Titel:
Erfolgloser einstweiliger Rechtsschutz gegen sofortige Sicherstellung von Waffen wegen der Gefahr missbräuchlicher Verwendung
Normenkette:
WaffG § 46 Abs. 4
Leitsätze:
1. Unter dem Begriff der missbräuchlichen Verwendung iSd § 46 Abs. 4 S 1 Nr. 2 WaffG ist jeder vorsätzliche, gegen die Rechtsordnung gerichtete waffenspezifische (z.B. Drohen, Schießen, Schlagen) Gebrauch zu verstehen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anforderung des Vorsatzes ergibt sich aus der begrifflichen Abgrenzung zu der im § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ebenfalls genannten leichtfertigen Verwendung, welche in § 46 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 WaffG gerade nicht genannt ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Erfordernis der waffenspezifischen Verwendung ergibt sich aus der begrifflichen Trennung zwischen Verwendungs-, Überlassungs- und Aufbewahrungsverstößen im WaffG sowie dem Charakter des § 46 Abs. 4 WaffG als Ausnahmeregelung. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zu den Anforderungen an eine Gefahr missbräuchlicher Waffenverwendung, Waffenrecht, Waffenbesitzkarte, Waffen, sofortige Sicherstellung, Vorsatz, waffenspezifische Verwendung, Aufbewahrungsverstöße, Demenz, formeller Begründungsmangel
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32238
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
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Die Beteiligten streiten um eine sofortige Sicherstellung von Waffen im einstweiligen Rechtsschutz.
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Der am …1936 geborene, verrentete Antragsteller lebt alleine und ist Inhaber dreier Waffenbesitzkarten mit insgesamt 15 eingetragenen Kurz- und Langwaffen sowie eines Jagdscheins. Am 11.3.2024 wurde der Antragsteller durch Kontrollpersonal des Landratsamts Freyung-Grafenau einer verdachtsunabhängigen und unangemeldeten Kontrolle unterzogen. Gegenstand der Prüfung war die sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition.
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Bei der Kontrolle kam zutage, dass der Antragsteller drei Waffen in einem Nachttischkästchen verwahrte. Dabei handelte es sich um einen Revolver Weihrauch (Nr. …1), geladen mit acht Patronen, um eine halbautomatische Pistole (7,65 mm Browning) FEG Browning (Nr. …2), geladen mit vier Patronen im Magazin und einer Patrone im Patronenlager und eine halbautomatische Pistole (6,35 mm Browning) Star (Nr. …3), geladen mit vier Patronen im Magazin und einer Patrone im Patronenlager. Eine Einzellader-Flinte 12/70 (Nr. …4) war im Aufbewahrungsverhältnis mit einer Patrone Schrot (Schrot 4 mm) geladen. In einer Holztruhe am Dachboden befand sich der Lauf für die Doppelflinte Baikal (Nr. …5) und eine Repetierbüchse 22.lr (Nr. …6) mit Munition. Die Repetierbüchse 7x57 Frankonia (Nr. …7) war ohne Verschluss in einem offenen Blechschrank verwahrt. Eine nach Aussage des Antragstellers defekte halbautomatische Pistole .22lr (Nr. …8) war im Wohnzimmerschrank gelagert. Zwei Einzelladerbüchsen (Nr. …9 und …10) konnte der Antragsteller im Zeitpunkt der Kontrolle nicht vorzeigen. Diese Waffen wurden kurz darauf von der unterstützend herangezogenen Polizei in einem unversperrten Kleiderschrank aufbewahrt gefunden. Laut Gedächtnisprotokoll des Kontrollpersonals äußerte der Antragsteller vor Ort zunächst, dass möglicherweise seine Putzkraft wisse, wo sich die beiden Waffen befänden. Zusätzlich wurden noch größere Mengen an erlaubnispflichtiger Munition in einfachen Schubladen und Schränkchen im Wohnzimmer gefunden.
