Titel:
Abgrenzung von Bankrott und Verletzung der Buchführungspflicht bei der Nichterstellung von Bilanzen
Normenkette:
StGB § 283 Abs. 1 Nr. 7b, § 283b Abs. 1 Nr. 3b
Schlagworte:
Bankrott, Verletzung der Buchführungspflicht, Nichterstellung von Bilanzen, Krise, Zahlungsunfähigkeit
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 18.12.2023 – 1123 Ds 63 Js 46688/21
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 20.11.2024 – 206 StRR 394/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32052
Tenor
1. Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 18.12.2023, Az. 1123 Ds 63 Js 46688/21 mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Angeklagte … wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monate verurteilt wird.
Die weitergehende Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft werden als unbegründet verworfen.
2. Der Angeklagte trägt die Kosten seiner Berufung einschließlich seiner notwendigen Auslagen mit der Maßgabe, dass die Berufungsgebühr auf 2/3 ermäßigt wird und der Angeklagte hinsichtlich seiner notwendigen Auslagen einen Anteil in gleicher Höhe trägt, die im Übrigen der Staatskasse zur Last fallen.
Die Kosten der Berufung der Staatsanwaltschaft einschließlich der ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
3. Angewandte Vorschriften: §§ 15 a I, IV InsO, 283 I Zr. 7 b, VI, 53 StGB.
Entscheidungsgründe
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Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 18.12.2023 wurde der Angeklagte wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die F W … GmbH mit Sitz in …wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 22.06.2015 gegründet und ins Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB … eingetragen. Geschäftsgegenstand des Unternehmens ist die Immobilienverwaltung und Vertriebsservice von Waren und Gegenständen aller Art, soweit dafür keine behördliche Genehmigung erforderlich ist, Dienstleistungen bezüglich Bauorganisation/Bauüberwachung, Durchführung von Bauvorhaben aller Art als Bauherr, Übernahme und Durchführung von Bauvorhaben als Baubetreuer durch Dritte, sowie Übernahme und Durchführung von Bauvorhaben als Bauträger, Verwaltung von Unternehmen der Immobilienbranche sowie Beteiligung an solchen Unternehmen als persönlich haftende Gesellschafterin.
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Geschäftsführer waren bei der Gründung Z. J. und der Angeklagte … Am 29.11.2016 schied der Angeklagte als Geschäftsführer aus. Zum 30.10.2018 wurde dann H. F. G. zum Geschäftsführer bestellt. Zum 28.12.2018 schied Z. J. als Geschäftsführer aus, zum 03.06.2019 schied H. F. G. als Geschäftsführer aus dem Unternehmen aus.
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Der anderweitig Verfolgte F. war seit dem 16.07.2019 bis 17.06.2021 Geschäftsführer der F. W. GmbH.
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Der Angeklagte G. war spätestens seit Dezember 2018 faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft. Er trat gegenüber Geschäftspartnern als Ansprechpartner auf und unterschrieb Verträge. Er leitete Außengeschäfte selbstständig, war verfügungsberechtigt für alle Firmenkonten, traf Stundungsvereinbarungen und handelte Zahlungsvereinbarungen mit Lieferanten aus.
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Die ... Bayern beantragte mit Eingang am 16.02.2021 beim unzuständigen Amtsgericht M. die Eröffnung des lnsolvenzverfahrens über das Vermögen der F. W. GmbH, welches das Verfahren an das zuständige Amtsgericht W. abgab. Mit Eingang am 26.04.2021 und am 27.05.2021 stellten die ... Classic und die ... Bayern einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der F. W. GmbH beim Amtsgericht W. Ein Eigenantrag wurde nicht gestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts W. vom 22.03.2022 wurde die Eröffnung des lnsolvenzverfahrens über die F. W. GmbH mangels Masse abgewiesen.
