Titel:
Nachlassinsolvenz - Feststellung von Abfindungsansprüchen des vormaligen Mitgesellschafters des Erblassers als Nachlassverbindlichkeiten
Normenketten:
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 10, § 613a, § 705, § 1967 Abs. 2
InsO § 325
Leitsätze:
1. Die Passivlegitimation eines bestellten Nachlassinsolvenzverwalters besteht auch dann, wenn die Ersatzerben, die den Insolvenzantrag gestellt haben, wegen der Unwirksamkeit der Erbausschlagung durch die Erbin nicht antragsberechtigt waren. (Rn. 37 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Rechtsübergang kraft Gesetzes, insbesondere kraft Erbrechts ist kein Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft iSv § 613a BGB. Vielmehr ergibt sich hier der Eintritt des Erben in das Dienstverhältnis nach dem allgemeinen Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachlassinsolvenz, Nachlassverbindlichkeit, Feststellung zur Insolvenztabelle, Nachlassinsolvenzverwalter, Passivlegitimation, BGB-Gesellschaft, Ausscheiden, Kündigung, Abfindungsanspruch, Erbausschlagung, Ersatzerbe, Betriebsübergang
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 06.05.2022 – 41 O 17465/20
Fundstellen:
GmbHR 2025, 195
LSK 2024, 31916
ZEV 2025, 275
BeckRS 2024, 31916
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 6.5.2022 (Az.: 41 O 17465/20) wird zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das genannte Urteil im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen ergänzt wie folgt: Es wird festgestellt, dass der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des Dr. R. D. eine weitere Insolvenzforderung in Höhe von 163.439,11 € zusteht.
3. Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen und die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 9% und der Beklagte 91% zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um die Feststellung von Ansprüchen zur Insolvenztabelle.
2
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des am ... 2018 verstorbenen Zahnarztes Dr. D. [im folgenden: Erblasser]. Der Erblasser wurde zunächst von seiner Ehefrau R. D. beerbt. Diese hat die Erbschaft im September 2018 ausgeschlagen. Auf Antrag der nachberufenen Ersatzerben wurde am 15.4.2019 das Nachlassinsolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers unter Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter eröffnet (vgl. Anlage K 3).
3
Der Erblasser betrieb zusammen mit dem früheren Kläger Dr. P. M. [im folgenden nur noch: Kläger] eine Zahnarztpraxis. Dem lag der „Vertrag über die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis“ zwischen dem Kläger und dem Erblasser vom 15.1.1986 (Anlage K 1) zugrunde, in dem es auszugsweise heißt:
§ 1 Vertragszweck. 1. Zweck der Gesellschaft ist:
a) die Führung einer zahnärztlichen Praxis und die Versorgung der Patienten
b) gemeinsame Nutzung von Einrichtungsgegenständen, zahnmedizinisch-technischen Geräten, Instrumenten etc.
c) die Anstellung gemeinschaftlicher Mitarbeiter …
§ 2 Praxisräume. 1. Die Gesellschaft nutzt die Räume des Hauses in K., …, soweit dieser Bestandteil der zahnärztlichen Praxis von Herrn Dr. D. sind. …
2. Alle künftig angeschafften Einrichtungsgegenstände, Arbeitsgeräte und Materialien gehen in das Eigentum von Herrn Dr. D. über.
Falls einer der Gesellschafter ohne das Einverständnis des Partners Einrichtungsgegenstände oder Geräte anschaffen will, kann er dies auf eigene Kosten tun, wobei dann diese Gegenstände in sein alleiniges Eigentum übergehen.
§ 4 Aufbringung der Mittel. 1. Herr Dr. D. verkauft aus seinem Praxisvermögen an Herrn Dr. M. zu Alleineigentum folgende Einrichtungsgegenstände: … Summe: DM 250.000, -.
2. Die übrige Einrichtung, Instrumente sowie Praxisräume bleiben jedoch ausschließlich das Eigentum von Herrn Dr. D. Gemeinschaftliches Eigentum besteht nicht.
3. An den laufenden Betriebskosten der Praxisgemeinschaft ist Herr Dr. M. nicht beteiligt. …
4. Sämtliche Ersatzbeschaffungen von Praxiseinrichtungsgegenständen erfolgen ausschließlich durch Herrn Dr. D.. Das gilt auch für den Ersatz von Einrichtungsgegenständen, die sich im Alleineigentum von Herrn Dr. M. befinden. …
§ 6 Honorar. Herr Dr. M. wird ab 1.1.1986 mit 35% … aus seinem Umsatz an zahnärztlicher Leistung (ohne Labor) beteiligt. …
§ 9 Geschäftsführung der Gesellschaft. Die Geschäftsführung der Gesellschaft wird von Herrn Dr. D. wahrgenommen, jedoch besitzt Herr Dr. M. ein umfassendes Mitspracherecht.
§ 10 Vertretung der Gesellschaft. Die Praxisgemeinschaft wird in den gemeinschaftlichen Anliegen von Herrn Dr. D. rechtsgeschäftlich vertreten.
§ 11 Ausscheiden eines Gesellschafters. 1. Herr Dr. M. kann aus der Gesellschaft ausscheiden.
2. Als Ausscheidensgründe kommen insbesondere in Betracht: Kündigung seitens Herrn Dr. D. (Frist: 6 Monate), Verlust der Approbation, Invalidität (dauernde Berufsunfähigkeit) sowie Tod.
