Titel:
Rundfunkbeitrag für eine Wohnung, Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Vollstreckung eines Festsetzungsbescheids, Auslegung des Antrags, Formelle Rechtmäßigkeit von Festsetzungsbescheiden, Programmkritik, Einwand struktureller Defizite bei der Erfüllung des Programmauftrags
Normenketten:
RBStV
VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1
VwGO § 123 Abs. 1 Satz 1
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag für eine Wohnung, Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Vollstreckung eines Festsetzungsbescheids, Auslegung des Antrags, Formelle Rechtmäßigkeit von Festsetzungsbescheiden, Programmkritik, Einwand struktureller Defizite bei der Erfüllung des Programmauftrags
Fundstelle:
BeckRS 2024, 31520
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 65,45 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Vollstreckung mehrerer Rundfunkbeitragsbescheide.
2
Der Antragsteller wird als Wohnungsinhaber unter der Beitragsnummer … zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen herangezogen.
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Der Antragsgegner setzte gegen den Antragsteller mit folgenden Bescheiden rückständige Rundfunkbeiträge zuzüglich Säumniszuschläge fest:
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- Mit Festsetzungsbescheid vom 3. April 2023 setzte der Antragsgegner für den Zeitraum von Januar 2023 bis März 2023 einen rückständigen Betrag einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von 63,08 Euro fest.
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- Mit Festsetzungsbescheid vom 3. Juli 2023 setzte der Antragsgegner für den Zeitraum von April 2023 bis Juni 2023 einen rückständigen Betrag einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von 63,08 Euro fest.
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- Mit Festsetzungsbescheid vom 1. März 2024 setzte der Antragsgegner für den Zeitraum von Juli 2023 bis Dezember 2023 einen rückständigen Betrag einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von 118,16 Euro fest.
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- Mit Festsetzungsbescheid vom 1. Juli 2024 setzte der Antragsgegner für den Zeitraum von Januar 2024 bis März 2024 einen rückständigen Betrag einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von 63,08 Euro fest.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2024 wies der Antragsgegner die gegen die Festsetzungsbescheide vom 3. Juli 2023 und vom 1. März 2024 vom Antragsteller erhobenen Widersprüche zurück. Über die hiergegen und gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. Juli 2024 erhobene Klage (M 26b K 24.4666) hat das Bayerische Verwaltungsgericht München noch nicht entschieden.
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Mit Schreiben vom 16. Juli 2024 und vom 19. August 2024 wurde der Antragsteller bezüglich der genannten Festsetzungsbescheide unter Fristsetzung bis zum 6. August 2024 bzw. bis zum 9. September 2024 gemahnt.
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Mit Schreiben vom 25. August 2024 hat der Antragsteller in Reaktion auf die Ankündigung der Zwangsvollstreckung beim Antragsgegner die Aussetzung der Zwangsvollstreckung beantragt.
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Mit Schreiben vom 1. Oktober 2024 richtete der Antragsgegner ein Vollstreckungsersuchen an das Amtsgericht L. Ausweislich des Ausstandsverzeichnisses vom 1. Oktober 2024 ergibt sich unter Berücksichtigung eines geleisteten Ausgleichs in Höhe von 45,61 Euro ein beizutreibender Betrag in Höhe von 261,79 Euro.
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Die Gerichtsvollzieherin K. lud den Antragsteller zur Abgabe der Vermögensauskunft für den 6. November 2024 (10.00 Uhr).
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Der Antragsteller hat sich am 4. November 2024 per Fax an das Bayerische Verwaltungsgericht München gewendet. Er beantragt,
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die Zwangsvollstreckung, angeordnet mit Schreiben vom … Oktober 2024 der GVin K., L., AZ: …, auszusetzen.
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Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er gegen die zu vollstreckende Forderungen bereits Klage erhoben habe und dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung durch die Zwangsvollstreckung vorweggenommen würde.
16
Der Antragsgegner hat sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren, die Gerichtsakte im Verfahren M 26b K 24.4666 sowie auf die Akte des Antragsgegners verwiesen.
18
Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Der vom Antragsteller gestellte Antrag ist unter Berücksichtigung der zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen als Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auszulegen.
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a) § 88 VwGO gebietet dem Gericht, das tatsächliche Rechtsschutzziel bzw. Antragsbegehren zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Der Wortlaut der Anträge ist nicht entscheidend (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 88 Rn. 8; Fertig in BeckOK VwGO, 64. Ed. 1.10.2022, § 88 Rn. 6; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 88 Rn. 3; Fertig, in BeckOK VwGO, 64. Ed. 1.10.2022, VwGO § 88 Rn. 8).
