Inhalt

VGH München, Beschluss v. 28.02.2024 – 9 ZB 23.481
Titel:

Wahrung Doppelhauscharakter bei Terrassenüberdachung und Brandwand

Normenketten:
BauNVO § 22 Abs. 2 S. 1
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3
VwGO § 108 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Doppelhaus iSv § 22 Abs. 2 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Dabei ist das Erfordernis der baulichen Einheit nur erfüllt, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Kein Doppelhaus entsteht, wenn ein Gebäude gegen das andere so stark versetzt wird, dass es den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einem gartenseitigen Anbau kommt regelmäßig nicht das städtebauliche Gewicht zu, das erforderlich wäre, um den Doppelhauscharakter eines Doppelhauses aufzuheben, wenn die beiden Gebäude weiterhin als „ein Gebäude“ mit einheitlicher Hausfront und gleicher Gebäudehöhe erscheinen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Gehörsanspruch verlangt nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Beteiligten in den Urteilsgründen ausführlich wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen hat. Vielmehr sind in dem Urteil nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wahrung Doppelhauscharakter bei Terrassenüberdachung und Brandwand, Rücksichtnahmegebot, Ablehnung von Beweisanträgen, Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs., Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Bodennutzungskonflikt, gartenseitiger Anbau, Verschattung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 11.01.2023 – AN 9 K 21.1879
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3150