2. Wirtschaftliche Entwicklung:
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Die Gesellschaft befand sich spätestens seit Juli 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. So hatte das Finanzamt München gegen die GmbH zum 10.07.2019 einen Titel inne, dem eine fällige, offene Forderung in Höhe von 57.966,99 EUR zu Grunde lag. Die gegenüber dem Finanzamt München fälligen Verbindlichkeiten erhöhten sich bis zum 21.01.2022 auf ca. 750.224,55 Euro. Beiträge zu Sozialversicherungen wurden bereits seit Mai 2019 verspätet bezahlt. Im maßgeblichen Zeitraum verfügte die GmbH nicht über ausreichende liquide Mittel, um die Forderung zu begleichen. Denn die GmbH verfügte im Juli 2019 über vier Geschäftskonten bei der Raiffeisenbank I., wobei die Summe der sich dort befindenden Gelder die oben genannte Forderung deutlich unterschritt. Lediglich das Konto mit der IBAN DE 27… wies ab dem 01.07.2019 bis zum Oktober 2020 einen positiven Saldo zwischen 1.500 EUR und 2.500 EUR auf. Die Konten mit den IBAN DE 17…, DE 18… und DE 16… wiesen allesamt zwischen Juli 2019 und März 2020 entweder einen einstelligen positiven Saldo oder einen ein- bis zweistelligen negativen Saldo auf, wobei die erstgenannten Konten im März 2020 aufgelöst wurden und das letztgenannte Konto bereits seit November 2019 nicht mehr bestand. Die Gesellschaft ist somit spätestens seit dem 10.07.2019 aufgrund der bestehenden Forderung des Finanzamtes München zahlungsunfähig. Seit diesem Tag überstiegen die fälligen Verbindlichkeiten der GmbH die vorhandenen liquiden Mittel dauerhaft. Die Situation verbesserte sich in der Folgezeit nicht mehr.
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a. Entgegen der ihnen bekannten Verpflichtung als formeller Geschäftsführer (der anderweitig Verfolgte F. bzw. faktischer Geschäftsführer (Angeklagter …) unterließen die Angeklagten es bis spätestens 31.07.2019 einen Antrag auf Eröffnung des lnsolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beim zuständigen lnsolvenzgericht zu stellen.
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Dabei erkannte der Angeklagte … die finanzielle Situation der GmbH und wusste um die Zahlungsunfähigkeit der GmbH in Folge zumindest aufgrund der Fälligkeit der Forderungen des Finanzamtes München. Dem anderweitig Verfolgten F. hätte die finanzielle Situation bekannt sein können und müssen. Ein Eigeninsolvenzantrag wurde von den Angeklagten zu keinem Zeitpunkt gestellt.
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b. Als verantwortliche formelle und/oder faktische Geschäftsführer der oben genannten GmbH waren die Angeklagten gemäß § 242, 264 HGB verpflichtet, für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen entsprechenden Jahresabschluss (Bilanz) zu erstellen. Nach § 264 Abs. I S. 3 HGB ist ein entsprechender Jahresabschluss innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres, d.h. bis zum 30.06. des Folgejahres zu erstellen. In Kenntnis ihrer gesetzlichen Verpflichtung unterließen die Angeklagten es für das Geschäftsjahr 2019 und der Angeklagte … des weiteren für das Geschäftsjahr 2020 einen entsprechenden Jahresabschluss für die GmbH aufzustellen, wobei der Angeklagte … hinsichtlich der Jahresabschlüsse jeweils in Kenntnis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit handelte, der anderweitig Verfolgte F. zumindest Kenntnis hätte haben können und müssen. Die Erstellung der Bilanz wäre ihnen entweder selbst, oder bei Vorhalten der erforderlichen Mittel vorrangig vor anderen Zahlungsverpflichtungen, durch Beauftragung eines sachkundigen Dritten möglich gewesen.
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Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Die Berufung des Angeklagten war teilweise erfolgreich, die Berufung der Staatsanwaltschaft blieb ohne Erfolg.
