Titel:
Krankenhausrecht, Spezialversorger/zwingende Erforderlichkeit für die Notfallversorgung (verneint)
Normenkette:
SGB V § 136c
Schlagworte:
Krankenhausrecht, Spezialversorger/zwingende Erforderlichkeit für die Notfallversorgung (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3215
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klinik der Klägerin ist im Krankenhausplan des Freistaates Bayern mit den Fachrichtungen Chirurgie, Gynäkologie und Orthopädie (Stand 1. Januar 2019 und 1. Januar 2020) bzw. Chirurgie und Gynäkologie (Stand 1. Januar 2021) mit 105 Betten eingetragen. Sie steht rund um die Uhr für die Notfallversorgung zur Verfügung, eine spezifische Aufgabe der Notfallversorgung ist im Krankenhausplan allerdings nicht festgelegt.
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Mit Schreiben vom … Januar 2019 beantragte die Klägerin die Ausweisung als Spezialversorger.
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Nach Anhörung der Klägerin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16. August 2021, zugestellt am 30. August 2021, die Anträge auf krankenhausplanerische Ausweisung als Spezialversorger im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 der Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V – (Nfst-R) sowie die Anträge auf Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 Nfst-R der Klägerin für die Jahre 2019, 2020 und 2021 ab.
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Die Klinik erfülle aufgrund der nicht am Standort vorgehaltenen Fachabteilung Innere Medizin nicht die Voraussetzungen der in § 3 Abs. 1 Nfst-R vorgesehenen Stufen der Notfallversorgung (Basisnotfallversorgung, erweiterte Notfallversorgung, umfassende Notfallversorgung). Jedoch könne die Landeskrankenhausplanungsbehörde gemäß § 4 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R das Vorliegen einer speziellen Notfallversorgung feststellen. Nach den Gründen des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) könnten Spezialversorger diejenigen Krankenhäuser sein, die entweder krankenhausplanerisch festgelegte spezifische Aufgaben der Notfallversorgung erfüllten oder nach krankenhausplanerischen Festlegungen für die Notfallversorgung in einer Region dringend benötigt würden. Eine krankenhausplanerische Festlegung als Spezialversorger aufgrund Erfüllung einer spezifischen Aufgabe der Notfallversorgung oder aufgrund dringender Erforderlichkeit der Klinik für die Notfallversorgung in der Region sei nicht erfolgt. Neben den in den Tragenden Gründen des GBA-Beschlusses benannten spezifischen Aufgaben der Notfallversorgung wie in der Schlaganfall- und Herzinfarktversorgung könne auch die Versorgung im Bereich der Lungen- und Bronchialheilkunde [darunter] fallen. Eine solche Lage bestehe im Hinblick auf die ausgewiesenen Fachrichtungen und Darlegungen der Klinik aber nicht. Im Übrigen erfolge die Notfallversorgung von Patienten mit dementsprechenden Diagnosen durchaus in den weiteren Kliniken des Rettungsdienstbereiches M.. Von einer dringenden Erforderlichkeit der Klinik für die Notfallversorgung in der Region sei entsprechend dem Beschluss des Krankenhausplanungsausschusses (KPA) vom 20. Oktober 2020 auszugehen, wenn ein Krankenhaus im Rettungsdienstbereich nach Art. 4 Abs. 2 Bayerisches Rettungsdienstgesetz (BayRDG) i.V.m. Anlage 1 zu § 1 Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (AVBayRDG) die einzige Fachklinik in einer der Fachrichtungen Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten oder Urologie laut Krankenhausplan sei und im Vorjahr der Antragstellung mindestens 365 Patienten, also durchschnittlich 1,0 Notfallpatient/-in pro Tag, laut IVENA-Auswertung per Rettungsdienst sowie ärztlicher Notfallüberweisung in die Fachklinik eingeliefert worden seien. Die Klägerin decke mit den ausgewiesenen Fachrichtungen der Jahre 2019, 2020 und 2021 keine der vorgenannten Fachrichtungen ab. Weder die Teilnahme am Durchgangsarztverfahren noch die besondere unfallchirurgische Kompetenz, die notfallbezogenen stationären Weiterbildungsbefugnisse oder die Zentrumszertifizierung in den Bereichen Endoprothetik, Adipositaschirurgie bzw. Minimalinvasive Chirurgie (MIC) und Endometriose vermöchten spezifische Aufgaben in der Notfallversorgung im Sinne der Nfst-R zu begründen bzw. stellten keine stationäre Erstversorgung von Notfallpatienten dar. Auch fehle es an einem klar definierten, ansonsten in Bezug auf die Notfallversorgung nicht gewährleisteten Versorgungsauftrag, da entsprechende Angebote im Rettungsdienstbereich M. an mehreren anderen Krankenhäusern, teils in wenigen Kilometern Entfernung, verfügbar seien. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung der zwingenden Notwendigkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung lägen nicht vor. Grundlage seien in gängiger Praxis des Beklagten die Beschlüsse des KPA vom 6. Mai 2019 und 20. Oktober 2020. Danach sei erforderlich, dass der tatsächliche Anteil des jeweiligen Krankenhauses an den Rettungsdiensteinsätzen bezogen auf die ausgewiesenen Rettungsdienstbereiche im Vorjahr der Antragstellung im Jahresdurchschnitt mindestens 1,5% der per Rettungsdienst eingelieferten Patienten im Rettungsdienstbereich betragen habe. Alternativ wäre ausreichend, wenn im Vorjahr der Antragstellung mindestens 600 Patienten per Rettungsdienst in das Krankenhaus eingeliefert worden seien. Dies entspreche einem Wert von über 1,5 Notfallpatienten pro Tag. Weiterhin wäre es ausreichend, wenn im Vorjahr der Antragstellung mindestens 1.100 Patienten laut IVENA-Auswertung per Rettungsdienst in das Krankenhaus eingeliefert worden seien. Für 2019 sei die Klägerin nicht als aufnehmendes Krankenhaus ausgewiesen. In den Jahren 2017 und 2018 sei vom Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) ein Wert von 0,1% dokumentiert worden. Im Jahr 2018 seien 80 Notfallpatienten per Rettungsdienst bei der Klägerin eingeliefert worden.