Tenor

I. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Kläger sind Eigentümer eines mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücks (FlNr. … … …) und wenden sich gegen die den Beigeladenen erteilte Abweichung wegen Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsfläche einer Terrassenüberdachung nebst Brandwand an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zur südlich benachbarten Doppelhaushälfte (FlNr. …). Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die erteilte Abweichung gehe ins Leere, da aus planungsrechtlichen Gründen an die Grenze gebaut werden dürfe (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO), der Doppelhauscharakter durch die bloße Erweiterung der Grundfläche gewahrt bleibe und das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt werde. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Es liegen weder die von den Klägern geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder die sinngemäß gerügten Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, hier: Gehörsrüge wegen abgelehnter Beweisanträge und nicht berücksichtigten Vorbringens) vor.
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1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
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Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
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Die Kläger machen unter weitgehender Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens geltend, durch den einseitigen, eingeschossigen Vorbau, der insbesondere auch aufgrund der dunklen Aluminiumrahmen hervorsteche, entstehe der Eindruck eines Fremdkörpers und die zuvor bestehende bauliche Einheit der Doppelhaushälften werde hierdurch zerstört. Die Brandwand erwecke den Eindruck einer massiven Bauweise und führe mit der Terrassenüberdachung zu einem gebäudeähnlichen Eindruck. Das Verwaltungsgericht Ansbach sei fälschlich davon ausgegangen, dass die Abweichungserteilung ins Leere gehe. Es liege ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor. Durch die 2,75 m hohe Brandwand komme es zu einer deutlich stärkeren Verschattung; die Belichtung und Belüftung der angrenzenden Terrasse und des Wohnbereichs verschlechtere sich. Die massive Brandwand sei nicht mit dem zuvor bestehenden Sichtschutzzaun nebst Hecken vergleichbar.
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Dieses Vorbringen zieht die verwaltungsgerichtliche Auffassung, dass die erteilte Abweichung von den Abstandsflächen vorliegend ins Leere geht, weil nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden darf (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO), und dass das Vorhaben den erhöhten Anforderungen an die gegenseitige Rücksichtnahme im Rahmen des besonderen nachbarlichen Austauschverhältnisses bei Doppelhäusern entspricht, nicht ernstlich in Zweifel.
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Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO werden in der offenen Bauweise die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Im System der offenen Bauweise gewinnt der Begriff des Doppelhauses seine planungsrechtliche Bedeutung dadurch, dass die bauliche Anlage auf zwei Nachbargrundstücken errichtet wird. Die Festsetzung der offenen Bauweise betrifft allein die Anordnung der Gebäude auf dem Baugrundstück im Verhältnis zu den seitlichen Grenzen der Nachbargrundstücke. Doppelhäuser, die auf verschiedenen Grundstücken errichtet werden, zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie gemeinsame Grundstücksgrenzen ohne seitlichen Grenzabstand überwinden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Doppelhaus im Sinn von § 22 Abs. 2 BauNVO eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden (BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12.98 – BVerwGE 110, 355; U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – BVerwGE 148, 290; U.v. 19.3.2015 – 4 C 12.14 – BayVBl 2015, 642; B.v. 14.9.2015 – 4 B 16.15 – juris). Dabei ist das Erfordernis der baulichen Einheit nur erfüllt, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. Ob zwei grenzständig errichtete Baukörper ein Doppelhaus bilden, lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual bestimmen. Es bedarf einer Würdigung des Einzelfalls unter Betrachtung quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte (vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 4 C 12.14 – BayVBl 2015, 642; B.v. 14.9.2015 – 4 B 16.15 – juris). Kein Doppelhaus entsteht, wenn ein Gebäude gegen das andere so stark versetzt wird, dass es den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst (BVerwG, U.v. 24.2.2000, a.a.O.). Die Frage, ob zwei an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Gebäude (noch) ein Doppelhaus bilden, beurteilt sich allein nach dem Merkmal des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine spezifisch bauplanerische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes verfolgt wird (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2016 – 1 ZB 15.606 – juris Rn. 8). Einem gartenseitigen Anbau kommt regelmäßig nicht das städtebauliche Gewicht zu, das erforderlich wäre, um den Doppelhauscharakter eines Doppelhauses aufzuheben, wenn die beiden Gebäude weiterhin als „ein Gebäude“ mit einheitlicher Hausfront und gleicher Gebäudehöhe erscheinen (vgl. OVG NW, B.v. 27.2.2019 – 7 B 1816/18 – juris Rn. 9 und 15).
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Nach diesen Maßgaben ist davon auszugehen, dass die Brandwand mit einer Höhe von 2,70 m nebst Terrassenüberdachung in einer Tiefe von 3,60 m die Doppelhausqualität bei grenzständiger Übereinstimmung der Baukörper in einer Tiefe von 11,37 m nicht in Frage stellt; das Vorhaben kann nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO i.V.m. § 22 Abs. 2 BauNVO an der Grundstücksgrenze errichtet werden. Der gartenseitige Anbau der Terrassenüberdachung der Beigeladenen ändert nichts daran, dass die beiden grenzständigen Gebäude nach wie vor als Einheit wahrgenommen werden.
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Darüber hinaus stellt sich das Vorhaben auch nicht als rücksichtslos dar. Das Verwaltungsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise eine unzumutbare Beeinträchtigung mit der Begründung verneint, dass unter Berücksichtigung des zuvor bestehenden Sichtschutzzauns aus einer Holzlamellenkonstruktion mit anschließender hoher Hecke eine wesentliche, nicht hinzunehmende Verschlechterung der Belichtungs- und Besonnungssituation nicht gegeben ist und eine gewisse Verschattung durch einen im Rahmen der Doppelhausbebauung zulässigen grenzständigen Anbau bereits nach der Wertung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO hinzunehmen ist.