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Die Strafkammer hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
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Die F. W. GmbH mit Sitz in … wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 22.06.2015 gegründet und ins Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB … eingetragen. Geschäftsgegenstand des Unternehmens war die Immobilienverwaltung und der Vertriebsservice von Waren und Gegenständen aller Art, soweit dafür keine behördliche Genehmigung erforderlich war, Dienstleistungen bezüglich Bauorganisation/Bauüberwachung, Durchführung von Bauvorhaben aller Art als Bauherr, Übernahme und Durchführung von Bauvorhaben als Baubetreuer durch Dritte, sowie Übernahme und Durchführung von Bauvorhaben als Bauträger, Verwaltung von Unternehmen der Immobilienbranche sowie Beteiligung an solchen Unternehmen als persönlich haftende Gesellschafterin. Geschäftsführer waren bei der Gründung Z. J. sowie der Angeklagte … Am 29.11.2016 schied der Angeklagte … als Geschäftsführer aus. Zum 30.10.2018 wurde H. G. neben dem bisherigen Geschäftsführer Z. J. zum neuen Geschäftsführer bestellt. Zum 28.12.2018 schied Z. J. als Geschäftsführer aus. Zum 03.06.2019 schied H. G. als Geschäftsführer aus dem Unternehmen aus. Der anderweitig Verfolgte F. wurde vom 16.07.2019 bis zum 17.06.2021 formeller Geschäftsführer der F. W. GmbH.
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Spätestens seit Dezember 2018 war der Angeklagte faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft. Insbesondere trat er gegenüber Geschäftspartnern als Ansprechpartner auf, unterschrieb Verträge und leitete die Außengeschäfte selbstständig. Er war verfügungsberechtigt über alle Firmenkonten, traf Stundungsvereinbarungen und handelte Zahlungsvereinbarungen mit Lieferanten aus. Er war auch für die Einstellung und Entlassung der Mitarbeiter verantwortlich.
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Die ... Bayern beantragte mit Eingang 16.02.2021 beim unzuständigen Amtsgericht M. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der F. W. GmbH, welches das Verfahren an das zuständige Amtsgericht W. abgab. Mit Eingang am 26.04.2021 und am 27.05.2021 stellten die ... Classik und die ... Bayern einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der F. W. GmbH beim Amtsgericht W. Ein Eigenantrag wurde nicht gestellt.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Weilheim vom 22.03.2022 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der F. W. GmbH mangels Masse abgewiesen (Az.: IN …).
2. Wirtschaftliche Entwicklung:
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Die F. W. GmbH befand sich jedenfalls seit Juli 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. So hatte das Finanzamt München gegen die GmbH zum 10.07.2019 einen Titel inne, dem eine fällige, offene Forderung in Höhe von 57.966,99 € zugrunde lag. Die gegenüber dem Finanzamt München fälligen Verbindlichkeiten erhöhten sich bis zum 21.01.2022 auf ca. 750.224,55 €. Beiträge zu Sozialversicherungen wurden ab Mai 2019 nur verspätet bezahlt. Die Gesellschaft hatte bei der Raiffeisenbank I. 4 Geschäftskonten (22/71/18/27 … …). Das Konto 22 … wurde zum 22.11.2019 aufgelöst, die Konten 71 … und 18 … zum 10.03.2020. Weitere liquide Mittel, insbesondere kurzfristig verwertbare Gegenstände des Umlauf- oder Anlagevermögens waren nicht vorhanden.
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Spätestens ab Juli 2020 war die Gesellschaft zahlungsunfähig, d. h. sie war nicht mehr in der Lage innerhalb eines Zeitraums von längstens 3 Wochen mindestens 90% der Verbindlichkeiten zu begleichen. Erste titulierte Forderungen stammen aus der zweiten Jahreshälfte 2019. Zu nennen sind ein Vollstreckungsbescheid der A. W. GmbH & Co KG vom 12.11.2019 über 12.041,64 Euro, ein Versäumnisurteil der H. W. und S. GmbH vom 26.02.2020 über 15.705,23 Euro sowie ein Vollstreckungsbescheid der UMB GmbH vom 14.05.2020 über 49.716,99 Euro. Sämtliche Vollstreckungsversuche blieben erfolglos. Seit Juli 2020 wurden zudem die Sozialversicherungsbeiträge an die ... Bayern und ... classic nicht mehr abgeführt.
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Hinsichtlich der Geschäftsverbindung der F. W. GmbH mit der Raiffeisenbank I. e.G. wurden folgende Pfändungen durchgeführt: …
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A. Entgegen der dem Angeklagten bekannten Verpflichtung unterließ er es, unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 3 Wochen einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft beim zuständigen Insolvenzgericht zu stellen. Der Angeklagte hatte bereits 2019 die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft erkannt, auch war ihm bewusst, dass die Gesellschaft jedenfalls seit Juli 2020 zahlungsunfähig war.
