Titel:
Widerruf einer Gaststättenerlaubnis und erweiterte Gewerbeuntersagung
Normenketten:
GaststG § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2
GewO § 35 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 8 S. 1
Leitsätze:
1. Unzuverlässig ist im Gewerberecht – und mithin auch im spezielleren Gaststättenrecht – grundsätzlich ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er seine Gastwirtschaft künftig ordnungsgemäß, das heißt im Einklang mit dem geltenden Recht, betreiben wird. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen der Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen, wobei maßgeblich für die Beurteilung der Zuverlässigkeit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Wohlverhalten im Anschluss an den Widerruf einer Gaststättenerlaubnis ist nur im Rahmen eines Antrages auf Erteilung einer neuen Erlaubnis zu beachten. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Steuerschulden sind geeignet, auf die gewerberechtliche bzw. die gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit schließen zu lassen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein Gastwirt in einem Betrieb, in dem auch Alkohol ausgeschenkt wird, nimmt im Rahmen der Gewerbetreibenden eine besondere Stellung ein; an ihn sind zwar nicht in jeglicher Hinsicht, jedoch insbesondere im Hinblick auf das Wohlergehen seiner Gäste höchste Anforderungen zu stellen. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
6. § 35 Abs. 8 GewO steht dem Ausspruch einer erweiterten Gewerbeuntersagung nicht entgegen. (Rn. 58 – 60) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Voraussetzungen des Widerrufs einer Gaststättenerlaubnis und einer erweiterten Gewerbeuntersagung, Sperrwirkung des § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO, Kombination von Widerruf der Gaststättenerlaubnis und erweiterter Gewerbeuntersagung, Einheitlichkeit der für den Gaststättenbetrieb erteilten Erlaubnis., Gaststättenerlaubnis, erweiterte Gewerbeuntersagung, Widerruf, Zuverlässigkeit, Sperrwirkung, Prognose, maßgeblicher Zeitpunkt, Wohlverhalten, Steuerschulden, strafrechtliche Verurteilungen, spezielle Anforderungen an die Zuverlässigkeit des Gastwirts
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32251
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Die Ziffer 2, Satz 1 des Bescheides vom 10.6.2021, Az. 4.15-8221, soweit dem Kläger dort die Ausübung der Gewerbe „Schankwirtschaft (Café Bar …*), Immobilienberatung“ untersagt wird, sowie die Ziffer 8 des genannten Bescheides, werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 4/7, der Beklagte zu 3/7.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Widerruf einer Gaststättenerlaubnis sowie eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
2
Am 24.8.2010 meldete der Kläger die Tätigkeit „Veranstaltungsservice und Servicemanagement“ zum gleichen Tag bei der Stadt N. an. Mit Gewerbe-Ummeldung vom 22.8.2013 änderte der Kläger zum 24.8.2010 den Namen des Geschäftes in „Immobilienbetreuung R. “. Laut Gewerbe-Ummeldung vom 30.9.2013 änderte der Kläger zum 1.10.2013 die Tätigkeit in Immobilienberatung.
3
Mit Bescheid vom 18.3.2014 wurde dem Kläger durch das Landratsamt S. die Erlaubnis nach § 34c GewO für die Vermittlung des Abschlusses und Nachweises der Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, Wohnräume und gewerbliche Räume erteilt. Mit Bescheid des Landratsamtes S. vom 8.3.2018 wurde dem Kläger die Erlaubnis nach § 2 GastG zum Betrieb und zur Neuerrichtung der Schankwirtschaft „Café Bar …“ in der …, N. erteilt.
4
Mit Gewerbe-Ummeldung vom 9.3.2018 erweiterte der Kläger seine Tätigkeit um Schankwirtschaft (Café Bar …) zum 8.3.2018.
5
Laut Mitteilungen der Polizeistation N. betrieb der Kläger in den Jahren 2018 und 2019 wiederholt eine nicht genehmigte Freischankfläche vor seinem Lokal in N. Am 22.5.2019 beantragte der Kläger die Erteilung der Erweiterung der Erlaubnis um eine Freifläche von 18,00 m² gegenüber der Gaststätte und legte die Sondernutzungsvereinbarung vor. Mit Bescheid vom 6.8.2019 wurde der Antrag abgelehnt.
6
Ab dem 24.7.2019 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft.
7
Mit Urteil des Amtsgerichts A. vom 31.1.2020 (Az: 2 Ls 109 Js 7272/19) wurde der Kläger wegen Nachstellung in drei sachlich zusammentreffenden Fällen, davon in einem Fall rechtlich zusammentreffend mit versuchter Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung und in den anderen beiden Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung und Sachbeschädigung, sachlich zusammentreffend mit Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen sachlich zusammentreffend mit Besitz einer verbotenen Waffe schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten verurteilt. Auf das Urteil, welches sich bei den Akten befindet, wird verwiesen.
8
Mit Urteil des Amtsgerichts S. vom 7.2.2020 (Az: 2 Cs 109 Js 2864/17, hinzuverbunden 2 Ds 109 Js 5210/18) wurde der Kläger der Nachstellung in vier tatmehrheitlichen Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, in einem weiteren Fall in Tateinheit mit sieben tateinheitlichen Verstößen gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz in Tateinheit mit Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung, in einem weiteren Fall in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Verbreitung pornografischer Schriften in Tatmehrheit mit Bedrohung schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Auf das Urteil, welches sich bei den Akten befindet, wird verwiesen.
9
Auf die Berufung des Klägers wurden die Urteile der Amtsgerichte A. und S. vom 31.1.2020 und 7.2.2020 mit Urteil des Landgerichts A. vom 14.10.2020 (Az. 3 Ns 109 Js 2864/17) im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Kläger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde. Dem Kläger wurde die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein wurde eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die sichergestellte Präzisionsschleuder wurde eingezogen. Auf das Urteil, welches sich bei den Akten befindet, wird verwiesen.
10
Mit Schreiben vom 24.2.2021 bat die Polizeistation N. um Überprüfung der Zuverlässigkeit des Klägers im Gewerbe-/Gaststättenrecht. Mit Schreiben vom 8.3.2021 teilte das Landratsamt S. dem Finanzamt S. , dem Amtsgericht A. -Insolvenzgericht, der IHK R. , der A. A. , der Agentur für Arbeit S. , der Regierung der Oberpfalz, der Staatsanwaltschaft A. , der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten, der Polizeistation N. , der Stadt N. , der Kriminalpolizeiinspektion A. und dem Amtsgericht S. -Vollstreckungsgericht mit, dass es ein Verfahren zum Widerruf der Gaststättenerlaubnis eingeleitet habe und bat um Mitteilung offener Forderungen sowie sonstiger Gründe, die für eine Untersagung der Gewerbetätigkeit sprächen.
11
Das Finanzamt S. teilte mit Schreiben vom 15.3.2021 mit, dass für den Kläger derzeit Steuerrückstände in Höhe von 83.474,57 EUR bestünden. Seit dem 9.3.2017 seien keine freiwilligen Zahlungen mehr geleistet worden. Der letzte Zahlungseingang resultiere aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Sparkasse im Landkreis S. vom 20.12.2018. Dieses Konto bestehe seit Mitte 2019 nicht mehr, alle ab dem Jahr 2019 durchgeführten Pfändungen seien erfolglos gewesen. Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen seien seit 2018 ausnahmslos geschätzt worden. Eine Entrichtung der festgesetzten Beträge sei nicht erfolgt. Eine Einkommensteuererklärung sei zuletzt für das Jahr 2016, eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2015 abgegeben worden, was deutlich zeige, dass der Kläger steuerlich nicht zuverlässig sei und seinen Erklärungspflichten nicht nachkomme.
12
Die Polizeistation N. teilte mit Schreiben vom 15.3.2021 mit, dass aus polizeilicher Sicht die Annahme bestehe, dass der Kläger die nötige Zuverlässigkeit zur Ausübung eines Gaststättenbetriebs nicht habe. Dies werde unter anderem damit begründet, dass er Gäste seines Lokales dazu anstifte, Straftaten zu begehen, konkret habe er Gäste angestiftet, Buttersäure gegen das Haus seiner Exfreundin zu schütten.
