Titel:
Anspruch auf Erstattung der Tierarztkosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag
Normenkette:
BGB § 398 S. 1, § 670, § 677, § 683 S. 1
Leitsätze:
1. Im Gegensatz zu den privatärztlichen Vergütungsansprüchen der Human- und Zahnmediziner dürfen Tierärzte ihre Honorarforderungen an Dritte, zB an Verrechnungsstellen, abtreten, ohne dass dies der ausdrücklichen Einwilligung des Tierhalters bedarf (Anschluss unter anderem an OLG Celle BeckRS 1994, 5409). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der tierärztlichen Versorgung im Notfall handelt es sich um ein auch fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wird, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Tierhalterin zugutekommt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Tierarzt, Behandlung, Kosten, Notfall, Geschäftsführung ohne Auftrag, auch-fremdes Geschäft, Fremdgeschäftsführungswille, Abtretung, Einwilligung, Tierhalter
Fundstelle:
BeckRS 2024, 31653
Tenor
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 565,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.07.2022 sowie weitere 1,00 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 565,31 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
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Die zulässige Klage ist begründet.
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1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung in Höhe von 565,31 € aus abgetretenem Recht gemäß §§ 683 S. 1, 677, 670, 398 S. 1 BGB zu.
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a) Die Klägerin ist hierbei auch aktivlegitimiert.
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Denn die Forderung der ursprünglichen Forderungsinhaberin, der A … GmbH, wurde durch diese an die Klägerin abgetreten, § 398 S. 1 BGB.
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Zwar hat die Beklagte eine Abtretung bestritten. Die Klägerin hat aber eine entsprechende Abtretungsbestätigung durch die A … … GmbH sowie den zwischen der Klägerin und der A … GmbH bestehenden Rahmenvertrag vorgelegt, nach welchem die Klägerin berechtigt ist, bei der A … GmbH Forderungen zu kaufen. Des Weiteren wurde durch die Klägerin eine Abrechnung vorgelegt, welche an die A … GmbH adressiert ist, aus welcher sich ergibt, dass die Klägerin die Forderung in ihren Rechnungsbestand aufgenommen hat.
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Im Übrigen hat die Beklagte selbst eine Anmeldung bei der A… GmbH unterschrieben, bei welcher sie eine Ratenzahlung angegeben hat, wobei auch hier darauf hingewiesen wird, dass dann eine Abrechnung durch die Klägerin erfolgt. In dieser ist das Feld B … deutlich lesbar angekreuzt. Sofern die Beklagte sich darauf beruft, es handle sich bei dem Kreuz um einen Teil der Unterschrift, erscheint dies fernliegend. Das Formular legt nahe, dass eine Zahlungsform ausgewählt werden muss; eine andere Form als „B… ist nicht angekreuzt und auch die Beklagte hat nicht näher vorgetragen, wie genau gezahlt wurde und welche Zahlungsart stattdessen gewählt wurde.
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Das Gericht ist demnach von der Abtretung überzeugt, da sich diese aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergibt.
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Sofern sich die Beklagte darauf beruft, sie habe der Abtretung nicht zugestimmt, greift dies nicht durch. Eine Zustimmung des Halters zur Abtretung ist nicht erforderlich. Im Gegensatz zu den privatärztlichen Vergütungsansprüchen der Human- und Zahnmediziner dürfen Tierärzte ihre Honorarforderungen an Dritte, zum Beispiel an Verrechnungsstellen, abtreten, ohne dass dies der ausdrücklichen Einwilligung des Tierhalters bedarf (MAH Medizinrecht/Clausen, § 8 Rn. 473; MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 134 Rn. 72; Staudinger/Fischinger/Hengstberger, 1.11.2022, § 134 BGB Rz. 447d; VG Mainz, Urteil vom 20.2.2020 – 1 K 467/19.MZ, ZD 2020, 376; LG Dortmund, Urteil vom 9.2.2006 – 4 S 176/05, NJW-RR 2006, 779; OLG Celle, Urteil vom 10. August 1994 – 21 U 11/94; LG Lüneburg, Urteil vom 1. April 1993 – 1 S 244/92).
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b) Zudem steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auch aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB zu.
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aa) Die A… GmbH (im folgenden Zedentin) hat durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein fremdes Geschäft besorgt, § 677 BGB.
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Zwar hat die Beklagte die Behandlung bestritten, allerdings haben die Zeuginnen M… und S… den Umfang der Behandlung, wie er aus der von der Klägerin vorgelegten Anlage K2 ersichtlich ist, bestätigt.
