Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 01.07.2024 – 7 UF 2/24
Titel:

Unterhaltspflicht bei einer erweiterten Mitbetreuung

Normenkette:
BGB § 1601, § 1606 Abs. 3 S. 2
Leitsätze:
1. Soweit ein Unterhaltsverpflichteter in einem Kindesunterhaltsverfahren berücksichtigt haben will, dass ein paritätisches Wechselmodell am Widerstand des anderen Elternteils scheitere, ist darauf hinzuweisen, dass für das aktuelle Unterhaltsverfahren die tatsächlich bestehende, zwischen beiden Kindeseltern vereinbarte Regelung zugrundezulegen ist. Eine Änderung dieser Regelung müsste im Rahmen eines Umgangsverfahrens erfolgen. (Rn. 28)
2. Soweit der Unterhaltsverpflichtete darauf abstellt, dass er sämtliche Kosten für die Umgänge trage und der andere Elternteil ihm insoweit nicht entgegenkomme, entspricht dies dem Grundsatz, wonach der Umgangsberechtigte die Kosten des Umgangs zu tragen hat. (Rn. 29)
Ein echtes Wechselmodell liegt nicht vor, wenn ein Elternteil über den zeitlich größeren Einsatz bei der Betreuung des Kindes im eigenen Haushalt hinaus weitere bedeutsame organisatorische Aufgaben der Kinderbetreuung übernimmt, beispielsweise die Organisation des Besuchs der Kindertagesstätte, sowie der Arzttermine. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wechselmodell, Betreuung, Verantwortung, Elternverantwortung, Kindesunterhalt
Vorinstanz:
AG Bad Kissingen, Endbeschluss vom 23.11.2023 – 001 F 25/23
Fundstellen:
FamRZ 2025, 683
BeckRS 2024, 31655
FuR 2025, 154
LSK 2024, 31655
NJW 2025, 78

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen – der Endbeschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 23.11.2023 in den Ziffern 1 und 2 wie folgt abgeändert:
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt zu bezahlen ab dem 01.06.2024 in Höhe von 100% des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe gemindert um das jeweils hälftige staatliche Kindergeld für ein erstes Kind, Zahlbetrag derzeit damit 355 €.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller rückständigen Kindesunterhalt zu bezahlen für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 31.05.2024 in Höhe von 12.895 €.
II. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Antragsteller zu 20% und der Antragsgegner zu 80%, die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.982 € festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Der Antragsgegner und Frau F. sind die nicht miteinander verheirateten, dauerhaft voneinander getrennt lebenden gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des Antragsstellers. Dieser nimmt, gesetzlich vertreten durch seine Mutter, den Antragsgegner auf die Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Außergerichtlich wurde der Antragsgegner mit Schreiben vom 18.12.2020 zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert.
2
Die Betreuung des Antragstellers durch den Antragsgegner wurde durch Vereinbarung der Eltern zu Protokoll des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 13.10.2020 (1 F 427/20), aufrechterhalten durch Vereinbarung der Eltern zu Protokoll des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 13.10.2022 (1 F 191/21), wie folgt geregelt:
3
Im 14-tägigen Rhythmus, erstmals am 17.10.2020, von Samstag 9:00 Uhr mit Abholung bei der Kindesmutter, bis Mittwoch früh mit Ablieferung des Kindes am Kindergarten … in …, spätestens um 9:00 Uhr, sowie von Montag 9:00 Uhr, erstmals am 25.10.2020, mit Abholung bei der Kindesmutter bis Mittwoch früh mit Ablieferung des Kindes im Kindergarten … in …, spätestens um 9:00 Uhr.
4
Der Antragsgegner ist seit dem 19.06. 2023 Vater eines weiteren Kindes.
5
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass sich aus der Umgangsregelung ein Betreuungsschwerpunkt bei der Mutter ableiten lasse, da diese zu 56% betreue und sich darüber hinaus auch um seinen Alltag kümmere, in dem sie sicherstelle, dass er die Kindertagesstätte besuche, wofür sie die Kosten trage, und auch Arzttermine mit ihm wahrnehme.
6
Erstinstanzlich beantragte der Antragsteller zuletzt:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller zu Händen der Kindesmutter ab Januar 2023 Kindesunterhalt in Höhe von 400,00 € sowie ab Dezember 2023 Kindesunterhalt in Höhe von 110% des Mindestunterhalts zu bezahlen.