13
Die Stadt N. teilte mit Schreiben vom 17.3.2021 mit, dass derzeit die Tätigkeiten Immobilienberatung und Schankwirtschaft (Café Bar …) gemeldet seien. Aufgrund der stetigen Probleme mit dem nicht genehmigten Freisitz und sonstiger Ruhestörungen stimme die Stadt N. dem Widerruf der Gaststättenerlaubnis sowie der erweiterten Gewerbeuntersagung zu. Aus der beigefügten Forderungsaufstellung vom 15.3.2021 ergibt sich, dass aufgrund einer Sondernutzungsvereinbarung vom 10.4.2019 Pacht in Höhe von 50,00 EUR offen sei. Diese sei seit dem 1.4.2020 fällig. Aus dem Stellplatzvertrag vom 11.4.2018 habe sich der Gesamtbetrag auf 2.300 EUR belaufen, dieser sei seit dem 25.4.2018 fällig. Der Restbetrag nach Ratenzahlung belaufe sich auf 980 EUR.
14
Das Führungszeugnis des Bundesamtes für Justiz vom 22.3.2021 enthält für den Kläger eine Eintragung aufgrund des Urteils des Amtsgerichts S. vom 22.10.2020 (Az: 2 Cs 109 Js 2864/17).
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Die Kriminalpolizeiinspektion A. teilte mit Schreiben vom 29.3.2021 mit, dass in der Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei insgesamt 120 Einträge bestünden. Der Kläger befinde sich momentan in der Justizvollzugsanstalt. Auf das Schreiben wird Bezug genommen.
16
Mit Schreiben vom 15.4.2021 hörte das Landratsamt den Kläger zu dem beabsichtigten Widerruf der Gaststättenerlaubnis sowie der erweiterten Gewerbeuntersagung an. Der Klägervertreter nahm hierzu mit Schreiben vom 14.5.2021 Stellung.
17
Mit Bescheid vom 10.6.2021 wurde die dem Kläger am 8.3.2018 erteilte Erlaubnis zum Betrieb der Gaststätte „Café Bar …“, …, N. nach § 2 GastG widerrufen (Ziffer 1). Die Ausübung des Gewerbes „Schankwirtschaft (Café Bar …*), Immobilienberatung“ sowie jede weitere Tätigkeit im Sinne der Gewerbeordnung und des Gaststättengesetzes wurde untersagt. Die Untersagung erstrecke sich auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden sowie als eine mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person (Ziffer 2). Die Gaststätte sei innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung des Bescheides zu schließen und ab diesem Zeitpunkt die Ausübung des Gaststättengewerbes zu unterlassen (Ziffer 3). Die Tätigkeit „Immobilienberatung“ sei ebenfalls zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides einzustellen und die Ausübung des Gewerbes zu unterlassen (Ziffer 4). Werde der unter Ziffer 3 ausgesprochenen Unterlassungsanordnung in Bezug auf die Gaststätte „Café Bar …“ zuwidergehandelt, werde ein Zwangsgeld in Höhe von je 3.000,00 EUR angedroht (Ziffer 5). Werde der unter Ziffer 4 ausgesprochenen Unterlassungsverfügung zuwidergehandelt, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 EUR angedroht (Ziffer 6). Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffern 1 bis 4 des Bescheides wurde angeordnet (Ziffer 7). Der Kläger habe die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens zu tragen. Für den Bescheid wurden eine Gebühr von 150,00 EUR sowie Auslagen von 3,68 EUR festgesetzt (Ziffer 8).
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Zur Begründung führt der Beklagte unter anderem aus, dass der Kläger aufgrund seiner Steuerrückstände nicht die zum Betrieb eines Gaststättengewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für einen künftigen ordnungsgemäßen Betrieb der Gaststätte, insbesondere die pünktliche Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen. Sein Zahlungsgebaren offenbare einen mangelnden Leistungswillen, dieser stelle ein wesentliches Element seiner Zuverlässigkeit dar. Seit Beginn seiner gewerblichen Tätigkeit habe der Kläger die erkennbare Erhöhung seiner Schulden unberührt in Kauf genommen. Das beständige Anwachsen seiner Steuerschulden beim Finanzamt mit den hinzugekommenen Säumniszuschlägen habe ihn nicht zu wirkungsvollen Sanierungsmaßnahmen veranlassen können. Die Rückstände der Umsatzsteuer inklusive der Säumniszuschläge resultierten größtenteils bereits aus der vorgehenden, gewerblich selbständigen Tätigkeit im Zeitraum zwischen 2005 und 2009 und hätten sich nach Beginn des Betriebs der Gaststätte „Café Bar …“ 2018 wieder zu erhöhen begonnen. Die in der Stellungnahme vom 14.5.2019 erwähnte Einreichung der Steuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 sei nach telefonischer Mitteilung des Finanzamtes S. nicht erfolgt. Auch die in der Verurteilung vom 7.2.2020 aufgeführten Straftaten zeigten, dass der Kläger nicht gewillt sei, die geltende Rechtsordnung zu beachten. Einmalige Verurteilungen könnten bereits bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Rechtsordnung zu einem Widerruf der Gaststättenerlaubnis führen, im Rahmen der Strafzumessung sei zuungunsten des Klägers zu berücksichtigen gewesen, dass eine Vielzahl von Delikten jeglicher Art vorgelegen habe, da der Kläger die Geschädigte nahezu rund um die Uhr beeinträchtigt habe, und durch keine staatlichen Maßnahmen habe beeindruckt werden können. Aufgrund der Steuerrückstände sei auch die Unzuverlässigkeit des Klägers hinsichtlich des durch ihn ausgeübten Gewerbes gegeben. Die Gewerbeuntersagung könne auch auf alle anderen Gewerbe erstreckt werden, weil davon auszugehen sei, dass der Kläger auch für diese unzuverlässig sei. Eine Schädigung der öffentlichen Hand durch die vom Kläger angehäuften Steuerrückstände sei somit auch bei der Ausübung anderer Gewerbearten gleichermaßen zu erwarten. Im Übrigen wird auf den Bescheid nebst Begründung Bezug genommen.
19
Am 8.7.2021 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 10.6.2021 Klage zum Verwaltungsgericht erheben lassen. Gleichzeitig hat er einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt (RO 5 S 21.1348). Der Kläger trägt vor, dass er voraussichtlich Mitte Juni 2022 aus der Haft entlassen werde. Er ist der Auffassung, dass der Widerruf der Gaststättenerlaubnis und die Gewerbeuntersagung rechtswidrig seien. Der Bescheid stütze sich im Wesentlichen auf die Steuerrückstände, die strafrechtlichen Verurteilungen würden erschwerend zu den Steuerrückständen hinzukommen. Die dem Kläger zu Last gelegten Straftaten hätten alle inhaltlich in engem Zusammenhang gestanden, es handele sich bei diesen um Beziehungsdelikte, die auf einer besonderen Beziehungs- und Trennungssituation beruht hätten und keinerlei Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit oder dem Betrieb seiner Gaststätte oder seines sonstigen Gewerbes hätten. Insbesondere habe der Kläger nie gegen Gaststättenrecht oder die ihm erteilte Konzession verstoßen. Die Taten lägen in der Vergangenheit und seien endgültig abgeschlossen. Die Person, auf die sich die Taten bezögen, lebe nicht mehr am Wohn- und Gewerbesitz des Klägers und befinde sich in einer neuen Partnerschaft. Seitens des Klägers bestehe kein Kontakt und kein Interesse an einer Kontaktaufnahme. Auch in der Zeit zwischen Untersuchungs- und Strafhaft habe der Kläger keine Initiative unternommen, mit dieser Kontakt aufzunehmen. Die vom Kläger betriebene Gaststätte habe dieser jederzeit beanstandungslos und absolut zuverlässig geführt, es sei zu keinerlei Beanstandungen oder Beschwerden gekommen. Aus einer privaten und persönlichen Beziehungstat könne nicht auf eine Unzuverlässigkeit des Klägers hinsichtlich der Führung einer Gaststätte geschlossen werden. Mit Gästen und gegebenenfalls betrunkenen Störern habe der Kläger immer souverän umgehen können und habe hier keine Probleme gehabt.