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Hiergegen erhoben die Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom … September 2021, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am 16. September 2021, Klage und beantragten,
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den Bescheid des Beklagten vom 16. August 2021 aufzuheben,
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den Beklagten zu verpflichten, durch Erteilung eines Feststellungsbescheides anzuerkennen, dass die Klägerin in den Jahren 2019, 2020 und 2021 die Voraussetzungen für die Notfallversorgung als Spezialversorger nach § 26 Nfst-R erfüllt und auszuweisen, dass die Klägerin seit 2019 an der strukturierten Notfallversorgung teilnimmt.
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hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über die Anträge der Klägerin auf Teilnahme an der strukturierten Notfallversorgung und Ausweisung als Spezialversorger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass spezifische Aufgaben der Notfallversorgung krankenhausplanerisch im Freistaat Bayern nicht festgelegt seien. Der Begriff „Notfall“ sei in den Bayerischen Krankenhausplänen 2020 und 2021 lediglich für zwei Einzelfälle ausgewiesen worden. Als Maßstab für das Verwaltungshandeln habe sich der Beklagte demnach an § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 Nfst-R zu orientieren. Es fehle bereits bei erster Betrachtung an einer Systematik des Verwaltungshandelns, was dessen Willkür verdeutliche. Der Beklagte knüpfe seine Entscheidung an die Fachlichkeit, hier das Gebiet der „Lungen- und Bronchialheilkunde“ an, welches nicht gesondert im Krankenhausplan ausgewiesen sei. Die Klägerin vertrete das Gebiet der Unfallchirurgie, das ebenfalls krankenhausplanerisch nicht hervorgehoben sei, obwohl es für die Notfallversorgung von besonderer – sogar existenzieller – Bedeutung sei. Dies sei auch die Schlussfolgerung der sog. „Münchner Studie“ gewesen. Weiterhin sei auch die Bewertung des Beklagten in Bezug auf die Teilnahme der Klägerin am Durchgangsarztverfahren fehlerhaft. Richtig sei, dass die Notfallversorgung bei der Klägerin unmittelbar beim Durchgangsarzt erfolge. Weiter willkürlich sei auch die Begrenzung der Notfallaufnahmen auf Einlieferungen durch Rettungsdiensttransporte. Nicht berücksichtigt werde hiermit, dass die Notfallversorgung sich in drei Sektoren abspiele, zwischen denen Patienten ein Wahlrecht hätten. Aus einer aufgeführten Tabelle folgt, dass die Klinik im Jahr 2018 3131 ausschließlich ambulante und 524 stationäre Notfallaufnahmen, im Jahr 2019 2961 ausschließlich ambulante und 513 stationäre Notfallaufnahmen, im Jahr 2020 2273 ausschließlich ambulante und 1097 stationäre Notfallaufnahmen und im Jahr 2021 2325 ausschließlich ambulante und 392 stationäre Notfallaufnahmen hatte. Es werde hiermit deutlich, dass die Klägerin die durch den Beklagten geforderte Anzahl an Notaufnahmen zur Anerkennung als Spezialversorger in Bezug auf die tatsächlichen Notaufnahmezahlen erfülle. Dies dokumentiere nachweislich die Aufnahmebereitschaft der Klinik. Generell werde statistisch davon ausgegangen, dass innerhalb einer Notaufnahme eines Krankenhauses das Verhältnis zwischen stationären und ambulanten Notfallaufnahmen 40% zu 60% betrage. Die Notfallambulanz der Klinik entspreche dieser statistischen Struktur. Ein sachlicher Grund zur Begrenzung auf Notaufnahmen mit ausschließlicher Rückführung auf einen Rettungsdiensteinsatz sei weder ersichtlich noch werde dieser durch den Beklagten vorgetragen.