Der Antragsgegner wird weiter verpflichtet, für den Zeitraum Dezember 2020 bis einschließlich Dezember 2022 rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 9.089,00 € an den Antragsteller zu Händen der Kindesmutter zu bezahlen.
7
Der Antragsgegner beantragte
die kostenpflichtige Zurückweisung dieser Anträge.
8
Er ist der Ansicht, die Aufteilung der Betreuungsanteile, wie vom Antragsteller geschildert, sei nicht ausreichend, um von einem Betreuungsschwerpunkt sprechen zu können. Darüber hinaus läge es ausschließlich an der Verweigerungshaltung der Kindesmutter, dass kein exakt paritätisches Wechselmodell gelebt werde. Es müsse ferner berücksichtigt werden, dass die Wahrnehmung des Umgangs für den Antragsgegner mit hohen Kosten verbunden sei. So beliefen sich bereits die Kraftstoffkosten auf monatlich 444 €.
II.
9
Durch Endbeschluss vom 23.11.2023 wurde vom Familiengericht folgende Entscheidung getroffen:
10
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller K, geboren am … .2018, zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters ab dem 01.01.2023 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 356,00 €, ab dem 01.06.2023 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 334,00 € und ab dem 01.12.2023 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 105% des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612a Abs. 1 BGB der jeweiligen Altersstufe, derzeit 1. Altersstufe, gemindert um das hälftige Kindergeld für ein 1. Kind, derzeit 125 €, damit derzeit 334,00 €, zu bezahlen.
11
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller K, geboren … .2018, zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis 31.12.2022 in Höhe von 7.864,00 € zu bezahlen.
12
3. Der darüber hinausgehende Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.
13
4. Die Kosten des Verfahrens tragen Antragsteller zu 1/10 und der Antragsgegner zu 9/10.
14
Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass die Kindesmutter gemäß 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Vertretung des Kindes alleine berechtigt sei, da die elterliche Sorge den Eltern gemeinsamen zustehe und sich das Kind in der Obhut der Kindesmutter befinde. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kind räumlich getrenntlebender Eltern im Residenzmodell oder Wechselmodell betreut werde, komme dem zeitlichen Einsatz der Eltern bei der Betreuung des Kindes eine besondere Bedeutung zu. Anknüpfend an den Normzweck der Vorschrift, die Einleitung von Sorgerechtsverfahren nur mit dem Ziel einer späteren Austragung von Unterhaltskonflikten möglichst zu vermeiden, könne ein Elternteil bereits dann als Träger der Obhut im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB angesehen werden, wenn bei diesem Elternteil ein eindeutig feststellbares, aber nicht notwendigerweise großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind vorliege. Ausgehend von dem unbestrittenen Vortrag des Antragstellers, wonach die Kindesmutter diesen zu 56% betreue und darüber hinaus dessen Alltag regele, sei von einem Betreuungsschwerpunkt bei der Kindsmutter auszugehen. Weiterhin führte das Erstgericht aus, dass der Antragsgegner allein für den Barunterhalt des Antragstellers aufzukommen habe, da die Kindesmutter ihre Unterhaltspflicht bereits durch die Betreuung des Antragstellers erfülle. Insoweit komme bei der Frage, ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trage und damit seine Unterhaltspflicht im Sinne von § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfülle, der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken brauche. Anders als bei der Feststellung der Vertretungsbefugnis nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB sei für § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht nur ein eindeutig feststellbares, sondern ein deutliches Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil gefordert. Das Erstgericht führte diesbezüglich aus, dass die zeitliche Komponente des Betreuungsanteils der Kindsmutter von 56% hierfür nicht zwingend ausreichend wäre, in zusätzlicher Berücksichtigung mit der Übernahme weiterer wesentlicher Betreuungsanteile bei der Alltagsgestaltung des Kindes durch Sicherstellung des Besuchs der Kindertagesstätte und Wahrnehmung von Arztterminen sei insgesamt aber von einem deutlichen Betreuungsschwerpunkt bei der Mutter auszugehen.