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Auch hinsichtlich der nichterfüllten Zahlungsverpflichtungen liege aktuell keine Unzuverlässigkeit des Klägers vor. Bei Erteilung der Gaststättenerlaubnis hätten die Steuerrückstände, die hauptsächlich aus Säumniszuschlägen und Zinsen bestünden, bereits seit mehreren Jahren bestanden. Das bloße Bestehen eines Steuerrückstandes könne keine Unzuverlässigkeit begründen, zumal der Rückstand bereits bei Erteilung der Gaststättenerlaubnis bestanden und keinen Hinderungsgrund dargestellt habe. Die tatsächlich bestehende Steuerlast i.H.v. ca. 8.600,00 EUR stamme aus den Jahren 2005 bis 2009, das Finanzamt habe über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren keine Maßnahmen unternommen, einen entsprechenden Steuerrückstand geltend zu machen, zudem habe sich der Kläger in diesem Zeitraum für eine längere Zeit im Ausland befunden. 2015 habe sich der Kläger von sich aus an das Finanzamt gewandt, um eine akzeptable Lösung herbeizuführen und ab dann im dauerhaften Dialog versucht, die Steuerlast zu reduzieren. Mit dem Direktor des Finanzamtes habe der Kläger vereinbart, dass er die im Herbst 2020 noch nicht vorliegenden Umsatzsteuererklärungen 2018 und 2019 einreichen solle und dann ein Erlass von erhobenen Säumniszuschlägen in Betracht komme. Bis Herbst 2020 sei er dann ca. 400 Tage in U-Haft gewesen, weshalb er in diesem Zeitraum nicht weiter an der Tilgung habe arbeiten können. Im Herbst 2020, nach seiner Entlassung, habe er sich umgehend wieder mit dem Finanzamt in Verbindung gesetzt. Eine endgültige Bereinigung der Angelegenheit sei jedoch daran gescheitert, dass der Kläger ab Februar 2021 seine Haftstrafe habe antreten müssen. Nicht richtig sei nach alledem jedenfalls die Behauptung, der Kläger habe sich über Jahre nicht für die Begleichung seiner Steuerschulden interessiert. Nach seiner Entlassung werde der Kläger sich wiederum mit der Finanzverwaltung in Verbindung setzen und das Thema weiterbearbeiten. Die Gewerbebetriebe des Klägers seien während der Jahre 2010 bis 2020 gewinnbringend geführt worden. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft werde der Kläger auf die Gaststättenerlaubnis und die Erlaubnis für das Betreiben eines selbständigen Gewerbes wirtschaftlich angewiesen sein. Auch der Resozialisierungsgedanke sei zu berücksichtigen. Bzgl. der angeblich illegalen Nutzung des Außenbereichs und Freisitzes sei ein Ordnungsgeldbescheid vom Kläger erfolgreich gerichtlich angegriffen worden. Er habe sich nicht rechtswidrig verhalten. Auch werde es abgestritten, dass der Kläger erlaubniswidrig einen Außenbereich ohne Genehmigung benutzt habe.
21
Der Kläger lässt zuletzt beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 10.6.2021 bzgl. Ziffern 1, 2 und 8 aufzuheben.
22
Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass der Kläger die zur Führung eines Gewerbebetriebes erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze, sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für einen künftigen ordnungsgemäßen Betrieb der Gaststätte, insbesondere die pünktliche Erfüllung seiner Zahlungspflichten. Die Tatsachen, die die Unzuverlässigkeit begründeten, müssten nicht im Gewerbebetrieb eingetreten sein, aber einen Bezug zum Gewerbe haben. Im Rahmen der Verurteilung des Klägers vom 7.2.2020 lasse sich für die Zukunftsprognose erkennen, dass sich der Kläger staatlichen Anordnungen weiterhin widersetze – hier der vollstreckbaren Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. Der zu berücksichtigende Sachverhalt erstrecke sich über einen längeren Zeitraum. Gaststätten- und Immobiliengewerbe stellten erlaubnispflichtige Tätigkeiten dar, woran sich eine erhöhte Zuverlässigkeit knüpfe, da des Öfteren Konfliktsituationen mit Kunden entstehen könnten. Die Nichtabgabe von Lohnsteueranmeldungen oder Umsatzsteueranmeldungen habe in der Regel besonderes Gewicht, die Nichtentrichtung von Steuern begründe vielfach die Unzuverlässigkeit. Die Rückstände bezögen sich überwiegend auf Umsatzsteuerrückstände, die teilweise einige Jahre zurücklägen, zum anderen aber auch die Jahre 2017, 2018 und 2019 beträfen. Bei Erteilung der Erlaubnis seien dem Beklagten die bestehenden Steuerrückstände nicht bekannt gewesen, dies sei erst durch das Schreiben des Finanzamts vom 15.3.2021 geschehen. Auch die Umsatzsteuererklärungen seit dem Jahr 2016 und die Einkommenssteuererklärungen seit dem Jahr 2017 seien bereits vor der Inhaftierung einzureichen gewesen. Der lt. Klägervertreter stattfindende Dialog mit dem Finanzamt werde angezweifelt. Im Schreiben des Finanzamtes vom 15.3.2021 (BL. 170 d. Akte) heiße es, seit 9.3.2017 habe es keine freiwilligen Zahlungen mehr gegeben. Im Übrigen belegten auch die Rückstände bei der Stadtverwaltung (Bl. 171 d. Akte) die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers. Auch die Nutzung des Freisitzes ohne gaststättenrechtliche Erlaubnis zeige, dass der Kläger nicht willens sei, der geltenden Rechtsordnung und staatlichen Anordnungen Folge zu leisten. Hier sei ein Verfahren bzgl. des Ausschanks von Alkohol eingestellt worden nach § 47 Abs. 2 OWiG, da der Alkoholausschank dem Kläger nicht habe nachgewiesen werden können, das Aufstellen von Tischen, Stühlen etc. im Außenbereich sei gleichwohl nach dem Gaststättenrecht genehmigungspflichtig, § 2 Abs. 1 GastG, werde sich hieran nicht gehalten, sei dies eine Ordnungswidrigkeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 GastG. Der Kläger habe einen Antrag erst am 22.5.20219 gestellt, die Möbel aber bereits ab 10.4.2018 aufgestellt.
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Mit Schreiben vom 8.11.2021 teilte das Finanzamt mit, dass sich die Rückstände aktuell auf 86.308,33 EUR beliefen, seit 9.3.2017 keine freiwilligen Zahlungen geleistet worden seien, alle Pfändungen seit 2019 erfolglos gewesen seien und seit 15.3.2021 keine Steuererklärungen eingegangen seien. Aus einer beiliegenden Aufstellung ergibt sich, dass die Rückstände 41.248,43 EUR betragen zzgl. Säumniszuschlägen i.H.v. 45.060,50 EUR.
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Mit Beschluss vom 8.12.2021 hat das Gericht im Verfahren RO 5 S 21.1348 die aufschiebende Wirkung der Klage bzgl. der Ziffern 1- 4 des Bescheides wiederhergestellt, bzgl. Ziffern 5, 6 und 8 angeordnet. Auf den Beschluss wird verwiesen.
26
Mit Schreiben vom 4.4.2022 teilte der Klägervertreter mit, dass die IHK zwischenzeitlich die Erlaubnis des Klägers nach § 34c Abs. 1 GewO widerrufen habe. Dies zeige auch, dass das Landratsamt für den Widerruf nicht zuständig gewesen sei. Schon deshalb sei die Klage insoweit begründet.
