Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 22.10.2024 – Au 8 S 24.2218
Titel:

Unzulässiges Hilfsmittel für die Zweite Juristische Staatsprüfung

Normenketten:
BayJAPO § 7, § 11
VwGO § 80 Abs. 3
Leitsätze:
1. Eine Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung, die möglicherweise für eine Vielzahl von Verstößen gegen § 11 BayJAPO verwendet werden kann, begegnet bei Bezug zu einem konkreten Sachverhalt keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist rechtlich zulässig, wenn das Landesjustizprüfungsamt den Mitgliedern des Prüfungsausschusses den Entwurf eines Bescheides über das Nichtbestehen einer Prüfung mit getrennten Schreiben übersendet und die Mitglieder ihre Zustimmung oder deren Verweigerung durch simples Streichen der nicht zutreffenden Auswahlmöglichkeit mitteilen können. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die JAPO gibt nicht vor, dass der Prüfungsausschuss gehindert wäre, im Umlaufverfahren zu entscheiden. (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Prüfling muss spätestens dann, wenn er mit der Ladung zur Zweiten Juristischen Staatsprüfung auf die einschlägigen Regelungen der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS hingewiesen wurde, seine Hilfsmittel einer sorgfältigen Kontrolle auf unzulässige Verweisungen unterziehen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anforderungen an die Begründung einer Sofortvollzugsanordnung, Besitz eines nicht zugelassenen Hilfsmittels, Beschlussfassung des Prüfungsausschusses im Umlaufverfahren zulässig, Fahrlässigkeitsvorwurf, Verhältnismäßigkeit, Begründung, Anordnung der sofortigen Vollziehung, Zweite Juristische Staatsprüfung, Hilfsmittel, Verweisungen, Prüfungsausschuss, Umlaufverfahren, Bescheidentwurf
Fundstelle:
BeckRS 2024, 31709

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Bewertung einer Aufgabe der Zweiten Juristischen Staatsprüfung mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte).
2
Der Antragsteller legte die Erste Juristische Staatsprüfung im Termin 2020/2 erfolgreich ab und begann danach mit einem Promotionsvorhaben. Ab Oktober 2022 leistete der Antragsteller seinen Juristischen Vorbereitungsdienst und nahm am schriftlichen Teil der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2024/1 teil.
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Am 5. Juni 2024 fertigte der Antragsteller die Aufgabe 2 an; Gegenstand der Aufgabe war die Anfertigung eines Anwaltsschriftsatzes nach Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Mandanten. Im Rahmen einer Hilfsmittelkontrolle wurde festgestellt, dass das Hilfsmittel Habersack, Deutsche Gesetze, des Antragstellers folgende handschriftliche Verweisungen enthielt:
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- Auf der Doppelseite 28a/29 zum BGB: 22 handschriftliche Verweisungen
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- Auf der Doppelseite 56/57 zum BGB: 21 handschriftliche Verweisungen
6
- Auf der Doppelseite 208/209 zum BGB: 22 handschriftliche Verweisungen
7
- Auf der Doppelseite 62/63 zur ZPO: 25 handschriftliche Verweisungen
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- Auf der Doppelseite 64/65 zur ZPO: 22 handschriftliche Verweisungen
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- Auf der Doppelseite 81/82 zur ZPO: 28 handschriftliche Verweisungen
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Das betroffene Hilfsmittel des Antragstellers wurde nach Prüfungsende am 5. Juni 2024 sichergestellt.
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Mit Schreiben vom 14. Juni 2024 wurde der Antragsteller angehört und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hierauf äußerte sich der Prozessbevollmächtigte nach Einsichtnahme in das sichergestellte Hilfsmittel mit Schreiben vom 5. Juli 2024. Die im Anhörungsschreiben niedergelegten Verweisungen seien tatsächlich zutreffend. Wie diese im Einzelnen zustande gekommen seien, lasse sich nicht mehr rekonstruieren, da der Antragsteller mit der betreffenden Gesetzesausgabe bereits seit Beginn seiner Erstexamensvorbereitung im September 2019 arbeite und diese durch Nachsortieren und Umkommentieren stets aktuell gehalten habe. Die beanstandeten Doppelseiten mit 25 und 28 Verweisungen seien mit den Nachlieferungen im Oktober 2021 und August 2022 einsortiert worden; zu diesem Zeitpunkt – mehr als ein Jahr nach Abschluss der Ersten Juristischen Prüfung – sei dem Antragsteller die Beschränkung auf 20 Verweisungen leider nicht mehr so unmittelbar präsent gewesen, dass er jede einzelne Seite erneut nachgezählt hätte. Es sei zuzugeben, dass der Antragsteller auch bei der Kontrolle der Hilfsmittel unmittelbar vor den Prüfungen nicht jede einzelne Seite aller Hilfsmittel kontrolliert und nachgezählt habe. Nachdem er bei einer stichprobenartigen Kontrolle, hauptsächlich in den Gesetzen (BGB, StGB und VwGO), in welchen er die meisten Verweisungen vermutete, nichts gefunden habe, habe der Antragsteller beschlossen, seine Zeit sinnvoller in die Prüfungsvorbereitung zu investieren. Auf die weitere Begründung wird verwiesen.
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Mit Schreiben vom 11. Juli 2024 wurde den Mitgliedern des Prüfungsausschusses vom Landesjustizprüfungsamt ein Entwurf des streitgegenständlichen Bescheids mit der Bitte um Äußerung übersandt. Am Ende des Schreibens finden sich die Auswahlmöglichkeiten „Dem Entwurf stimme ich zu“ sowie „Den Entwurf lehne ich ab“. Als weitere Anlagen wurden dem Schreiben ein Abdruck der Niederschrift vom 5. Juni 2024 und der Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers sowie folgende Bemerkung beigefügt:
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„Es entspricht der Praxis des Prüfungsausschusses in Fällen, in denen – wie vorliegend – an mehreren Stellen die Höchstzahl von 20 zulässigen Verweisungen pro Doppelseite überschritten wird, die jeweilige Aufgabe mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) zu bewerten (ZJS 2017/1 „Schülein“; ZJS 2017/1 „Braminski“). Eine andere Bewertung ist vorliegend auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Prüfungsausschuss in der Vergangenheit in einzelnen Fällen einer Überschreitung der Höchstzahl von 20 Verweisungen pro Doppelseite von einer Bewertung mit 0 Punkten abgesehen. Denn dies betraf Fälle, in denen lediglich an drei (ZJS 2017/2 „Scheurl“) beziehungsweise vier (ZJS 2017/1 „Beckstein“) Stellen mehr als 20 Verweisungen pro Doppelseite angebracht wurden. Der vorliegende Fall zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass der Teilnehmer auf sechs Doppelseiten die Höchstzahl von 20 Verweisungen – und zwar teilweise erheblich – überschritten hat.“
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Alle Mitglieder des Prüfungsausschusses erteilten ihre Zustimmung.