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Aufgrund § 1 I SanIns KG (Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz vom 27.03.2020) war die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags wegen Zahlungsunfähigkeit bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Das letzte Konto 27 … wurde zum 06.10.2020 aufgelöst, sodass der Angeklagte allerspätestens ab diesem Zeitpunkt Insolvenzantrag hätte stellen müssen, da die Gesellschaft zahlungsunfähig war, keinerlei liquide Mittel mehr vorhanden waren und auch keine reale Aussicht mehr bestand, dass die Gesellschaft die Geschäfte noch weiterführen konnte. Dieser Verpflichtung kam der Angeklagte nicht nach. Ein Eigeninsolvenzantrag wurde zu keinem Zeitpunkt gestellt.
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B. Als verantwortlicher faktischer Geschäftsführer der F. W. GmbH war der Angeklagte gem. §§ 242, 264 HGB verpflichtet, für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen entsprechenden Jahresabschluss (Bilanz) zu erstellen. Nach § 264 I Satz 3 HGB ist ein entsprechender Jahresabschluss innerhalb der ersten 6 Monate des Geschäftsjahres, d. h. bis zum 30.06. des Folgejahres zu erstellen. In Kenntnis seiner gesetzlichen Verpflichtung unterließ es der Angeklagte für das Geschäftsjahr 2019 einen entsprechenden Jahresabschluss für die GmbH aufzustellen. Die Erstellung der Bilanz wäre ihm selbst oder bei Vorhalten der erforderlichen Mittel vorrangig vor anderen Zahlungsverpflichtungen durch Beauftragung eines sachkundigen Dritten möglich gewesen.
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Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben sich aus den Angaben des Angeklagten, der Auskunft aus dem Bundeszentralregister sowie dem verlesenen Urteil bzw. Strafbefehl.
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Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf der durchgeführten Beweisaufnahme.
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Der Angeklagte … räumte die Vorwürfe weitgehend ein. Es sei aber nicht alles richtig dargestellt, wobei er vor allem die aus seiner Sicht unfreiwillige Firmenübernahme in der ersten Jahreshälfte 2019 in den Fokus nahm. So habe er auf die Geschäftsführung der F. W. GmbH gar keinen Einfluss gehabt. Er habe keine Rechnungen geschrieben und keinen Einblick in die Konten und somit auch keinen Überblick über die Einnahmen gehabt. Im Oktober 2018 habe J. ihm mitgeteilt, dass dieser als Geschäftsführer ausscheiden wolle, weil ihm das mit der Geschäftsführung verbundene Risiko zu groß sei. Als potentiellen Nachfolger habe er dem Angeklagten F. G. vorgestellt. Der Angeklagte habe den Schritt von J. nicht nachvollziehen können. G. habe bei J. gewohnt, so dass beide ständigen Informationsaustausch hatten. J. sei nach dem Ausscheiden als Geschäftsführer weiter für die Gesellschaft tätig gewesen. Alle ein bis zwei Wochen hätte G., J. und der Angeklagte zu Geschäftsbesprechungen zusammengesessen.
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Es habe dann ein Problem mit dem Geschäftspartner H. gegeben, weil dessen Rechnungen teilweise nicht bezahlt worden seien und dieser eine Bürgschaft gefordert habe. Im Januar 2019 habe es eine Umsatzsteuernachzahlung von 120.000 Euro gegeben, was der Angeklagte nicht nachvollziehen konnte, da seines Wissens der gesamte Umsatz des Unternehmens bei nur 400.000 Euro gelegen habe. Der Angeklagte habe deshalb wissen wollen, was los war und habe von G. nur eine Excel-Aufstellung erhalten, sonst nichts. G. habe dem Angeklagten zudem vorgeworfen, dass er einen Auftrag mit der Unterschrift des J. abgeschlossen habe, ohne dass dies abgesprochen gewesen wäre oder dieser davon gewusst hätte. G. habe ihn daraufhin regelrecht rausgeschmissen.