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Mit Schreiben vom 4.12.2023 teilte die Klägerseite mit, dass der Kläger zwischenzeitlich eine Einigung mit dem Finanzamt habe herbeiführen können, welches ihm bei Zahlung von 10.000,00 EUR Steuerschulden i.H.v. 68.451,55 EUR bzw. 16.808,38 EUR erlassen habe. Der Kläger habe nunmehr keine Steuerschulden mehr.
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Mit Schreiben vom 6.12.2023 (Beklagtenseite) und 7.12.2023 (Klägerseite) wurde zudem der Rechtsstreit bzgl. Ziffern 3 – 6 des Bescheides für erledigt erklärt.
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Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie im einstweiligen Rechtschutzverfahren, auf die vorgelegten Behördenakten sowie auf die o.g. Strafurteile der Amtsgerichte A. und S. sowie des Landgerichts A. , verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Im Hinblick auf die Ziffern 3 bis 6 des Bescheides haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Insoweit war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO aus Gründen der Rechtsklarheit einzustellen.
31
Die zulässige Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg.
32
Hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheides sowie Ziffer 2, soweit dem Kläger jede weitere Tätigkeit im Sinne der Gewerbeordnung und des Gaststättengesetzes und ferner die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden sowie als eine mit der Leitung eines Gewerbes beauftragte Person untersagt wurde, ist die Klage zulässig, jedoch unbegründet, weil der Bescheid insoweit rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
33
I. Rechtsgrundlage für den Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist § 15 Abs. 2 GastG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG. Nach § 15 Abs. 2 GastG ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten lässt, dass er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmissbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird. Im Hinblick auf den Kläger liegen diese Widerrufsvoraussetzungen vor.
34
1. Der Kläger ist in Bezug auf die von ihm betriebene Gaststätte unzuverlässig im Sinne der o.g. Vorschriften. Seine Unzuverlässigkeit folgt insbesondere aus seinen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit seinen steuerlichen Erklärungs- und Zahlungsverpflichtungen, ferner aber auch aus seinen strafrechtlichen Verurteilungen durch das Amtsgericht A. , das Amtsgericht S. und das Landgericht A.
35
2. Unzuverlässig ist im Gewerberecht – und mithin auch im spezielleren Gaststättenrecht (vgl. Metzner/Thiel, Gaststättenrecht, 7. Aufl. 2023, § 4 GastG Rn. 10 ff. m.w.N.) – grundsätzlich ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er seine Gastwirtschaft künftig ordnungsgemäß, das heißt im Einklang mit dem geltenden Recht, betreiben wird (BVerwG, U. v. 02.02.1982 – 1 C 146/80 – NVwZ 1982, 503; Metzner/Thiel, Gaststättenrecht, 7. Aufl. 2023, § 4 GastG Rn. 14, m.w.N.; Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 89. EL August 2022, § 35 Rn. 28 ff.). Konkretisiert wird diese Definition im Gaststättenrecht durch die o.g. Regelbeispiele in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG.
36
Die Unzuverlässigkeit kann sich dabei u.a. aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten mit Bezug zum ausgeübten Gewerbe ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – BeckRS 2015, 48135, Rn. 14; Metzner/Thiel, Gaststättenrecht, 7. Aufl. 2023, § 4 GastG Rn. 49 ff. m.w.N.). Im Rahmen der Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblich für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, nachdem es sich bei dem Widerruf der Gaststättenerlaubnis nicht um einen Dauerverwaltungsakt handelt, sondern um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, dessen rechtliche Wirkung sich auf den einmaligen Entzug der Erlaubnis beschränkt. Ein Wohlverhalten im Anschluss an den Widerruf ist daher nur im Rahmen eines Antrages auf Erteilung einer neuen Erlaubnis zu beachten (BVerwG, U.v. 13.3.1973 – 1 C 36/71 – VerwRspr 1974, 110, 115 f.; Metzner/Thiel, Gaststättenrecht, 7. Aufl. 2023, § 4 GastG Rn. 22, m.w.N.).
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3. Nach diesen Maßstäben rechtfertigt sich die negative Prognose hinsichtlich der gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers nach Ansicht des Gerichts aus den im Zeitpunkt des Bescheidserlasses bekannten und vorliegenden Tatsachen.
38
a) Es ist allgemeine Ansicht und ständige Rechtsprechung, dass Steuerschulden geeignet sind, auf die gewerberechtliche (bzw. hier die gaststättenrechtliche) Unzuverlässigkeit schließen zu lassen (Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 91. EL März 2023, § 35 Rn. 49 m.w.N.). Der Staat und die Gemeinden sind auf den fristgerechten Eingang der von ihnen erhobenen Steuern und Abgaben angewiesen, um ihren Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit genügen zu können. Wenn ein Gewerbetreibender sich diesen finanziellen Verpflichtungen entzieht, so schädigt er nicht nur die Allgemeinheit, sondern versucht damit zugleich, sich in unlauterer Weise im Geschäftsleben einen Vorsprung vor den mit ihm im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden zu verschaffen, die ihre Steuerpflichten in redlicher Weise erfüllen. Von einem Gewerbetreibenden, der mit derartigen Mitteln unter Missachtung der Belange der Allgemeinheit und seiner Mitbewerber nur seine eigenen geschäftlichen Interessen verfolgt, kann nicht erwartet werden, dass er sein Gewerbe im Einklang mit den bestehenden Vorschriften einwandfrei führen wird (BVerwG, B.v. 17.01.1964 – VII B 159/63 – VerwRspr 1964/1965, 983, 984).
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Eine Norm über die Höhe der relevanten Steuerrückstände lässt sich von Gesetzes wegen nicht aufstellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass Steuerrückstände nur dann geeignet dafür sind, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung (BVerwG, B.v. 29.01.1988 – 1 B 164/87 – juris Rn. 3; BVerwG, B.v. 19.01.1994 – 1 B 5/94 – juris Rn. 6). Eine feste Grenze, ab welcher Höhe der Steuerschuld Unzuverlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich dabei nicht angeben (BVerwG, B.v. 09.04.1997 – 1 B 81/97 – juris Rn. 4). Gleichwohl wird in der Literatur z. T. eine Grenze bei 5.000 € gezogen (Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 91. EL März 2023, § 35 Rn. 52b).
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Auf die Gründe und Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es hierbei nicht an, da die gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist. Demzufolge ist es irrelevant, wenn es sich bei den Steuerschulden um Schätzungen, Säumniszuschläge o.Ä. handelt, zumal das Entstehen von Säumniszuschlägen und Zinsen (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 und Nr. 5 Abgabenordnung) darauf beruht, dass der Gewerbetreibende seine Zahlungs- bzw. Erklärungsverpflichtungen nicht erfüllt hat, er also ein Verhalten gezeigt hat, welches wiederum die nicht ordnungsgemäße Ausübung des Gewerbes belegt (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2021 – 22 ZB 21.1862 – BeckRS 2021, 33601, Rn. 18). Auch eines Verschuldens bedarf es wegen der alleine maßgeblichen objektiven Umstände bezüglich der die Unzuverlässigkeit begründenden Tatsachen nicht (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – BeckRS 1982, 20431244; Metzner/Thiel, Gaststättenrecht, 7. Aufl. 2023, § 4 GastG Rn. 20). Relevant ist alleine die Fälligkeit der Steuerschuld (BVerwG, B. v. 1.2.1994 – 1 B 9/94 – juris Rn. 3).
41
Dem folgend wird im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit bzw. Unfähigkeit, die fällige Steuerschuld auf welche Art auch immer zu beseitigen, ohne Rücksicht auf die Gründe der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese – durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete – Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – BeckRS 2015, 48135, Rn. 14; Metzner/Thiel, Gaststättenrecht, 7. Aufl. 2023, § 4 GastG Rn. 54 ff). Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – BeckRS 2015, 48135, Rn. 14; Metzner/Thiel, Gaststättenrecht, 7. Aufl. 2023, § 4 GastG Rn. 60).
