Titel:
Zur Vernichtung oder Beseitigung eines Identitäts- oder Reisedokuments als mutwillig
Normenkette:
AsylG § 30 Abs. 1 Nr. 4
Leitsatz:
§ 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG setzt nach der Gesetzesbegründung und nach dem Wortlaut der Neufassung „mutwillig“ voraus, dass nicht jede Vernichtung oder Beseitigung eines Identitäts- oder Reisedokuments zu einer Qualifizierung der Ablehnung eines unbegründeten Asylantrags als offensichtlich unbegründet führt, sondern allein eine solche, die im Ergebnis die sichere Feststellung von Identität oder Staatsangehörigkeit des Asylsuchenden verhindert hat. (Rn. 26)
Schlagworte:
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in den Iran, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung des internationalen Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat., Iran, offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Abschiebungsandrohung, Feststellung der Identität, mutwillig
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32230
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage RO 4 K 24.32846 gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.10.2024 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in den Iran, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung des internationalen Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat.
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Der am …1989 geborene Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger mit persischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste am 05.02.2023 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik ein und stellte am 02.05.2023 einen förmlichen Asylantrag.
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Bei Asylantragstellung übergab der Antragsteller dem Bundesamt seinen iranischen Personalausweis. Bei der Anhörung am 12.06.2023 gab der Antragsteller an, dass der Schleuser gesagt habe, dass er seinen Pass vernichten solle, weswegen er seinen Pass im Flugzeug vernichtet habe.
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Dem Bericht der Bundespolizei über den Aufgriff des Antragstellers am 05.02.2023 am Flughafen München kann entnommen werden, dass der Antragsteller ohne Dokumente und nur mit Handgepäck am Flughafen aufgegriffen worden sei. Bei der Absuche des Flugzeuges, mit welchem der Antragsteller aus Doha nach München geflogen sei, habe sich in dem Mülleimer auf der Toilette ein zerrissener polnischer sowie ein zerrissener iranischer Reisepass befunden, die sichergestellt worden seien. Bei einer Abfrage habe sich ergeben, dass der polnische Reisepass als gestohlen gemeldet gewesen sei und man habe bei genauerer Untersuchung feststellen können, dass das Dokument verfälscht worden sei. Der Antragsteller gab an, den gefälschten polnischen Reisepass von dem Schleuser erhalten zu haben.
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Ferner führte der Antragsteller in der Anhörung am 12.06.2023 aus, dass er bis wenige Tage vor seiner Ausreise am 05.02.2023 zusammen mit seinen Eltern in …d, Stadt Galeh Dar in dessen Eigentumshaus gelebt habe. Diese würden noch immer dort leben. Zudem habe er noch vier Brüder und vier Schwestern sowie die Großfamilie im Heimatland. Er habe nach seinem Abitur Ingenieur für Industriestrom an der freien islamischen Universität in Kazerun studiert und einen Bachelor absolviert. Er habe bis zum 28.01.2023 bei einer staatlichen Firma in Galeh Dar im Bereich der Telekommunikation gearbeitet. Dabei habe er 12 Millionen Toman erhalten zzgl. Entgelt für Überstunden und Außendienste. Die Kosten der Ausreise (15.000 Euro) habe er aus seinen Ersparnissen finanziert.
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Zu den Gründen der Ausreise aus dem Iran befragt, gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er am 28.01.2023 gekündigt worden sei, nachdem die Herazat ihm mitgeteilt habe, dass er Personen zum Streik eingeladen habe und Unruhe stifte. Man habe ihm Tonaufnahmen vorgespielt und Videos gezeigt, auf welchen der Antragsteller zu sehen sei, wie er Parolen auf die Wand bzw. ein Schild am Kreisverkehr geschrieben habe und am 07.12.2022 an einer Demonstration teilgenommen habe. Sie hätten insgesamt vier Akten und könnten den Antragsteller für 20 Jahre ins Gefängnis bringen. Man habe dem dem Antragsteller angeboten, dass er dies mindern könne, wenn er helfen würde herauszufinden, was am 11.02.2023 geplant sei. Der Antragsteller habe gesagt, dass er mit keiner Organisation zusammenarbeiten würde. Er sei lediglich Mitglied auf einer Seite, welche sich junge Leute von Galeh Dar nennen würde. Sie hätten ihm gesagt, dass sie ihn vernichten würden. Er dürfe die Stadt nicht verlassen und sie würden ihn beobachten. Daraufhin habe der Antragsteller Kontakt zu einem Schleuser aufgenommen, der ihm nach wenigen Tagen in Doha einen gefälschten Reisepass am Flughafen übergeben habe. Dieser habe ihm auch gesagt, dass er mit seinem eigenen Reisepass durch die Passkontrolle am Flughafen Isfahan gehen solle, unabhängig davon, ob er eine Ausreisesperre habe oder nicht.
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Nach den Gründen befragt, die einer Rückkehr in den Iran entgegenstünden, gab der Antragsteller an, dass er, wenn er nicht hingerichtet werden würde, lebenslange Haft erhalten würde. Eine Woche nach seiner Ausreise habe man das Haus seiner Eltern durchsucht, insbesondere die persönlichen Sachen des Antragstellers. Die Firma seines Bruders habe man zunächst geschlossen und er habe keine Aufträge mehr erhalten. Sodann habe sein Bruder aber seine Firma wiedereröffnen dürfen. Der Cousin habe ihm erzählt, dass die Männer die das Haus durchsucht und seinen Bruder verhört hätten, Männer vom Eteelaat gewesen seien.
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Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 21.10.2024 die Anträge auf Asylanerkennung (Nr. 2), auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) bzw. des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurde festgestellt (Nr. 4). Unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche wurde die Abschiebung in den Iran angedroht. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrages ausgesetzt (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Die Ablehnung als offensichtlich unbegründet wird auf § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG gestützt, wonach eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet zu erfolgen habe, wenn der Ausländer ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat oder die Umstände offensichtlich diese Annahme rechtfertigen. Der Antragsteller habe auf Anraten des Schleusers seinen Reisepass vernichtet. Nachvollziehbare Gründe habe er hierfür nicht nennen können. Der Anwendbarkeit der Norm könne nicht entgegengehalten werden, dass der Antragsteller mit seiner ID Karte ein Papier vorgelegt habe, dass seine Identitätsermöglichung erlaubt habe. Insbesondere sei der Wortlaut der Norm nicht so zu verstehen, dass die Sanktionierung der Ablehnung als offensichtlich unbegründet vom Erfolg einer damit vereitelten Bestimmung des Herkunftslandes oder der Identität abhängen würde, der Tatbeststand also nicht erfüllt wäre, wenn auf anderem Wege eine solche Bestimmung erfolgen könnte. Eine Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit durch den Antragsteller sei in § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG im Gegensatz zu Nr. 3 der Norm gerade nicht verlangt. Auch auf eine Täuschungsabsicht könne es nicht ankommen. Dies ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung. Nach dem Willen des Gesetzgebers erfasse die Neufassung die nach bisheriger Rechtslage in § 30 Abs. 1 Nr. 2 und 5 (gemeint ist: Abs. 3 Nr. 2 und 5) geregelten Fälle (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung vom 23.12.2023, – BT-Drucks. 20/9463, S.58). Durch den hier erfolgten Verweis auf § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG a.F. sei indes der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylG eröffnet, der die Vorlagepflicht von Pass- oder Passersatzpapieren begründe. Mithin würde durch § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG a.F. die Verletzung dieser spezifischen Pflicht durch Ablehnung eines unbegründeten Antrags als offensichtlich unbegründet sanktioniert. Eine Auslegung, die eine Tatbestandsverwirklichung bei Vorlage eines anderen Ausweises oder gar einer anderen Möglichkeit der Identitätsfeststellung (im Sinne einer erlangten Überzeugung) verneinen würde, stünde im Widerspruch sowohl zu der konkreten Anwendbarkeitserklärung der Norm wie auch zu der allgemeinen Gesetzesbegründung des als Gesetz zur Verbesserung der Rückführung bezeichneten Gesetzeswerks. Dessen erklärtes Ziel sei, „dass gesetzliche Regelungen, die Abschiebungsmaßnahmen verhindern oder zumindest erschweren, angepasst werden sollen“ (Gesetzesbegründung, BTDrucks. 20/9463, S. 1).
10
Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 06.11.2024 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.
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Am 07.11.2024 erhob der Antragsteller persönlich Klage (RO 4 K 24.32846) und stellte gleichzeitig einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz. Eine Begründung erfolgte nicht.
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Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides vom 21.10.2024 enthaltende Abschiebungsandrohung anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der in elektronischer Form vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakten im Hauptsache- und Eilrechtschutzverfahren (RO 4 K 24.32846, RO 4 S 24.32845) Bezug genommen.
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Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 Asylgesetz (AsylG) durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin.
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Das Begehren des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamts anzuordnen, ist zulässig und begründet.
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A) Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Er wurde auch fristgerecht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung gem. § 36 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG erhoben.
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B) Der Antrag ist begründet.
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei der Abwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren nur erforderliche und mögliche summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts zunächst verschont zu bleiben, zurück. Erweist sich umgekehrt der Bescheid nach vorläufiger Prüfung als rechtswidrig, wird das Gericht die aufschiebende Wirkung in der Regel anordnen, da kein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheids besteht. Ist der Ausgang des Verfahrens nicht absehbar, bleibt es bei der allgemeinen Interessenabwägung.
20
Die Aussetzung der Abschiebung darf gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil oder der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Übrigen bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG v. 14.05.1996 – a. a. O.).
21
1. Dies zugrunde gelegt bestehen für das Gericht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet.
22
a) Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG liegen nach summarischer Prüfung nicht vor.
23
Das Bundesamt hat hier unter Berufung auf § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG die Anträge auf Asyl- und Flüchtlingsanerkennung sowie auf Zuerkennung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es hat sich zur Begründung dieser Entscheidung darauf berufen, dass der Antragsteller im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben habe, unter anderem seinen iranischen Originalpass auf Empfehlung des Schleusers im Flugzeug auf dem Weg von Doha nach München vernichtet zu haben.
24
Nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat oder die Umstände offensichtlich diese Annahme rechtfertigen. Die Voraussetzungen für eine hierauf gestützte Offensichtlichkeitsentscheidung liegen hier jedoch nicht vor.
25
§ 30 AsylG hat durch Artikel 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21.022024 (BGBl. 2024, Nr. 54 vom 26.02.2024), in Kraft getreten am 27.02.2024, eine für die vorliegend zu treffende Entscheidung maßgebliche Neufassung erhalten. Insoweit soll § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG n. F. nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 24.11.2023 der Umsetzung von Art. 32 Abs. 2 i. V. m. Art. 31 Abs. 8 lit. d der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Asylverfahrensrichtlinie) dienen, denen zufolge die Mitgliedstaaten einen unbegründeten Antrag als offensichtlich unbegründet betrachten können, wenn angenommen werden kann, dass der Antragsteller ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat. Die Neufassung soll nach der Gesetzesbegründung die nach bisheriger Rechtslage in § 30 Abs. 3 Nrn. 2 und 5 AsylG a. F. geregelten Fälle der Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit durch Vernichtung oder Beseitigung eines Identitäts- oder Reisedokuments erfassen. (vgl. BT-Drucksache 20/9463, S. 56; vgl. hierzu auch VG Dresden, B.v. 06.03.2024 – 2 L 116/24.A –, Rn. 13).
26
Entgegen der Auffassung des Bundesamts wird aus der Gesetzesbegründung und auch aus dem Wortlaut der Neufassung „mutwillig“ deutlich, dass nicht jede Vernichtung oder Beseitigung eines Identitäts- oder Reisedokuments zu einer Qualifizierung der Ablehnung eines unbegründeten Asylantrags als offensichtlich unbegründet führen soll, sondern allein eine solche, die im Ergebnis die sichere Feststellung von Identität oder Staatsangehörigkeit des Asylsuchenden verhindert hat. Denn Mutwilligkeit liegt nur bei einem vorsätzlichen oder absichtlichen Handeln mit dem konkreten Zweck der Verschleierung vor, um die Feststellung der Identität oder auch eine Abschiebung zu verhindern oder zu erschweren. Denn nur dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass gerade das vernichtete oder beseitigte Personaldokument die Feststellung von Identität oder Staatsangehörigkeit „ermöglicht hätte“. Bestehen aber aus anderen Gründen keine Zweifel an Identität und Staatsangehörigkeit des Asylsuchenden, hat sich die Vernichtung oder Beseitigung des Personaldokuments auf deren Feststellung nicht ausgewirkt (so auch: VG Würzburg, B.v. 10.10.2024 – W 8 S 24.31970 – juris Rn. 25; VG München, B.v. 17.9.2024 – M 25 S 24.32692 – juris Rn. 20; VG Düsseldorf, B.v. 29.08.2024 – 30 L 2228/24.A – juris; VG Berlin, B. v. 26.07.2024 – VG 4 L 326/24 A – juris; VG Schleswig, U.v. 04.07.2024 – 10 A 161/24 – juris Rn 57 f; VG Aachen, B.v. 26.04.2024 – 10 L 265/24.A; VG Köln, B.v. 19.04.2024 – 23 L 511/24.A –, Rn. 10; vgl. zur Altfassung des § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG: VG Ansbach, B.v. 04.09.2020 – AN 4 S 20.30768 –, juris, Rn. 17 f.).
27
Ausgehend hiervon führt die von dem Antragsteller eingeräumte Vernichtung des Originalpasses nicht zu einer Qualifizierung der Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet. Denn das Bundesamt hatte ausweislich der Akte keinerlei Zweifel an der Identität des Antragstellers. Dieser hat zwar bei Asylantragstellung nicht seinen Originalpass vorgelegt, aber seine Identität und Staatsangehörigkeit jedoch durch die Vorlage anderer Dokumente nachweisen können. Insoweit hat er insbesondere seinen Personalausweis vorgelegt, dessen Authentizität das Bundesamt nach einer durchgeführten Dokumentenprüfung ausdrücklich nicht in Zweifel gezogen, sondern vielmehr – neben dem Gesamteindruck in der persönlichen Anhörung und den Angaben des eingesetzten Dolmetschers – der aktenkundig gemachten Feststellung zugrunde gelegt hat, dass Zweifel an Identität und Herkunft des Antragstellers nicht bestehen. Bei dieser Sachlage erweist sich die Vernichtung des Reisepasses im vorliegenden Zusammenhang als unschädlich.
28
Ob der Offensichtlichkeitsentscheidung vorliegend darüber hinaus bereits entgegensteht, dass der Antragsteller seinen Reisepass im Flugzeug, also noch vor der Einreise nach Deutschland und damit zu einem Zeitpunkt vernichtet hat, in dem er noch gar nicht dem Regime des Asylgesetzes unterfiel, kann daher dahinstehen (vgl. zu einer (fehlenden) Verletzung von Mitwirkungspflichten durch die Vernichtung bzw. Beseitigung eines Passes vor Asylantragstellung unter Geltung der früheren Rechtslage etwa: Blechinger, in: BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, 18. Edition, Stand: 15.01.2024, § 30 AsylG Rn. 78; VG Ansbach, B.v. 04.09.2020 – AN 4 S 20.30768 – juris, Rn. 14; VG Leipzig, B. v. 27.05.2019 – 4 L 492/19.A – juris, Rn. 17 f).
29
b) Dass die Offensichtlichkeitsentscheidung auf die weiteren Qualifizierungstatbestände des § 30 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 oder Nrn. 5 bis 9 AsylG gestützt werden könnte, ergibt sich aus dem bisherigen Akteninhalt ebenfalls nicht. Die im Bescheid dargelegten Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Asylvorbringens mögen daher unter Umständen eine (einfache) Unbegründetheit des Asylantrags rechtfertigen, an dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Qualifizierung der Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet bestehen jedoch ernstliche Zweifel. Auch das Bundesamt ist insoweit nicht von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ausgegangen.
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2. Die auf dem Offensichtlichkeitsurteil gem. § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG beruhende Abschiebungsandrohung wird sich daher in der Hauptsache voraussichtlich als rechtswidrig erweisen, sodass das Interesse des Antragstellers überwiegt, jedenfalls bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache von einer Abschiebung nach Iran verschont zu bleiben.
31
Aus diesem Grund ist unter Beachtung der oben genannten Maßstäbe die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Zeitpunkt der Entscheidung anzuordnen und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
32
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
33
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).