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Der Beklagte beantragte,
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Zur Begründung wurde zunächst auf den Bescheid verwiesen. Aus einer dem Schreiben beigefügten Auswertung der INM-Daten ergeben sich für das Jahr 2017 71 Einlieferungen durch den Rettungsdienst im Rettungsdienstbereich M. und ein Anteil von 0,1%, für das Jahr 2018 76 Einweisungen und ein Anteil von 0,07%, für das Jahr 2019 65 Einweisungen und ein Anteil von 0,05% und für das Jahr 2020 107 Einweisungen und ein Anteil von 0,1%. Ergänzend wurde insbesondere ausgeführt, die von der Klinik wahrgenommenen Fachrichtungen würden in diesem Dienstbereich von einer Vielzahl von Kliniken aller Versorgungsstufen erfüllt, so insbesondere auch vom Universitätsklinikum sowie vom Klinikum rechts der Isar. § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R gewähre keinen gebundenen Anspruch auf eine entsprechende Entscheidung der Krankenhausplanungsbehörde. § 8 Abs. 2 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) könne auf die hier notwendige anderweitige krankenhausplanerische Ausweisung übertragen werden, wie sich insbesondere auch aus § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R ergebe. Die Entscheidung treffe der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Willkürverbots auf der Grundlage der Entscheidungen des KPA vom 6. Mai 2019 und 20. Oktober 2020, der Hinweise zum Antragsverfahren vom 18. Januar 2021 und eines internen Vermerks über die dort aufgestellten spezifischen Kriterien, um eine einheitliche Anwendung im Landesgebiet sicherzustellen. Die dort genannten Kriterien seien sachgerecht und griffen verschiedene Erwägungen in den Tragenden Gründen zum GBA-Beschluss auf. Ziel sei die finanzielle und organisatorische Sicherstellung einer funktionierenden Notfallversorgung. Danach habe der Krankenhausplanungsträger die in seinem Zuständigkeitsbereich erforderlichen Strukturen zu beurteilen und gegebenenfalls durch erforderliche weitere Fachrichtungen zu ergänzen. Dieser Systematik folge die Notfallstufenregelung. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nfst-R seien auch Krankenhäuser, die aufgrund Nichtteilnahme an der Notfallversorgung abschlagspflichtig seien, zur allgemeinen Hilfeleistung im Notfall weiterhin verpflichtet und zur Abrechnung berechtigt. In den Tragenden Gründen werde zu § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 Nfst-R ausgeführt, dass es sich um bereits krankenhausplanerisch festgelegte spezifische Aufgaben der Notfallversorgung handeln müsse, die hier nicht vorlägen. Der Beklagte habe auf der Grundlage der KPA-Beschlüsse neben den Bereichen der Schlaganfall- und Herzinfarktversorgung auch die Bereiche Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Gynäkologie und Geburtshilfe mit einbezogen. Grund für diese Regelung sei im Hinblick auf die Fachkliniken für Lungen- und Bronchialheilkunde insbesondere die Erfahrung während der Corona-Pandemie gewesen, die diesen Bereich als spezifische Aufgaben der Notfallversorgung habe erscheinen lassen. Dies gelte erst recht für Kliniken mit spezialisierten Fachbereichen, die mit dem Aufgabenzuschnitt von Notfallkliniken vergleichbar seien, wie insbesondere die Geburtshilfe, bei der im Hinblick auf die im Wesentlichen mit einer Notfallaufnahme vergleichbaren Aufgabenstellung eine 24/7 zur Verfügung stehende Bereitschaft aufrechtzuerhalten sei. Dem komme die Klägerin mit dem von ihr angebotenen Behandlungsspektrum nicht nach. Eine krankenhausplanerische Festlegung als Spezialversorger nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 Var. 2 Nfst-R sei nicht möglich. Die Erwägungen der Krankenhausplanungsbehörde orientierten sich an Nr. 2.27 der Tragenden Gründe des GBA-Beschlusses. Eine derartige Leistung werde von der Klägerin aber nicht angeboten. Auch eine Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 Nfst-R komme nicht in Betracht. Die zwingende Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung von Krankenhäusern könne nicht in der Übernahme allgemeiner Krankenhausbehandlungen gesehen werden, zu der jedes Krankenhaus bereits nach den gesetzlichen Regelungen zur Hilfeleistung verpflichtet sei. Als sachgerechtes spezifisches Kriterium sei daher die Zahl der Einlieferungen festgestellt worden, die durch die Rettungsdienste vorgenommen worden seien. Anhand der Auswertungen der Statistik des INM bestehe die Möglichkeit, die Erforderlichkeit eines Krankenhauses für die Gewährleistung der Notfallversorgung zu dokumentieren.