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Unter dem 14.3.2024 erließ das Landratsamt Freyung-Grafenau folgenden, am 20.3.2024 zugestellten Bescheid:
1. Die in den Waffenbesitzkarten Nrn. …11, …12, …13 eingetragenen vorhandenen Waffen sowie die dazugehörige Munition des Herrn … werden durch das Landratsamt Freyung-Grafenau sichergestellt.
2. Die Waffenbesitzkarten Nrn. …11, …14, …13 des Herrn …, ausgestellt durch das Landratsamt Freyung-Grafenau, Regen und der Stadt Passau und der Jagdschein …15, ausgestellt durch das Landratsamt Freyung-Grafenau werden sichergestellt.
3. Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 wird angeordnet.
4. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr von 50,00 Euro festgesetzt. Die Auslagen betragen 4,10 Euro.
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In den Gründen des Bescheids stützte das Landratsamt die Maßnahmen in Nr. 1 und 2 des Bescheids auf § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Waffengesetz (WaffG). Dabei führte das Landratsamt wörtlich aus: „Gemäß § 46 Abs. 4 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde Erlaubnisurkunden sowie Waffen oder Munition sofort sicherstellen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese missbräuchlich verwendet werden. Auf Grund des unter I. geschilderten Sachverhalts kann eine missbräuchliche Verwendung von Waffen und Munition durch Herrn … nicht ausgeschlossen werden. Die Sicherstellung war daher behördlicherseits anzuordnen.“ Weitere rechtliche Ausführungen zu den Anordnungen Nr. 1 und 2 enthält der Bescheid nicht.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 3 des Bescheids) stützte die Behörde auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei sichergestellt, dass dem Antragsteller innerhalb kürzester Zeit keine Möglichkeit mehr verbleibe, die tatsächliche Gewalt über Waffen und Munition auszuüben.
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Die Kostenanordnung stützte das Landratsamt auf Art. 1, 2, 6, 10 Kostengesetz (KG) sowie die Tarif-Nr. 2.II.7 Nr. 40 des Kostenverzeichnisses (Kvz).
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Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte mit am 19.4.2024 eingegangenem Schriftsatz Klage erheben lassen und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz ersucht.
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Der Bescheid vom 14.3.2024 sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Der Antragsteller habe keine Waffen missbräuchlich verwendet. Die drei im Nachttischkästchen vorgefundenen Waffen habe der Antragsteller im Zeitpunkt der Kontrolle gerade reinigen wollen und dabei festgestellt, dass eine der Pistolen nicht mehr richtig funktioniere. Andernfalls wären die Waffen im dafür vorgesehenen Sicherheitsbehältnis in ungeladenem Zustand verwahrt worden. Das gelte auch für die vorgefundenen Gewehre. Die im Dachboden vorgefundene Repetierbüchse und der Lauf für die Doppelflinte Baikal seien beide defekt gewesen, so dass durch die Aufbewahrung in einer Holztruhe auf dem Dachboden keine Gefährdung von Personen vorliege. Auch die im Blechschrank vorgefundene Repetierbüchse Frankonia sei defekt. Im Übrigen lebe der Antragsteller alleine in dem Haus, so dass keine Gefahr bestanden habe, dass Dritte Zugriff auf die Waffen bekämen oder die Waffen abhandenkämen. Auch besitze der Antragsteller bereits seit 50 Jahren einen Jagdschein, wobei es bislang zu keinerlei Beanstandungen gekommen sei.