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Mit Bescheid vom 1. August 2024 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass der Prüfungsausschuss beschlossen habe, dass die Bearbeitung der Aufgabe 2 der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2024/1 des Antragstellers mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) bewertet werde. Das beanstandete Hilfsmittel sei ein nicht zugelassenes Hilfsmittel im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen vom 13. Oktober 2003 (GVBl. S. 758), zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2024 (GVBl. S. 89) (JAPO). Gemäß Abschnitt IV Nr. 1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über die Hilfsmittel für die Zweite Juristische Staatsprüfung vom 15. Oktober 2003 (JMBl. S. 204), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 6. April 2023 (Hilfsmittelbekanntmachung ZJS), seien in der Gesetzessammlung Habersack, Deutsche Gesetze, lediglich 20 handschriftliche Verweisungen mit Bleistift auf Normen zulässig. Hierauf sei der Antragsteller bereits mit der Ladung und nochmals vor Beginn der Prüfung hingewiesen worden. Den Nachweis fehlenden Verschuldens nach § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO habe der Antragsteller nicht führen können. Ihm falle zumindest Fahrlässigkeit zur Last. Bei einer gewissenhaften Kontrolle der von ihm verwendeten Hilfsmittel hätte der Antragsteller erkennen können und müssen, dass das von ihm eingepackte Hilfsmittel nicht den Vorgaben der Hilfsmittelbekanntmachung entspreche. Eine vollständige Überprüfung der Hilfsmittel sei dem Antragsteller zumutbar gewesen. So sei bereits beim Einsortieren der Nachlieferungen mit einem kurzen Blick erkennbar, ob die Zahl der Kommentierungen auf einer Doppelseite an die zulässige Höchstzahl heranreiche; durch genaues Nachzählen auf den betreffenden Doppelseiten könne dann festgestellt werden, ob die zulässige Höchstzahl überschritten sei. Für den Antragsteller habe Veranlassung bestanden, nicht nur eine strichprobenartige Kontrolle, sondern eine gründliche Kontrolle seiner Hilfsmittel durchzuführen, da er diese bereits seit 2019 verwende und beim zwischenzeitlichen Einsortieren der Nachlieferungen keine Prüfung der zulässigen Verweisungen je Doppelseite vorgenommen habe. Ein minder schwerer Fall im Sinne von § 11 Abs. 6 JAPO liege nicht vor. Es liege insgesamt eine nicht nur geringe Anzahl von unzulässigen Eintragungen vor. Die zulässige Höchstzahl von Verweisungen pro Doppelseite sei an sechs Stellen überschritten worden; im Fall der 28 beziehungsweise 25 Verweisungen pro Doppelseite handele es sich um erhebliche Überschreitungen. Dies könne zu erheblichen Vorteilen gegenüber anderen Prüfungsteilnehmern führen. Es könne durchaus einen Wettbewerbsvorteil darstellen, wenn Kommentierungen gesammelt lediglich in einem Hilfsmittel derart angebracht seien, dass diese auf einen Blick erkennbar seien. Demgegenüber erfordere die Durchsicht bei einer Verteilung von Kommentierungen auf verschiedene Hilfsmittel mehr Zeit. Die Behauptung, dass eine Vielzahl anderer Teilnehmer ebenfalls gegen die Hilfsmittelbekanntmachung verstoßen habe, könne ein Absehen von einer Ahndung im Fall des Antragstellers nicht begrünen („keine Gleichheit im Unrecht“). Es sei auch nicht deshalb von einer Ahndung abzusehen, weil der Antragsteller sein sichergestelltes Hilfsmittel an den folgenden Prüfungstagen nicht habe verwenden können. Der Vorteil, der durch die Verwendung eines unzulässigen Hilfsmittels gegeben sei, werde hierdurch nicht kompensiert. Der sofortige Vollzug des Beschlusses des Prüfungsausschusses werde angeordnet. Dies sei geboten, da das Prüfungsverfahren im Falle der Einlegung eines Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung vorerst fortgesetzt und möglicherweise zunächst ein aufgrund des Verstoßes des Antragstellers letztlich unrichtiges Ergebnis bescheinigt werden müsse. Es liege jedoch im öffentlichen Interesse, dass die Bestätigung einer juristischen Qualifikation nur dann erfolge, wenn der Prüfungsteilnehmer diese rechtmäßig erworben habe. Demgegenüber habe das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zurückzustehen, insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller durch seinen Verstoß die Ursache für den Erlass des Bescheids selbst gesetzte habe.
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Hiergegen ließ der Antragsteller am 14. August 2024 Klage (Au 8 K 24.1965) mit dem Ziel der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids erheben. Über die Klage ist noch nicht entschieden.
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Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10. September 2024 ließ der Antragsteller einen Antrag im Wege einstweiligen Rechtsschutzes stellen und beantragen,
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Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers vom 14. August 2024 (Az. Au 8 K 24.1965) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. August 2024, Gz. GPA-2240E-IX-7243/2024 wird wiederhergestellt.