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Mit Schriftsatz vom … Januar 2023 wiederholte bzw. vertiefte die Klägerseite ihren Vortrag und führte ergänzend im Wesentlichen aus, der Hinweis auf die Fachrichtungen anderer Kliniken im Rettungsdienstbereich erfolge ausschließlich pauschal. Das Abstellen auf Rettungsdienstbereiche stelle in der Krankenhausplanung einen systematischen Bruch dar, den der Beklagte nicht erläutere. Seine Entscheidung sei in vielgehender Hinsicht als ermessensfehlerhaft zu beurteilen. Die Klägerin werde durch die Ablehnung einer Feststellung als Spezialversorgerin massiv in ihren Grundrechten, hier in Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), verletzt. Die Zuweisung des chirurgischen Versorgungsauftrags beinhalte als einzige Zuweisung eines ärztlichen Fachgebiets einen zentralen Eingriff in den Kernbereich, da gemäß Gebietsdefinition des ärztlichen Weiterbildungsrechts die Notfallbehandlung im Wortlaut bereits zum ärztlichen Fachgebiet der Chirurgie gehöre. Daraus folge, dass erhöhte Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Eingriffs zu stellen seien, was somit auch für die Ermessensprüfung des Beklagten gelte. Zudem führe weder der KPA noch der Beklagte aus, woraus sich die Geeignetheit und Erforderlichkeit des Mittels für die Gewährleistung der Teilnahme an der Notfallversorgung (Datenerhebung des INM über die Rettungsdiensteinsätze) ergebe. Der KPA stelle ausschließlich formal auf das Transportmittel „Rettungsdiensteinsatz“ ab. Für ein strukturiertes Handeln der Behörde wäre aber auch im Grundsatz erforderlich, dass das Ziel festgestellt werde. Fehle eine entsprechende Dokumentation, so indiziere das bereits einen Ermessensfehlgebrauch. Mittels des – undatierten – Vermerks des Beklagten gelange zum Ausdruck, dass dieser lediglich versucht habe, sich die Gliederung der Nfst-R des GBA durch Wiederholung zu eigen zu machen. Sowohl der Notfallbegriff als auch die Regelung des § 26 Nfst-R mit dem Begriff des Spezialversorgers wäre aber auslegungs- und klärungsbedürftig gewesen. Zu ergänzen sei, dass die Klägerin im Landkreis München-Land die einzige Klinik mit einer Beteiligung am stationären Durchgangsarztverfahren sei. Die fehlende Klärung des Ermessensbereichs sei sowohl ein sog. Ermessensnichtgebrauch, der ein Organisationsverschulden des Beklagten in Bezug auf die wissentliche unausgewogene Ausgestaltung der Notfall-Spezialversorgung beinhalte, als auch als sog. „Ermessensfehlgebrauch“ zu bewerten. Der Beklagte gebe zudem die Tragenden Gründe zu § 26 Nfst-R fehlerhaft wieder, so dass der Eindruck entstehe, die Regelung oder deren Gründe würden selbst auf den Rettungsdienstbereich verweisen. Die Verknüpfung von Notfallbehandlung und Rettungsdiensteinsatz ergebe sich weder aus der Bedeutung des Begriffs Notfall, der Nfst-R noch aus einer sonstigen gesetzlichen Regelung. Falsch und wider die Denkgesetze der Logik sei auch die Darstellung des Beklagten, dass es sich bei fehlendem Rettungsdiensteinsatz um eine allgemeine Krankenhausbehandlung handeln könnte, zu der die Klägerin verpflichtet sei. Weiter widersprüchlich sei, dass das durch den Beklagten gewählte Kriterium eine Teilhabe an der Vergabe durch die Rettungsleitstellenorganisation voraussetze. Die Verteilung von Rettungsfahrten durch die Leitstelle werde grundsätzlich auf Basis der Regelnotfallversorgung nach §§ 8 ff. Nfst-R erfolgen. Aufgrund des fehlenden Status der Klägerin als Regelnotfallversorgerin werde sie an der Vergabe von Rettungsdiensteinsätzen nur unwesentlich beteiligt. Soweit der Beklagte darauf hinweise, dass die von der Klinik wahrgenommenen Fachrichtungen im Rettungsdienstbereich M. von einer Vielzahl von Kliniken aller Versorgungsstufen erfüllt würden, handele es sich hier nicht um Spezial-, sondern um Notfallversorger. Das Abstellen auf Rettungsdiensteinsätze führe zur Ungleichbehandlung zwischen Kliniken, die als Spezialversorger anerkannt seien, und der Klägerin. Die fehlende Ermessensausübung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zudem sei die fehlende Ausweisung der Klägerin als Spezialversorgerin als Unternehmenseingriff i.S.d. Art. 12 Abs. 1 GG zu werten. Die Begrenzung des Umfangs der Leistungserbringung durch die Nfst-R beinhalte für ein Krankenhaus eine gesetzliche Regelung der Modalitäten der Berufsausübung, die zweckmäßig und verhältnismäßig sei. Sofern die Leistungen – wie beim Fachgebiet der Chirurgie – zum Kernbereich des Fachgebiets gehörten, beinhalte die Nfst-R aber eine sog. „Berufswahlregelung“, d.h. der Eingriff müsse zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts zwingend erforderlich sein. Die bundesrechtliche sozialversicherungsrechtliche Regelung führe bei der Klägerin aufgrund der objektiv berufsregelnden Tendenz zur Vernichtung der Notfallstrukturen. Aufgrund des massiven Eingriffs und der vielfachen strukturellen Fehlerwägungen sei das krankenhausplanerische Ermessen auf Null reduziert und die Klägerin im besonderen Einzelfall als Spezialversorgerin anzuerkennen.