3. Herr Dr. M. kann seine Teilnahme an der Praxisgemeinschaft mit 6-monatiger Frist schriftlich gegenüber dem anderen Gesellschafter kündigen. Das Recht zur fristlosen Kündigung bleibt vorbehalten.
4. Herr Dr. M. kann von Herrn Dr. D. aus aus [sic!] der Praxisgemeinschaft aus wichtigem Grund fristlos, z.B. Verlust der Approbation, Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, gekündigt werden.
5. Bei Ausstieg von Herrn Dr. D. hat Herr Dr. M. das Vorkaufs- bzw. Vormietrecht bezüglich der Praxis.
6. Bei Ausscheiden von Herrn Dr. M. verbleiben die im Eigentum von Herrn Dr. M. sich befindenden Praxisgegenstände in den Praxisräumen und werden an Herrn Dr. D. veräußert.
Der Rückkaufpreis beträgt zum 1.1.1986 DM 250.000,- und vermindert sich zeitanteilig um jährlich DM 25.000,- bis zu einem Restbetrag von DM 125.000,-.
Bei einem Ausscheiden nach dem 31.12.1990 erhält Herr Dr. M. also stets DM 125.000,-. Das Guthaben ist im Zeitpunkt des Ausscheidens sofort fällig. …
§ 14 Inkrafttreten, Vertragsdauer. 1. Dieser Vertrag tritt am 1.1.1986 in Kraft.
2. Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
3. Kündigungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Eine mündliche Aufhebung der Schriftformklausel ist nichtig.
§ 15 Schriftform. Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Die mündliche Aufhebung der Schriftform ist nichtig. …
4
Der Kläger hat sich darauf berufen, aufgrund seiner Kündigungserklärung vom 23.6.2015 (Anlage K 17) zum 31.12.2015 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden zu sein, so dass ihm nach dem Vertrag gemäß Anlage K 1 ein Abfindungsanspruch in Höhe von umgerechnet 63.775,51 € gegen den Erblasser zustehe.
5
Der Kläger arbeitete auch nach Ablauf des 31.12.2015 bis zur Schließung der Praxis (hinsichtlich derer die Ehefrau des Erblassers nach dessen Tod bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung das „Witwenquartal“ beantragt und bewilligt bekommen hatte) am 31.10.2018 weiterhin an einigen Tagen in der Woche in der Praxis mit. Er behauptete diesbezüglich, dass er mit dem Erblasser mündlich vereinbart habe, hierfür weiterhin gemäß § 6 der Vereinbarung vom 23.6.2015, also mit 35% der von ihm erwirtschafteten Umsätze der Praxis vergütet zu werden. Der Kläger hat auf dieser Basis Vergütungsansprüche in Höhe von 185.597,38 € errechnet (vgl. Anlagen K 6 – K 9).
6
Die beiden vorgenannten Forderungen hat der Kläger am 29.5.2019 zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers angemeldet. Der Beklagte hat die Forderungen in voller Höhe bestritten (vgl. Anlage K 10).
7
Der Beklagte hat u. a. die Einrede der Verjährung erhoben.
8
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des Dr. R. D. eine Insolvenzforderung in Höhe von EUR 249.372,89 € zusteht.
9
Der Beklagte hat beantragt,
10
Das Landgericht hat den Kläger informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugin H. . Hinsichtlich der Angaben des Klägers und der Zeugin wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.4.2022 (Bl. 63b ff. der Akten) Bezug genommen.
11
Das Landgericht hat sodann durch am 6.5.2022 verkündetes Endurteil den Anspruch des Klägers über 63.775,51 € zur Tabelle festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Hiergegen richten sich die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten sowie die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Anschlussberufung des Klägers. Die Parteien verfolgen mit ihren Rechtsmitteln ihre erstinstanzlichen Begehren weiter, soweit ihnen nicht entsprochen wurde.
12
Der Kläger ist im Zuge des Berufungsverfahrens am ...2022 verstorben und wurde von seiner Ehefrau C. M. (im Folgenden: Klägerin) allein beerbt. Diese hat das durch den Tod des Klägers unterbrochene Verfahren wieder aufgenommen.
13
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts München I vom 19. April 2022 [sic!], Az.: 41 O 17465/20 vollumfänglich abzuweisen.
14
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 06.05.2022, Az. 41 O17465/20 festzustellen, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des Dr. R. D. eine weitere Insolvenzforderung in Höhe von 185.597,38 € zusteht.
15
Die Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.
16
Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende Einvernahme der Zeugin H. . Hinsichtlich der Angaben der Zeugin wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.9.2024 (Bl. 142 ff. der Akten) Bezug genommen.
17
Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Auf die Anschlussberufung der Klägerin war eine weitere Insolvenzforderung in Höhe von 163.439,11 € zur Insolvenztabelle festzustellen; die weitergehende Anschlussberufung war zurückzuweisen.
18
I. Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers gegen den Erblasser in Höhe von 63.775,61 € (entspricht 125.000,- DM) wegen des Ausscheidens des Klägers aus der Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Insolvenztabelle festgestellt.
19
1. Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts, dass zwischen dem Kläger und dem Erblasser durch den Vertrag vom 15.1.1986 (Anlage K 1) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zweck des Betriebs einer Zahnarztpraxis begründet wurde (§ 705 BGB).