42
Im vorliegenden Fall und unter Beachtung der dargestellten Grundsätze ist der Kläger alleine aufgrund der vom Finanzamt S. mitgeteilten Tatsachen als unzuverlässig anzusehen. So hatte der Kläger beim Finanzamt S. im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 10.6.2021 (bzw. nach dem Stand der Mitteilung des Finanzamtes vom 15.3.2021) Steuerrückstände i.H.v. 83.474,57 EUR, hatte seit dem 9.3.2017 keine freiwilligen Zahlungen mehr geleistet, sind alle ab 2019 durchgeführten Pfändungen erfolglos gewesen, wurde eine Einkommenssteuererklärung zuletzt 2016 sowie eine Umsatzsteuererklärung zuletzt 2015 abgegeben, wurden die Umsatzsteuervoranmeldungen ab 2018 ausnahmslos geschätzt und befürwortete das Finanzamt einen schnellstmöglichen Widerruf der Gaststättenerlaubnis. Laut einem weiteren Schreiben des Finanzamtes S. vom 8.11.2021 gingen auch nach dem 15.3.2021 weder Steuererklärungen ein, noch wurden Abreden mit dem Finanzamt getroffen.
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Der Kläger hat hierzu im gerichtlichen Verfahren u.a. vortragen lassen, dass sein Betrieb in den vergangenen Jahren habe gewinnbringend geführt werden können und dass die Steuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 nur wegen seiner Untersuchungshaft und anschließend in Haft nicht rechtzeitig hätten eingereicht werden können, dass er sich aber bis zur Untersuchungshaft sowie in dem Zeitraum zwischen Untersuchungshaft und Haft um eine Klärung der steuerrechtlichen Thematik mit dem Finanzamt bemüht habe. Soweit eine Steuerschuld von über 80.000 EUR geltend gemacht werde, handele es sich um Rückstände, die aus Sachverhalten resultieren, die bereits mehr als zehn Jahre zurücklägen und die auch bisher keinen Anlass gegeben hätten, ihm seine Gaststättenerlaubnis zu entziehen und Gewerbe zu untersagen. Tatsächlich handele es sich um eine faktische Steuerlast von ca. 8.600,00 EUR, welche auf das Jahr 2009 zurückgehe. In einer Größenordnung, die Steuerschulden von über 80.000,00 EUR rechtfertige, habe er niemals Einnahmen erzielt. Das Finanzamt habe sich über mehrere Jahre nicht hierum gekümmert, der Kläger selbst sei über mehrere Jahre im Ausland und in diesen Zeiten schon gar nicht in Deutschland steuerpflichtig gewesen. Er habe die Forderungen auch wiederholt, u.a. wegen Verjährung, zurückgewiesen. Der Kläger sei es ferner selbst gewesen, der im Jahr 2015 aktiv begonnen habe mit dem Finanzamt S. und dessen Leiter zusammenzuarbeiten um eine Lösung zu finden. Seitens des Finanzamtes seien eigene Versäumnisse eingeräumt worden. Die hohe Forderung resultiere vorrangig aus Säumniszuschlägen und Zinsen. Außerdem sei die Steuerschuld mittlerweile ausgeräumt. Dies habe der Kläger geschafft, indem er, nach Einigung mit dem Finanzamt, ungefähr 10.000,00 EUR bezahlt und man ihm den Rest der Steuerschuld erlassen habe. Dies belege, dass auch das Finanzamt davon ausgehe, dass die Forderung im Wesentlichen unberechtigt gewesen sei. Denn es sei völlig abwegig, dass das Finanzamt auf eine berechtigte Forderung von über 70.000,00 EUR verzichten würde.
44
Diese klägerseits vorgebrachten Erklärungen sind nach Ansicht des Gerichts aber nicht überzeugend. Es ist, wie oben ausgeführt, nach ständiger Rechtsprechung weder von Bedeutung, aus welchen Gründen die Steuerschuld besteht, noch ob es sich um Zinsen, Säumniszuschläge oder sonstige Posten handelt. Derjenige, der ein Gewerbe führt, hat sich zu jeder Zeit um die Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten zu kümmern. Kommt es aufgrund jahrelanger Missachtung von Erklärungs- und Zahlungspflichten dazu, dass eine vergleichsweise geringe Summe von ca. 10.000,00 EUR auf einen Betrag von über 80.000,00 EUR anwächst, so hat dies zunächst der zu vertreten, der seine Pflichten über einen langen Zeitraum missachtet hat. Ein konkreter Nachweis dafür, dass dieses Anwachsen auf ein Verschulden des Finanzamtes zurückzuführen ist, hat ebenso wenig erbracht werden können, wie bspw. ein Beleg für erhobene Einsprüche oder auch nur für konkrete formlose Rügen gegen Steuerforderungen, die bei Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von steuerlichen Festsetzungen naheliegend gewesen wären. Dass der Kläger nunmehr eine Lösung hat herbeiführen können ist nicht von der Hand zu weisen und spricht auch zu seinen Gunsten, kann aber aufgrund des maßgeblichen Zeitpunkts nur im Rahmen der Prüfung seiner jetzigen Zuverlässigkeit beachtet werden, welche für die hiesige Entscheidung keine Rolle spielt. Soweit der Kläger vorbringt, er habe sich jahrelang im Ausland befunden und auch in dieser Zeit seien weiter Steuern geschätzt worden, so spricht auch dies nicht zu seinen Gunsten. So wäre es die Aufgabe des Klägers gewesen, vor seinem Auslandsaufenthalt seine Angelegenheiten zu regeln, etwaige Gewerbe abzumelden und ggf. Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass bspw. steuerliche Festsetzungen für ihn unbemerkt bleiben, um im Fall der Fälle gegen unberechtigte Forderungen zeitnah vorgehen zu können. Dies nicht zu tun, spricht eher gegen, als für die Zuverlässigkeit. Zudem hat das Landratsamt nachvollziehbar dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Erlaubniserteilung es nicht üblich war, dass vorab die steuerlichen Verhältnisse überprüft werden und dass die Rückstände erst im Rahmen der Ermittlungen wegen der strafrechtlichen Verurteilungen bekannt wurden. Insoweit kann auch die Tatsache, dass ein Teil der Schulden bereits bei Erlaubniserteilung bestand, nicht für den Kläger streiten. Auswirken könnte sich dies ohnehin allenfalls bei der Frage, ob ggf. eine Rücknahme statt eines Widerrufs hätte ausgesprochen werden können (§ 15 Abs. 1 GastG). Nachdem im Falle eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes aber bei Vorliegen der Voraussetzungen erst recht auch ein Widerruf ausgesprochen werden kann („Erst-Recht-Schluss“; vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Auflage 2021, § 49 Rn. 12, m.w.N.) und ferner ein Teil der Tatsachen, auf den der Widerruf gestützt wurde, gerade nach Bescheidserlass eingetreten ist, sodass aus Sicht der Behörde zutreffend der § 15 Abs. 2 GastG herangezogen worden sein dürfte (Metzner/Thiel, Gaststättenrecht, 7. Auflage 2023, § 15 GastG, Rn. 17), spielt dies im Ergebnis keine Rolle.