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Die Beklagte hat zwar insofern die tierärztliche Behandlung mit Nichtwissen bestritten und ausgeführt, dass sich auch aus den Zeugenaussagen nicht ergäbe, dass tatsächlich der Kater der Beklagten entsprechend behandelt wurde. Dies verfängt allerdings nicht. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 21.02.2023 eingehend zum Auffindungszustand des Katers vorgetragen. Dieser ist auch in der als Anlage K6 vorgelegten Behandlungsdokumentation sowie in der Rechnung (Anlage K2) als „Anfallsgeschehen, Koma“ bezeichnet. Sowohl Rechnung als auch Behandlungsdokumentation beschreiben ausführlich die vorgenommenen Behandlungsschritte. Die Zeuginnen S … und M … haben in ihren schriftlichen Aussagen die Einlieferung der Katze als Notfall sowie die Durchführung der Leistungen bestätigt. Insofern kann die Beklagte sich auch nicht darauf berufen, der Vortrag der Klägerin sei unkonkret.
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Soweit die Beklagte unterstellt, es habe sich nicht um ihren Kater gehandelt, ist dies unschlüssig, da die Beklagte ihren Kater unstreitig von der A … abgeholt und diese zuvor für eine kleine Weile verschwunden war. Die Vermutung, es sei womöglich eine andere Katze behandelt worden, wird durch nichts unterstützt. Soweit die Beklagte vorträgt, dem Kater sei es bei Abholung gut gegangen, spricht dies naheliegenderweise nicht gegen die Durchführung der medizinischen Maßnahmen, sondern für Durchführung und medizinischen Erfolg der Maßnahmen.
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Es handelt sich bei der tierärztlichen Versorgung dabei um ein auch fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugutekam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.
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bb) Ebenso liegt der Fremdgeschäftsführungswille vor. Insbesondere schließt die Wahrung auch eigener Interessen den Fremdgeschäftsführungswillen nicht aus (BGH, Urteil vom 8. März 1990 – III ZR 81/88 –, BGHZ 110, 313-318). Bei einem auch fremden Geschäft wird der Geschäftsführungswille dabei grundsätzlich vermutet, insbesondere wenn das Interesse des Geschäftsherren an der Vornahme der Handlung im Vordergrund steht (Grüneberg/Retzlaff, 82. Aufl. 2023, BGB § 677 Rn. 6, BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 – VIII ZR 302/07 –, BGHZ 181, 188-199).
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So liegt der Fall hier, denn bei Behandlung eines leidenden Tieres steht das Interesse des jeweiligen Tierhalters im Vordergrund. Gemäß § 1 TierSchG darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Wer gegen dieses Verbot verstößt, verhält sich rechtswidrig (Lorz/Metzger/Lorz, 7. Auflage 2019, TierSchG § 1 Rn. 13). Bereits daraus folgt, dass die Behandlung im Interesse der Beklagten stand, da diese jedenfalls eine entsprechenden Behandlung des Katers hätte durchführen müssen.
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cc) Die Geschäftsführung erfolgte auch ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung gegenüber der Beklagten. Insbesondere bestand eine solche nicht aus einem zwischen der Zedentin und der Beklagten bestehenden Rechtsgeschäft. Auch daraus, dass die Zedentin aus eigener tierärztlicher Verpflichtung den Kater behandeln musste, folgt jedenfalls gegenüber der Beklagten keine Berechtigung i.S.d. § 677 BGB.
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dd) Die Geschäftsführung war zudem berechtigt i.S.d. § 683 BGB. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte vorgetragen hat, die Behandlung bei der Zedentin habe nicht ihrem Willen entsprochen. Dies folgt bereits daraus, dass die Beklagte die Geschäftsführung durch ihre Unterschrift auf der Anmeldung bei der Zedentin i.S.d. § 684 S. 2 BGB genehmigt hat, indem sie erklärt hat, die Behandlungskosten unmittelbar nach der Behandlung über die Klägerin zu zahlen.
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ee) Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt nicht. Soweit hiermit auf eine Nebenpflichtverletzung i.S.d. § 681 S. 1 BGB abgestellt werden soll, steht dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Aussagen der Zeuginnen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt sind. Im Übrigen wurde die T … e.V., bei welcher der Kater im Haustierzentralregister erfasst ist, bereits am 16.05.2022 – also am selben Tag – über die Einlieferung des Katers bei der Zedentin informiert, welche die Beklagte am nächsten Tag informierte.