20
Dass die Vertragsparteien durch den Vertrag eine Gesellschaft gründen wollten, ergibt sich schon daraus, dass im Vertragstext wiederholt von „der Gesellschaft“ die Rede ist (vgl. nur §§ 1, 2). Dem korrespondiert, dass der Vertrag Regelungen über die Vertretung und Geschäftsführung vorsieht (§§ 9, 10), was sinnlos wäre, wenn die Parteien nicht von einer verbandsrechtlichen Konstruktion ihrer Zusammenarbeit ausgegangen wären. Die Wesensmerkmale einer (wenn auch atypisch ausgestalteten) Gesellschaft sind gewahrt. Der gemeinsame Zweck der Gesellschafter bestand in der Erwirtschaftung von Erträgen durch zahnärztliche Tätigkeit. Beide Gesellschafter waren zur Leistung von Beiträgen verpflichtet; diese bestanden zum einen in ihrer jeweiligen Arbeitskraft, zum anderen hinsichtlich des Klägers im Erwerb von Praxisgegenständen und deren Benutzung für die Tätigkeit der Gesellschaft (vgl. Vertrag § 4 Ziff. 1).
21
Eher atypisch geregelt war die Beteiligung der Gesellschafter an Kosten und Ertrag. Einerseits trafen den Kläger keine Betriebskosten (Vertrag § 4 Ziff. 3), umgekehrt wurde er aber (nur) mit 35% der von ihm erwirtschafteten Umsätze vergütet (Vertrag § 6) und war daher bei wirtschaftlicher Betrachtung mittelbar doch an den Unkosten beteiligt. Der Kläger war daher in der Gesamtschau der beiden zitierten Vorschriften pauschal an Kosten und Ertrag der Praxis beteiligt, was der Annahme einer Gesellschaft nicht entgegensteht.
22
Ebenso wenig steht der Annahme einer Gesellschaft entgegen, dass die Praxisgegenstände nicht ins Gesellschaftsvermögen übergehen, sondern Eigentum der Gesellschafter bleiben sollten (vgl. Vertrag § 3 Ziff. 2, § 4 Ziff. 1, 2, 4). Denn einen gemeinsamen Zweck im Sinne des § 705 BGB können die Gesellschafter auch unter Einsatz von in ihrem jeweiligen Eigentum stehenden Sachen verfolgen. Dass im Übrigen im Vertrag zwischen den Parteien die Entstehung von Gesellschaftsvermögen im Sinne von Ansprüchen und Verpflichtungen der Gesellschaft als solcher durchaus angelegt war, zeigt § 1 Ziff. 1 c), wonach die Einstellung gemeinschaftlicher Mitarbeiter geplant war.
23
2. Der Kläger ist durch Kündigungserklärung vom 23.6.2015 (Anlage K 17) mit Ablauf des 31.12.2015 aus der Gesellschaft ausgeschieden.
24
a) Das Landgericht hat sich nach Einvernahme der Zeugin H. davon überzeugt, dass die Zeugin auf Bitten des Klägers das Kündigungsschreiben gemäß Anlage K 17 im Juni 2015 gefertigt hat, dass der Kläger es sodann unterschrieben und sogleich dem Erblasser übergeben hat. Angriffe gegen diese Beweiswürdigung enthält die Berufungsbegründung nicht. Damit steht für den Senat bindend fest, dass dem Erblasser im Juni 2015 eine schriftliche, auf das Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft zum 31.12.2015 gerichtete Kündigungserklärung zugegangen ist.
25
Formale Bedenken gegen diese Kündigungserklärung bestehen nicht. Sowohl die Schriftform gemäß §§ 11 Ziff. 3, 14 Ziff. 3 des Vertrages zwischen den Parteien als auch die sechsmonatige Kündigungsfrist des § 11 Ziff. 3 des Vertrages sind gewahrt.
26
b) Die ordentliche Kündigung ist auch materiell wirksam; gemäß § 11 Abs. 3 des Vertrages war dem Kläger ein ordentliches Kündigungsrecht mit sechsmonatiger Frist eingeräumt.
27
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Kündigung auch nicht zurückgenommen worden. Die Kündigung als Gestaltungsrecht wurde mit ihrem Zugang wirksam und konnte nicht einseitig zurückgenommen werden. Insofern wäre allenfalls eine konkludente Einigung der Parteien über die Unwirksamkeit der Kündigung bzw. Fortsetzung der Gesellschaft trotz Kündigung in Betracht gekommen. Eine solche Einigung würde jedoch an der doppelten Schriftformklausel in § 15 des (ersichtlich individuell vereinbarten) Vertrages zwischen den Parteien scheitern.
28
Denkbar wäre allenfalls die konkludente Gründung einer neuen Gesellschaft mit altem Inhalt. Ein diesbezüglich übereinstimmender Wille der Vertragsparteien lässt sich jedoch nicht feststellen. Der Kläger hat mit seiner Kündigung dokumentiert, dass er nicht mehr in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit mit dem Kläger zusammenarbeiten wollte. Das hat er bei seiner informatorischen Anhörung durch das Landgericht plausibel damit begründet, dass es wegen finanzieller Schwierigkeiten des Erblassers zu Unregelmäßigkeiten bei der Auszahlung seiner Honoraranteile gekommen war. Dieses Motiv klingt auch in der Kündigungserklärung (Anlage K 17) selbst an, wenn dort von ausstehenden Honoraren im sechsstelligen Bereich die Rede ist. Aus der mündlichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Erblasser, dass der Kläger (zu ähnlichen, aber nicht identischen Konditionen) weiterhin in der Praxis mitarbeiten sollte (näher dazu unten II.), kann daher nicht auf den Willen des Klägers zur Neugründung einer Gesellschaft geschlossen werden.