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b) Das Antragsbegehren des nicht anwaltlich vertretenen Antragstellers wird gemäß § 88 VwGO i. V. m. den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133,157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) dahingehend ausgelegt, dass dieser mit seinem Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung begehrt.
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Dies folgt aus dem Umstand, dass er in der Antragsschrift unmittelbar auf die von ihm erhobene unter Aktenzeichen M 26b K 24.4666 geführte Klage Bezug nimmt und diesbezüglich letztlich ausschließlich vorträgt, dass die Zwangsvollstreckung trotz der von ihm erhobenen Klage vom Antragsgegner betrieben wird. Darüber hinausgehende Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung enthält die Antragsschrift nicht. Auch sonst sind aus Sicht des Gerichts keine Einwendungen zu erkennen, aus denen ein anderer Schluss zu ziehen wäre. Unschädlich ist angesichts der eindeutigen Bezugnahme auf das vom Antragsteller geführte Klageverfahren insbesondere auch, dass Gegenstand der anstehenden Vollstreckungsmaßnahme auch ein weiterer Festsetzungsbescheid ist, der seinerseits nicht Gegenstand des unter Aktenzeichen M 26b K 24.4666 geführten Klageverfahrens ist.
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2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO hat keinen Erfolg.
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a) Soweit er sich auch auf den Festsetzungsbescheid vom 3. April 2023 beziehen sollte, ist der Antrag bereits unzulässig. Ein solcher Antrag wäre bereits unstatthaft, da der Festsetzungsbescheid vom 3. April 2023 mangels einer für das Gericht ersichtlichen rechtzeitigen Einlegung eines Widerspruchs (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder Klageerhebung (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) mit Ablauf der einmonatigen Widerspruchs- bzw. Klagefrist bestandskräftig wurde.
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b) Ungeachtet dessen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls unbegründet.
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aa) Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage – wie hier – keine aufschiebende Wirkung hat. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
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Bei all dem ist jedoch in einem Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO die gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu berücksichtigen, wonach für bestimmte Arten von Entscheidungen ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses statuiert wird. Das Gericht hat deshalb die in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO getroffene Wertung, dass das Vollzugsinteresse hinsichtlich öffentlicher Abgaben in der Regel Vorrang vor den Belangen des Betroffenen hat, vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Einforderung von Abgaben von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, nachzuvollziehen. Wenn von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass die Klage in der Hauptsache Erfolg haben wird, nicht ausgegangen werden kann, verbleibt es bei der in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zum Ausdruck kommenden Interessenbewertung (BayVGH, B.v. 3.12.2015 – 7 AS 15.2585 – juris Rn. 3).
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bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist der Antrag abzulehnen, weil sich die streitgegenständlichen Bescheide nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung jedenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als voraussichtlich rechtswidrig erweisen und den Antragsteller auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es überwiegt daher das vom Gesetzgeber besonders gewichtete öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) das Interesse des Antragstellers, vorläufig keine Zahlungen an den Antragsgegner leisten zu müssen.
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(1) Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – vom 7. Juni 2011 (GVBl S. 258) sowie § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags – RFinStV – vom 27. Juli 2001 (GVBl S. 566) in der für den jeweiligen Beitragszeitraum gültigen Fassung. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist nach Zustimmung der Landesparlamente und Hinterlegung der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten (siehe Art. 7 Abs. 2 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags und BayVerfGH, E.v.14.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris Rn. 57). Mit dem Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags vom 17. Mai 2011 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl. S. 258) kommt ihm die Wirkung eines bayerischen Landesgesetzes zu.