15
Unter Zugrundelegung der eigenen, unbestrittenen Angaben des Antragsgegners ging das Erstgericht von folgenden Einkommensverhältnissen des Antragsgegners aus:
16
Für Dezember 2020: bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 2.375 €, grundsätzlich entsprechend Stufe 3 der 1. Altersgruppe der Düsseldorfer Tabelle mit Zahlbetrag in Höhe von 304 €.
17
Im Jahr 2021: bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 2.102,53 €, entsprechend Stufe 2, Altersgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle mit einem Zahlbetrag in Höhe von 303,50 €.
18
Im Jahr 2022: bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 2.447,07 €, entsprechend Stufe 3, Altersgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle mit Zahlbetrag in Höhe von 326,50 €
19
Im Jahr 2023: bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 2.447,07 €, entsprechend bis einschließlich Mai Stufe 3, Altersgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle mit Zahlbetrag 356 €, ab Juni aufgrund der Geburt seines weiteren Sohnes S. nur noch Stufe 2, Altersgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle mit Zahlbetrag von 334 €, entsprechend 105% des Mindestunterhalts.
20
Das Gericht führte insoweit aus, dass die Unterhaltssätze der Düsseldorfer Tabelle, die nur Hilfsmittel für Unterhaltsbemessung seien, nach den Umständen des Einzelfalls stets auf Angemessenheit und Ausgewogenheit zu überprüfen seien. In den Fällen, in denen barunterhaltspflichtige Elternteil eine weit über das übliche Maß hinaus gehende Umgangsrecht wahrnehme, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähere, könne bei Ausübung des Ermessens im Rahmen der Angemessenheitskontrolle die wirtschaftliche Belastung des Unterhaltspflichtigen insbesondere mit zusätzlichen Fahrtkosten zum Anlass genommen werden, dem Barunterhaltsbedarf unter Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen oder auf eine nach den maßgebenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien ansonsten gebotenes Hochstufen in eine höhere Einkommensgruppe zu verzichten. Unter Berücksichtigung des mit der Wahrnehmung des Umgangs für den Antragsgegner verbundenen erhöhten Aufwandes, insbesondere der Kraftstoffkosten, sah das Erstgericht bis einschließlich Mai 2023 von der an sich gebotenen Höherstufung des Antragsgegners ab, der bis zur Geburt seines weiteren Sohnes nur gegenüber einer Person unterhaltspflichtig war. Eine weitere Abstufung wurde nicht vorgenommen, was damit begründet wurde, dass der Antragsgegner neben den Fahrtkosten keine weiteren Aufwendungen geltend gemacht habe, die allein durch die deutliche Ausweitung des Umgangs entstanden und bei einem typischen Umgang nicht angefallen wären.
21
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen setzte das Erstgericht den Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 01.12.2020 bis einschließlich Dezember 2022 auf insgesamt 7.864 € fest.
22
Gegen diesen dem Antragsgegner am 08.12.2023 zugestellten Endbeschluss legte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 27.12.2023, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag, Beschwerde ein. Er beantragte, den Endbeschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 23.11.2023 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen sowie die Kosten beider Rechtszüge dem Antragsteller aufzuerlegen.
23
Der Antragssteller ist der Ansicht, dass er aufgrund des gewählten Betreuungsmodells keinen Barunterhalt schulde. Er trägt vor, ein Wechselmodell mit hälftiger Aufteilung scheitere allein an der Ablehnung der Kindesmutter. Im Übrigen sei auch die Annahme, dass ein Wechselmodell nur bei einer paritätischen Aufteilung des Aufenthaltes Kindes vorliege, nicht zutreffend. Die vorliegende Regelung sei einem Wechselmodell gleichzusetzen. Darüber hinaus trage er sämtliche Kosten für die Umgänge. Er übernehme zusätzliche Aufwendungen für Kraftstoffkosten in Höhe von 444 € pro Monat. Das Gericht verkenne, dass auch der Antragsgegner den Antragsteller während seiner Umgangstage in die Kindertagesstätte fahre. Arztbesuche, die in die Umgangszeit des Antragsgegners fielen, würden durch diesen wahrgenommen. Die Kindeseltern hätten mehrfach auch gemeinsam an Arztterminen teilgenommen.
24
Der Antragsteller beantragt mit Schriftsatz vom 23.01.2024 die Zurückweisung der Beschwerde und begründet dies mit Schriftsatz vom 01.03.2024 dahingehend, dass soweit der Antragsgegner ein anderes Umgangsmodell leben möchte, dies im Rahmen eines Umgangsverfahrens zu erörtern wäre. Höhere Kosten des Antragsgegners bedingt durch den Umgang seien dem Umstand geschuldet, dass die Kindeseltern eine entsprechende Umgangsregelung vereinbart hätten. Den höheren Kosten sei dadurch Rechnung getragen worden, dass eine Herabstufung der Einkommensgruppe vorgenommen worden sei. Auch für den Fall, dass unterhaltsrechtlich doch ein Wechselmodell vorliegen solle, würde eine Unterhaltspflicht des Antragsgegners nicht automatisch entfallen, es müsse vielmehr eine andere Art der Berechnung folgen, ein Wechselmodell liege aber nicht vor.
III.
25
Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners ist nur teilweise begründet. Der Endbeschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 23.11.2023 ist entsprechend abzuändern.
26
Der Unterhaltsanspruch des Antragstellers ergibt sich aus §§ 1601 ff BGB. Zu Recht ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass vorliegend kein echtes Wechselmodell gegeben ist.
27
1. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Erstgerichts erledigt die Kindesmutter über ihren zeitlich größeren Einsatz bei der Betreuung des Kindes im eigenen Haushalt hinaus weitere bedeutsame organisatorische Aufgaben der Kinderbetreuung, nämlich die Organisation des Besuchs der Kindertagesstätte, welche sie auch bezahlt, sowie der Arzttermine. Soweit der Antragsgegner nun vorträgt, auch er würde den Antragsteller im Rahmen seiner Umgangszeiten zur Kindertagesstätte bringen und von dort abholen und auch Arzttermine wahrnehmen, die in seine Umgangszeit fielen, ist darauf hinzuweisen, dass die Organisation derartiger Angelegenheiten weit über die bloße Wahrnehmung von Terminen hinausgeht. Ebenso wie das Erstgericht ist der Senat daher der Auffassung, dass vorliegend der Betreuungsschwerpunkt des Antragstellers bei der Mutter ist. Die Kindesmutter erfüllt daher nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB ihre Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Antragsteller durch dessen Pflege und Erziehung, während der Antragsgegner diesem Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente (§ 1612 Abs. 1 S. 1 BGB) zu gewähren hat.
28
2. Soweit der Antragsgegner darauf Bezug nimmt, dass ein paritätisches Wechselmodell am Widerstand der Kindsmutter scheitere, ist darauf hinzuweisen, dass für das vorliegende Unterhaltsverfahren die tatsächlich bestehende, zwischen beiden Kindeseltern vereinbarte Regelung zugrundezulegen ist. Eine Änderung dieser Regelung müsste im Rahmen eines Umgangsverfahrens erfolgen.
29
3. Soweit der Antragsgegner darauf abstellt, dass er sämtliche Kosten für die Umgänge trage und die Kindesmutter ihm insoweit nicht entgegenkomme, entspricht dies dem Grundsatz, wonach der Umgangsberechtigte die Kosten des Umgangs zu tragen hat (vgl. Götz in Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 1684, Rn. 37 m. w. N.). Im Übrigen wurden die dem Antragsgegner im Zusammenhang mit den Umgängen entstandenen Fahrtkosten vom Erstgericht berücksichtigt. Weitere Kosten hat der Antragsgegner nicht geltend gemacht, worauf auch das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat.
30
4. Nach den im Beschwerdeverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Erstgerichts ist folgendes unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen des Antragsgegners zugrundezulegen:
Dezember 2020: 2.375 €, entsprechend Stufe 3, 1. Altersgruppe der Düsseldorfer Tabelle, Zahlbetrag 304 €.
Jahr 2021: 2.102,53 €, entsprechend Stufe 2, 1. Altersgruppe Düsseldorfer Tabelle, Zahlbetrag 303,50 €.
Jahr 2022: 2.447,07 €, entsprechend Stufe 3, 1. Altersgruppe Düsseldorfer Tabelle, Zahlbetrag 326,50 €.
Jahr 2023: 2.447,07 €, entsprechend Stufe 3, 1. Altersgruppe Düsseldorfer Tabelle, Zahlbetrag 356,00 € bis einschließlich Mai sowie ab Juni 2023 mit Geburt des weiteren Sohnes S. Stufe 2, 1 Altersgruppe Düsseldorfer Tabelle, Zahlbetrag 334 €.