29
3. Mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft entstand in seiner Person ein Abfindungsanspruch in Höhe von 125.000, – DM, umgerechnet 63.775,61 €. Dieser Anspruch ist durch den Tod des (ursprünglichen) Klägers auf die (nunmehrige) Klägerin als seine Alleinerbin übergegangen (§ 1922 BGB).
30
Der Senat folgt der Einschätzung des Landgerichts, dass sich der Anspruch des Klägers auf Zahlung von 125.000, – DM nach seinem kündigungsbedingten Ausscheiden aus § 11 Ziff. 6 Abs. 2 des Vertrages ergibt. Entgegen der Auffassung des Beklagten bezieht sich die Regelung der Ziffer 6 nicht nur auf ein Ausscheiden des Klägers im Sinne von Ziffer 2 (also ordentliche Kündigung durch den Erblasser, Verlust der Approbation, Invalidität, Tod), sondern auf alle in § 6 des Vertrages geregelten Ausscheidensgründe und damit auch auf ein Ausscheiden des Klägers aufgrund eigener Kündigung.
31
Schon die Wortlautauslegung des Beklagten überzeugt nicht. Zwar besagt Ziffer 1, dass der Kläger aus der Gesellschaft ausscheiden kann, und beginnt die nachfolgende Ziffer 2 mit dem Wort „Ausscheidensgründe“. § 11 steht aber unter dem Obersatz „Ausscheiden eines Gesellschafters“; dem korrespondiert, dass nicht nur in Ziffer 2, sondern auch in Ziffern 3 (Kündigung durch den Kläger) und Ziffer 4 (außerordentliche Kündigung durch den Erblasser) Tatbestände geregelt sind, die zu einem Ausscheiden des Klägers führen. Die nachfolgende Conclusio in Ziffer 6, wonach die Praxisgegenstände dem Erblasser verbleiben und der Kläger zum Ausgleich den abgeschriebenen Wert der von ihm (gemäß § 4 Ziff. 1 des Vertrages) erworbenen Praxisgegenstände, mindestens aber 125.000, – DM erhält, bezieht sich nach Wortlaut und systematischer Stellung auf alle vorstehend genannten Ausscheidensgründe.
32
Zum selben Ergebnis führt eine interessengerechte Auslegung. Die Vertragsparteien wollten die wirtschaftliche Beteiligung des Klägers (also in gesellschaftsrechtlicher Diktion: seine Einlage) dadurch realisieren, dass er existierende Praxisgegenstände zu Eigentum erwarb. Kehrseite der Einlage in eine Gesellschaft ist deren (bereinigte) Rückerstattung bei Beendigung der Gesellschaft und / oder Ausscheiden eines Gesellschafters; letztes haben die Parteien vorliegend durch eine pauschalisierte Rückkaufsregelung vorgesehen. Es ist nicht anzunehmen, dass die Vertragsparteien entgegen allgemeinen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts den Anspruch auf Rückerstattung der Einlage auf bestimmte Ausscheidensgründe beschränken wollten.
33
4. Der Beklagte ist als Insolvenzverwalter über den Nachlass des Erblassers passivlegitimiert, da der Anspruch eine Nachlassverbindlichkeit darstellt.
34
a) Der Anspruch richtete sich zu dessen Lebzeiten gegen den Erblasser.
35
Aus den Vertragsregelungen, wonach der Kläger aus der (zweigliedrigen) Gesellschaft „ausscheidet“ (§ 11 Ziff. 1) und dass die vom Kläger erworbenen Praxisgegenstände in der Praxis verbleiben (§ 11 Ziff. 6), ergibt sich eindeutig, dass nach der Konzeption des Vertrages der Erblasser die Geschäfte der Gesellschaft allein fortführen sollte. Damit wuchs nach allgemeinen Grundsätzen des Personengesellschaftsrechts mit dem Ausscheiden des Klägers eventuell vorhandenes Gesellschaftsvermögen dem Erblasser als letztem verbliebenen „Gesellschafter“ an und richtete sich der Abfindungsanspruch gegen ihn.
36
Eine Liquidations- oder Abschichtungsbilanz ist nicht erforderlich, da der dem Kläger bei seinem Ausscheiden zustehende Abfindungsanspruch im Vertrag betragsmäßig festgelegt ist.
37
b) Mit dem Erbfall richtet sich der Anspruch als Nachlassverbindlichkeit nunmehr gegen den oder die Erben und kann daher gegenüber dem Beklagten als Nachlassinsolvenzverwalter geltend gemacht werden. Wer Erbe ist, ist für die Frage, ob die gegenständliche Verbindlichkeit Nachlassverbindlichkeit ist, irrelevant, so dass an dieser Stelle offenbleiben kann, ob die ursprüngliche Erbin R. D. die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat.