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(2) Die Verfassungsmäßigkeit des seit 1. Januar 2013 geltenden Beitragsmodels ist höchstrichterlich durch Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris) des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris) sowie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris) geklärt. Demnach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Erhebung des Rundfunkbeitrages als Vorzugslast an die potentielle Möglichkeit zu knüpfen, das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot zu nutzen. Der Beitrag dient dabei dem Ausgleich des Vorteils, der in der Möglichkeit der Nutzung des Rundfunkangebots besteht. Es ist zulässig, den Kreis der Vorteilsempfänger im privaten Bereich anhand der Inhaberschaft einer Wohnung zu bestimmen, wobei die Erhebung des Beitrags auch unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgerätes erfolgen darf, da nicht erforderlich ist, dass der beitragsrelevante Vorteil auch tatsächlich wahrgenommen wird. Da die Beitragspflicht an die potentielle Möglichkeit anknüpft, Rundfunkangebote zu nutzen, lässt ein freiwilliger Verzicht auf die Nutzungsmöglichkeit die Beitragspflicht nicht entfallen. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) verlangt nicht, Wohnungsinhaber, die bewusst auf eine Rundfunkbeitragsmöglichkeit verzichten, von der Rundfunkbeitragspflicht auszunehmen. Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten kommt es ebenso wenig an wie auf die Bereitschaft des Beitragspflichtigen, das Rundfunkangebot zu nutzen. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit besteht. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt den Gesetzgeber nicht etwa dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollen. Eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag kommt allerdings gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV (Härtefall) auf Antrag dann in Betracht, wenn der Rundfunkempfang objektiv unmöglich ist. Das kann etwa in seltenen Fällen aus technischen Gründen der Fall sein (z.B. dauerhaftes „Funkloch“) oder aber aus Gründen, die in der Person des Beitragspflichtigen liegen. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn der Rundfunkempfang für die Person schon von vornherein von keinem denkbaren Nutzen ist (z.B. für taubblinde Menschen, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV). Darüber hinaus reduziert der Staatsvertrag die Beitragspflicht auf Antrag auf 1/3 für diejenigen, die das Angebot nur teilweise nutzen können, insbesondere für taube oder blinde Menschen (§ 4 Abs. 2 RBStV) (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 87, 89; BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris Rn. 34; BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12 u.a. – juris Rn. 98).
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Auch europarechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung bestehen entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht (BVerwG, U.v. 30.10.2019 – 6 C 10/18 juris Rn. 14 mit Verweis auf EuGH, U.v. 13.12.2018 – C-492/17 – NJW, 2019,577; BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 – juris Rn. 145, 149; BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12-juris Rn. 87).
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(3) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen keine Bedenken.
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Der Antragsgegner ist zum Erlass der Festsetzungsbescheide befugt. Er ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners kein Privatunternehmen, sondern eine Anstalt des öffentlichen Rechts (Art. 1 Bayrisches Rundfunkgesetz). Als zuständige Landesrundfunkanstalt im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV ist der Antragsgegner unmittelbar die für den Erlass des Festsetzungsbescheides zuständige Behörde, die mithin hoheitlich tätig wird (vgl. ausführlich: VG Schleswig, B. v. 29.06. 2018 – 4 B 35/18; OVG Schleswig, B. v. 18.12.2017 – 3 LA 94/16; VGH Mannheim, U. v. 04.11.2016 – 2 S 548/16 –, juris Rn. 23 ff., OVG Münster, U. v. 25.09.2017 – 2 A 2286/15 –, juris Rn. 42).
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Der Beitragsservice des Antragsgegners ist als gemeinsame Stelle im Sinne von § 2 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Beitragssatzung) i.V.m. § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV dazu berufen, die der Rundfunkanstalt zugewiesenen Aufgaben für diese wahrzunehmen. Gemäß § 10 Abs. 5 RBStV darf die Festsetzung der Beiträge durch Bescheid erfolgen, wenn Rundfunkbeiträge trotz deren Fälligkeit nicht rechtzeitig und vollständig gezahlt wurden. Gemäß § 10 Abs. 6 RBStV i.V.m. Art. 7 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Ausführungsgesetz Rundfunk – AGRf) werden Festsetzungsbescheide im Verwaltungsvollstreckungsverfahren nach den Vorschriften der Art. 26 und 27 VwZVG vollstreckt, wobei der Antragsgegner und für diesen der Beitragsservice auch zur Erteilung einer Vollstreckungsanordnung und eine Vollstreckungsklausel befugt ist (Art. 7 Satz 2 AGRf, Art. 27 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG). Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist daher der Beitragsservice des Antragsgegners sowohl zum Erlass von Festsetzungsbescheiden als auch als Anordnungsbehörde (Art. 20 Nr. 1 BayVwZVG) zur Vollstreckung derselben befugt.
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Gleiches gilt hinsichtlich der Einwände gegen den automatisierten Erlass der Bescheide. Gemäß § 10a RBStV kann die zuständige Landesrundfunkanstalt rundfunkbeitragsrechtliche Bescheide vollständige automatisiert erlassen, sofern – wie im vorliegenden Beitragsfestsetzungsverfahren – weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht (s. auch BayVGH, B. v. 26.01.2021 – 7 ZB 20.2029 – juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 12.12.2022 – 7 ZB 20.1120 – juris Rn. 37).