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Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der am 19.4.2024 erhobenen Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Freyung-Grafenau vom 14.3.2024 wiederherzustellen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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In der Antragserwiderung vom 30.4.2024 verweist der Antragsgegner auf die Bescheidsgründe. Bei den vorgefundenen Zuständen beim Antragsteller handele es sich um waffenrechtliche Verstöße. Insbesondere habe der Antragsteller auch nach mehrmaligem Nachfragen immer noch nicht sagen können, wo die zwei noch verbliebenen Langwaffen seien. Auch die Lagerung der Munition sei rechtswidrig gewesen. Laut Kontrollpersonen des Landratsamts sowie der hinzugezogenen Polizeibeamten könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller an Demenz leide. Bei der Aussage, der Antragsteller habe die Waffen im Zeitpunkt der Kontrolle lediglich reinigen wollen, handele es sich um eine wenig glaubhafte Schutzbehauptung. Der Antragsteller habe bei der Kontrolle nichts diesbezüglich vorgetragen. Vielmehr habe er vor Ort die Aufbewahrung im Nachtschrank mit seiner Angst vor Einbrechern erklärt. Entsprechend seien die im Nachttischkästchen vorgefundenen Waffen durchgeladen gewesen. Damit könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller mit den Waffen auch auf berechtigt eintretende Personen schieße. Dass der Antragsteller alleine wohne, entbinde ihn nicht von seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung von Waffen. Die diesbezüglichen Vorschriften sollten nach obergerichtlicher Rechtsprechung auch davor schützen, dass etwaige Besucher oder Familienangehörige bei Aufenthalt in der Wohnung Zugriff auf die Waffen erhielten.
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Für die weiteren Einzelheiten wird auf die behördliche sowie die gerichtliche Akte mit den wechselseitigen Schriftsätzen verwiesen. Das Verfahren RN 4 K 24.860 wurde beigezogen.
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1. Der zulässige Antrag, den das Gericht gem. § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO so auslegt, dass er auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist, ist unbegründet.
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Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO dann, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist (hier für die Nr. 1, 2 und 4 des Bescheids) oder die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders anordnet. In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch anordnen (wenn diese aufgrund Gesetzes ausgeschlossen ist) oder wiederherstellen (wenn eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorliegt). Das Gericht trifft insoweit eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die gebotene summarische Prüfung, dass Rechtsbehelfe gegen den angefochtenen Bescheid keinen Erfolg versprechen, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung regelmäßig hinter das Vollziehungsinteresse zurück und der Antrag ist unbegründet. Erweist sich die erhobene Klage hingegen bei summarischer Prüfung als zulässig und begründet, dann besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids, und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist stattzugeben. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht ausreichend absehbar, muss das Gericht die widerstreitenden Interessen grundsätzlich im Einzelnen abwägen. Im Falle der sofortigen Sicherstellung von Waffen und Munition ist jedoch zu berücksichtigen, dass § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG die materiellen Voraussetzungen des Sofortvollzugs ausnahmsweise selbständig regelt. Diese müssen demnach nach summarischer Prüfung positiv vorliegen, andernfalls ist der Sofortvollzug kraft gesetzlicher Wertung nicht gerechtfertigt und das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Die Begründetheit eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann sich daneben auch daraus ergeben, dass die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig ist, weil sie den formellen Anforderungen nicht genügt.
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Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe stellt sich der Antrag als unbegründet dar. Zum einen kommt es vorliegend nicht auf die formelle Rechtmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung an (dazu a)). Zum anderen ergibt die summarische Prüfung, dass die erhobene Klage in dem hier interessierenden Umfang in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben wird (dazu b), weshalb das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt (dazu c)).
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a) Die vorliegend erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des Bescheids braucht ausnahmsweise nicht auf ihre formelle Rechtmäßigkeit überprüft zu werden. Dies ergibt sich daraus, dass die hier in Nr. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids angeordnete sofortige Sicherstellung vorliegend bereits gem. § 46 Abs. 4 Satz 3 WaffG kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist. Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung hat demnach nur deklaratorische Bedeutung und entfaltet keine rechtlichen Wirkungen.