38
Zwar wäre im Falle der Unwirksamkeit der Ausschlagung R. D. Erbin geblieben und die Ersatzerben, die den Antrag auf Nachlassinsolvenz gestellt haben, nie Erben geworden, so dass es insolvenzverfahrensrechtlich an einem wirksamen Antrag fehlen würde und das Insolvenzverfahren nicht hätte eröffnet werden dürfen. Dieser Mangel würde aber den Hoheitsakt der Bestellung des Beklagten (mit Verfügungsbefugnis über den Nachlass) nicht nichtig machen, so dass auch in diesem Fall die Passivlegitimation des Beklagten zu bejahen wäre.
39
Abgesehen davon spricht alles dafür, dass die (offenbar im September 2018 erklärte, vgl. Anlage K 20) Ausschlagung wirksam war. Zwar mag die Ausschlagungsfrist (§ 1944 BGB) versäumt sein bzw. mag man in der Fortführung der Praxis im Zuge des Witwenquartals eine konkludente Annahme der Erbschaft sehen (§ 1943 BGB). In diesen Fällen ist jedoch die Ausschlagungserklärung in eine Anfechtung der Annahme (§§ 1954 ff. BGB) umzudeuten, wenn ein Anfechtungsgrund (§§ 119 ff. BGB) besteht. Als Anfechtungsgrund ist der Irrtum des Erben über die Zusammensetzung des Nachlasses, insbesondere die Unkenntnis von wesentlichen Nachlassverbindlichkeiten anerkannt (§ 119 Abs. 2 BGB). Letzteres liegt hier nahe, weil nach den Angaben des Klägers bei seiner Anhörung durch das Landgericht die Schulden des Erblassers in ihrem vollen Umfang erst im September 2018 ans Licht kamen, weshalb auch die Anfechtungsfrist (§ 1954 BGB) gewahrt wäre. Die Anfechtung der Erbschaftsannahme wirkt als Ausschlagung (§ 1957 Abs. 1 BGB).
40
c) Fragen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB, der nach Auffassung des Beklagten dazu geführt haben soll, dass die Verbindlichkeit nicht (mehr) zum Nachlass gehöre, stellen sich an dieser Stelle nicht. § 613a BGB betrifft den Übergang von Arbeitsverhältnissen. Der gegenständliche Anspruch folgt jedoch nicht aus einem Arbeitsverhältnis, sondern als gesellschaftsrechtlicher Abfindungsanspruch aus dem Gesellschaftsvertrag zwischen den Parteien.
41
5. Aufrechenbare Gegenansprüche sind nicht ersichtlich. Solche hat der Beklagte zwar in der Insolvenztabelle behauptet (vgl. Anlage K 10), im Verfahren aber nicht substantiiert. Im übrigen fehlt es damit auch an einer konkreten Aufrechnungserklärung.
42
6. Der Anspruch ist nicht verjährt. Der Anspruch entstand und wurde fällig mit Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 11 Ziff. 6 des Gesellschaftsvertrags), also mit Ablauf des 31.12.2015, so dass er erstmals am 1.1.2016 hätte geltend gemacht werden können. Die reguläre dreijährige Verjährungsfrist hätte daher am 31.12.2019 geendet (§§ 194, 199 BGB). Die Verjährung wurde jedoch gehemmt durch Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren am 29.5.2019 (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB).
43
II. Dem Kläger stand wegen der von ihm geleisteten Dienste für den Erblasser in den Jahren 2016 – 2018 ein Vergütungsanspruch in Höhe von 163.439,11 € gegen den Erblasser zu, der sich auf der Basis einer vereinbarten Vergütung von 30% der vom Kläger erzielten Umsätze berechnet; einen höheren Vergütungssatz vermochte die nunmehrige Klägerin (auf die der Anspruch mit dem Tod des Klägers nach § 1922 BGB übergegangen ist) nicht zur Überzeugung des Senats zu beweisen.
44
1. Zwischen dem Kläger und dem Erblasser wurde im Juni 2015 mündlich ein Dienstvertrag des Inhalts geschlossen, dass der Kläger nach Wirksamkeit seines Ausscheidens, also ab dem 1.1.2016 weiterhin zahnärztliche Dienste in der Praxis des Beklagten (als dann alleinigen Praxisinhabers) erbringt und hierfür mit 30% der von ihm erwirtschafteten Umsätze vergütet wird.
45
a) Das Landgericht geht nach Einvernahme der Zeugin H. davon aus, dass zwischen dem Kläger und dem Erblasser im zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung der Gesellschaft ein mündlicher Dienstvertrag über die Erbringung von zahnärztlichen Leistungen zustande gekommen ist. Dies ist von Rechtsfehlern nicht beeinflusst.
46
Unstreitig hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechende Dienste in der Praxis erbracht. Diese erfolgten nicht auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage und wurden gegenüber dem Erblasser als nunmehr alleinigem Praxisinhaber erbracht (vgl. näher oben). Schon dieser Befund rechtfertigt die Annahme eines vergütungspflichtigen Dienstvertrages zwischen Kläger und Erblasser (vgl. § 612 BGB).