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Der Beklagte führte hierzu am 11. April 2023 im Wesentlichen aus, eine gewisse Pauschalität und Zusammenfassung der Kliniken nach dem Kriterium der ausgewiesenen Fachrichtung sei zur Feststellung einer Spezialversorgereigenschaft notwendig, gerade, da es nicht Ziel der Krankenhausplanung sei, die innere Struktur der Krankenhäuser zu reglementieren und dadurch die Möglichkeit eigentypischer und innerer struktureller Entwicklungen in den einzelnen Krankenhäusern zu hemmen und den Freiraum der öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Träger ohne sachliche Notwendigkeit zu schmälern. Entgegen der Ansicht der Klägerin liege kein Ermessensfehler hinsichtlich der Frage vor, ob Rettungseinsätze und deren Anzahl als Kriterium für das Ziel einer finanziellen und organisatorischen Sicherstellung einer funktionierenden Notfallversorgung geeignet und zielführend seien. Der Rettungsdienst sei einer etwaigen akutstationären Versorgung funktional vorgelagert und maßgeblicher Teil der Rettungskette. Die Einlieferung durch den Rettungsdienst stelle durch das Vorliegen der INM-Zahlen ein überprüfbares Kriterium dar. Weiterhin treffe diese Pauschalierung jedes Klinikum gleichermaßen und wirke sich daher nicht negativ auf die einzelne Klinik aus. Die getroffene Regelung sei auch im Hinblick auf die Berufsfreiheit der Klägerin gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verhältnismäßig. Auf eine Entscheidung des Gerichts vom 24. November 2022 (M 15 K 22.937) wurde hingewiesen. Auf die Gebietsdefinition des ärztlichen Weiterbildungsrechts könne nicht abgestellt werden. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nfst-R seien vielmehr auch Krankenhäuser, die aufgrund Nichtteilnahme an der Notfallversorgung abschlagspflichtig seien, zur allgemeinen Hilfeleistung im Notfall weiterhin verpflichtet und zur Abrechnung berechtigt. Hinsichtlich des Begriffs Notfall bestimmten weder § 136c Abs. 4 SGB V noch die Regelungen gemäß § 136c Abs. 4 SGB V eine Definition. Daher müsse dieser aus den übrigen Vorschriften, der Systematik und der Zielsetzung der vorliegenden Regelung entnommen werden. Das Ziel der Regelung werde durch die Sicherstellung von Strukturen zur Herstellung einer flächendeckenden Notfallversorgung erreicht.
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Mit Schriftsatz vom ... Januar 2024 teilten die Klägerbevollmächtigten ergänzend insbesondere mit, eine Typisierung und Pauschalierung könne gemäß der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 1.9.2020 – 20 NE 20.1754) nur dann zulässig sein, wenn diese sich realitätsgerecht am typischen Fall orientiere. Typischer Fall einer Notfallaufnahme sei sowohl die – wie auch immer organisierte – Ankunft des Patienten in der Notfallambulanz als auch der Transport durch den Rettungsdienst. Auf eine Studie zur Zentralen Notaufnahme, wonach Haupteinweiser der Rettungs- und Notarztdienst (47,7%) sowie die Selbsteinweiser (44,7%) gewesen seien, wurde hingewiesen. Selbsteinweiser bei der Pauschalierung und Typisierung außer Acht zu lassen, sei gemäß der obergerichtlichen Rechtsprechung ermessensfehlerhaft. Notfallaufnahmen, die im Regelfall durch Rettungsdiensttransporte erfolgten, existierten in der Realität nachgewiesenermaßen nicht.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2024 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Entscheidungsgründe
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Von einer Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf ein beim Bundessozialgericht anhängiges Revisionsverfahren (B 1 KR 92/22 B) zur Klärung der Wirksamkeit des GBA-Beschlusses wird vorliegend abgesehen, da die ausstehende Entscheidung nach der Auffassung des Gerichts für die im anhängigen Verfahren zu treffende Entscheidung nicht vorgreiflich ist (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 94 Rn. 4). Selbst bei einer (Teil) Unwirksamkeitserklärung des GBA-Beschlusses durch das Bundessozialgericht könnte die Klägerin ihr Klageziel nicht erreichen, weil durch eine derartige Entscheidung die Rechtsgrundlage für die Ausweisung als Spezialversorger entfiele.
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Soweit die klägerischen Anträge die Ausweisung als Spezialversorger für die Zeiträume vom 16. März bis 16. Juni 2020 und 3. November 2020 bis 31. März 2021 umfassen, ist die Klage bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn laut den Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wurde die Klägerin für die genannten Zeiträume während der Corona-Pandemie bereits als Spezialversorger anerkannt.
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Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die begehrte Ausweisung als Spezialversorger bzw. als für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderliches Krankenhaus noch kann sie eine Neuverbescheidung ihres Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beanspruchen (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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1. Gemäß § 136c Abs. 4 SGB V beschließt der GBA bis zum 31. Dezember 2017 ein gestuftes System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern, einschließlich einer Stufe für die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung (Satz 1). Hierbei sind für jede Stufe der Notfallversorgung insbesondere Mindestvorgaben zur Art und Anzahl von Fachabteilungen, zur Anzahl und Qualifikation des vorzuhaltenden Fachpersonals sowie zum zeitlichen Umfang der Bereitstellung von Notfallleistungen differenziert festzulegen (Satz 2). Der GBA berücksichtigt bei diesen Festlegungen planungsrelevante Qualitätsindikatoren nach § 136c Abs. 1 Satz 1 SGB V, soweit diese für die Notfallversorgung von Bedeutung sind (Satz 3). Den betroffenen medizinischen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Satz 4) und die Stellungnahmen sind bei der Beschlussfassung zu berücksichtigen (Satz 5). Der GBA führt vor Beschlussfassung eine Folgenabschätzung durch und berücksichtigt deren Ergebnisse (Satz 6).