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b) Bei summarischer Prüfung stellt sich die erhobene Klage in dem hier interessierenden Umfang als zulässig, aber nicht begründet dar. Der Bescheid vom 14.3.2024 ist danach voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies gilt für die in Nr. 1 und 2 angeordnete sofortige Sicherstellung der Waffen, Munition und Waffenbesitzkarten des Antragstellers (dazu (1)) als auch die in Nr. 4 enthaltene Kostenanordnung (dazu (2)).
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(1) Das Gericht geht nach summarischer Prüfung davon aus, dass Waffen, Munition und Erlaubnisurkunden des Antragstellers zu Recht sofort sichergestellt worden sind. Ermächtigungsgrundlage ist hierfür § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG.
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(a) Formelle Fehler der Anordnung, welche voraussichtlich im Zeitpunkt der Entscheidung in der Hauptsache noch beachtlich wären, sind nicht ersichtlich.
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Von einer grundsätzlich gem. Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) erforderlichen Anhörung konnte vorliegend wegen Gefahr im Verzug gem. Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG abgesehen werden. Im Übrigen wäre eine fehlende Anhörung gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG noch in der mündlichen Verhandlung des Hauptsacheverfahrens heilbar.
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Zwar spricht einiges dafür, dass im Hinblick auf die fehlende Darlegung der behördlichen Ermessenserwägungen ein formeller Begründungsmangel gegeben ist (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG). Aber auch ein solcher Begründungsmangel ist gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG im Hauptsacheverfahren heilbar, so dass hierauf nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestützt werden kann.
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(b) Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die Waffenbehörde Waffen, Munition sowie zugehörige Erlaubnisurkunden sofort sicherstellen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten erworben werden sollen.
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((1)) Vorliegend liegen ausreichende Tatsachen vor, welche die Annahme einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen und Munition des Antragstellers rechtfertigen.
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Unter dem Begriff der missbräuchlichen Verwendung i. S. d. § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG ist jeder vorsätzliche, gegen die Rechtsordnung gerichtete waffenspezifische (z.B. Drohen, Schießen, Schlagen) Gebrauch zu verstehen. Die Anforderung des Vorsatzes ergibt sich aus der begrifflichen Abgrenzung zu der im § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ebenfalls genannten leichtfertigen Verwendung (vgl. VG Augsburg, U.v. 9.4.2024 – Au 8 K 23.841 – juris Rn. 25, VG Regensburg, U.v. 08.12.2020 – RO 4 K 19.1591), welche in § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG gerade nicht genannt ist. Das Erfordernis der waffenspezifischen Verwendung ergibt sich aus der begrifflichen Trennung zwischen Verwendungs-, Überlassungs- und Aufbewahrungsverstößen im WaffG sowie dem Charakter des § 46 Abs. 4 WaffG als Ausnahmeregelung.
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Bei der anzustellenden Gefahrenprognose ist der Zweck des Waffengesetzes zu berücksichtigen, das dem Schutz höchstrangiger Rechtsgüter, namentlich Leben und Gesundheit der Allgemeinheit und der Waffenbesitzer selbst, dient. An die Gefahrenprognose dürfen vor diesem Hintergrund keine überspannten Anforderungen gestellt werden, da der aus einer missbräuchlichen Waffenverwendung resultierende Schaden erfahrungsgemäß sehr groß und folgenschwer sein kann.
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Vorliegend hat der Antragsteller nicht nur, wie vom Landratsamt zutreffend festgestellt, massive Aufbewahrungsverstöße begangen. Insoweit wird auf die Begründung des Beschlusses der Kammer vom 5.8.2024 im Verfahren RN 4 S 24.1384 mit gleichlautenden Beteiligten verwiesen. Der Antragsteller äußerte zudem vor dem Kontrollpersonal, er habe Angst vor Einbrechern, weshalb einige Waffen durchgeladen im Nachtkästchen verwahrt würden (s.o.). Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller damit rechnete, die Waffen möglicherweise gegen fremde Personen in seiner Wohnung einsetzen zu wollen. Zwar ist die Verwendung einer Waffe gegen unberechtigt eintretende Personen im Rahmen des Notwehrrechts des § 32 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich erlaubt und somit nicht per se missbräuchlich. Allerdings sind die Grenzen des Notwehrrechts zu beachten, wonach mit der Waffe zunächst nur gedroht und nur im äußersten Fall auch geschossen werden darf.
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Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller auf das Kontrollpersonal einen leicht verwirrten Eindruck machte, so dass dieses zum Ergebnis kam, eine Demenz des Antragstellers könne nicht ausgeschlossen werden. Dieser subjektive Eindruck wird durch die Tatsache bestätigt, dass der 1936 geborene Antragsteller im Zeitpunkt der Kontrolle zwei seiner eingetragenen Waffen nicht vorzeigen konnte.
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Aufgrund dieser Gesamtumstände ist das Gericht vorliegend der Auffassung, dass eine hinreichende Gefahr für eine missbräuchliche Waffenverwendung gegeben war. Der Antragsteller hat sich in erheblichem Maß als waffenrechtlich unzuverlässig erwiesen. Zusammen mit seiner ängstlichen Grundhaltung und einer möglicherweise herabgesetzten Fähigkeit, Gefahrensituationen zutreffend einschätzen zu können, besteht eine nicht von der Hand zu weisende Missbrauchsgefahr. Hierbei ist davon auszugehen, dass auch Fälle, in denen der Antragsteller über das Vorliegen oder Ausmaß einer Bedrohungssituation irrt, gleichwohl Fälle der missbräuchlichen Waffenverwendung darstellten. Aus dem Zweck des Waffenrechts als besonderes Sicherheitsrecht ergibt sich, dass ein natürlicher Vorsatz bei der Waffenverwendung hierbei ausreichend ist. Im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr kann es nur darauf ankommen, dass gewichtigen Rechtsgütern ein Schaden droht, aber nicht darauf, ob der Urheber des Schadens auch strafrechtlich verantwortlich wäre.
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((2)) Da die Voraussetzungen der sofortigen Sicherstellung von Waffen und Munition vorliegen, sind auch die Voraussetzungen der sofortigen Sicherstellung der Waffenbesitzkarten zu bejahen. Der Antragsteller hat kein schützenswertes Interesse, trotz vorzeitiger Wegnahme von Waffen und Munition noch im Besitz seiner Waffenbesitzkarten zu verbleiben.
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((3)) Ermessensfehler liegen nicht vor. Insbesondere geht die Kammer davon aus, dass kein Ermessensausfall gegeben ist. Aus der Formulierung „kann“ lässt sich entnehmen, dass sich das Landratsamt der Tatsache, dass eine Ermessensentscheidung zu treffen war, zumindest bewusst gewesen ist. Nach Auffassung der Kammer spricht einiges dafür, dass im Hinblick auf die bei jeder Missbrauchsgefahr bestehende besondere Gefahrenlage das Ermessen der Waffenbehörde im Rahmen des § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG reduziert ist (sog. intendiertes Ermessen). Im Hinblick darauf reichen die knappen Ausführungen der Behörde noch aus. Die Maßnahme war auch verhältnismäßig.
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(2) Gegen die kraft Gesetzes vollziehbare Kostenanordnung sind rechtliche Einwände weder ersichtlich noch vorgetragen. Die angeordnete Gebühr hält sich in dem gesetzlich vorgesehenen Rahmen.
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c) Da die Anordnungen in Nr. 1, 2 und 4 des Bescheids voraussichtlich rechtmäßig sind, überwiegt vorliegend das öffentliche Vollzugsinteresse. Es ist kein Grund ersichtlich, von der gesetzlichen Regelung des Sofortvollzugs abzuweichen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Dieser Auffangstreitwert von 5.000 € ist gem. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs im vorläufigen Rechtsschutz zu halbieren.