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Zum maßgeblichen Zeitpunkt war auch nicht ersichtlich, dass der Kläger nach einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept gearbeitet hätte. Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept setzt grundsätzlich voraus, dass mit den Gläubigern eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen und ein Tilgungsplan auch effektiv eingehalten wird (vgl. BayVGH, B.v. 8.7.2013 – 22 C 13.1163 – juris Rn. 10). Soweit der Kläger insoweit vorbringt, bereits vor Bescheidserlass seit Längerem mit dem Finanzamt konstruktiv zusammengearbeitet zu haben und um eine Lösung bemüht gewesen zu sein, so ist das Gericht jedenfalls nicht der Ansicht, dass dies in einem Rahmen geschehen ist, der den o.g. Anforderungen an ein Sanierungskonzept genügt. Hiergegen spricht zum einen, dass das Finanzamt S. in seinem Schreiben vom 15.3.2021 ausdrücklich mitgeteilt hat, dass der Kläger seit 2016 keine Einkommensteuererklärung und seit 2015 keine Umsatzsteuererklärung mehr abgegeben habe – beide Zeitpunkte liegen deutlich vor Antritt der Untersuchungshaft am 24.7.2019 –, ferner die Umsatzsteuervoranmeldungen seit 2018 – erneut vor Antritt der Untersuchungshaft – hätten geschätzt werden müssen, was deutlich dagegen spricht, dass der Kläger im ständigen und konstruktiven Austausch mit dem Finanzamt gestanden hat und ferner auch die Tatsache dass das Finanzamt in besagtem Schreiben ausdrücklich mitgeteilt hat, den schnellstmöglichen Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes zu befürworten, ferner auch die Ausführungen in dem Schreiben vom 8.11.2021, wonach „keine Abreden mit dem Finanzamt getroffen“ worden seien.
46
Nach alledem begründen bereits die dargelegten Umstände – im Wesentlichen die Steuerrückstände i.V.m. der Verletzung von Erklärungspflichten – nach Ansicht des Gerichts die gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG.
47
b) Erschwerend hinzu kommen die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers hinzu bzw. die Tatsachen, die diesen zugrunde liegen. Den Sachverhalt, wie er sich aus den Entscheidungen des Amtsgerichts A. (Az. 2 Ls 109 Js 7272/19) und des Amtsgerichts S. (Az. 2 CS 109 Js 2864/17) ergibt, sieht das Gericht als gegeben an, nachdem dieser im gerichtlichen Verfahren nicht angegriffen wurde, aus den Akten keine Anhaltpunkte bestehen, dass dieser nicht der Wahrheit entspricht und der Kläger außerdem im Berufungsverfahren vor dem Landgericht A. (3 Ns 109 Js 2864/17) seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, was vom Landgericht als Geständnis angesehen und im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt wurde.
48
Die der Verurteilung zugrundeliegenden Tatsachen sprechen nach Ansicht des Gerichts ebenfalls gegen die gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers. So ist der Klägerseite zwar insoweit recht zu geben, dass es sich im Kern wohl um Beziehungstaten gehandelt hat. Gleichwohl hält das Gericht die Taten für derart gravierend, dass hieraus auch auf die gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit geschlossen werden kann. Der Kläger hat in gröbstem Maß und über einen langen Zeitraum schwere Straftaten gegenüber seiner Ex-Freundin sowie weiterer Personen begangen. Hierbei hat er eine immense Beharrlichkeit an den Tag gelegt und ist auch vor körperlicher Gewalt nicht zurückgeschreckt. Auch von einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz hat er sich nicht beirren lassen. Nach Ansicht des Gerichts sprechen diese Tatsachen durchaus gegen die gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit.
49
Ein Gastwirt in einem Betrieb, in dem auch Alkohol ausgeschenkt wird, nimmt im Rahmen der Gewerbetreibenden eine besondere Stellung ein. Er hat in seinem Lokal in der Regel eine hervorgehobene Stellung inne. Er übt das Hausrecht aus und bestimmt das Ambiente und die Atmosphäre, bspw. durch die Auswahl von Musik und Dekor oder durch die Gestaltung des Speisen- und Getränkeangebotes. Ferner kommt er nach allgemeiner Lebenserfahrung sehr schnell, einfach und häufig mit verschiedensten Personen ins Gespräch, wobei diese Personen gelegentlich unter Alkoholeinfluss stehen. Hierbei kommt es nach allgemeiner Lebenserfahrung auch zu Gesprächen, in denen auch intime Details offenherziger als üblich ausgetauscht werden. Ferner ist es in derartigen Gastwirtschaften auch denkbar, dass es zu Situationen kommt, in denen sich Gäste bspw. bedrängt fühlen oder in denen ein erhöhtes Gewaltpotential herrscht. All dies spiegelt sich auch darin wieder, dass der Betrieb einer Gaststätte in den meisten Fällen, vgl. § 2 GastG, eine Erlaubnis voraussetzt. Das GastG enthält dabei ferner noch weitere Anhaltspunkte dafür, wie ein Wirt aus der Sicht des Gesetzgebers zu sein und an welche Regeln er sich zu halten hat (vgl. u.a. § 4 GastG und § 20 GastG). Dem Gesetz ist nach Ansicht des Gerichts im Kern zu entnehmen, dass an den Gastwirt zwar nicht in jeglicher Hinsicht, jedoch insbesondere im Hinblick auf das Wohlergehen seiner Gäste höchste Anforderungen zu stellen sind, wie sich bspw. konkret an § 20 Nr. 2 GastG (Verbot des Alkoholausschankes an erkennbar Betrunkene) sowie § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG (u.a. besonderer Schutz Unerfahrener, Leichtsinniger und Willensschwacher, Vorbeugen von Alkoholmissbrauch und Unsittlichkeit, Einhalten des Gesundheits- und Lebensmittelrechts sowie des Jugendschutzes) ergibt. An diesen Maßstäben ist ein Gastwirt zu messen.
50
Die Tatsachen, die der Verurteilung zugrunde liegen, sprechen nach Ansicht des Gerichts, jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt, vor diesem Hintergrund erschwerend gegen die Zuverlässigkeit des Klägers. Mit dem Verhalten, das er gezeigt hat, hat er sich in erheblichem Maße als nicht rechtstreu erwiesen und das Wohlbefinden der „Hauptgeschädigten“, aber auch weiterer Personen, in wesentlichem Ausmaß negativ beeinflusst. Dabei hat er sein eigenes Wohlergehen rücksichtslos über das der geschädigten Personen gestellt und ist auch vor der Staatsgewalt, bspw. in Form der einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz sowie mindestens einer Gefährderansprache, nicht zurückgeschreckt. Unter diesen Umständen sieht sich das Gericht, jedenfalls im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt, unter Berücksichtigung der oben umschriebenen Maßstäbe, auch im Hinblick auf die strafrechtlichen Verurteilungen nicht in der Lage, den Kläger als zuverlässig i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG anzusehen.
51
Zudem beststeht in Teilen sogar eine konkrete Verknüpfung der Taten mit dem Lokal des Klägers dahingehend, dass dieser, wie sich aus der o.g. Entscheidung des Amtsgerichts A. (vgl. dort II. 2.a.) ergibt, dem A. Z. Freigetränke in seinem Lokal dafür versprochen hat, dass er Buttersäure gegen das Haus der Geschädigten schüttet. Mithin hat er gerade seine hervorgehobene Stellung als Gastwirt und Lokalbetreiber dahingehend ausgenutzt, den A. Z. durch einen Anreiz, der unmittelbar in der Gaststätte fußt, dazu zu bewegen, „für ihn“ Straftaten zu begehen. Nachdem der Anreiz gerade darin bestand, dass der Kläger als Betreiber des Lokals hier eine besonders einflussreiche Stellung innehat, vertieft auch dies deutlich den Eindruck der Unzuverlässigkeit.
52
Schließlich hat der Kläger, vgl. die Entscheidung des Amtsgerichts A. , in seinem Lokal eine Präzisionsschleuder aufbewahrt. Auch dies hat unmittelbaren Zusammenhang mit seinem Lokal und verstärkt weiter den Eindruck der Unzuverlässigkeit.
53
Diese Umstände vertiefen den Eindruck der gaststättenrechtlichen Unzuverlässigkeit nochmals deutlich.
54
4. Nachdem sich aus den dargestellten Erwägungen nach Ansicht des Gerichts bereits die Unzuverlässigkeit des Klägers i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ergibt, kann die Frage, ob auch die Tatsachen im Zusammenhang mit dem nicht genehmigten Freisitz die Unzuverlässigkeit des Klägers weiter vertiefen, dahinstehen.