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Bei Hrn. E. handele es sich um einen guten Freund des Angeklagten, der in der Auseinandersetzung zwischen G./J. und dem Angeklagten habe vermitteln wollen. Allerdings habe J. den Angeklagten unter Druck gesetzt, die Verantwortung zu übernehmen. J. habe geäußert, dass er die (strafrechtliche) Geschichte des Angeklagten kenne. Unter Zeitdruck habe der Angeklagte daher das Schreiben vom 12.04.2019 unterschrieben, in dem er einräumte, dass J. mit der Auftragserteilung nichts zu tun habe. Der Angeklagte habe in diesem Zusammenhang auch zugestimmt, die F. W. GmbH zu übernehmen, obwohl er das eigentlich nicht habe tun wollen. Am 26.07.2019 habe er festgestellt, dass mehr offene Rechnungen da waren als verfügbare Finanzmittel. Es habe eine Lücke von rund 180.000 Euro gegeben. Der Angeklagte habe daraufhin eine Excel-Tabelle erstellt und gehofft mit privaten Investoren die Gesellschaft weiter betreiben zu können, zumal lukrative Aufträge im Raum gestanden seien. Das ergebe sich etwa aus dem Darlehensvertrag mit F. N. und der Finanzierungszusage der Raiffeisenbank O. Auf Nachfrage räumte der Angeklagte ein, dass aus dem Darlehensvertrag keine Zahlungen geflossen seien. Auch seien Zahlungsvereinbarungen mit Lieferanten geschlossen worden, ohne dass der Angeklagte dies jedoch weiter konkretisieren hätte können. Von G. habe er die fehlenden Geschäftsunterlagen angefordert. Das sei mit Schreiben vom 19.07.2019 geschehen, in dem detailliert die fehlenden Unterlagen aufgelistet gewesen seien. Daraufhin sei die Strafanzeige gegen ihn erfolgt.
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Er räume ein, dass die Bilanzen 2019 und 2020 nicht erstellt worden seien.
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Der Zeuge J. sagte aus, dass er Investor der F. W. GmbH gewesen sei. Um sich einen qualifizierten Einblick verschaffen zu können habe er neben dem Angeklagten die Geschäftsführung der Gesellschaft übernommen. Die Buchhaltung und Bezahlung der Rechnungen sei in Absprache mit dem Angeklagten erfolgt. Zugriff auf die Konten habe nur der Zeuge gehabt.
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Die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten habe jedoch nicht harmoniert. Der Zeuge habe den Eindruck gewonnen, dass der Angeklagte „zweigleisig“ fahre. Damals sei ihm aber noch nicht bekannt gewesen, dass der Angeklagte unter Verwendung der Unterschrift des Zeugen Verträge abgeschlossen habe. Der Zeuge habe Hrn. G. als seinen Nachfolger vorgeschlagen, den er gekannt und der in der Schweiz eine große Firma geleitet habe. J. selbst sei noch bis etwa April 2019 als externer Berater für die F. W. GmbH tätig gewesen. In dieser Eigenschaft sei er nach H. gefahren, weil H. ein persönliches Treffen gewünscht habe. Für den Zeugen sei es darum gegangen, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, also vor einer Auftragsannahme zu klären, was von bisherigen Bauunternehmen bereits durchgeführt und angeliefert worden war und was vom neuen Bauunternehmen zu erledigen war. Es habe sich aber herausgestellt, dass mit der F. W. GmbH schon ein Vertrag geschlossen worden war. Der Zeuge kannte die Vertragsunterlagen nicht. Als dann aus H. eine Mahnung wegen nicht bezahlter Rechnungen gekommen sei und es geheißen habe, er, J. habe die Verträge unterschrieben und Betrug begangen, habe G. den Angeklagten „rausgeworfen“, zumal man den durch den Angeklagten verursachten Schaden nicht habe absehen können. Es sei richtig, dass der Zeuge J. den Angeklagten aufgefordert habe, die Verantwortung zu übernehmen. Ihm sei in diesem Zusammenhang auch bekannt gewesen, dass der Angeklagte bereits früher strafrechtlich in Erscheinung getreten war. Der Angeklagte habe dies daraufhin mit Schreiben vom 12.04.2019 getan. Die Formulierung stamme nicht vom Zeugen J., der Angeklagte habe das Schreiben selbst verfasst. Der Angeklagte habe weiter die Gesellschaft übernommen, das heißt, seine bisherigen Gesellschaftsanteile aufgestockt. Soweit er wisse, seien dem Angeklagten sämtliche Geschäftsunterlagen zur Verfügung gestellt worden, aber der Zeuge selbst habe mit der Geschäftsführung nichts mehr zu tun gehabt. Ab März 2019 seien die USt-Voranmeldungen vierteljährlich abzugeben gewesen. Im November 2018, so der Zeuge J., seien noch liquide Mittel in Höhe von rund 180.000 Euro vorhanden gewesen. Der Zeuge berichtete auf Nachfrage auch, dass er mit G. auch anderweitig zusammengearbeitet habe.