31
5. Das mit Hilfe der Düsseldorfer Tabelle, deren Unterhaltsbedarfssätze nur Hilfsmittel für die Unterhaltsbemessung darstellen, gewonnene Ergebnis ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls durch den Tatrichter stets auf seine Angemessenheit und Ausgewogenheit hin zu überprüfen. Danach kann insbesondere in Fällen, in welchen – wie hier – der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinaus gehendes Umgangsrecht wahrnimmt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert, der Tatrichter bei der Ausübung seines Ermessens im Rahmen der Angemessenheitskontrolle die wirtschaftliche Belastung des Unterhaltspflichtigen insbesondere mit zusätzlichen Fahrtkosten und den Kosten für das Vorhalten von Wohnraum zum Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf unter Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen oder – wie hier – auf eine nach den maßgebenden Leitlinien ansonsten gebotene Hochstufung in eine höhere Einkommensgruppe zu verzichten (BGH, Beschluss vom 12. März 2014 – XII ZB 234/13 –, juris).
32
a) Unter Berücksichtigung dessen ist zur Überzeugung des Senats der Umfang der Betreuung des Antragstellers durch den Antragsgegner, die weit über das übliche Maß hinausgeht und sich einem paritätischen Wechselmodell annähert zusammen mit den erheblichen umgangsbedingten Fahrtkosten des Antragsgegners i. H. v. unbestritten 444 € monatlich, vorliegend nicht nur – wie vom Erstgericht – dergestalt zu berücksichtigen, dass die an sich gebotene Höherstufung in der Düsseldorfer Tabelle bis zur Geburt des weiteren Sohnes S. für den Zeitraum Dezember 2020 bis einschließlich Mai 2023 unterbleibt, sondern zudem eine weitere Abstufung um jeweils eine Stufe vorzunehmen.
33
b) Das Maß des dem Antragsteller zu gewährenden Unterhalts (§ 1610 Abs. 1 BGB) durch den Antragsgegner bestimmt sich demnach wie folgt:
„Dezember 2020: Stufe 2, 1. Altersgruppe Düsseldorfer Tabelle: Zahlbetrag 286 € monatlich, insgesamt: 286 € Jahr 2021: Stufe 1, 1. Altersgruppe Düsseldorfer Tabelle: Zahlbetrag: 283,50 € monatlich, insgesamt: 3.402 € Jahr 2022: Stufe 2, 1. Altersgruppe: Zahlbetrag: 306,50 € monatlich, insgesamt: 3.678 € Jahr 2023 bis einschließlich Mai: Stufe 2, 1. Altersgruppe Düsseldorfer Tabelle: Zahlbetrag: 334 € monatlich, insgesamt: 1.670 € Ab Juni 2023 Stufe 1,1. Altersgruppe Düsseldorfer Tabelle: Zahlbetrag 312 € monatlich, insgesamt: 2.184 € Jahr 2024 Stufe 1, 1. Altersgruppe, Zahlbetrag 355 € monatlich ab 01/24, bis einschließlich Mai 2024 insgesamt: 1.675 €
Der Rückstand für den Zeitraum Dezember 2020 bis einschließlich Mai 2024 beträgt damit insgesamt (286 + 3.402 + 3.678 + 1.670 + 2.184 + 1.675 Euro =) 12.895 €.“
34
Ab 01.06.2024 schuldet der Antragsgegner dem Antragsteller Barunterhalt in Höhe von 100% des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe gemindert um das jeweils hälftige staatliche Kindergeld für ein erstes Kind.
IV.
35
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 1 und 2 Nr. 1 FamFG.
36
Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 40, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG. Der Antragsgegner wendet sich gegen die Zahlung des vom Erstgericht festgesetzten Unterhalts. Insoweit wurde ein Rückstand i. H. v. 7.864,00 Euro sowie ein laufender Unterhalt i. H. v. 4.118,00 Euro (1.780 Euro+2.004 Euro+334 Euro) zugrundegelegt.
37
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§ 70 Abs. 2 FamFG). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Grundsätzliche Bedeutung hat die Sache nicht. Auch weicht der Senat nicht in einer Rechtsfrage von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts ab.