47
Die vorstehenden Überlegungen werden erhärtet durch die Angaben der Zeugin H., die in erster Instanz bekundet hat, dass nach ihrer Kenntnis der Kläger weiterhin die bisherigen Honorare bekommen solle. In zweiter Instanz hat sie dies dahin präzisiert, dass sie mit der Abrechnung der Vergütung des Klägers betraut war, die Abrechnung gemäß Anlagen K 7 – K 9 gefertigt und beiden Zahnärzten vorgelegt hat. Das Landgericht hat die Zeugin für glaubwürdig und ihre Aussagen für glaubhaft erachtet. Der persönliche Eindruck, den der Senat bei der erneuten Einvernahme von der Zeugin gewonnen hat, hat diese Einschätzung bestätigt. Auf der Basis der Angaben der Zeugin ist davon auszugehen, dass der Kläger und der Erblasser vom Bestehen eines vergütungspflichtigen Dienstverhältnisses zwischen ihnen ausgegangen sind. Insgesamt ist der Senat daher vom Bestehen eines solchen Dienstverhältnisses überzeugt.
48
b) Zur Höhe der vereinbarten Vergütung ist das Landgericht (das den Anspruch an mangelnder schlüssiger Darlegung der Berechnung der Klagepartei hat scheitern lassen, vgl. dazu unten 2.) aufgrund der erstinstanzlichen Aussage der Zeugin H. davon ausgegangen, dass weiterhin „Vergütung gemäß § 6 des Gesellschaftsvertrags“ (das wären 35% der vom Kläger mit den von ihm behandelten Patienten erwirtschafteten Umsätze) vereinbart war. Demgegenüber ist der Senat nach erneuter Vernehmung der Zeugin nicht davon überzeugt, dass eine Vergütung in Höhe von 35% der Umsätze des Klägers vereinbart war; die Vereinbarung einer höheren Vergütung als 30% der Umsätze des Klägers hat die Klägerin nicht bewiesen.
49
Erstinstanzlich hat die Zeugin keinen bestimmten Prozentsatz benannt. Auffällig ist, dass die Quartalsabrechnungen K 7 – K 9 (die nach Angabe der Zeugin zeitnah gefertigt und beiden Zahnärzten vorgelegt wurden) von einer dem Kläger zustehenden Umsatzquote von 30% ausgehen, was dafürspricht, dass diese Quote von den Vertragsparteien vereinbart war. Die Quote von 35% taucht erstmals in der Quartalsabrechnung für das dritte Quartal 2018 auf, also zu einer Zeit, als der Erblasser bereits verstorben war (und ihm daher die entsprechende Abrechnung nicht zur Billigung vorgelegt worden sein kann). Dass für diesen Zeitraum eine erhöhte Quote (etwa durch Abrede mit der Erbin) vereinbart worden wäre, hat weder die Klägerin behauptet noch die Zeugin konkret zu bekunden vermocht. Von daher geht der Senat für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum von einem Vergütungsanspruch des Klägers in Höhe von 30% seiner Umsätze aus.
50
2. Der Anspruch war entgegen der Auffassung des Landgerichts der Höhe nach bereits erstinstanzlich schlüssig dargelegt und unter Beweis gestellt, so dass sich insoweit weder die Frage einer Zurückweisung klägerischen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO noch die Problematik einer Verspätung klägerischer Beweisanträge stellt. Die Beweisaufnahme hat den klägerischen Vortrag (mit der oben unter 1. erörterten Einschränkung) bestätigt.
51
a) Die Anlagen K 6 – K 9, auf die der Kläger erstinstanzlich wiederholt Bezug genommen hat und die damit Bestandteil des klägerischen Sachvortrags erster Instanz waren, sind aus sich heraus verständlich.
52
Die Anlagen K 7 bis K 9 stellen Quartalsabrechnungen für die Quartale I – IV der Jahre 2016 – 2018 dar (was bei Ärzten, die allgemeinkundig gehalten sind, gegenüber gesetzlichen Krankenkassen quartalsmäßig abzurechnen, sehr nahe liegt). Dabei enthält jeweils die linke Zahlenspalte den Umsatz, den der Kläger gemacht haben will, und die rechte Zahlenspalte den Prozentsatz daraus, der ihm nach seiner Auffassung zusteht. Am Fuß der jeweiligen Quartalsabrechnung findet sich sodann die Umlegung der so ermittelten Vergütung des Klägers auf die Folgemonate zur Auszahlung in drei Raten. Die Anlage K 6 stellt eine Zusammenfassung der sich hiernach monatlich zur Auszahlung ergebenden Beträge dar. Aus dieser quartalsmäßigen Abrechnungsweise erklärt sich von selbst, warum die Klageforderung mit April 2016 beginnt, obwohl der Vergütungszeitraum ab Januar 2016 lief.
53
Dass in K 6 teilweise niedrigere Monatsbeträge aufgeführt sind, als sich nach K 7 – K 9 ergeben würden (vgl. Juli 1016, März 2017, Dezember 2017, April 2018, Juni 2018 – für die nichts verlangt wird), nimmt der Klage schon deshalb nicht die Schlüssigkeit, weil es jedem Kläger unbenommen bleibt, einen geringeren Betrag geltend zu machen, als ihm nach seiner Berechnung zustünde.
54
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die in Anlagen K 7 – K 9 verwendeten Abkürzungen für die Schlüssigkeit der Klage irrelevant. Ausreichend war die Behauptung, welche Umsätze der Kläger erzielt hat (linke Zahlenspalte); auf welche Tatbestände der GoZÄ diese erzielt wurden, spielt keine Rolle.