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Der der deutschen Sprache nicht mächtige Zeuge F. sagte aus, ihm sei durch R. I., dem Lebensgefährten seiner Mutter, der den Angeklagten gekannt habe, angeboten worden, als Geschäftsführer tätig werden zu können. Er bekäme dadurch eine Aufgabe, hätte eine gute Zukunft und könne auch ein Bankkonto eröffnen. Der Angeklagte und I. hätten ihm auch gesagt, er trage keine Verantwortung. In dem ihm vorgelegten Vertrag, sei davon auch nichts gestanden, so dass der Zeuge unterschrieben habe. I. sei eigentlich der Übersetzer des Angeklagten gewesen. Der Zeuge habe im Monat ein Nettogehalt von 2.300 Euro bekommen und habe als einfacher Bauarbeiter auf der Baustelle gearbeitet. So habe er seit 15 Jahren im Bauwesen gearbeitet, mit Buchhaltung oder kaufmännischen Angelegenheiten habe er nie etwas zu tun gehabt. Nach einer solchen Qualifikation sei bei Abschluss des Geschäftsführervertrags auch nicht gefragt worden, man habe ohnehin nicht damit gerechnet, dass er in dieser Hinsicht irgendetwas machen sollte. So habe er auch keine Rechnungen geschrieben, allenfalls vereinzelt vorgefertigte Schreiben unterzeichnet. Auf Vorhalt des Schreibens vom 19.07.2019 antwortete der Zeuge, dass er glaube, ein solches Schreiben nicht gesehen zu haben, es sei ihm gänzlich unbekannt, das sehe er zum ersten Mal.
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Im Jahr 2021 habe der Zeuge mitbekommen, dass irgendetwas nicht stimme und habe aus der Gesellschaft ausscheiden wollen. Es seien vom Finanzamt 59.000 Euro verlangt worden, aber der Angeklagte und I. hätten ihm gesagt, dass alles gelöst würde. Er meine, dass er bereits nach drei Monaten wieder habe ausscheiden wollen, weil ihn das alles so unter Stress gesetzt habe. Er wisse noch, dass ein M. G. die Gesellschaft habe übernehmen sollen. Als der Zeuge nach längerer Krankheit zurückkehrte, habe er erfahren, dass er immer noch Geschäftsführer sei. Er habe weiter versucht „rauszukommen“, aber es sei alles noch schlimmer geworden.