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nfst-R legt die Regelung des GBA die Grundsätze des gestuften Systems der stationären Notfallversorgung fest. Abweichend von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nfst-R kann die Versorgung besonderer stationärer Notfälle auch strukturiert durch Krankenhäuser erfolgen, die nicht die Anforderungen einer der Abschnitte III bis V der Nfst-R erfüllen, sofern sie die besonderen Vorgaben eines der Module der §§ 23 bis 28 Nfst-R erfüllen (§ 4 Nfst-R). Die Voraussetzungen des Moduls Spezialversorgung nach § 26 Nfst-R erfüllen u.a. besondere Einrichtungen gemäß § 17b Abs. 1 Satz 10 KHG, sofern sie im Landeskrankenhausplan als besondere Einrichtungen in der Notfallversorgung ausgewiesen sind und zu jeder Zeit an der Notfallversorgung teilnehmen (§ 26 Abs. 2 Nr. 2 Nfst-R) oder in eng begrenzten Ausnahmefällen Krankenhäuser, die aufgrund krankenhausplanerischer Festlegung als Spezialversorger ausgewiesen sind, oder Krankenhäuser ohne Sicherstellungszuschlag, die nach Feststellung der Landeskrankenhausplanungsbehörde für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich sind und 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche an der Notfallversorgung teilnehmen (§ 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R).
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2. Die Vorschrift des § 26 Nfst-R verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere ist keine Verletzung der Grundrechte der Klägerin ersichtlich.
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Soweit die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berührt ist, handelt es sich bei § 26 Nfst-R um eine Berufsausübungsregelung, da diese Vorschrift den Krankenhäusern nicht den Zugang zu einem eigenständigen Beruf versperrt (vgl. BVerfG, B.v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85 u.a. – juris Rn. 32). Insbesondere wird der Klinik hier durch die Vorgaben zur Ausweisung als Spezialversorger bzw. als für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderliches Krankenhaus auch nicht die sinnvolle Ausübung des Berufs überhaupt unmöglich gemacht (vgl. BVerfG, B.v. 17.10.1984 – 1 BvL 18/82, 1 BvL 46/83, 1 BvL 2/84 – juris Rn. 38). Die Regelung des § 26 Nfst-R führt nicht – wie von der Klägerseite vorgebracht – zur Vernichtung der Notfallstrukturen der Klinik aufgrund einer objektiv berufsregelnden Tendenz. Lediglich nachteilige Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse besitzen keine berufsregelnde Tendenz und sind deshalb nicht geeignet, eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2023 – 12 ZB 22.2668 – UA S. 6 Rn. 12 m.w.N.). Nach Auffassung des Gerichts liegt der Vorschrift des § 26 Nfst-R auch eine hinreichend erkennbare und bestimmte gesetzliche Regelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zugrunde. Zudem ist sie durch überragende Gemeinwohlbelange, insbesondere die Gewährleistung einer effizienten Notfallversorgung und damit letztendlich die Gesundheit der Bevölkerung, gerechtfertigt und es bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Regelung (vgl. VG München, U.v. 24.11.2022 – M 15 K 22.937 – juris Rn. 28 u. Verweis auf: LSG Berlin-Bbg, U.v. 22.6.2022 – L 9 KR 170/19 KL – juris Rn. 83 f.).
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3. Die Klägerin erfüllt die Bedingungen für das Vorliegen der Spezialversorgung bzw. für die zwingende Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung nicht.
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3.1 Nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 Nfst-R erfüllen die Voraussetzungen des Moduls Spezialversorgung besondere Einrichtungen gemäß § 17b Abs. 1 Satz 10 KHG, sofern sie im Landeskrankenhausplan als besondere Einrichtungen in der Notfallversorgung ausgewiesen sind und zu jeder Zeit an der Notfallversorgung teilnehmen.
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Eine derartige explizite Ausweisung der Klägerin im Krankenhausplan des Freistaates Bayern liegt jedoch nicht vor.
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3.2 Daneben erfüllen gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R die Voraussetzungen des Moduls Spezialversorgung in eng begrenzten Ausnahmefällen Krankenhäuser, die aufgrund krankenhausplanerischer Festlegung als Spezialversorger ausgewiesen sind (Alt. 1), oder Krankenhäuser ohne Sicherstellungszuschlag, die nach Feststellung der Landeskrankenhausplanungsbehörde für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich sind und 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche an der Notfallversorgung teilnehmen (Alt. 2).
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a) Eine Festlegung der Klägerin als Spezialversorger im Krankenhausplan im Sinne der oben genannten 1. Alternative ist unstrittig nicht gegeben.
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b) Die Klinik ist aber auch nicht für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich (Alt. 2 des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R).
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Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob es sich um eine gebundene oder eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. VG München, U.v. 24.11.2022 – M 15 K 22.937 – juris Rn. 35). Denn im Falle einer gebundenen Entscheidung scheitert ein Anspruch bereits daran, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine entsprechende Feststellung nicht erfüllt (s.u. bb). Aus diesem Grund kommt – im Falle einer Ermessensentscheidung – auch eine Ermessensreduzierung auf Null nicht in Betracht (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 24 ff.). Schließlich sind auch Ermessensfehler nicht ersichtlich (s.u. 3.).
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aa) Mit Beschluss des Krankenhausplanungsausschusses vom 20. Oktober 2020 wurden zu § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R abstrakte und spezifische Kriterien festgelegt, um eine einheitliche Anwendung dieser Vorschrift auf Landesebene sicherzustellen (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 26). Danach ist ein Krankenhaus für die Notfallversorgung zwingend erforderlich, wenn dieses laut INM im Vorjahr im Jahresdurchschnitt mindestens 1,5% bzw. 600 der per Rettungsdienst eingelieferten Patienten in seinem Rettungsdienstbereich aufgenommen hat. Wenn das Krankenhaus anhand eigener Auswertungen die INM-Erhebungen in Frage stellt, ist es zudem ausreichend, wenn im Vorjahr 1.100 Patienten laut IVENA-Auswertung per Rettungsdienst eingeliefert wurden, bzw., wenn es sich um die einzige Fachklinik in einer der Fachrichtungen Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten oder Urologie im Rettungsdienstbereich handelt, wenn laut IVENA 365 Patienten per Rettungsdienst oder ärztlicher Notfallüberweisung eingeliefert wurden.