55
5. Schließlich liegen auch keine Ermessensfehler vor (§ 114 VwGO) und war der Widerruf verhältnismäßig. Es handelt es sich bei dem Widerruf nach § 15 Abs. 2 GastG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG um eine gebundene Entscheidung, sodass bei bestehender Unzuverlässigkeit kein behördliches Ermessen mehr besteht. Auch unverhältnismäßig kann der gesetzlich zwingend vorgeschriebene Widerruf nur in besonderen Ausnahmefällen sein (vgl. BayVGH, B. v. 28.4.2014 – 22 CS 14.182 – BeckRS 2014, 50941, Rn. 18), wobei hierfür hier keine Anhaltspunkte bestehen.
56
6. Abschließend weist das Gericht noch darauf hin, dass es die Zuverlässigkeit zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses geprüft hat (s.o.). Ob der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt, nachdem die Steuerschuld getilgt wurde und der Kläger seine Haftstrafe verbüßt hat und ferner seit den Taten einige Zeit vergangen ist, wieder zuverlässig ist, dahingehend hatte keine Prüfung zu erfolgen. Diese wäre ggf. in einem Antragsverfahren auf erneute Erteilung einer Gaststättenerlaubnis zu prüfen.
57
II. Rechtsgrundlage für die erweiterte Gewerbeuntersagung ist § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Danach kann eine Gewerbeuntersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Zur Überzeugung der zur Entscheidung berufenen Kammer kann die sog. erweiterte Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO dabei nicht nur auf eine „einfache“ Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO gestützt werden, sondern auch auf den spezielleren (vgl. unten) Widerruf der Gaststättenerlaubnis. Dieser verdrängt in diesem Zusammenhang den § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO, schließt die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO nach Ansicht der Kammer aber nicht aus. Ferner steht auch die Sperrwirkung des § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO dem nicht entgegen.
58
1. Nach Auffassung der Kammer steht zunächst § 35 Abs. 8 GewO dem Ausspruch einer erweiterten Gewerbeuntersagung nicht entgegen.
59
a) Zunächst ist dies von Wortlaut und Systematik der Vorschriften gedeckt. Zwar formuliert § 35 Abs. 8 S. 1 GewO, dass die Absätze 1 bis 7a nicht anzuwenden sind, dies allerdings seit einer Gesetzesänderung von 1974 (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 91. EL März 2023, § 35 Rn. 196) nur soweit eine für das Gewerbe erteilte Zulassung (wie die Gaststättenerlaubnis) wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann. Schon hier lässt sich argumentieren, dass eine erweiterte Gewerbeuntersagung nicht erfasst ist, weil sie nicht die Zulassung betrifft, sondern andere, künftige Gewerbe. Jedenfalls aber lässt sich dem entnehmen, dass die Sperrwirkung nur eintritt, wenn die Regelung (oder ggf. das Unterlassen einer Regelung) in der Spezialvorschrift abschließend konzipiert ist (Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 91. EL März 2023, § 35 Rn. 196). Im Falle des Gaststättengesetzes findet sich keine Regelung hinsichtlich der Folgen für andere, künftige Gewerbe, allerdings erklärt § 31 GastG die Gewerbeordnung für anwendbar, soweit im GastG keine besonderen Bestimmungen bestehen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass das GastG gerade nicht als abschließende Kodifikation konzipiert war, man das Schweigen zum Schicksal künftiger Gewerbe also nicht als bewusstes Unterlassen einer Regelung verstehen kann und so eine erweiterte Gewerbeuntersagung infolge eines Erlaubniswiderrufs möglich bleibt.
60
b) Sinn und Zweck von § 35 Abs. 8 GewO, doppelspurige Regelungen auszuschließen (Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 91. EL März 2023, § 35 Rn. 195), unterstreichen dieses Ergebnis zusätzlich. Es wird nur klargestellt, dass spezielle Regelungen vorgehen und nicht in ihren Voraussetzungen kumuliert werden sollen, um widersprüchliche Ergebnisse zu vermeiden. Würde eine erweiterte Gewerbeuntersagung bei erlaubnispflichtigen Gaststättengewerben als gesperrt angesehen, weil das GastG hierzu nichts explizit regelt, entstünden jedoch vielmehr neue Widersprüche. So wäre eine erweiterte Gewerbeuntersagung möglich bei mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit von erlaubnisfreien Gaststättengewerben nach § 2 Abs. 2 GastG, da für diese die GewO Anwendung findet. Bei den heikleren und daher erlaubnispflichtigen Gewerben wäre dies dann aber nicht möglich, ohne dass es für diese Unterscheidung eine Rechtfertigung gäbe. Daher muss nach Ansicht der Kammer § 35 Abs. 8 GewO hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „soweit“ so verstanden werden, dass er eine erweiterte Gewerbeuntersagung nur sperrt, wenn es Spezialregelungen gibt, die nicht nur Rücknahme oder Widerruf einer Zulassung, sondern auch darauf aufbauend das Schicksal anderer, auch künftiger Gewerbe regeln (vgl. ausführlich: VG Regensburg, U.v. 16.5.2017 – RN 5 K 16.620 – BeckRS 2017, 116809, Rn. 46 ff.; wohl auch: OVG Schleswig, B. v. 21.9.2023 – 4 MB 27/23 – BeckRS 2023, 33961, Rn. 28; a.A.: OVG Münster, B.v. 30.4.2020 – 4 B 21/20 – NVwZ-RR 2021, 29, Rn. 15 ff.; VG Würzburg, U.v. 24.6.2020 – W 6 K 19.236 – BeckRS 2020, 15513, Rn. 33 ff.).
61
2. Auch die konkreten Voraussetzungen der erweiterten Gewerbeuntersagung liegen vor.
62
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit im Rahmen des § 35 Abs. 1 GewO ist – obwohl es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt – wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, wie eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 15 m.w.N.)
63
b) Auf Tatbestandsebene erfordert die erweiterte Gewerbeuntersagung zunächst grundsätzlich das Vorliegen einer „einfachen“ Gewerbeuntersagung i.S.v. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO, wie sich aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ergibt, wo es heißt, die „Untersagung kann a u c h […] auf alle Gewerbe e r s t r e c k t werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Gewerbetreibende a u c h für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist“.
64
Nach Ansicht der Kammer verdrängt § 15 Abs. 2 GastG hier als speziellere Vorschrift den § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO und tritt an dessen Stelle, was insbesondere aus § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO folgt, sodass diese Voraussetzung als erfüllt angesehen wird.
65
c) Der Beklagte hat ferner aus nachvollziehbaren und überzeugenden Gründen eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO) des Klägers angenommen. Eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit liegt vor, wenn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur einen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies ist nach allgemeiner Ansicht und herrschender Meinung bei steuerlichen Pflichtverletzungen der Fall (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – juris Rn. 27). Nachdem das Gericht davon ausgeht, dass bereits die steuerrechtlichen Verstöße die Unzuverlässigkeit bedingen (vgl. ausführlich oben), sind die Voraussetzungen von § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO erfüllt, sodass es dahinstehen kann, ob auch die Straftaten die gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit bedingen.
66
d) Die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten ist auch erforderlich. Dies ist der Fall, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende andere gewerbliche Tätigkeiten, bspw. ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe oder eine sonstige selbstständige Tätigkeit, ausweichen wird. Dabei ergibt sich die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er in der Regel seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die Erweiterung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17 m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Im Gegenteil war und ist der Kläger bemüht und gewillt, seine gewerbliche Tätigkeit fortzusetzen und hat hiervon selbst durch die lange Unterbrechung bedingt durch die Untersuchungshaft und Haft nicht Abstand genommen.
