ermöglicht – nach der in dieser Vorschrift genannten Maßgaben und Voraussetzungen – Auskünfte von Strafverfolgungsbehörden einzuholen und darüber hinaus können nach dessen Satz 2 auch beim Betroffenen selbst weitere Informationen eingeholt und die Vorlage geeigneter Nachweise verlangt werden. Dies lässt die Mitwirkungspflicht der betroffenen Person nach § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG i.V.m. § 5 Abs. 1 LuftSiZÜV, die die mündliche Anhörung der betroffenen Person als mitwirkungspflichtige Handlungsform inkludiert, unberührt.
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2.2.5. Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG ist die betroffene Person verpflichtet, an ihrer Überprüfung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit mitzuwirken. Die gesetzliche Regelung gibt für die Mitwirkungspflicht der betroffenen Person hinsichtlich deren Anhörung keine Form vor. Es liegt im sachverhaltsorientiertem Ermessen der Luftsicherheitsbehörde, ob sie die Mitwirkungspflicht der betroffenen Person bei deren Überprüfung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit in Form der schriftlichen und / oder der mündlichen Äußerung einfordert. Es obliegt nicht der betroffenen Person festzulegen, ob es mit einer ihrer Auffassung nach ausreichenden schriftlichen Äußerung, oder mit Vorlage eines Fragenkatalogs durch die Luftsicherheitsbehörde an sie, es sein Bewenden – im Hinblick auf den Umfang ihrer Mitwirkungsverpflichtung bei der luftsicherheitsrechtlichen Überprüfung – zu haben hat.
39
Zweifelsohne haben mündliche Anhörungen gegenüber schriftlichen Anhörungen den Vorzug der Unmittelbarkeit des Eindrucks des gesprochenen Wortes. Für die Plausibilität und die Glaubwürdigkeit von Angaben und Äußerungen ist beim gesprochenen Wort über das schriftliche Wort hinaus eine weitere Bewertungsebene der Art und Weise der Mündlichkeit des Vorbringens einschließlich der einhergehenden nonverbalen Kommunikation eröffnet. Spontane Rückfragen und spontane Antworten im Rahmen der Gesprächssituation einer mündlichen Anhörung haben bei schriftlichen Anhörungen, auch unter Vorlage eines Fragenkatalogs, kein Äquivalent. Gerade in Fallkonstellationen, in denen bei der Überprüfung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit durch die Luftsicherheitsbehörde dieser die Mündlichkeit der Anhörung einen Mehrwert gegenüber der schriftlichen Anhörung bieten kann, obliegt es der Luftsicherheitsbehörde die mündliche Anhörung als Form der Mitwirkungspflicht der betroffenen Person „abzuverlangen“. Davon unberührt, also ohne die Wirkung der Erfüllung der Mitwirkungspflicht nach § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG, verbleibt es der betroffenen Person, sich auch schriftlich zu äußern.
40
2.2.6. Vorliegend hat der Kläger mit seiner Teilnahme am elften Bundeskongress der „Junge(n) Alternative für Deutschland“ (JA), der vom 15. bis 16.10.2022 in A. (Thüringen) stattfand, Zweifel an seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit bei der Luftsicherheitsbehörde begründet. Die Zweifel gründen auf der im Nachbericht vom 16. November 2022 des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz der Luftsicherheitsbehörde mitgeteilten weiteren Erkenntnis: „Die „Junge Alternative für Deutschland Bayern“ (JA Bayern) ist seit Januar 2019 ein Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz im Bereich Rechtsextremismus. Die programmatischen Aussagen der JA enthalten, eine aggressive Rhetorik in der eine migrations- und insbesondere islamfeindliche Haltung teilweise offen zu Tage tritt. Die JA vertritt einen ethnisch homogenen Volksbegriff und macht jene, die dieser ethnisch geschlossenen Gemeinschaft nicht angehören, verächtlich. Diese diskriminierende Ausgrenzung verletzt nach gerichtlich bestätigter Auffassung die Menschenwürde. Bestimmte Bevölkerungsgruppen werden bewusst ausgegrenzt und Muslimen der Schutz der grundrechtlich garantierten Religionsfreiheit nicht zugebilligt. Unter Verwendung rechtsextremistischer Kampfbegriffe wie etwa „Umvolkung“ wird der „Austausch des deutschen Volkes“ behauptet. (Vgl. Verfassungsschutzbericht 2021, S. 192ff.)“ Der Kläger kam seiner Mitwirkungspflicht in der ihm abverlangten Form der persönlichen mündlichen Äußerung im Rahmen seiner luftsicherheitsrechtlichen Überprüfung nicht nach.
41
Die im Verwaltungsverfahren vorgelegte schriftliche Äußerung des Klägers und die schriftliche Stellungnahme seines Verfahrensbevollmächtigten sind per se nicht geeignet, die von ihm geforderte Erfüllung der Mitwirkungspflicht durch Äußerung in seiner persönlichen mündlichen Anhörung zu ersetzen. Die aufgrund seiner Teilnahme am elften Bundeskongress der „Junge(n) Alternative für Deutschland“ (JA), der vom 15. bis 16.10.2022 in A. (Thüringen) stattfand, aufgekommenen und wegen der Nichterfüllung seiner Mitwirkungspflicht in Form der persönlichen mündlichen Anhörungsteilnahme verbliebenen Zweifel an seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit, haben das Luftamt zu Recht veranlasst die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit zu verneinen und mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 14. März 2023 die ehedem am 5. Dezember 2019 getroffene Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 7 LuftSiG zu widerrufen.
42
2.2.7. Die weiteren Voraussetzungen des Widerrufs liegen allesamt vor. Die Ermessensausübung ist nicht zu beanstanden. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheides (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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3. Der unterlegene Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).