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Der in der Hauptsache angegriffene Bescheid erweise sich als rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Bei § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO handele es sich um eine an das Fehlverhalten des Prüflings anknüpfende Sanktionsnorm, welche vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 GG strengen Anforderungen in Bezug auf ihre Verhältnismäßigkeit unterliege. Der Unterschleif werde aber selbst dann mit null Punkten sanktioniert, wenn dem Prüfling durch Verwendung des unzulässigen Hilfsmittels nur ein abstrakter, aber kein konkreter Wettbewerbsvorteil entstanden sei. Es dränge sich daher auf, dass § 11 JAPO auch der Bestrafung von Unterschleif diene; gleichwohl spreche die Rechtsprechung von einer Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Generalprävention. Der bloße Besitz eines nicht zugelassenen Hilfsmittels dürfe nur dann sanktioniert werden, wenn dieses mindestens geeignet gewesen sei, das Prüfungsergebnis zu beeinflussen. Das in § 11 JAPO vorgesehene Pauschalsanktionssystem gehe zu Lasten des Prüfungsamtes. Stelle die Prüfungsbehörde ein unlauteres Prüfungsverhalten fest, dessen Gewicht im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht für einen Bewertungsausschluss reiche, so sei ihr bei einer Norm vom Zuschnitt des § 11 JAPO jegliche Sanktionierung verwehrt. Der angegriffene Bescheid verfehle bereits die Anforderungen einer verfassungskonformen Auslegung der Exkulpationsmöglichkeit des § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO a.E., da der Antragsgegner derart hohe Anforderungen an den Nachweis fehlenden Verschuldens stelle, dass dieser kaum jemals geführt werden könne. Die JAPO sehe gerade keine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung vor. Das Prüfungsamt gebe den Prüflingen aber letztlich eine seitengenaue Vollkontrolle sämtlicher Hilfsmittel auf, da eine Fehlervermeidung beim Anbringen der Kommentierungen über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren illusorisch sein dürfte. Von einer Sanktionierung sei aber jedenfalls nach § 11 Abs. 6 JAPO abzusehen, da das sanktionierte Verhalten nicht einmal abstrakt in der Lage gewesen sei, das Prüfungsergebnis zu beeinflussen. Dem Antragsteller wäre es im Sinne eines rechtmäßigen Alternativverhaltens möglich gewesen, die Verweisungen auch an den entsprechenden Gesetzestexten in den zugelassenen Kommentaren anzubringen. Ein Wettbewerbsvorteil beim gesammelten Anbringen von Kommentierungen in einem Hilfsmittel sei nicht ersichtlich, insbesondere würde kein Prüfling sämtliche – abhängig von der Formatierung des Verlags – auf einer Doppelseite angebrachten Verweisungen durchsuchen. Die Verweisungen würden erst bei Auffinden der einschlägigen Norm helfen, wobei ohne Belang sei, in welchem Hilfsmittel sich diese befinden würden. Zudem stehe die Bewertung außer Verhältnis zur Schwere des Verstoßes, da der Wettbewerbsvorteil dermaßen geringfügig sei, dass die Schwelle zu einem mit null Punkten zu sanktionierenden Unterschleif bei weitem nicht überschritten sei. So werde der hypothetische Zeitgewinn bei Anbringen der Verweisungen im Habersack dadurch wieder ausgeglichen, dass Prüflinge, die die Verweisungen im Kommentar angebracht hätten, bereits die Kommentierung der Norm aufgefunden hätten. Der Wunsch nach Generalprävention alleine könne die Sanktionierung nicht tragen. Hinzu komme, dass die Begründung der Sofortvollzugsanordnung nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entspreche und daher bereits formell rechtswidrig sei. Die Begründungen seien pauschale Allgemeinplätze, da sie auf jegliche unter § 11 JAPO zu subsumierende Fallkonstellationen generell zutreffen würden. Der Normgeber habe gerade davon abgesehen, einen grundsätzlichen Wegfall der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen Entscheidungen nach § 11 Abs. 7 Satz 1 JAPO zu regeln; daher hätte der Antragsgegner darlegen müssen, warum er gerade im konkreten Einzelfall des Antragstellers den Sofortvollzug angeordnet habe. Stattdessen habe sich der Antragsgegner auf die bloße Wiedergabe pauschaler Erwägungen beschränkt und einen vom konkreten Einzelfall losgelösten Textbaustein verwendet.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Sofortvollzugsanordnung sei formell rechtmäßig. Vorliegend sei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsakts identisch, da die Öffentlichkeit davor geschützt werden müsse, dass der Betroffene Vorteile aus einem ihm möglicherweise nicht zustehenden Berufsabschluss bzw. Prüfungsgesamtnote ziehe. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Der besondere Sorgfaltsmaßstab hinsichtlich der Einhaltung der Höchstgrenze ergebe sich bereits daraus, dass nach Abschnitt IV Nr. 1 Satz 1 der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS jegliche Eintragungen grundsätzlich unzulässig seien und es sich bei der vom Antragsteller in Anspruch genommenen Regelung in Abschnitt IV Nr. 1 Satz 2 um einen Ausnahmetatbestand handele. Eine besondere Überprüfungspflicht könne einem Prüfling, der sich anschicke, die Anzahl der zulässigen Verweisungen „auszureizen“, auch zugemutet werden. Das Überprüfen der Höchstgrenze bei konkretem Anlass wie dem Anbringen einer neuen Normverweisung oder dem Umsortieren entspreche den an einen durchschnittlichen Prüfungsteilnehmer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen. Damit gehe auch keine „Gefährdungshaftung“ einher, da alleine vom Prüfling aktiv vorgenommene Handlungen Anlass zu einer Überprüfung geben würden und nur diejenigen, die sich im Vorfeld nicht um das Anbringen ordnungsgemäßer Verweisungen gekümmert hätten, ihre Hilfsmittel vollumfänglich kontrollieren müssten. Zudem seien gerade auf den Doppelseiten mit den erheblichen Überschreitungen der Höchstgrenze für die Prüfungsvorbereitung bedeutende Vorschriften der ZPO abgedruckt, sodass für den Antragsteller auch im Lernalltag die konkrete Möglichkeit einer Überprüfung bestanden habe. Die vom Prüfungsausschuss getroffene Entscheidung sei auch verhältnismäßig. Die Schwere des Unterschleifs ergebe sich neben dem Ausmaß der unzulässigen Verweisungen aus dem generellen Wettbewerbsvorteil bei gesammelter Anbringung der Verweisungen in einem Hilfsmittel, der neben dem zeitlichen Vorteil auch in einer Hilfestellung durch systematische Verortung etwa von Prüfungsschemata oder Anspruchsgrundlagen an einer konkreten Norm bestehe. So habe der Antragsteller bei den angebrachten 28 Normverweisungen sämtliche im Zusammenhang mit einem Versäumnisurteil zu prüfenden Vorschriften schematisch vorteilhaft kommentieren können, was mit Blick auf die Quantität sowie die Bedeutsamkeit der in größerem Umfang als zulässig kommentierten Normbereiche keineswegs als zur Beeinflussung des Prüfungsergebnisses ungeeignet eingestuft werden könne. Zudem habe sich der Antragsteller einen konkreten Vorteil erschlichen. Gegenstand der Aufgabe 2 sei die Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil sowie die Erhebung einer Widerklage gewesen. Hierfür seien die zwei Doppelseiten mit erheblicher Überschreitung der Höchstzahl von zentraler Bedeutung gewesen, da sie die Vorschriften zum Inhalt einer Klageschrift (Habersack, S. 62/63) sowie zum (Einspruch gegen ein) Versäumnisurteil (Habersack, S. 81/82) beinhaltet hätten. Der Annahme eines minder schweren Falls stehe bereits die Schwere des Unterschleifs, die sich im konkreten Fall auch in einem konkreten (zeitlichen und inhaltlichen) Vorteil niederschlug, und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Chancengleichheit entgegen. Zuletzt spielten hier auch Gesichtspunkte der Generalprävention eine Rolle, da nicht nur die akute Prüfungssituation betroffen sei, sondern der die Höchstgrenze missachtende Prüfling sich auch in der Prüfungsvorbereitung einen nicht unerheblichen Vorteil verschaffe.