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(4) Dieses verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Beitragssystem zugrunde-gelegt, ist der Antragsteller als Inhaber einer Wohnung gemäß §§ 2 und 3 RBStV gesetzlich zur Beitragsleistung für den festgesetzten Zeitraum verpflichtet. Die Rundfunkbeitragspflicht entsteht nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag unmittelbar kraft Gesetzes. Die Festsetzung durch Bescheid durfte erfolgen, weil die Rundfunkbeiträge trotz Fälligkeit nicht rechtzeitig und vollständig gezahlt wurden (§ 10 Abs. 5 Satz 1, § 7 Abs. 3 RBStV).
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(5) Auch der Säumniszuschlag ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Säumniszuschlags in Höhe von 8,00 EUR ist § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung).
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(6) Der Vorwurf, der öffentlich-rechtliche Rundfunk komme seinem Auftrag einer sachlichen und ausgewogenen Berichterstattung nicht bzw. nur unzureichend nach, lässt die Rechtmäßigkeit der Beitragspflicht unberührt. Zwar haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Berichterstattung die anerkannten journalistischen Grundsätze, die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 2 Rundfunkstaatsvertrag – RBStV). Insoweit verweist der Antragsteller zu Recht auf die für die Demokratie wichtige Aufgabe des öffentlichen Rundfunks. Verstöße gegen dieses gesetzliche Gebot haben im Einzelfall jedoch nicht die Rechtswidrigkeit des Rundfunkbeitrags zur Folge, welcher für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unverzichtbar ist, sondern sind im Wege der Programmbeschwerde nach dem Bayerischen Rundfunkgesetz gegenüber den hierfür berufenen Gremien, insbesondere beim Rundfunkrat als Aufsichtsgremium geltend zu machen. Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, angebliche „Fehlentwicklungen“ bei der Programmgestaltung und deren Finanzierung zu überprüfen und zu korrigieren. Eine Zustimmung bzw. Übereinstimmung mit dem Programminhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist für die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags gerade nicht erforderlich. Der Beitragspflichtige darf seine Beitragszahlungen nicht davon abhängig machen, ob ihm das Rundfunkangebot gefällt oder nicht. Die Beitragspflichtigen sind nicht etwa rechtlos gestellt, wenn sie zwar nicht im Beitragsverfahren, aber auf anderem Wege ihre Beschwerden geltend machen können. Das Gericht folgt insoweit der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707 – juris Rn. 35; B.v. 30.3.2017 – 7 ZB 17.60 – juris Rn. 9; U.v. 17.7.2023 – 7 BV 22.2642 Rn. 22 ff; OVG NRW, B.v. 27.4.2023 – 2 A 383/23 – juris Rn. 9 ff.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 15.2.2021 – OVG 11 N 95.19 – juris Rn. 12; OVG RhPf, B.v. 16.11.2015 – 7 A 10455/15 – juris Rn. 21; jeweils m.w.N.).
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Auch die Einwände, der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfülle seinen Programmauftrag nicht, leide an strukturellen Defiziten bzw. das Programmangebot sei nach seiner Gesamtstruktur nicht auf Ausgewogenheit und Vielfalt ausgerichtet, können der Beitragspflicht nicht entgegengehalten werden. Es obliegt den Rundfunkanstalten als Träger der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) im Rahmen ihrer grundrechtlich garantierten Programmfreiheit, eigenverantwortlich selbst zu entscheiden, wie sie ihre Programme gestalten, um dem verfassungsmäßigen Auftrag nachzukommen, als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern für Programmvielfalt zu sorgen. Dies setzt die institutionelle Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen voraus und schützt zudem vor unmittelbarer und mittelbarer Einflussnahme Außenstehender (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2017 – 6 C 15.16 – juris Rn. 19 m.w.N.). Der Einzelne darf daher den Rundfunkbeitrag nicht als Druckmittel einsetzen und die Zahlung verweigern, wenn er der Auffassung ist, die Programminhalte verstießen gegen den verfassungsmäßigen Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (BVerwG, B.v. 4.12.2017 – 6 B 70.17 – juris Rn. 7). Die Überprüfung der Einhaltung der staatsvertraglichen Vorgaben obliegt den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in eigener Verantwortung und wird durch die jeweils zuständigen Gremien gewährleistet, die über etwaige Eingaben und Programmbeschwerden entscheiden. Auch insoweit steht es dem Antragsteller – außerhalb des gerichtlichen Beitragsverfahrens – frei, die Eingabe- und Beschwerdemöglichkeiten gegenüber den hierfür vorgesehenen Stellen der Rundfunkanstalten zu nutzen. Er ist nicht etwa rechtlos gestellt. Das Gericht folgt insoweit der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung (BayVGH, U.v. 17.7.2023 – 7 BV 22.2642 – juris Rn. 19 ff.; B.v.20.11.2023 – 7 ZB 23.1139 – Rn. 9, nicht veröffentlicht; OVG NRW, U.v. 12.3.2015 – 2 A 2423/14 – juris Rn. 71; B.v. 7.2.2022 – 2 A 2949/21 – juris Rn. 6 f.; OVG RPf, B.v. 16.11.2015 – 7 A 10455/15 – juris Rn. 21; OVG BB, B.v. 15.2.2021 – OVG 11 N 95.19 – juris Rn. 12).