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c) Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Anspruchs hat der Sachverständige Dr. Bu … … ausgeführt, dass die Behandlung der Katze medizinisch notwendig war und nach den aktuellen medizinischen Empfehlungen durchgeführt wurde. Die Behandlung wurde nach seinen Ausführungen in der Anlage K2 korrekt abgerechnet. Hinsichtlich der Anlage K6 hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Rechnung noch höher hätte ausfallen können.
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Wegen der Einwendungen der Beklagten gegen den Sachverständigen wird auf den Beschluss vom 14.06.2024 Bezug genommen, in welchem das Gesuch der Beklagten, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen wird.
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Ergänzungsfragen wurden nicht an den Sachverständigen gestellt, auch nachdem das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen wurde.
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Das Gericht hat dabei auch keine Zweifel daran, dass die Rechnungsstellung der Höhe nach korrekt erfolgt ist. Der Sachverständige hat insofern ausgeführt, dass die Gebührenhöhe stufenlos zwischen dem 1- und 3-fachen Satz berechnet werden kann und die entsprechenden Sätze ausgeführt. Sodann hat er in seiner Schlussfolgerung festgestellt, dass die Rechnung der Höhe nach korrekt bzw. zum Teil sogar zu niedrig war. Hieraus folgt, dass der geltend gemachte Anspruch gemäß § 670 BGB jedenfalls in der geltend gemachten Höhe verlangt werden kann. Soweit in die Rechnung eine Behandlung mit Beratung eingestellt ist, ergibt sich eine solche aus der Anlage K6, so dass die Ausführungen der Beklagten hierzu nicht verfangen. Im Übrigen hat auch die Zeugin M … ausgeführt, der Kater sei mit Medikamenten entlassen worden, wobei die Beklagte selbst ausführt, sie habe den Kater am 17.05.2022 abgeholt. In der Anlage K6 werden gerade auch Ausführungen dazu gemacht, wie der Kater nach der Entlassung zu halten sei. Zudem befinden sich dort Ausführungen dazu, dass der Nachbar die Katze der Beklagten nicht möge. Schon hieraus folgt, dass ein entsprechendes Gespräch zwischen der Zedentin und der Beklagten stattgefunden haben muss, da sich eine derartige Kenntnis nicht anders erklären lässt.
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2. Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Die pauschal geltend gemachten Mahnkosten schätzt das Gericht dabei auf 1,00 € je Mahnung (BGH, Urteil vom 26. Juni 2019 – VIII ZR 95/18 –, Rn. 39, juris). Allerdings sind nur die Kosten für ein Mahnschreiben ersatzfähig, da die Beklagte insoweit vorgetragen hat, es sei ihr nur eine Mahnung zugegangen. Für den Zugang der anderen Mahnungen trägt die Klägerin die Beweislast. Insoweit war die Klage hinsichtlich der pauschal geltend gemachten Mahnkosten für die anderen zwei Mahnungen abzuweisen.
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Der geltend gemachte Zinsanspruch war zum Teil abzuweisen, da die Beklagte einen Zugang der entsprechenden Mahnung bestritten hat und auch vor dem 01.07.2024 kein Verzug begründet wurde.
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Zwar wurde der Beklagten zuvor unstreitig eine Rechnung übersandt, in welcher ein Zahlungsziel bis zum 20.06.2022 genannt wurde. Die erstmalige Zusendung einer Rechnung kann aber nicht als Mahnung verstanden werden (BGH, Urteil vom 25.10.2007 – III ZR 91/07, NJW 2008, 50). Auch ist § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB bereits deshalb nicht einschlägig, da eine einseitige Leistungszeitbestimmung hierfür nicht genügt, vielmehr wird eine vertragliche Fristbestimmung verlangt (MüKoBGB/Ernst, 9. Auflage 2022, BGB § 286 Rn. 76). Auch der Vortrag der Klägerseite es läge zumindest eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung vor, verfängt insoweit nicht, da dies eine entsprechende Erfüllungsverweigerung gegenüber der Klägerin voraussetzt, die bloße Weigerung der Zahlung genügt nicht. Insoweit hat auch die Beklagtenseite nicht vorgetragen, die Beklagte habe gegenüber der Klägerin erklärt, sie verweigere die Zahlung.
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Zinsen werden daher erst mit dem Zugang der Mahnung vom 27.07.2024 geschuldet, welche die Beklagte unstreitig erhalten hat. Unter Berücksichtigung der normalen Postlaufzeit von drei Tagen war dies der 30.07.2022, so dass Zinsen ab dem 31.07.2022 geschuldet werden.
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1. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Klagerücknahme auf § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO und zudem auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
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2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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3. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 63 Abs. 2 S. 1 GKG, § 3 ZPO.