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Hierauf replizierte der Bevollmächtigte des Antragstellers, die Exkulpationsmöglichkeit des § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO laufe nach der Auslegung des Antragsgegners völlig leer. Es seien nur sechs Doppelseiten des knapp 5000 Seiten umfassenden Hilfsmittels Habersack betroffen. Zudem seien dem Antragsteller die Grundlagen des Versäumnisurteils geläufig gewesen, weshalb ihm die Zuvielkommentierung auch nicht aufgefallen sei. Ein Zusammenhang zwischen zulässigem schematischem Kommentieren und der Begrenzung auf 20 Verweisungen sei schlicht konstruiert, zumal dieser Begrenzungseffekt beim zulässigem Anbringen von Schemata im Kommentar leerlaufe. Der Antragsteller habe auch keinen konkreten Vorteil dadurch gehabt, dass ein Einspruch gegen ein Versäumnisurteil zu fertigen gewesen sei, da er die wertvolle Klausurzeit gerade nicht zum „Schmökern“ im Habersack verwendet habe.
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Mit Schreiben vom 24. September 2024 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers weiter aus, dass ernstliche Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids bestünden, da die Beschlussfassung des Prüfungsausschusses im Umlaufverfahren erfolgt sei. Zwar enthalte die JAPO keine explizite Regelung, dass der Prüfungsausschuss in Sitzungen zu entscheiden habe. Die Vorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 4 JAPO zeige jedoch, dass der Normgeber davon ausgegangen sei, dass der Prüfungsausschuss in Sitzungen zu beschließen habe. Die Beschlussfassung in Sitzungen gehöre zu den absoluten Grundsätzen ordnungsgemäßer Beschlussfassung in einem Kollegialorgan, wie etwa dem Gemeinderat, der Gesellschafterversammlung einer GmbH oder nach dem Bayerischen Personalvertretungsgesetz. Die JAPO enthalte auch keine Regelung, die ein Umlaufverfahren positiv für zulässig erkläre. Zudem sei vor dem Hintergrund der Kompetenzzuweisung an den Prüfungsausschuss nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO kritisch zu würdigen, dass das Landesjustizprüfungsamt durch den vollständigen Bescheidsentwurf die Entscheidung „treffe“ und sich diese lediglich durch die Mitglieder des Prüfungsausschusses absegnen lasse, die zum Bescheid „Ja“ oder „Nein“ sagen könnten. Die den Mitgliedern des Prüfungsausschusses übermittelte Bewertung lasse subjektive Umstände des Einzelfalls gänzlich außen vor und verweise auf eine Verwaltungspraxis, die nur nach Anzahl der Zuvielkommentierungen zu differenzieren scheine.
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Dem entgegnete der Antragsgegner mit Schreiben vom 30. September 2024, dass die Vorbereitung des Bescheidsentwurfs der Zulässigkeit nicht entgegenstehe. Für die Mitglieder des Prüfungsausschusses habe auch die Möglichkeit bestanden, Änderungswünsche anzubringen oder im Wege einer Sitzung zu beschließen. Die Argumente des Antragstellers seien im Entwurf eingearbeitet worden, seine Stellungnahme im Rahmen des Anhörungsverfahrens ebenfalls an die Mitglieder des Prüfungsausschusses übersandt worden. Die Beschlussfassung im Umlaufverfahren sei zulässig. Aus § 7 Abs. 5 Satz 4 JAPO ergebe sich nur, dass der Normgeber davon ausgegangen sei, dass der Prüfungsausschuss auch in Sitzungen entscheide. Im Gegensatz zur BayGO, dem BayPVG und dem GmbhG enthalte die JAPO keine explizite Regelung zur Form der Beschlussfassung. Aus den zitierten Gesetzen ergebe sich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis dahingehend, dass ein Umlaufverfahren grundsätzlich zulässig sei, sofern es nicht ausdrücklich oder durch die Normierung des Vorrangs der Entscheidung in Sitzung ausdrücklich ausgeschlossen sei. Demnach sei nach der JAPO eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren zulässig. Im Übrigen habe der Antragsteller nicht nur in verschwindend geringem Ausmaß die Höchstgrenze überschritten, zumal gerade bei den Doppelseiten mit den erheblichen Überschreitungen prüfungsrelevante Vorschriften der ZPO abgedruckt seien, die auch der Antragsteller trotz seiner Grundlagenkenntnisse vielfach verwendet habe. Neben dem materiellen Vorteil habe für den Antragsteller auch ein zeitlicher Vorteil bestanden, da etwa die Normen zum Versäumnisurteil und dem Einspruch auf nur wenigen Seiten im Habersack abgedruckt seien; beim Anbringen der Verweisungen im Kommentar müsste mehr geblättert werden.
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Der Bevollmächtigte des Antragstellers replizierte mit Schreiben vom 10. Oktober 2024, dass aus § 7 Abs. 5 Satz 4 JAPO folge, dass, wenn bereits für die Information des Prüfungsausschusses über eine Eilentscheidung des Vorsitzenden eine Sitzung erforderlich sei, dies erst Recht für eigene Entscheidungen des Prüfungsausschusses gelten müsse, zumal wenn – wie vorliegend – eine Entscheidung von höchster Grundrechtsrelevanz zu treffen sei. Selbst wenn man nach der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts davon ausgehe, dass sich die Behörde im Rahmen der Sofortvollzugsanordnung nicht stets mit dem konkreten Einzelfall auseinandersetzen müsse, mache dies eine Abwägung dahingehend, ob nicht wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die sofortige Vollziehung ausnahmsweise weniger dringlich sei, nicht entbehrlich.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren Au 8 K 24.1965, und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
29
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Klage wiederherzustellen, ist zulässig, insbesondere nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft, da der Antragsgegner im angegriffenen Bescheid die sofortige Vollziehung besonders angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig erfolgte und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag eines Betroffenen im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen, in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3a VwGO anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens maßgeblich, weil am sofortigen Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes ebenso wenig ein Interesse bestehen kann wie an der aufschiebenden Wirkung eines unbegründeten Rechtsbehelfs. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung (vgl. zum Ganzen BVerfG, B. v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – juris Rn. 18 ff.; BVerwG, B. v. 29.4.1974 – IV C 21.74 – juris Rn. 7ff.; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 18.8.2014 – 20 CS 14.1675 – juris Rn. 2).
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Soweit die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung ausdrücklich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, d.h. die aufschiebende Wirkung der Klage nicht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erweist, insbesondere ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO nicht ausreichend erweist; ist dies der Fall, hat das Gericht ohne weitere Sachprüfung die Vollziehungsanordnung aufzuheben (vgl. hierzu etwa Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 98 m.w.N.).
33
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgte formell rechtmäßig.
34
Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Im Fall der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen. Abgesehen davon, dass § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert und es insoweit auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung nicht ankommt (stRspr, vgl. etwa BayVGH, B.v. 13.10.2022 – 11 CS 22.1897 – juris Rn. 11 m.w.N.), sind an die Begründung der Vollziehungsanordnung keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht jede Begründung, welche zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (vgl. BayVGH, B.v. 2.6.2020 – 22 CS 20.802 – juris Rn. 28; Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 55 m.w.N.). Die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll der Behörde den auch von Verfassungs wegen bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 19 CS 23.1442 – juris Rn. 13). Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, welche die Behörde bewogen haben, den Suspensiveffekt aus § 80 Abs. 1 VwGO auszuschließen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 55; Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 84 ff.). Die Behörde ist nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO aber nicht stets verpflichtet, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. VGH BW, B.v. 8.2.2021 – 9 S 3951/20 – juris Rn. 14). Auch in Fällen, in welchen das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts selbst zusammenfällt, kann die Sofortvollzugsanordnung ausnahmsweise so gefasst sein, dass sie für eine Vielzahl anderer Fälle verwendet werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 19 CS 23.1442 – juris Rn. 14; B.v. 13.10.2022 – 11 CS 22.1897 – juris Rn. 11 f.).
35
Gemessen hieran genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im streitgegenständlichen Bescheid noch den gesetzlichen Anforderungen. Der Antragsgegner hat zur Begründung des Sofortvollzugs ausgeführt, dass im Falle einer aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs das Prüfungsverfahren fortgesetzt und aufgrund des Verstoßes des Antragstellers gegen § 11 JAPO zunächst ein möglicherweise unrichtiges Prüfungsergebnis bescheinigt werden müsste. Eine Abwägung des öffentlichen Interesses dahingehend, dass die Bestätigung einer juristischen Qualifikation nur bei deren rechtmäßigen Erwerb erfolge, mit dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers falle zu dessen Nachteil aus, zumal dieser durch seinen Verstoß selbst die Ursache für den Erlass dieses Bescheids gesetzt habe. Damit hat der Antragsgegner zuvörderst deutlich gemacht, dass er den Ausnahmecharakter der Sofortvollzugsanordnung erkannt hat, und sich bewusst war, dass die Notwendigkeit einer sofortigen Vollziehung im Wege einer Interessenabwägung zu prüfen ist. Dass der Antragsgegner hier eine Begründung wählte, die möglicherweise für eine Vielzahl von Verstößen gegen § 11 JAPO verwendet werden kann, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (so im Ergebnis auch VG München, B.v. 8.10.2024 – M 4 S 24.5493 – Rn. 23 der BA). Denn insoweit zeigte der Antragsgegner die für Fälle des Verstoßes gegen § 11 JAPO typische Interessenlage auf und machte – etwa durch die Bezugnahme auf den Antragsteller („Ihr Mandant“) – hinreichend deutlich, dass nach seiner Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass auch der Normgeber davon ausgeht, dass sich bei Entscheidungen des Prüfungsausschusses (regelmäßig) die Frage der Anordnung des Sofortvollzugs stellen kann; denn nach § 7 Abs. 3 Satz 2 JAPO obliegt die Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Vollziehung von Entscheidungen des Prüfungsausschusses dem vorsitzenden Mitglied des Prüfungsausschusses. Die Begründung genügt darüber hinaus dem weiteren Zweck der Vorschrift, den betroffenen Bürger in die Lage zu versetzen, die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen (vgl. hierzu auch Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 54). Besondere Gründe dafür, dass ausnahmsweise im Fall des Antragstellers – anders als im Normalfall eines Verstoßes gegen § 11 JAPO – von der sofortigen Vollziehung abzusehen ist, hat der Antragsteller weder konkret vorgetragen noch sind sie hier ersichtlich. Dass sich der Sofortvollzug des Unterschleifbescheids möglicherweise nachteilig auf die anstehende mündliche Prüfung und folgende Bewerbungsverfahren auswirkt, ist kein nur den Antragsteller treffender besonderer Umstand (so auch VG München, B.v. 8.10.2024 – M 4 S 24.5493 – Rn. 23 der BA). Die seitens des Antragsgegners gegebene Begründung genügt im vorliegenden Kontext daher noch den gesetzlichen Anforderungen.
36
b) Die Klage des Antragstellers hat voraussichtlich keinen Erfolg, da der Bescheid des Antragsgegners vom 1. August 2024 bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sodass hier bereits aus diesem Grund das Interesse der Allgemeinheit am Sofortvollzug überwiegt.
37
aa) Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids ist § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 3 JAPO. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 JAPO ist die Arbeit desjenigen, der versucht, das Ergebnis einer Prüfungsarbeit durch Unterschleif, Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu eigenem oder fremdem Vorteil zu beeinflussen, mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) zu bewerten. In schweren Fällen erfolgt nach § 11 Abs. 1 Satz 2 JAPO ein Ausschluss von der Prüfung; diese ist mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) nicht bestanden. Auch der Besitz nicht zugelassener Hilfsmittel nach Ausgabe der Prüfungsaufgaben stellt nach § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO einen Unterschleif mit den Rechtsfolgen der Sätze 1 und 2 dar, sofern die betroffenen Prüfungsteilnehmer nicht nachweisen, dass der Besitz weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit beruht.
38
Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers rügt, dass es sich bei § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO um eine in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise an das Fehlverhalten des Prüflings anknüpfende Sanktionsnorm handelt, ist vorliegend zu berücksichtigen, dass § 11 Abs. 1 JAPO – anders als § 11 Abs. 4 JAPO – tatbestandlich zumindest ein Verhalten des Prüflings voraussetzt, das konkret geeignet ist, dem Prüfling selbst oder einem anderen Prüfling einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 8.4.2024 – 7 CS 24.567 – juris Rn. 15). Fallgestaltungen, in denen bei Mitführen eines nicht zugelassenen Hilfsmittels eine Gefährdung der Chancengleichheit von vornherein völlig ausgeschlossen wäre, sind schwer denkbar. Der Antragsgegner hat die Norm des § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO aber jedenfalls in einer den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügenden Weise angewendet (siehe hierzu unter 2. cc) (3)).
39
bb) Der Bescheid vom 1. August 2024 ist bei summarischer Prüfung formell rechtmäßig.
40
(1) Die Entscheidung über die Bewertung der Aufgabe 2 des Antragstellers mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) wurde durch den nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO zuständigen Prüfungsausschuss getroffen.
41
Dabei begegnet es keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landesjustizprüfungsamt den Mitgliedern des Prüfungsausschusses einen Entwurf des streitgegenständlichen Bescheids mit getrennten Schreiben übersandt und diese ihre Zustimmung oder deren Verweigerung durch simples Streichen der nichtzutreffenden Auswahlmöglichkeit mitteilen konnten. Denn es lag in der freien Entscheidung der Mitglieder des Prüfungsausschusses, ob sie den Entwurf ablehnen bzw. dessen Änderung fordern möchten. Die Entscheidung erfolgte auch nicht durch das Landesjustizprüfungsamt, sondern – wie in § 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO vorgesehen – durch den Prüfungsausschuss, da die Stimme jedes einzelnen Mitglieds des Prüfungsausschusses eingeholt und berücksichtigt wurde (vgl. Bl. 43 ff. d. BA). Eine unabhängige Entscheidung der Mitglieder des Prüfungsausschusses wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass diesen eine Bemerkung über die Praxis des Prüfungsausschusses in ähnlichen Fällen übersandt wurde. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses konnten sich aufgrund der ebenfalls übersandten Prüfungsniederschrift sowie der Stellungnahme des Bevollmächtigten des Antragstellers selbst ein umfassendes Bild von den Umständen des vorliegenden Falls verschaffen und auf Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen eine unvoreingenommene Entscheidung treffen. Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass der Leiter des Justizprüfungsamtes als vorsitzendes Mitglied des Prüfungsausschusses (vgl. §§ 7 Abs. 1 Satz 2, 59 Satz 1 Nr. 1 JAPO) dessen Entscheidungen bekanntgibt (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 JAPO). Bei einer Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Rechtsfolgen nach § 11 Abs. 1 JAPO erfolgt die Bekanntgabe durch schriftlichen Verwaltungsakt (vgl. § 11 Abs. 7 Satz 1 JAPO). Auch vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass der Leiter des Justizprüfungsamtes den von ihm – nach der Entscheidung des Prüfungsausschusses – bekanntzugebenden Bescheid in Entwurfsform vorbereitet und hierzu die weiteren Mitglieder des Prüfungsausschusses um Äußerung bittet (vgl. auch für den Fall einer vorformulierten Stellungnahme im Rahmen des Überdenkungsverfahrens BFH, U.v. 16.1.2024 – VII R 24/22 – juris Rn. 105).
42
(2) Soweit der Antragsteller rügt, dass der Prüfungsausschuss im Umlaufverfahren entschieden habe, führt dies bei summarischer Prüfung nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids.
43
Die JAPO enthält keine Regelung zur Form der Beschlussfassung des Prüfungsausschusses. Aus § 7 Abs. 5 Satz 4 JAPO, wonach das vorsitzende Mitglied den Prüfungsausschuss über eine von ihm allein getroffene unaufschiebbare Entscheidung „bei der nächsten Sitzung“ Kenntnis zu geben habe, lässt sich nicht im Wege eines Erst-Recht-Schlusses ableiten, dass der Prüfungsausschuss seine Entscheidungen grundsätzlich in Sitzungen zu treffen habe (so auch VG München, B.v. 8.10.2024 – M 4 S 24.5493 – Rn. 31 der BA). Zunächst regelt § 7 Abs. 5 Satz 4 JAPO seinem Wortlaut nach lediglich eine bloße Unterrichtung des Prüfungsausschusses über eine vom vorsitzenden Mitglied getroffene Eilentscheidung, ohne dass dies vom Prüfungsausschuss etwa nachträglich durch Beschluss bestätigt werden müsste. Damit wird auch in § 7 Abs. 5 Satz 4 JAPO keine Beschlussfassung des Prüfungsausschusses in einer Sitzung, sondern lediglich dessen Unterrichtung in einer Sitzung geregelt. Wann diese Sitzung stattzufinden hat und ob die – grundsätzlich für die Dauer von fünf Jahren bestellten (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 3 JAPO) – Mitglieder des Prüfungsausschusses überhaupt in Form regelmäßiger Sitzungen zusammentreten, lässt sich der Formulierung „bei der nächsten Sitzung“ nicht entnehmen. Systematisch streitet auch der vom Antragsgegner herangezogene Vergleich zu anderen gesetzlichen Regelungen zur Form der Beschlussfassung von Kollegialorganen dafür, dass eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren zulässig ist, soweit vom Normgeber nicht ausschließlich eine Beschlussfassung in Sitzungen geregelt wird (wie etwa in Art. 47 Abs. 1 Bayerische Gemeindeordnung) bzw. eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren lediglich in bestimmten Konstellationen für zulässig erklärt wird (wie etwa in Art. 37 Abs. 3 Bayerisches Personalvertretungsgesetz). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Rechte des Antragstellers durch das Umlaufverfahren nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt oder nur ungenügend erörtert wurden. Für die Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Folgen der – in tatsächlicher Hinsicht unstreitige – mehrfachen Überschreitung der zulässigen Höchstgrenze an Verweisungen durch den Antragsteller erscheint es nicht erforderlich, dass der Prüfungsausschuss zu einer mündlichen Beratung zusammentritt (vgl. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 23.1.2024 – 5 A 177/22 MD – juris Rn. 30 zur Täuschung über Erbringung von Sportleistungen im Studiengang Polizeivollzugsdienst). Denn anders als bei der Frage der Notenanhebung durch zeitgleich tätige Prüfer im Anschluss an eine mündliche Prüfung (vgl. HessVGH, U.v. 13.10.1994 – 6 UE 2077/90 – juris Rn. 85; anders aber zum Überdenkungsverfahren bei der Steuerberaterprüfung BFH, a.a.O.), dürfte sich im Fall des Antragstellers die Notwendigkeit einer mündlichen Beratung nur dann ergeben, wenn sich der Prüfungsausschuss im schriftlichen Verfahren nicht auf eine einheitliche Haltung zu den aus dem Verstoß des Antragstellers ziehenden Konsequenzen einigen kann (vgl. hierzu VG Magdeburg, a.a.O., unter Verweis auf OVG SH, U.v. 8.10.1993 – 3 L 47/93 – juris Rn. 35). Dies ist hier nicht ersichtlich, da sich alle Mitglieder des Prüfungsausschusses im Umlaufverfahren mit einer Bewertung der Aufgabe 2 des Antragstellers mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) einverstanden zeigten.
44
cc) Der streitgegenständliche Bescheid ist bei summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig.
45
(1) Der Antragsteller war bei Anfertigung von Aufgabe 2 der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2024/1 nach Ausgabe der Prüfungsarbeiten unstreitig im Besitz eines nicht zugelassenen Hilfsmittels im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO. Nach Nr. IV.1. Satz 1 der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS dürfen Hilfsmittel keine Eintragungen enthalten. Ausgenommen sind nach Nr. IV.1. Satz 2 bis zu 20 handschriftliche Verweisungen pro Doppelseite mit Bleistift auf Normen. Das vom Antragsteller eingepackte Hilfsmittel Habersack, Deutsche Gesetze, überschritt unstreitig auf den sechs, im Anhörungsschreiben näher definierten Doppelseiten die Höchstgrenze von 20 handschriftlichen Verweisungen.
46
(2) Der Antragsteller konnte auch nicht nachweisen, dass der Besitz des nicht zugelassenen Hilfsmittels weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit beruhte (§ 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO). Dem Antragsteller fällt jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last.
47
Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass Hilfsmittel nach Nr. IV.1. Satz 1 der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS grundsätzlich keine Eintragungen enthalten dürfen. Die nach Nr. IV.1. Satz 2 der Hilfsmittelbekanntmachung ausnahmsweise zulässigen bis zu 20 handschriftlichen Verweisungen pro Doppelseite sind demnach eine bereits eng auszulegende Ausnahmeregelung, sodass von demjenigen Prüfling, der sich bewusst dazu entscheidet, handschriftliche Verweisungen anzubringen, ein gewisses Maß an Sorgfalt hinsichtlich der Einhaltung dieser Höchstgrenze erwartet werden kann. Von einem durchschnittlich sorgfältigen Prüfungsteilnehmer ist demnach etwa zu erwarten, dass er bereits sowohl beim Anbringen neuer Verweisungen als auch beim Einsortieren bzw. Umkommentieren stets kontrolliert, ob nun die Höchstgrenze an Verweisungen (erstmals) überschritten wird. Dies ist einem von der Ausnahmeregelung Gebrauch machenden Prüfling auch zumutbar, zumal dieser – seine eigene Schrift und „Verweisungsstil“ kennend – zumeist mit einem kurzen Blick erfassen können wird, ob sich auf einer Doppelseite nur einige wenige oder doch mehrere, möglicherweise an die Höchstgrenze heranreichende Verweisungen befinden. Von einem Prüfungsteilnehmer muss sogar erwartet werden, dass er sorgfältig prüft, welche Hilfsmittel er in die Prüfung mitnehmen darf (vgl. BayVGH, U.v. 21.6.2016 – 7 BV 15.1233 – juris Rn. 22).
48
Diesen Sorgfaltsanforderungen ist der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben bereits beim Einsortieren der Nachlieferungen nach Abschluss seines ersten Examens nicht nachgekommen. Sofern der Antragsteller einwendet, ihm sei die Begrenzung auf 20 Verweisungen pro Doppelseite zu diesem Zeitpunkt nicht mehr „unmittelbar präsent“ gewesen, so hätte für ihn spätestens dann, als er mit der Ladung zur Zweiten Juristischen Staatsprüfung auf die einschlägigen Regelungen der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS hingewiesen wurde, ein konkreter Anlass dazu bestanden, seine Hilfsmittel einer sorgfältigen Kontrolle auf unzulässige Verweisungen zu unterziehen. Hier sei auch anzumerken, dass schwer nachzuvollziehen ist, dass sich der Antragsteller insbesondere die Doppelseiten der Zivilprozessordnungen, auf welchen sich die meisten Verweisungen befanden, im Rahmen der Examensvorbereitung nie vor Augen geführt und demnach keine Möglichkeit gehabt haben soll, die erhebliche Überschreitung der Höchstgrenze vorab zu erkennen. Denn gerade diese Doppelseiten enthielten examensrelevanten Themen und jedenfalls die Vorschriften über das Versäumnisurteil dürften im Rahmen des auch für den Antragsteller verpflichtendem Einführungslehrgangs mehr als einmal thematisiert worden sein. Hinzu kommt, dass der Antragsteller auch aufgrund der langen Zeitspanne von mehreren Jahren, in welchen er seine Hilfsmittel mehrfach nachsortiert und umkommentiert hatte, kritisch hätte hinterfragen müssen, ob er sich stets an die Regelungen der Hilfsmittelbekanntmachung gehalten hatte. Dem Antragsteller war aufgrund dieser Umstände auch zumutbar, eine gründliche Kontrolle seiner Hilfsmittel vor deren Verwendung in der Prüfung durchzuführen. Dies ist nach seinem eigenen Vortrag nicht erfolgt, wobei insbesondere nicht nachvollziehbar ist, weshalb die stichprobenartige Kontrolle des Antragstellers scheinbar nicht einmal den höchst examensrelevanten Gesetzestext der Zivilprozessordnung – in welcher sich dann letztlich auch die gravierendsten Überschreitungen der Höchstzahl an Verweisungen befanden – umfasste. Dem Einwand des Bevollmächtigten des Antragstellers, die an den Antragsteller gestellten Sorgfaltsanforderungen führten zu einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung, ist entgegenzuhalten, dass gerade erst das nachlässige Vorverhalten des Antragstellers Anlass zu einer gründlichen Kontrolle gab. Zudem hätte der Antragsteller ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, sich vor der Prüfung neue Gesetzessammlungen zu besorgen und gänzlich auf ausnahmsweise zulässige Verweisungen zu verzichten. Da er dies nicht tat und stattdessen seine bereits seit 2019 verwendeten Hilfsmittel einpackte, ohne diese einer gründlicheren Kontrolle zu unterziehen – obwohl er hierzu Anlass gehabt hätte –, war es allein das Risiko des Antragstellers, dass sich bei einer Kontrolle in der Prüfung herausstellt, dass die Höchstgrenze an ausnahmsweise zulässigen Verweisungen überschritten ist.
49
(3) Ein minder schwerer Fall im Sinne von § 11 Abs. 6 JAPO liegt nicht vor. Die Entscheidung, die Aufgabe 2 des Antragstellers mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) zu bewerten, erweist sich nicht als unverhältnismäßig.
50
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestehen keine Bedenken, dass die Vorschrift des § 11 Abs. 1 JAPO den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit genügt (vgl. bereits vor Inkrafttreten von § 11 Abs. 6 JAPO BayVGH, U.v. 21.6.2016 – 7 BV 15.1233 – juris Rn. 16 m.w.N.; U.v. 19.12.2022 – 7 B 21.3133 – juris Rn. 38). Die Regelung des § 11 Abs. 1 JAPO steht gleichwohl noch unter dem Vorbehalt, dass den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in jedem Einzelfall zu genügen ist (vgl. BayVGH, U.v. 21.6.2016 – 7 BV 15.1233 – juris Rn. 16). Dem trägt nun die Regelung des § 11 Abs. 6 JAPO Rechnung, wonach in minder schweren Fällen bei Vorliegen besonderer Umstände von einer Ahndung abgesehen werden kann. Die Maßnahme erscheint dann nicht mehr verhältnismäßig, wenn die verhängte Sanktion ungeeignet ist, den mit ihr verfolgten legitimen Zweck zu erreichen, weil das sanktionierte Verhalten nicht geeignet war, das Prüfungsergebnis zu beeinflussen (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2012 – 6 C 19.11 – juris Rn. 27, 33). Das nicht zugelassene Hilfsmittel ist nicht schon dann ungeeignet, das Prüfungsergebnis zu beeinflussen, wenn es der Bearbeitung der konkreten Prüfungsaufgabe nicht förderlich sein konnte. Entscheidend ist vielmehr, ob das Hilfsmittel im Hinblick auf das Prüfungsfach der Prüfungsbearbeitung abstrakt förderlich sein kann. Es muss zumindest ein thematischer Zusammenhang zwischen dem Prüfungsfach und dem Inhalt des mitgeführten Hilfsmittels bestehen (BayVGH, U.v. 21.6.2016 – 7 BV 15.1233 – juris Rn. 18).
51
Dies ist vorliegend der Fall. So waren die die zulässige Höchstgrenze überschreitenden Verweisungen für die vom Antragsteller bearbeitete Aufgabe 2 (Zivilrechtsklausur) schon abstrakt förderlich, da von vornherein ein thematischer Zusammenhang zwischen der Zivilrechtsklausur und den beanstandeten Verweisungen, die sich allesamt im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie in der Zivilprozessordnung befanden, bestand. Der mehrfache Verstoß gegen die zulässige Höchstgrenze war vorliegend aber sogar konkret geeignet, dem Antragsteller gegenüber den übrigen Prüflingen einen unzulässigen Vorteil zu verschaffen und die Chancengleichheit zu beeinträchtigen. Denn gerade zwischen dem erheblichen Verstoß in Form von 25 bzw. 28 Verweisungen auf Doppelseiten, die Vorschriften der Zivilprozessordnung zum Inhalt der Klageschrift sowie zum (Einspruch gegen ein) Versäumnisurteil enthielten, und der konkreten Prüfungsaufgabe, die den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil und die Erhebung einer Widerklage zum Gegenstand hatte, bestand ein nicht abzustreitender thematischer Zusammenhang. Gerade in dieser Konstellation liegt ein unzulässiger Vorteil nicht nur in einer Zeitersparnis, die in einer von hohem Zeitdruck geprägten Zweiten Juristischen Staatsprüfung für die Bearbeitung der Aufgabe entscheidend sein kann. Ein unzulässiger Vorteil besteht auch darin, dass der Antragsteller sich – anders als die Höchstgrenze einhaltende Mitprüflinge – umfangreichere Prüfungsschemata, etwa durch systematische Kommentierung der im Falle eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil zu prüfenden Normen, kommentieren konnte. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Antragsteller derartige Prüfungsketten auch im Kommentar hätte anbringen können. Denn ein entscheidender Vorteil bei Verweisungen besteht darin, dass diese – gerade bei examensrelevanten Normabschnitten – im Gesetzestext auf wenigen Doppelseiten angebracht sind und so schnell aufgefunden bzw. auf ihre Relevanz für die zu bearbeitende Aufgabe geprüft werden können. Demgegenüber bedarf es für das Blättern zwischen zwei Normen im Kommentar deutlich mehr Zeit; diese Zeitersparnis wird auch nicht dadurch kompensiert, dass dann möglicherweise die für eine Problemstellung benötigte Kommentierung bereits aufgefunden wäre. So wird der Prüfling nicht bei jeder Norm, an welcher Verweisungen angebracht sind, auch die Kommentierung nachschlagen wollen bzw. müssen; spätestens dann, wenn es darum geht, Verweisungen in andere Gesetzestexte nachzuschlagen, bedeutet die gesammelte Anbringung von Verweisungen in einem Hilfsmittel einen nicht konkreten Zeitvorteil.
52
Die vom Antragsteller begangenen Verstöße gegen die zulässige Höchstzahl an Verweisungen waren allesamt abstrakt, die Überschreitungen in Form von 25 bzw. 28 Verweisungen sogar konkret geeignet, das Prüfungsergebnis zu beeinflussen und die Chancengleichheit zu beeinträchtigen. Zu berücksichtigen ist neben der Vielzahl an Überschreitungen daher auch, dass der Antragsteller gerade auf zweien, für die konkrete Prüfung zentralen Doppelseiten die zulässige Höchstzahl von 20 Verweisungen erheblich überschritten hat, was nicht mehr als nur geringfügig ins Gewicht fallende Gefährdung der Chancengleichheit zu werten ist. Zudem ist in die Abwägung einzustellen, dass sich die Fahrlässigkeit des Antragstellers nicht am untersten Rand eines Verschuldens bewegt. Der Antragsteller hat es – trotz konkretem Anlass – unterlassen, seine Hilfsmittel vor der Zweiten Juristischen Staatsprüfung sorgfältig zu kontrollieren, obwohl dies von einem Prüfling, der nur ausnahmsweise zulässige Verweisungen anbringt, erwartet werden kann. Vor dem Hintergrund der Vielzahl sowie der Relevanz der Verstöße gegen die zulässige Höchstgrenze im Hinblick auf die Chancengleichheit kann auch im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hier kein minder schwerer Fall angenommen werden.
53
3. Nach alldem war der Antrag mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Verbindung mit Nr. 1.5 und 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.