55
Irrelevant ist insoweit auch der Gesamtumsatz der Praxis, da die Vergütung des Klägers nicht hieraus, sondern aus den von ihm (also mit den von ihm behandelten Patienten) erwirtschafteten Umsatz zu berechnen war.
56
b) Dem dargestellten Abrechnungsmechanismus hat die Zeugin H., die die Anlagen K 6 – K 9 nach ihren Angaben als für die Abrechnungen des Klägers zuständige Mitarbeiterin der Praxis gefertigt hat, zur Überzeugung des Senats bestätigt. Sie hat insbesondere bestätigt, dass die linke Zahlenspalte der Quartalsabrechnungen die vom Kläger erwirtschafteten Umsätze wiedergibt, welche sie einer Behandlerstatistik aus dem Computerprogramm der Praxis entnommen habe. Der Senat sieht keinen Anlass, der Zeugin insoweit nicht zu glauben, und ist daher davon überzeugt, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum die dort aufgeführten Umsätze erzielt hat.
57
c) Dass die Parteien nach der erstinstanzlichen Beweisaufnahme die Anträge wiederholt haben, mag Verfahrensfehler des Landgerichts geheilt haben (§ 295 ZPO), so dass eine Zurückverweisung an das Landgericht nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht möglich gewesen wäre, ändert aber nichts daran, dass der klägerische Sachvortrag erster Instanz schlüssig war und macht den in der Berufungsinstanz wiederholten Sachvortrag der Klagepartei nicht zu in der Berufungsinstanz neuem Vortrag.
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3. Auf der Basis der vorstehenden Ausführungen ergibt sich der Vergütungsanspruch des Klägers in Höhe von 163.439,11 €.
59
a) Die für die Jahre 2016 und 2017 geltend gemachten Beträge von 52.518,70 € und 55.289,09 € beziehen sich rechnerisch richtig auf die Quartalsabrechnungen I, II und III / 2016 sowie IV / 2016 und I, II und III / 2017 (bei Anlagenkonvolut K 6 – 9), die vereinbarungsgemäß mit 30% der klägerischen Umsätze erfolgten. Soweit der Kläger in der Aufstellung gemäß Anlage K 6 weniger verlangt hat, als ihm nach der Quartalsabrechung zustünde (Juli 2016, März und Dezember 2017), erklärt er dies plausibel (und bestätigt von der Zeugin H.) mit Rückbuchungen / Stornierungen der Krankenkassen. Die geltend gemachten Beträge sind in voller Höhe zuzuerkennen.
60
b) Die für die Monate Januar bis März 2018 geltend gemachten Beträge von 5.014,38 €, 5.268,04 € und 5.759,32 € beziehen sich auf die Quartalsabrechnung IV/2017 (bei Anlagenkonvolut K 6 – K 9), die vereinbarungsgemäß mit 30% der Umsätze erfolgte und aus der sich auf der Basis der Umsätze des Klägers ein monatlicher Anteil von 5.759,32 € ergibt. Zu den gegenüber der Quartalsabrechnung niedrigeren Ansatz in den Monaten Januar und Februar gelten die Ausführungen unter a) entsprechend. Die vorstehend genannten Beträge sind in voller Höhe zuzuerkennen.
61
c) Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die für April und Mai 2018 geltend gemachten Beträge von 4.263,08 € und 4.935,91 €, die auf der Quartalsabrechnung I / 2018 (bei Anlagenkonvolut K 6 – K 9) beruhen, welche ebenfalls noch zutreffend auf der Basis von 30% der klägerischen Umsätze erfolgte.
62
d) Für Juni 2018 hat der Kläger nichts geltend gemacht (obwohl ihm nach der Quartalsabrechnung I / 2018, a.a.O., hierfür ein Betrag von 4.935,91 € zustünde). Insoweit kann der Klagepartei schon deshalb nichts zuerkannt werden, weil es an einer Anmeldung zur Insolvenztabelle fehlt; die Summe der insgesamt geltend gemachten Vergütung ohne Ansatz für Juni 2018 entspricht der Höhe nach der angemeldeten Forderung.
63
e) Für die Monate August, September und Oktober 2018 stehen der Klagepartei je 4.422,37 €, also zusammen 13.267,11 € zu. Die für die genannten Monate geltend gemachten Beträge fußen auf der Quartalsabrechnung II / 2018 (bei Anlagenkonvolut K 6 – K 9). Dort wurden die der Klagepartei zustehende Vergütung unzutreffend mit 35% der Umsätze des Klägers berechnet; geschuldet sind allerdings nur 30%. Das ergibt bei einem klägerischen Quartalsumsatz von 44.223,74 € einen monatlichen Anspruch von (44.223,74 x 0,3 : 3 =) 4.422,37 €.
64
f) Auf der Basis derselben Überlegungen stehen der Klagepartei für die Monate Oktober, November und Dezember 2018 je 5.554,90 €, zusammen also 16.664,70 € zu (klägerische Umsätze gemäß Quartalsabrechnung III / 2018 [bei Anlagenkonvolut K 6 – K 9]: 55.548,96 €; 30% = 16.664.69 €; aufgeteilt auf drei Monate = 5.554,90 €).