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Diese Kriterien sind nach Auffassung des Gerichts ermessensfehlerfrei und insbesondere nicht willkürlich oder sachfremd (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2023 – 12 ZB 22.2668 – UA Rn. 5; VG München, U.v. 24.11.2022 – M 15 K 22.937 – juris Rn. 27 ff.). Dadurch, dass sowohl auf eine prozentuale als auch auf eine absolute Mindestgrenze abgestellt wird, werden Ungleichbehandlungen vermieden und Härtefälle ausgeglichen. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass die Ausweisung nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R nur in „eng begrenzten Ausnahmefällen“ erfolgen soll. Dem Wortlaut ist eindeutig zu entnehmen, dass die Vorschrift restriktiv zu handhaben ist. Ziel des gestuften Systems der Notfallversorgung ist es gerade, Krankenhäuser – mittels finanzieller Anreize – dazu anzuhalten, eine Entwicklung hin zur Erfüllung der Anforderungen an Strukturen und Prozesse in den einzelnen Stufen zu nehmen (vgl. Tragende Gründe zu den Nfst-R, Nr. 2.2). Eine zu weitreichende Auswahl derjenigen Krankenhäuser, die trotz des Nichtvorliegens der Kriterien einer der drei Stufen der Notfallversorgung keine Abschläge hinzunehmen haben, liefe dieser Intention diametral entgegen (VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 31). § 26 Nfst-R stellt eine Ausnahme zum gestuften System der Notfallstrukturen mit den Kategorien Basisnotfallversorgung, erweiterte Notfallversorgung und umfassende Notfallversorgung dar (vgl. §§ 3, 4 Nfst-R).
29
Der Verweis der Klägerseite auf die fehlerhafte Wiedergabe der Tragenden Gründe zu § 26 Nfst-R durch den Beklagten ist unerheblich, da jedenfalls im KPA-Beschluss vom 6. Mai 2019, auf den die streitgegenständliche Entscheidung ebenfalls gestützt ist, die erforderlichen Kriterien zur Abstellung auf den Rettungsdienstbereich festgesetzt wurden. Es war auch nicht erforderlich, den Begriff des Spezialversorgers einer gesonderten Auslegung und Klärung zuzuführen. Der Beklagte durfte sich diesbezüglich an der Gliederung des § 26 Nfst-R orientieren. Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten war auch keine Klärung des Notfallbegriffs durch den Beklagten vonnöten. Denn weder der GBA-Beschluss noch der Beschluss des KPA vom 20. Oktober 2020, auf die der Beklagte seine Entscheidung stützt, regeln den Begriff des Notfalls (vgl. a. VG München, U.v. 24.11.2022 – M 15 K 22.937 – juris Rn. 27), so dass es auf die Begriffsbestimmung vorliegend nicht ankommt.
30
Der Einwand der Klägerin, dass die Begrenzung der Notfallaufnahmen auf Einlieferungen durch Rettungsdiensttransporte willkürlich sei, greift nicht. Nach Auffassung des Gerichts muss es dem GBA bzw. dem KPA möglich sein, bei der Festlegung der Kriterien gewisse Pauschalierungen und Vereinfachungen vorzunehmen. Es erleichtert die Überprüfung, wenn insoweit auf Einlieferungen durch den Rettungsdienst abgestellt wird, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer nachfolgenden stationären Unterbringung höher ist, als beispielsweise bei Selbsteinlieferungen. Dies wird durch eine vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Studie „Zentrale Notaufnahme, Inanspruchnahme und Ressourceneinsatz im Krankenhaus in Abhängigkeit von der Art der Zuweisung“ (Dt. Ärzteblatt 38/2022, 119) bestätigt. Demnach wurden im Jahr 2019 bezogen auf das Universitätsklinikum Leipzig von den per Rettungshubschrauber eingelieferten Patienten 86,9%, von den per Notarzt eingelieferten Patienten 72,7% und von den per Rettungsdienst ohne Notarzt eingelieferten Patienten 51,7% stationär aufgenommen. Bei den durch einen Arzt eingewiesenen Patienten lag der Anteil stationär aufgenommener Patienten lediglich bei 38,4%, bei den Selbsteinweisern sogar nur bei 16%. Insbesondere hängt die Zahl der Selbsteinweiser auch von subjektiven Faktoren (z.B. fehlende Versorgungsmöglichkeit durch Vertragsärzte) ab und ist daher als Abgrenzungskriterium nicht im gleichen Maße geeignet, wie das der Zahl der Einlieferungen durch den Rettungsdienst.