67
e) Auch Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO. Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, Art. 40 BayVwVfG. Dem Bescheid lassen sich auf S. 11 f. ausführliche Erwägungen zum Ermessen im Zusammenhang mit der Erweiterung entnehmen, die unter Berücksichtigung von § 114 VwGO nicht zu beanstanden sind. Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist ferner auch nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz in Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.1993 – 1 B 1.93 – juris Rn. 5). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls mit der Folge eines anderen Ergebnisses sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
68
Die Klage ist hingegen zulässig und begründet bzgl. Ziffer 2, Satz 1, soweit dem Kläger dort die Ausübung der Gewerbe „Schankwirtschaft (Café Bar …*), Immobilienberatung“ untersagt wird sowie bzgl. Ziffer 8. Insoweit ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
69
I. Die Rechtswidrigkeit der Untersagung der Gewerbe „Schankwirtschaft (Café Bar …*), Immobilienberatung“ nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ergibt sich aus § 35 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 Gewerbeordnung (GewO). Demnach sind die Absätze 1 bis 7a des § 35 GewO nicht anzuwenden, soweit eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann.
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1. Bzgl. des Gewerbes Schankwirtschaft findet sich eine derartige Regelung in § 15 Abs. 2 Gaststättengesetz (GastG), wonach die Erlaubnis zu widerrufen ist, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 rechtfertigen würden und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG, wonach die Erlaubnis u.a. dann zu versagen ist, wenn der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Aufgrund dieser Vorschriften ist ein Rückgriff auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO hier bzgl. des Gewerbes Schankwirtschaft gesperrt (Marcks in Landmann/Romer, Gewerbeordnung, 91. EL März 2023, § 35 Rn. 195). Eines Rückgriffes auf die Untersagungsverfügung bedarf es auch nicht, da bereits aufgrund des Widerrufs der Erlaubnis das gegenständliche Gaststättengewerbe nicht mehr betrieben werden darf (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GastG).
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Es ist auch nicht möglich, die klägerische Gaststättentätigkeit in einen erlaubnisfreien (vgl. § 2 Abs. 2 GastG) und einen erlaubnispflichtigen (vgl. § 2 Abs. 1 GastG) Teil aufzuspalten, um auf diesem Weg ggf. den Erlass einer einfachen Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO zu rechtfertigen. Nach Ansicht des Gerichts kommt eine solche Aufteilung – jedenfalls in dem hiesigen Fall – nicht in Betracht. Die Gestattungswirkung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis bezieht sich auf den Betrieb eines einheitlichen Gaststättengewerbes. Sie ist für eine bestimmte Betriebsart und für bestimmte Räume zu erteilen (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 GastG). Es erfolgt keine isolierte Erlaubnis der Tätigkeit, die im Einzelfall die Erlaubnispflicht nach § 2 GastG auslöst, z.B. des Verabreichens alkoholhaltiger Getränke. Dementsprechend entfällt durch den Widerruf auch die Erlaubnis für den Betrieb des ganzen betroffenen Gaststättengewerbes, nicht lediglich einer bestimmten Tätigkeit. Abweichendes ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 2 GastG, wonach der Erlaubnis z.B. nicht bedarf, wer z.B. alkoholfreie Getränke (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GastG) oder zubereitete Speisen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 GastG) verabreicht. Beschränkt sich das jeweilige Gaststättengewerbe nicht auf ein Verabreichen von solchen Speisen und Getränken im Sinne von § 2 Abs. 2 GastG, so ist der Betrieb des Gewerbes erlaubnispflichtig. Die gaststättenrechtliche Erlaubnis schließt dann ggf. das Verabreichen von Speisen und Getränken im Sinne von § 2 Abs. 2 GastG mit ein. Wird ein erlaubnispflichtiges Gaststättengewerbe trotz eines vollziehbaren Erlaubniswiderrufs weiter betrieben, so kann die Fortsetzung des Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden (§ 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO). Es besteht dann kein Bedürfnis für eine (teilweise) Untersagung dieses Gewerbes nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO. Anders wäre dies ggf. dann, wenn der Kläger den bisherigen erlaubnispflichtigen Gaststättenbetrieb bereits eingestellt und – aufgrund eines geänderten Betriebskonzepts – ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe nach § 2 Abs. 2 GastG angezeigt hätte (vgl. § 31 GastG i.V.m. 14 Abs. 1 GewO). In diesem Fall wäre im Falle einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit der Anwendungsbereich der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO wohl eröffnet (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2018 – 22 ZB 18.841 – BeckRS 2018, 25015, Rn. 25 f.).
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2. Bzgl. des Gewerbes „Immobilienberatung“ findet sich die speziellere Vorschrift, die den Rückgriff auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO sperrt, in Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG (Marcks in Landmann/Romer, Gewerbeordnung, 91. EL März 2023, § 35 Rn. 195a).
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Auch insoweit ist es nach Ansicht des Gerichts nicht möglich, die klägerische Tätigkeit als „Immobilienberater“ in eine erlaubnispflichtige (§ 34c Abs. 1 Nr. 1 GewO) und eine erlaubnisfreie aufzuspalten, zumal auch der Vortrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung nahelegt, dass eine solche Aufspaltung nicht in Betracht kommt. Mithin ist auch insoweit kein Raum für eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO.
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Erschwerend kommt insoweit noch hinzu, dass bzgl. dieser Tätigkeit bei Bescheidserlass auch keine sachliche Zuständigkeit des Beklagten mehr bestanden hat. Diese liegt seit dem 1.8.2018, also auch schon im Zeitpunkt des Bescheidserlasses, nicht mehr bei den Kreisverwaltungsbehörden, sondern bei den Industrie- und Handelskammern, vgl. § 37 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) in den Fassungen ab 1.8.2018.
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II. Schließlich ist die Ziffer 8 rechtswidrig und damit aufzuheben. Der Bescheid ist teilweise rechtswidrig. Für rechtswidrige Verwaltungsakte dürfen keine Kosten erhoben werden, Art. 16 Abs. 5 Bayerisches Kostengesetz (vgl. BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 10 BV 15.958 – BeckRS 2016, 46951, Leitsatz 1; str., vgl. zum Streitstand ebd. Rn. 23 ff.). Nachdem für einen Bescheid grundsätzlich eine einheitliche Kostenentscheidung ergeht, die (teilweise) im Ermessen der jeweiligen Behörde liegt, kann das Gericht diese zwar aufheben, jedoch nicht an Stelle der Behörde eine eigene, abgeänderte Kostenentscheidung erlassen (vgl. auch Art. 12 Abs. 3 KG). Daher ist die Kostenentscheidung vollumfänglich aufzuheben.
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III. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 VwGO und orientiert sich hinsichtlich der Quotelung am Streitwert des Verfahrens. Der Streitwert beläuft sich auf 35.000,00 EUR (s. unten). Hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheides, die mit 15.000,00 EUR zu beziffern ist, ist der Kläger unterlegen, bzgl. Ziffer 2 ist er unterlegen, soweit diese Ziffer die erweiterte Gewerbeuntersagung betrifft (5.000,00 EUR), während er bzgl. der einfachen Gewerbeuntersagung in Ziffer 2 (15.000,00 EUR) obsiegt hat. Demnach ist der Kläger mit einer Quote von 20.000/35.000 unterlegen, was eine von ihm zu tragende Kostenquote von 4/7 ergibt, während er zu den verbleibenden 3/7 obsiegt hat, sodass der Beklagte insoweit die Kosten zu tragen hat, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Bzgl. der Abwicklungsfristen in Ziffern 3 und 4, einschließlich der daran anknüpfenden Zwangsgeldandrohungen in Ziffern 5 und 6, die vom rechtlichen Bestand der Widerrufs- bzw. Untersagungsverfügungen abhängen (vgl. ausführlich VG Würzburg, U.v. 24.6.2020 – 6 K 19.236 – BeckRS 2020, 15513, Rn. 48 ff.), hätte entsprechend der obigen Ausführungen bzgl. Ziffern 3 und 5 nach summarischer Prüfung der Beklagte obsiegt, bzgl. Ziffern 4 und 6 der Kläger, sodass insoweit die oben dargestellte Quotelung bestehen bleibt.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.