65
g) Die von der Klagepartei so genannte „Restzahlung“ beruht auf der Quartalsabrechnung IV / 2018 (bei Anlagenkonvolut K 6 – K 9) und soll die Tätigkeit des Klägers im letzten Quartal 2018 bis zur Schließung der Praxis vergüten. Bei Umsätzen des Klägers von 51.529,26 € beläuft sich sein Anteil von 30% auf 15.485,78 €.
66
h) Die Summe der nach den vorstehenden lit. a) – c), e) – g) zuzuerkennenden Beträge ergibt einen klägerischen Vergütungsanspruch in Höhe des zuerkannten Betrages.
67
4. Der Anspruch entstand gegenüber dem Erblasser und richtet sich ab dem Erbfall als Nachlassverbindlichkeit gegen seine Erben; der Beklagte als Nachlassinsolvenzverwalter ist damit passivlegitimiert (§ 325 InsO).
68
a) Das gilt auch für die nach dem Tod des Erblassers fällig gewordene Vergütungsansprüche des Klägers (also für die Zeit ab Juli 2018). Nachlassverbindlichkeiten sind nach der Definition des § 1967 Abs. 2 BGB alle Verbindlichkeiten, die vom Erblasser herrühren. Damit sind Nachlassverbindlichkeiten auch solche Verbindlichkeiten, die schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzungen verstorben wäre (vgl. BGH, Urteil vom 7.6.1991 – V ZR 214/89, Rz. 7). Dazu gehören auch erst nach dem Tod des Erblassers fällig werdende Verpflichtungen aus vom Erblasser begründeten Dauerschuldverhältnissen (vgl. BGH, Urteil vom 25.9.2019 – VIII ZR 122/18, Rz. 21).
69
b) Ein Ausscheiden der streitgegenständlichen Verbindlichkeiten aus dem Nachlass nach den Grundsätzen des § 613a BGB liegt nicht vor.
70
Mit dem Erbfall ging die „Praxis“ als Konglomerat von Sachen, Rechten und Pflichten einschließlich der für die Praxis bestehenden Dienst- und Arbeitsverhältnisse auf den oder die Erben über, und zwar nach §§ 1922, 1967 BGB und nicht nach § 613a BGB. Ein Rechtsübergang kraft Gesetzes, insbesondere kraft Erbrechts ist kein Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft im Sinne von § 613a BGB; vielmehr ergibt sich hier der Eintritt des Erben in das Dienstverhältnis nach dem allgemeinen Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (vgl. Grüneberg / Weidenkaff, BGB, 83. Aufl., § 613a Rz. 6 m.w.Nachw.).
71
Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts, an die der Senat mangels Antrags auf Tatbestandsberichtigung gebunden ist, hat die (ursprüngliche) Erbin R. D. die Praxis im Zuge des Witwenquartals bis zu ihrer Schließung Ende Oktober 2018 fortgeführt (LGU 3). Damit steht bindend fest, dass der Betrieb der Praxis, solange diese existierte, nicht auf dritte Personen, etwa auf den Kläger übergegangen ist. Vielmehr hat der Kläger, soweit er nach dem Erbfall weiterhin in der Praxis tätig war, seine zahnärztlichen Dienste nicht mehr dem Erblasser, sondern kraft des durch Erbfall auf die Erben übergegangenen Dienstvertrags nunmehr den Erben erbracht.
72
Nichts anderes kann der Beklagte aus Anlage B 1 herleiten. Aus diesem Schreiben der BfA ergibt sich nur, dass im Mai 2019 unter anderem der längst verstorbene Erblasser und der Kläger als Inhaber der (nach den bindenden tatbestandlichen Feststellungen längst geschlossenen) Praxis gemeldet waren. Die Meldelage war daher schon angesichts des Todes des Erblassers ersichtlich unrichtig und taugt daher nicht als Anknüpfungspunkt für die Annahme eines rechtsgeschäftlichen Praxisübergangs auf den Kläger und / oder Dritte.
73
Auch insoweit spielt es keine Rolle, ob die ursprüngliche Erbin R. D. die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat (dazu oben I.4.b). War die Ausschlagung unwirksam, ist sie Erbin geblieben und hat die Praxis als solche fortgeführt. War die Ausschlagung hingegen wirksam, hat sie ihre Erbenstellung rückwirkend auf den Erbfall verloren (§ 1953 BGB). Aber auch in diesem Fall hat sie in der Zwischenzeit die Praxis kraft Erbrechts und nicht kraft rechtsgeschäftlichen Erwerbs fortgeführt. Dies ergibt sich aus der Wertung des § 1959 BGB, wonach sich das Rechtsverhältnis zwischen ausschlagendem und nachrückendem Erben nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag beurteilt. R. D. hat daher für den Fall, dass sie wirksam ausgeschlagen hat, die Praxis bis zur Ausschlagung nicht als eigenes, sondern als Geschäft der Ersatzerben fortgeführt, so dass auch in diesem Fall eine Fortführung kraft Erbrechts vorliegt.
74
5. Der Anspruch ist nicht verjährt. Er entstand fortlaufend ab Januar 2016 und wurde fortlaufend fällig ab April 2017. Die dreijährige Verjährungsfrist endete daher für den ältesten Teil der Ansprüche regulär frühestens mit Ablauf des 31.12.2019 (§§ 195, 199 BGB). Der Lauf der Verjährung wurde jedoch gehemmt durch Anmeldung der Ansprüche im Insolvenzverfahren am 29.5.2019 (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB).
75
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.
76
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
77
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalles