Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 19.09.2024 – Au 8 S 24.2280
Titel:

Erfolgloser Eilantrag auf Feststellung der Versammlungseigenschaft des "FutureRaves"

Normenketten:
GG Art. 8 Abs. 1
BayVersG Art. 2 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine Musik- oder Tanzveranstaltung wird in ihrer Gesamtheit nicht dadurch zu einer Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen (Anschluss an BVerfG BeckRS 2001, 167828). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sowohl die Beschreibung des Ablaufs der Veranstaltung als auch des Versammlungsthemas liegt im Verantwortungsbereich des Veranstalters, wobei die im Rahmen der Anzeige der Versammlung gegebenen Informationen dazu ausreichen sollen, der betreffenden Behörde die Möglichkeit zu geben entsprechende Vorkehrungen für einen störungsfreien Ablauf zu treffen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, Versammlungsrecht, Gesamtgepräge einer gemischten Veranstaltung, Eigenschaft als Versammlung (verneint), Anordnungsanspruch (verneint), Versammlung, Tanzveranstaltung, gemischte Veranstaltung, Gesamtgepräge, Protestform
Fundstelle:
BeckRS 2024, 31708

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass es sich bei der angezeigten Veranstaltung um eine Versammlung handelt.
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Am 20. September 2024 findet von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr eine fortbewegende Versammlung mit dem Thema „Die Zeit zu handeln ist jetzt!“ statt.
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Mit Anzeige per Mail vom 11. September 2024 meldete die Antragstellerin im Anschluss an die bereits stattfindende Versammlung einen „FutureRave“ mit dem Motto „Nochmal Spaß haben, bevor die Welt brennt“ für den 20. September von 18:00 bis 22:00 Uhr am ... an. Als Kundgebungsmittel wurden Banner, Schilder, Lautsprecheranlagen, Technik für DJs sowie Tiere genannt.
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Am 12. September 2024 fand ein Kooperationsgespräch zwischen den Beteiligten sowohl für die fortbewegende Versammlung mit dem Thema „Die Zeit zu handeln ist jetzt!“ am 20. September von 15:00 bis 18:00 Uhr in N. als auch für eine stationäre Versammlung mit dem Thema „Future Rave – Nochmal Spaß haben, bevor die Welt brennt“ am 20. September von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr in N. auf dem ... platz beim ... statt.
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Nach einem Aktenvermerk des Antragsgegners haben sich die Beteiligten im Rahmen des Kooperationsgesprächs übereinstimmend auf die Rahmenbedingungen für die am 20. September 2024 von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr angezeigte fortbewegende Versammlung mit dem Thema „Die Zeit zu handeln ist jetzt!“ geeinigt. Hinsichtlich der angezeigten stationären Versammlung am 20. September 2024 von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr mit dem Thema „Future Rave – Nochmal Spaß haben, bevor die Welt brennt“ wurde seitens des Antragsgegners angemerkt, dass das angezeigte Thema nicht den Eindruck einer Versammlung, sondern vielmehr einer öffentlichen Vergnügung oder Veranstaltung mit Partycharakter erwecke, weshalb um nähere Erläuterung des Ablaufs der „Versammlung“ gebeten wurde. Im Rahmen des Kooperationsgesprächs teilten die Veranstalter mit, dass viele Jugendliche bei der Versammlung miteinander feiern würden. Auf Nachfrage des Antragsgegners im Hinblick auf einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung teilten die Veranstalter mit, dass politische Botschaften wie „Klimakrise“, „Klimamobilität N.“, „Jugend soll Leben frei bestimmen können“ sowie „Handeln für Klima“ durch Schilder und Banner kundgetan werden würden. Die Texte der abgespielten Musik würden eine politische Botschaft enthalten. Ein Vorschlag des Antragsgegners, wonach im Wechsel Musik sowie Redebeiträge stattfinden können, wurde seitens der Veranstalter abgelehnt. Es solle durchgehend Musik gespielt werden, da die Musik bereits eine politische Botschaft wiedergebe. Sofern gewünscht, würden vereinzelte Redebeiträge abgehalten werden. Hierauf teilte der Antragsgegner mit, dass weiterhin am Charakter der Versammlung gezweifelt werde und im Nachgang dies nochmals geprüft werde. In diesem Zusammenhang wies der Antragsgegner auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur „Love Parade“ hin. Die Beteiligten verständigten sich im Kooperationsgespräch darüber hinaus auf einen anderen Standort der Versammlung.
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Auf den Aktenvermerk wird verwiesen.
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Mit Schreiben vom 18. September 2024 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er zu dem Schluss gekommen sei, dass es sich bei der für abends angezeigten Versammlung nicht um eine durch die Verfassung oder die Versammlungsgesetze geschützte Versammlung handle, sondern eine Veranstaltung einer öffentlichen Vergnügung vorliege. Aus diesem Grund werde gebeten, sich mit dem zuständigen Ordnungsamt der Stadt in Verbindung zu setzen.
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Mit Schreiben vom 18. September 2024 erhob die Antragstellerin für eine noch zu erhebende Klage einen Antrag im einstweiligen Rechtschutz mit dem Ziel, dass die Veranstaltung als Versammlung eingestuft werde und diese durchgeführt werden könne.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass mit der Veranstaltung auf bildstarke Art und Weise Politiker sowie Politikerinnen, welche die Klimakrise verschlafen würden, aufgeweckt werden sollten. Es würden viele Banner, Schilder sowie ausdrucksstarke, größtenteils in deutscher Sprache, abgespielte politische Musik zu den Kundgebungsmitteln gehören. Hierdurch würden sie einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten. Es solle der Widerspruch erörtert werden, dass Politiker und Politikerinnen die Klimakrise verdrängen würden und Politik nach Lust und Laune machen würden, anstatt verantwortungsvolle Klimapolitik zu gestalten. Bereits in der Versammlungsanzeige sei die Veranstaltung aufgrund der Nachtruhe auf 22:00 Uhr begrenzt worden. Es werde gerügt, dass der Antragsgegner seinem Schreiben vom 18. September 2024 keine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt habe.
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Mit weiterem Schreiben vom 19. September 2024 trug die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass darum gebeten werde, den gestellten Eilantrag gegebenenfalls nach § 123 VwGO auszulegen. Es sei nicht eindeutig, ob das Schreiben des Antragsgegners ein Verwaltungsakt sei. Es werde auf das Urteil des BVerwG vom 16. Mai 2007 verwiesen (Az. 6 C 23.06), wonach es darauf ankomme, dass eine Veranstaltung als Versammlung zu behandeln sei, sofern die anderen Zwecke aus Sicht eines Betrachters nicht erkennbar im Vordergrund stehen würden. Die angemeldete Veranstaltung stelle eine politische Versammlung dar. Es würden sich 50 bis 100 Personen versammeln, die gemeinsam politische Forderungen nach außen tragen würden. Dies erfolge durch Kundgebungsmittel in Form von Banner, Schilder, Straßenkreidebotschaften. Eine zentrale Forderung sei eine autofreie Innenstadt. Durch die Nutzung der Fläche solle gezeigt werden, dass Autos in der Innenstadt keinen Platz haben sollten. Es solle stattdessen Platz für Fahrräder, Kinder, Jugendliche und für Freizeit- und Spielangebote geben. Mit der Versammlung solle diese Utopie vorgelebt werden, indem die mit Autos befahrenen Plätze alternativ genutzt werden würden. Es handle sich hier vorliegend um eine Tanzdemonstration, bei welcher das Tanzen zentral sei, da es als Mittel der Kundgabe von Meinungen genutzt werde. Es werde hierdurch ausgedrückt, dass aufgrund der Politik lediglich jetzt noch die Möglichkeit zum Tanzen und Spaß haben bestehe. Es werde hierdurch die Langsamkeit der Politik kritisiert, Schritte zu einer klimagerechten Welt zu ergreifen. Jugendliche hätten heutzutage eine nicht so unbeschwerte Jugend und würden sich mehr Sorgen um ihre Zukunft machen. Die Verbindung von Musik, Tanz und Klimaschutz, heiße zu fordern, dass Tanzen und Spaß haben auch weiteren Generationen noch ermöglicht werde. Der „Partycharakter“ sei daher notwendig, um die politische Botschaft, welche von § 2 BayVersG gefordert werde, zu transportieren. Dies sei Zweck der Veranstaltung. Mit dem Thema der Versammlung solle deutlich gemacht werden, dass insbesondere Kraftfahrzeuge eine erhebliche „CO₂-Schleuder“ seien. Abgase seien ein erheblicher Faktor zur Erdaufheizung, welche dazu führe, dass die Welt bald „brenne“. Es werde auf ähnliche Tanzdemonstrationen verwiesen. Bei der Versammlung handle es sich um eine Anschlussversammlung zum globalen Klimastreik um 15:00 Uhr. Die besondere Form des Tanzprotests werde in einer Rede erklärt. Zudem handle es sich bei der abgespielten Musik um protestbezogene Musik. Der Versammlungsbereich befinde sich nahe dem dortigen Klimacamp, einer seit sechs Wochen laufenden Versammlung. Die Teilnehmer der Versammlung würden dazu angehalten werden, beide Versammlungen zu besuchen. Es handle sich um ein Zusammenspiel von drei Versammlungen.
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Auf die Antragsbegründungen wird im Einzelnen verwiesen.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
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im einstweiligen Rechtschutz festzustellen, dass es sich bei der angezeigten Abendveranstaltung am 20. September 2024 von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr um eine Versammlung handelt.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Antragstellerin sei darauf hingewiesen worden, dass sich diese mangels Zuständigkeit des Landratsamtes an das Ordnungsamt der Stadt wenden solle, welche nach dem LStVG für öffentliche Vergnügungen zuständig sei. Auf Nachfrage beim zuständigen Ordnungsamt habe dieses mitgeteilt, dass bislang nicht an sie herangetreten worden sei. Die Antragstellerin habe am 18. September 2024 ein Video auf I. gepostet, in welchem sie erklärte, dass wesentlicher Zweck der Versammlung sei, „noch einmal Spaß zu haben, bevor die Welt aufgrund der vielen Klimakrisen auf der Welt brenne“. Erstmalig heute wurde im Rahmen der Gerichtsverfahren dem Antragsgegner eine ausführlichere Begründung der Botschaften der Veranstaltung genannt sowie die Tatsache, dass es sich um eine „Tanzdemonstration“ handle. Es sei darüber hinaus anzumerken, dass es sich bei der Mitte des Veranstaltungsortes um eine Fußgängerzone handle, in welcher allenfalls vormittags Lieferverkehr und ansonsten kein Autoverkehr stattfinde. Es würden bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags bestehen. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei nicht statthaft. Es fehle an der einem Verwaltungsakt mit Regelungswirkung. Der Antragsgegner habe weder eine – nach dem Versammlungsrecht nicht erforderliche – Genehmigung versagt noch ein Verbot ausgesprochen. Selbst im Falle eines feststellenden Verwaltungsakts, sei ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fraglich. Im Falle einer Auslegung des Antrags im Sinne von § 123 VwGO, bestehe die Frage, was genau angeordnet werden solle. Es komme lediglich in Betracht, das Landratsamt zu verpflichten von einer Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes auszugehen. In diesem Fall sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden, insbesondere fehle der zeitliche Aspekt. Weder sei im Vorfeld keine Äußerung erfolgt zum anderen werde der unzumutbare Nachteil nicht gesehen. Auch der „Dreiklang“ aus Klimacamp, fortbewegender Demo sowie anschließendem Rave überzeuge in dieser Hinsicht nicht. Im Hinblick auf einen möglichen Anordnungsanspruch würde weiterhin der Veranstaltungs- bzw. Vergnügungscharakter überwiegen. Es werde auf die Begründung im Schreiben vom 18. September 2024 verwiesen. Es gehe im Kern darum, „nochmal Spaß zu haben“. Es sei fraglich, ob eine Meinungsbildung durch einen durchschnittlichen Betrachter so wahrgenommen werden würde oder ob vielmehr der „Partycharakter“ überwiegen werde. Bereits das Motto spreche für Letzteres. Es werde jedenfalls kein eindeutiger Bezug zum Klimawandel hergestellt. Das Brennen könnte ebenso gut auf eine zunehmende Kriegsgefahr durch eine Eskalation bezogen sein.
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Auf die Stellungnahme wird im Einzelnen verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
19
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist das Schreiben des Antragsgegners vom 18. September 2024, wonach eine Versammlungseigenschaft verneint werde. Hierdurch ist davon auszugehen, dass zwischen den Beteiligten eine Rechtsbeziehung entstanden ist, welche ein konkretes, streitiges und daher feststellungsfähiges Rechtsverhältnis abbildet (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 11). Die Antragstellerin hat einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, dass die angezeigte Versammlung als Versammlung gewertet werde und diese deshalb durchgeführt werden könne, gestellt. Aufgrund des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit von Art. 8 Abs. 1 GG ist ein Feststellungsinteresse der Antragstellerin zu bejahen (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 12 f.). Aus diesem Grund ist der gestellte Antrag der Antragstellerin als Antrag nach § 123 VwGO auszulegen, wonach festgestellt werden soll, dass es sich bei der angezeigten Veranstaltung um eine Versammlung handle (§§ 88, 86 VwGO).
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Eine einstweilige Anordnung kann gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn eine Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder diese aus sonstigen Gründen geboten ist (Regelungsanordnung).
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Eine derartige Anordnung durch das Gericht setzt voraus, dass ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) besteht und sich die Antragsteller auf einen Anordnungsanspruch berufen können. Das Vorliegen beider Voraussetzungen ist von den Antragstellern glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
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Auch die Bedeutung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Versammlungsfreiheit durch Art. 8 Grundgesetz (GG) ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, weshalb nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass wesentliche Nachteile drohen.
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2. Die Antragstellerin hat nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die angezeigte Veranstaltung als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes zu behandeln ist, da die Antragstellerin hinsichtlich ihres Begehrens einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft hat machen können. Die Einschätzung des Antragsgegners im Schreiben vom 18. September 2024 erweist sich nach summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig.
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a) Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 – juris Rn. 41; BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 15). Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, so ist entscheidend, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt (vgl. BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 10 B 14.2246 – juris Rn. 46). Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG, B.v. 12.7.2001 – 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 – juris Rn. 29; BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 16). Weitgehend übereinstimmend mit diesen Grundsätzen definiert Art. 2 Abs. 1 BayVersG Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes als Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Unter den Versammlungsbegriff fallen mithin keine Volksfeste, Vergnügungsveranstaltungen oder Veranstaltungen, welche der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind (BVerfG, B.v. 12.7.2001 – 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 – juris Rn. 22). Hierbei wird eine Musik- oder Tanzveranstaltung in seiner Gesamtheit nicht lediglich dadurch zu einer Versammlung, sofern bei Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 12.7.2001 – 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 – juris Rn. 26).
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b) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs stellt sich die seitens der Antragstellerin angezeigte Abendveranstaltung nach dem Gesamteindruck nicht als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG dar. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin zeigt sowohl das Thema als auch der Ablauf der Veranstaltung, dass der Schwerpunkt der Veranstaltung der Unterhaltung dient. Bereits nach dem angezeigten Thema der Veranstaltung handelt es sich um einen sogenannten „Rave“, mithin eine Tanzveranstaltung zu den in der Anzeige genannten DJs. Die weiteren Umstände der Veranstaltung ergeben keine andere Bewertung.
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Hierbei wird nicht verkannt, dass die angezeigte Veranstaltung sowohl Elemente enthält, welche auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung abzielen, als auch anderweitige Zwecke beinhalten, im vorliegenden Fall in Form von Tanzen und Spaß haben (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 16). Entgegen der Ansicht der Antragstellerin dürfte aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters die Veranstaltung als Tanzveranstaltung wahrgenommen werden. Eine andere Bewertung ergibt sich insbesondere auch nicht dadurch, dass bei Gelegenheit Meinungskundgaben erfolgen sollen (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 15 mit Verweis auf BVerfG, B.v. 12.7.2001 – 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01). Um eine Beurteilung vornehmen zu können, sind zunächst diejenigen Aspekte zu würdigen, welche auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung abzielen, wobei auf die Sicht eines Außenstehenden, welcher sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung vor Ort befindet, abzustellen ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 17). Im Anschluss hieran ist der anderweitige Zweck, im vorliegenden Fall das Abhalten einer Tanzveranstaltung, zu würdigen und gewichten, wobei zuletzt die jeweiligen Elemente der Veranstaltung zueinander in ein Verhältnis zu setzen sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 18). Zweifel gehen zu Gunsten der Einordnung der Veranstaltung als Versammlung (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 18).
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Im Rahmen der Anzeige der Veranstaltung wurden seitens der Antragstellerin folgende Kundgebungsmittel angegeben: Banner, Schilder, Lautsprecheranlagen, Technik für DJs sowie Tiere. In der Antragsbegründung wurde als Kundgebungsmittel darüber hinaus Straßenmalkreide genannt. Tag der angemeldeten Veranstaltung ist der Tag des „globalen Klimastreiks“, weshalb im Voraus der angezeigten Veranstaltung eine Kundgebung hierzu sowie eine anschließende fortbewegende Demonstration erfolgen wird. Nach übereinstimmender Verlegung der Veranstaltung soll diese nahe dem Klimacamp stattfinden. Im Rahmen des Kooperationsgesprächs wurden als politische Botschaften seitens des Veranstalters die „Klimakrise“, die „Klimamobilität in N.“, „Jugend solle ihr Leben frei bestimmen können“ sowie „Handeln für das Klima“ benannt. In der Antragsbegründung wurde darüber hinaus mitgeteilt, dass eine zentrale Forderung insbesondere eine autofreie Innenstadt sein solle, weshalb durch die Veranstaltung der Platz in Form einer „Utopie“ anderweitig genutzt werde. Die Protestform des Tanzens werde in einer Rede erklärt.
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Im Gegensatz hierzu zeigte die Antragstellerin mit Schreiben vom 11. September 2024 einen „FutureRave“ mit dem Motto „Nochmals Spaß haben, bevor die Welt brennt“ an. Vorgeschlagene Redebeiträge wurden seitens der Veranstalter im Rahmen des Kooperationsgespräches abgelehnt. Die Veranstalter teilten im Kooperationsgespräch mit, dass bei der abendlichen Veranstaltung DJs auflegen würden, es solle durchgehend Musik gespielt werden, da die Musik bereits politische Botschaften enthalten würden. Die Jugendlichen sollten miteinander feiern. Dies wird seitens der Antragstellerin in ihrer Antragsbegründung auch bekräftigt, wonach Jugendliche keine unbeschwerte Jugendzeit mehr hätten.
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c) Im Rahmen der im einstweiligen Rechtschutz möglichen summarischen Prüfung ist im vorliegenden Einzelfall eindeutig schwerpunktmäßig von einer Tanzveranstaltung, mithin keiner „Versammlung“ im Sinne von Art. 2 BayVersG auszugehen. Für einen unbeteiligten Dritten ist davon auszugehen, dass es sich sowohl bei der Ankündigung eines „Rave“ als auch durch das – durchgängige – Auflegen von Musik durch DJs als Tanz- bzw. Spaßveranstaltung darstellen wird. Entgegen der Ansicht der Veranstalter dürfte es sich im vorliegenden Fall um eine bloße Zuschaustellung eines Lebensgefühls, mithin eine Tanzveranstaltung, handeln. Die Elemente, welche für eine öffentliche Meinungsbildung und Meinungskundgabe sprechen würden, treten unter Würdigung der Gesamtumstände des Themas wie auch des Ablaufs der Veranstaltung, hinter dem Schwerpunkt des Tanzens zu Musik zurück.
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Etwas anderes ergibt sich weder aus der Tatsache, dass es sich aus Sicht der Antragstellerin um eine „Anschlussversammlung“ handelt noch aus der Möglichkeit, eine alternative Protestform in Form von Tanzen gewählt zu haben. Seitens der Antragstellerin wurde eine Kundgebung ab 15:00 Uhr desselben Tages mit einem anschließenden Demonstrationszug bis 18:00 Uhr angezeigt. Bei der im Anschluss angezeigten Veranstaltung geht das Gericht aufgrund der vorliegenden Informationen davon aus, dass es sich um eine abendliche Vergnügungsveranstaltung handelt, welche nicht in den Schutzbereich des Art. 8 GG fällt. Nicht nur wurde seitens der Veranstalter von Beginn an keine Redebeiträge in den Ablauf der Veranstaltung eingebaut, vielmehr wurde ein Vorschlag diesbezüglich auch abgelehnt. Seitens der Veranstalter wurde deutlich gezeigt, dass der Schwerpunkt der Veranstaltung auf der – durchgängig zu spielenden – Musik liegen solle. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Ankündigung der Antragstellerin, die Form des Tanzprotests werde in einer Rede erklärt werden. Auch der seitens der Antragstellerin in ihrer Antragsbegründung vorgebrachten Zusammenhang zwischen dem Motto der Veranstaltung „brennen“ und der Erderwärmung durch das Benutzen von Kraftfahrzeugen und Motorrädern, dürfte aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zum Zeitpunkt der Veranstaltung zu keiner Verlagerung des Schwerpunkts hin zu einer Veranstaltung zum Zwecke der öffentlichen Meinungskundgabesowie Meinungsbildung führen. Aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters der angezeigten Veranstaltung ist nicht davon auszugehen, dass dieser das Tanzen zu DJ-Musik verbunden mit dem Halten von Bannern oder Ähnlichem als Meinungskundgabe werten wird.
32
Anders als im Falle der sogenannten „Fuckparade“ kann im vorliegenden Einzelfall unter Würdigung der Gesamtumstände kein Zusammenhang zwischen einer Tanzveranstaltung als mögliche Protestform und den zum Teil auf Bannern transportierten Forderungen als Element der öffentlichen Meinungsbildung gesehen werden (vgl. im Gegensatz hierzu BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 23/06 – juris Rn. 20). Die seitens der Antragstellerin im Kooperationsgespräch unsubstantiiert angeführten politischen Botschaften durch die Musik der DJs rechtfertigen im Rahmen der im Eilverfahren lediglich möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung keine andere Bewertung. Sowohl die Beschreibung des Ablaufs der Veranstaltung als auch des Versammlungsthemas liegt im Verantwortungsbereich des Veranstalters (OVG NRW, B.v. 15.7.2022 – 15 B 845/22 – juris Rn. 38). Hierbei sollen die im Rahmen der Anzeige gegebenen Informationen dazu ausreichen, der betreffenden Behörde die Möglichkeit zu geben entsprechende Vorkehrungen für einen störungsfreien Ablauf zu treffen (vgl. BVerfG, B.v. 23.10.1991 – 1 BvR 850/88 – juris Rn. 20; OVG NRW, B.v. 15.7.2022 – 15 B 845/22 – juris Rn. 38). Ein Zusammenhang zwischen der, möglicherweise auch mit Texten versehenen, Musik der DJs zum Thema der Veranstaltung „Spaß zu haben bis die Welt brennt“ und den auf den Bannern im Hinblick auf das Klima angebrachten Forderungen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, sodass vielmehr davon auszugehen ist, dass Schwerpunkt der Veranstaltung das Tanzen zu Musik sein soll, mithin die Elemente der Meinungskundgabe lediglich „beiläufiger Nebenakt“ (BVerfG, B.v. 12.7.2001 – 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 – juris Rn. 28) sind.
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d) Da die angezeigte Veranstaltung daher in ihrem Gesamtgepräge als Tanzveranstaltung zu werten ist, ist damit keine Verletzung des Rechts auf Feststellung, dass es sich bei der Abendveranstaltung um eine Versammlung handelt mit der zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Eilverfahren notwendigen Evidenz deutlich geworden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Der Streitwert war nach § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG zu bestimmen. Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (dort Nrn. 1.5, 35.2). Der in der Hauptsache anzusetzende Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.