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Entsprechendes gilt für den Vorwurf, die Verwendung des Rundfunkbeitrags verstoße gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und der Verpflichtung zur zweckentsprechenden Verwendung. Dies zu prüfen ist nicht Aufgabe des Gerichts im Beitragsverfahren. Auch hierfür sind zuallererst die dafür berufenen Gremien zuständig. Sollten die hierzu berufenen Gremien ihren Kontrollpflichten nicht oder nur ungenügend nachkommen, stehen entsprechende rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung (vgl.VG Freiburg (Breisgau), Gerichtsbescheid v. 11.09.2024 – 9 K 2585/24 – juris Rn. 138).
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Auch das in der Klagebegründung im Hauptsacheverfahren angesprochene „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“ vom April 2024 führt zu keinem anderen Ergebnis. Die darin geäußerten Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms, die aufgeführten gegenwärtigen Probleme des derzeitigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Thesen für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk von morgen, die im Übrigen u.a. auch die Beibehaltung des Prinzips der Rundfunkbeitragszahlung, das die Unabhängigkeit des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichere, enthalten, ändert nichts daran, dass – wie oben umfangreich ausgeführt wurde – der Rundfunkbeitrag unabhängig von subjektiv empfundener Nicht- oder Schlechtleistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu leisten ist.
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Eine Abweichung von der einhelligen Rechtsprechung ist jedenfalls derzeit – nicht zuletzt angesichts des Umstandes, dass es sich vorliegend um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt – auch nicht etwa angesichts jüngerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 24.4.2023 – 1 BvR 601/23 – juris) und des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 23.5.2024 – 6 B 70/23 – juris) geboten, da diese Entscheidungen keine inhaltliche Tendenz erkennen lassen.
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3. Vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass der vom Antragsteller gestellte Antrag auch dann keinen Erfolg hätte, wenn man ihn entgegen der Auffassung der Kammer als einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO gerichtet auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auslegen würde.
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a) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B. v. 16.08.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N; VG München, B. v. 28.01.2021 – M 26b E 21.393 – juris – Rn. 15). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe wäre ein solcher Antrag jedenfalls unbegründet, da der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht hat.
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Der Antragsteller hat in seiner Antragsschrift lediglich den Einwand erhoben, dass der Antragsgegner die von ihm angefochtenen Festsetzungsbescheide trotz des noch rechtshängigen Klageverfahrens vollstrecke. Dieser Einwand ist jedoch nicht geeignet, einen Anspruch auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu begründen, da durch ihn das Vorliegen keiner für die Zwangsvollstreckung erforderlichen allgemeinen oder besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen in Frage gestellt wird. Soweit ein Klageverfahren betreffend die verfahrensgegenständlichen Festsetzungsbescheide noch nicht rechtskräftig abgeschlossen wurde, steht dies der Zwangsvollstreckung vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG nicht entgegen. Hiernach können Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn der förmliche Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Wie gezeigt entfalten Klagen gegen Festsetzungsbescheide mit denen Rundfunkbeiträge gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO festgesetzt werden gerade keine aufschiebende Wirkung.
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Weitere Anhaltspunkte, die hier für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs sprechen würden, hat der Antragsteller weder vorgetragen, noch sind solche aus Sicht des Gerichts ersichtlich.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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5. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) – i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wonach in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel bei sonstigen auf bezifferte Geldleistungen gerichteten Verwaltungsakten der Streitwert ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts beträgt. Ausgehend vom im vorliegenden Verfahren insgesamt zu vollstreckenden Betrag von 261,79 Euro sind dies 65,45 Euro.