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Auch aus der von der Klägerseite im Schriftsatz vom ... Januar 2024 erwähnten Studie zur Zentralen Notaufnahme, wonach 47,7% der Patienten durch den Rettungs- und Notarztdienst und 44,7% durch Selbsteinweisung in die Notaufnahme eingeliefert worden sind, folgt nichts anderes. Insbesondere lässt sich den Zahlen nicht entnehmen, wie viele Fälle als so schwerwiegend eingestuft wurden, dass eine stationäre Aufnahme erforderlich gewesen ist. Zudem liegt keine unzulässige Typisierung im Sinne der von der Klägerbevollmächtigten aufgeführten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 1.9.2020 – 20 NE 20.1754 – juris Rn. 29) vor. Abgesehen davon, dass es sich um eine Entscheidung aus dem Infektionsschutzrecht handelt, ist auch unter Berücksichtigung der Studie zur Zentralen Notaufnahme nicht erkennbar, dass mit dem Kriterium der Einlieferung durch den Rettungsdienst das Leitbild eines atypischen Falles ausgewählt wurde.
32
Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist es auch sachgerecht, dass der Beklagte für die Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung nicht auf die von den Klägerbevollmächtigten vorgelegten Fallzahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zurückgegriffen hat. Es ist dem GBA bzw. dem KPA unbenommen, objektiv leichter nachprüfbaren Zahlen, wie denjenigen des INM, den Vorrang zu geben. Daneben besteht im Übrigen die Möglichkeit, die Zahlen des INM substantiiert in Frage zu stellen und eigene Zahlen aus dem IVENA-System vorzulegen.
33
Eine Ungleichbehandlung der Klinik im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG im Vergleich zu Kliniken, die aufgrund des ausgewählten Kriteriums als Spezialversorger anerkannt wurden, ist somit nicht ersichtlich (vgl. a. BayVGH, B.v. 12.2.2023 – 12 ZB 22.2668 – UA S. 3 Rn. 5). Auch der Verweis der Klägerbevollmächtigten auf die Benachteiligung der Klinik der Klägerin aufgrund des fehlenden Status als Regelnotfallversorgerin geht fehl. Denn das Kriterium der Einlieferung durch den Rettungsdienst betrifft alle Kliniken, die nicht bereits nach § 3 Nfst-R an dem Notfallstrukturensystem teilnehmen (vgl. § 4 Nfst-R) und stellt gerade ein zulässiges Kriterium dar, um aus dieser Vergleichsgruppe die Kliniken hervorzuheben, die für die Notfallversorgung von besonderer Bedeutung sind.
34
bb) Die Klägerin erfüllt die sachgerechten Kriterien für die Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung nicht:
35
Sie hat in den hier maßgeblichen Jahren 2019, 2020 und 2021 weder mindestens 1,5% noch mindestens 600 der per Rettungsdienst eingelieferten Patienten in ihrem Rettungsdienstbereich aufgenommen.
36
Auf die Grenze von 1.100 Notfallpatienten laut IVENA-Auswertung kann für die Jahre 2020 und 2021 (vgl. Beschluss des KPA vom 20.10.2020, TOP 10.1, wonach IVENA erst ab 2020 bayernweit zu Verfügung steht) hier nicht abgestellt werden. Denn die Klägerseite hat bereits keine IVENA-Zahlen vorgelegt. Zudem wurden die INM-Erhebungen als solche auch nicht substantiiert in Frage gestellt, sondern es wurde lediglich ausgeführt, dass auch Einlieferungen auf andere Weise als durch den Rettungsdienst zu berücksichtigen seien.
37
Schließlich ist die Klägerin auch nicht die einzige Fachklinik in einer der Fachrichtungen Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten oder Urologie im Rettungsdienstbereich M.. Sie ist bereits mit keiner der Fachrichtungen im Krankenhausplan eingetragen.
38
cc) Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten folgt eine zwingende Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung auch nicht aus den besonderen Kompetenzen der Klinik (Teilnahme am stationären Durchgangsverfahren, unfallchirurgische Kompetenz, notfallbezogene stationäre Weiterbildungsbefugnisse, Zentrumszertifizierungen). Die genannten Kompetenzen führen nicht dazu, dass die Klägerin – trotz der Nichterfüllung der vom GBA bzw. KPA aufgestellten Kriterien – als Spezialversorger anerkannt werden könnte. Selbst unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Klink stellen diese zum Teil bereits keine spezifischen Aufgaben der Notfallversorgung im Sinne der Nfst-R dar (so im Fall der Zentrumszertifizierung im Bereich der Endometriose und der Adipositaschirur gie). Zum anderen gibt es im Rettungsdienstbereich M. bereits einige Kliniken der erweiterten oder umfassenden Notfallversorgung, die über dieselben Kompetenzen verfügen (so z.B. hinsichtlich des Durchgangsarztverfahrens und der unfallchirugischen Kompetenz).
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4. Schließlich liegen – bei Bejahung einer Ermessensentscheidung – auch keine Ermessensfehler vor (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
40
Es ist nicht ersichtlich, dass die unter Berücksichtigung der nach den obigen Ausführungen weder ermessensfehlerhaften noch willkürlichen Kriterien und insbesondere vor dem Hintergrund des Auftrags des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R, dass nur in besonderen Ausnahmefällen eine Ausweisung erfolgen soll, erfolgte Ablehnung der Feststellung als Spezialversorger bzw. der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung ermessensfehlerhaft sein sollte. Ein Ermessensfehler ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte sich nach dem Vortrag der Klägerseite zunächst weder zur Geeignetheit und Erforderlichkeit des Mittels (Datenerhebung des INM) noch zum Ziel geäußert haben soll. Denn jedenfalls wurden die geforderten Ausführungen mit Schreiben vom 31. März 2023 nachgeholt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO).
41
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
42
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).