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Der Zeuge G. (formeller Geschäftsführer 10/2018 bis 6/2019) sagte aus, J. habe ihn gebeten, Geschäftsführer zu werden, weil J. andere Wege habe einschlagen wollen. Trotzdem sei J. der Gesellschaft noch einige Zeit zur Verfügung gestanden. J. hatte auch angegeben, dass es mit dem Angeklagten Schwierigkeiten gegeben habe, weil dieser eigenmächtig Verträge abgeschlossen habe und als Geschäftsführer aufgetreten sei. Der Zeuge sei der Bitte nachgekommen, da die Zahlen gestimmt hätten, wie sich aus der Buchhaltung ergeben habe und der Zeuge für sich eine Herausforderung in einem neuen Sektor gesehen hätte. Bei einer Besprechung in H. mit H. sei der Zeuge nicht dabei gewesen. Als sich herausgestellt hatte, dass der Angeklagte mit dem Namen des J. unterschrieben habe und ein Geschäftspartner Klage angedroht habe, habe der Zeuge dem Angeklagten gekündigt. Das sei mit Schwierigkeiten verbunden gewesen, weil der Angeklagte auch noch Gesellschafter gewesen sei. Man habe nicht gewusst, was aufgrund des Verhaltens des Angeklagten auf die Gesellschaft zukomme, weshalb nur der Weg der Kündigung geblieben sei. Man habe von der strafrechtlichen Vorbelastung des Angeklagten gewusst, aber keinen Druck auf ihn ausgeübt. Ob der Zeuge bei dem Treffen in G. bei E. mit dabei gewesen sei, wisse er nicht mehr genau. Er erinnere sich aber noch, dass er mit dem Angeklagten und J. beim Notar gewesen sei, weil er seine Position als Geschäftsführer aufgeben und auch nicht übergangsweise als solcher verantwortlich sein wollte. Dabei habe der Notar den Angeklagten unter Fristsetzung aufgefordert, einen neuen Geschäftsführer zu benennen. Der Name F. sage dem Zeugen nur insofern etwas, weil er vom Angeklagten geschriebene E-Mails mit dem Hinweis zurückgewiesen habe, dass er nur mit dem Geschäftsführer korrespondiere und dann E-Mails mit dem Namen F.gekommen seien. Zur Umsatzsteuererklärung 2018, USt-Voranmeldung I/2019 und etwaiger Umstellung des Voranmeldungszeitraums konnte der Zeuge keine Angaben machen. Auf Frage der Verteidigung erklärte der Zeuge, dass er mit J. auch eine weitere Firma gehabt habe.
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Die Zeugin H. (Vernehmungsbeamtin G.) schilderte ihren Eindruck aus der durchgeführten Vernehmung. Der Zeuge habe niemanden belasten wollen und habe sich zurückhaltend geäußert. Er habe auf seine Schreiben und frühere Zeugenvernehmung verwiesen.
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Der Zeuge E. (Freund des Angeklagten) kennt den Angeklagten seit etwa 2013. Er habe mit dessen Firma sein Haus gebaut. Er habe die Differenzen zwischen J. und dem Angeklagten mitbekommen. F. G. habe er noch nicht gekannt und auch erst später gemerkt, dass dieser nicht qualifiziert sei. Der Zeuge habe vermitteln wollen, weil er etwaigen Schwierigkeiten mit der Fertigstellung seines Hauses habe vorbeugen wollen. Auf Nachfrage erklärte der Zeuge jedoch, dass sein Haus bereits 2017 fertig gestellt wurde.
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Der Angeklagte habe die Gründe seines Rauswurfs nicht verstanden. Ihm sei vorgeworfen worden, Unterschriften gefälscht zu haben, was man – nach Angaben des Zeugen – „nicht ganz habe auflösen können“. J. habe mit einer Strafanzeige gedroht, wenn der Angeklagte die Firma nicht übernehme. Daraufhin seien die Gesellschaftsanteile auf den Angeklagten übertragen worden. Nur ein Teil der Geschäftsunterlagen sei dem Angeklagten ausgehändigt worden. Insbesondere hätte ein Großteil der E-Mails gefehlt. Etwa drei Monate nach dem Treffen bei ihm in G. im April 2019 habe sich herausgestellt, dass die Firma doch nicht schuldenfrei gewesen sei.
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Es habe Umsatzsteuerschulden im fünfstelligen Bereich gegeben und der Angeklagte sei stocksauer gewesen. Weil aber größere Aufträge in Aussicht standen, Bankzusagen erteilt worden waren, sei das Potential da gewesen diese Herausforderung zu stemmen.
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Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen zu zweifeln. Insbesondere die Zeugen J. und G. waren, wenngleich sie auf den Angeklagten nicht gut zu sprechen waren, nach Einschätzung des Gerichts glaubwürdig. Die gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe hatte dieser seinerzeit selbst eingeräumt. Auch die polizeiliche Vernehmungsbeamtin des Zeugen G. gab an, dass er seine Aussage zurückhaltend tätigte und niemanden belasten wollte. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Zeugen J. oder G. die F. W. GmbH in die Insolvenz getrieben und den Angeklagten in unlauterer Weise dazu gedrängt hätten, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Im Übrigen ist klar zu stellen, dass dem Angeklagten Insolvenzverschleppung jedenfalls ab Oktober 2020 vorzuwerfen ist.
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Die weiteren Feststellungen ergeben sich aus den in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden.
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Damit ergibt sich folgendes Bild:
41
Nach eigenständig gebildeter Überzeugung der Kammer, die mit der Einschätzung des Insolvenzverwalters K. übereinstimmt, war jedenfalls ab Juli 2020 Zahlungsunfähigkeit gegeben. Insbesondere ist das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen ab dieser Zeit ein deutliches Indiz für das Vorliegen einer Krise. Die vom Angeklagten vorgelegten Unterlagen ändern daran nichts. Der Darlehensvertrag mit F. N. wurde am 03.05.2021 geschlossen, zu einem Zeitpunkt als schon lange wegen Zahlungsunfähigkeit Eigeninsolvenzantrag hätte gestellt werden müssen. Zudem erhielt die F. W. GmbH hieraus kein Geld. Das Schreiben der Raiffeisenbank O (Term-Sheet) belegt lediglich, dass bezüglich eines Bauvorhabens in B. W. Finanzierungsvorschläge gemacht wurden, ein kurzfristiger Zufluss liquider Mittel ist damit nicht verbunden.
42
Die Stellung des Angeklagten als faktischer Geschäftsführer ist jedenfalls mit Ausscheiden des formellen Geschäftsführers G. Anfang Juni 2019 ohne weiteres gegeben. Andere Personen als der Angeklagte, die für die Gesellschaft hätten auftreten können, gab es nicht. Insbesondere war der am 16.07.20219 installierte F. hierzu nicht in der Lage.
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Der Angeklagte war daher wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gemäß § 15 a I, IV InsO in Tatmehrheit mit Bankrott nach §§ 283 I Zr. 7 b, VI, 53 StGB zu verurteilen.
44
Der Strafrahmen ergibt sich aus § 15a I und IV InsO sowie aus § 283b I StGB (Geldstrafe bis Freiheitsstrafe von 2 Jahren).
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Im Rahmen der konkreten Strafzumessung wurde zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er ein vollständiges Geständnis abgab. Gesehen wurde auch, dass der Angeklagte sich darauf berief, Mitte 2019 die Gesellschaft nur unfreiwillig übernommen zu haben, weil er sich durch den damals formellen Geschäftsführer G. unter Druck gesetzt fühlte, der mit einer Strafanzeige gedroht hatte. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass dem Angeklagten lediglich vorgeworfen wird, ab Oktober 2020 keinen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt zu haben.
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Zulasten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass … Die Dauer der Insolvenzverschleppung ist erheblich. Zu berücksichtigen ist auch, dass nach dem Ausscheiden des formellen Geschäftsführers G. eine Person installiert wurde, die nicht einmal der deutschen Sprache mächtig war, geschweige denn mit buchhalterischen oder kaufmännischen Angelegenheiten jemals etwas zu tun hatte und daher als Geschäftsführer völlig ungeeignet war. Die Kammer hat auch gesehen, dass am 08.04.2022 eine Firmenänderung in FWE GmbH mit der Sitzverlegung nach F. vorgenommen wurde. Die Kammer hat außerdem berücksichtigt, dass … Unter Abwägung sämtlicher Strafzumessungsgesichtspunkte erachtete die Kammer daher hinsichtlich der Insolvenzverschleppung eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten als tat- und schuldangemessen. Hinsichtlich der nicht erstellten Bilanz war nach Überzeugung der Kammer eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten tat- und schuldangemessen.
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Unter nochmaliger Abwägung sämtlicher Strafzumessungsgesichtspunkte, insbesondere unter Berücksichtigung des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs der Taten erachtete die Strafkammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten als tat- und schuldangemessen.
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Diese Strafe konnte nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden, … Ohne bereits wegen der Sitzverlegung nach F. von einer Firmenbestattung auszugehen, begründet jedenfalls die Bestellung des völlig ungeeigneten Mario Fijala als Geschäftsführer keine besonderen Umstände zu Gunsten des Angeklagten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.