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Die im Zulassungsantrag gestellten Fragen, insbesondere „ob durch die Terrassenüberdachung, die selbst nicht an die Grenze gebaut ist, sondern nur durch eine Verbindung mit der an die Grenze gebauten Brandwand verbunden ist, die erforderliche bauliche Einheit als Doppelhaushälfte verloren geht“, lassen sich, wie die vorstehenden Ausführungen zum Zulassungsvorbringen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zeigen, ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären. Die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt nicht, besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 9 ZB 18.1493 – juris Rn. 26).
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3. Die Rechtssache hat nicht die von den Klägern geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 25.3.2022 – 15 ZB 22.267 – juris Rn. 12). Dem wird das Zulassungsvorbringen hier nicht gerecht.
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Die gestellte Rechtsfrage, es bestehe ein Interesse an der grundsätzlichen Klärung insbesondere ab welchem Ausmaß ein Doppelhaus infolge eines nur einseitigen Anbaus den Doppelhauscharakter verliere, ist einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich, sondern eine Frage des Einzelfalls (BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 4 C 12/14 – juris).
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4. Schließlich liegt auch kein sinngemäß geltend gemachter Verfahrensfehler wegen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) vor.
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Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verschafft den Verfahrensbeteiligten ein Recht darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen zweckentsprechend und erschöpfend zu erklären und Anträge zu stellen, und verpflichtet das Gericht, das entscheidungserhebliche Vorbringen und die Anträge der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn die angefochtene Entscheidung auf Tatsachen oder Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten, oder wenn das erkennende Gericht das entscheidungserhebliche tatsächliche oder rechtliche Vorbringen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen hat. Die Ablehnung eines Beweisantrags führt nur dann zu einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung nach dem Rechtsstandpunkt des entscheidenden Gerichts erheblich ist und die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 13.9.2017 – 1 B 118.17 – juris Rn. 5).
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a) Mit dem Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe den Vortrag einer planwidrigen Errichtung der Terrasse der Beigeladenen, die ursprünglich mit einem Abstand von 2,88 m zum Nachbargrundstück geplant gewesen sei, außer Acht gelassen, zeigen die Kläger keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG auf.
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Der Gehörsanspruch verlangt nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Beteiligten in den Urteilsgründen ausführlich wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen hat. Vielmehr sind in dem Urteil nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich daher auf die Darstellung und Würdigung derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass es die Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2023 – 15 ZB 23.10 – juris Rn. 15 m.w.N.). Danach ist davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht den klägerischen Vortrag mit Schriftsatz vom 21. April 2022, wonach ursprünglich eine Süd-West-Terrasse für die Doppelhaushälfte der Beigeladenen geplant gewesen sei, zur Kenntnis genommen und erwogen hat; eine ausdrückliche Würdigung dieses Vorbringens war nach dem Rechtstandpunkt des Verwaltungsgerichts nicht erforderlich.
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b) Die Kläger rügen, das Verwaltungsgericht sei der beantragten Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme und dem beantragten Sachverständigenbeweis zum Beweis der Tatsache, dass durch die Brandwand der Wind nicht über die Terrasse der Kläger weiter Richtung Grundstück der Beigeladenen ziehen könne, sondern an der Brandwand „zurückpralle“ und es so zu Verwirbelungen auf der Terrasse der Kläger komme, zu Unrecht nicht nachgekommen. Damit legen die Kläger nicht dar, dass die Ablehnung der Beweisanträge im Prozessrecht keine Stütze findet und deshalb gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstößt (vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 9 ZB 18.2585 – juris Rn. 13). Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG gebietet dem Gericht, formell ordnungsgemäßen, prozessrechtlich beachtlichen Beweisanträgen nach § 86 Abs. 2 VwGO zu entscheidungserheblichen Fragen nachzugehen. Eine Verletzung von § 86 Abs. 1 VwGO und ein Verfahrensmangel liegen nur dann vor, wenn ein Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt worden ist oder sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2021 – 9 ZB 20.498 – juris Rn. 8 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
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Die gestellten Beweisanträge hat das Verwaltungsgericht durch einen in der mündlichen Verhandlung begründeten Beschluss abgelehnt (§ 86 Abs. 2 VwGO) und diese Begründung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils noch vertieft. Es hat den klägerischen Beweisantrag auf Einnahme eines Ortsaugenscheins zum Beweis der Tatsache, dass der streitgegenständliche Hausanbau, bestehend aus der Terrassenüberdachung, der Brandwand, sowie der verbindenden Bedachung von Brandwand zur Terrassenüberdachung, eine massive Bauweise und massive Bebauung mit gebäudeähnlicher Wirkung darstellt, zutreffend als unzulässig, da auf eine Bewertungs- und Rechtsfrage gerichtet, abgelehnt. Überdies wurde ausgeführt, der beantragten Beweiserhebung bedürfe es nicht, weil die insoweit vorgebrachten Argumente der Kläger anhand der vorgelegten Pläne und Lichtbilder ausreichend überprüfbar seien. Abgesehen davon, dass das streitgegenständliche Vorhaben anhand der Eingabeplanung zu prüfen ist, sind Lagepläne, Luft- und Lichtbilder darüber hinaus unbedenklich verwertbar, wenn sie Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.2008 – 4 BN 26.08 – juris Rn. 3). Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, inwiefern die dem Verwaltungsgericht zur Verfügung stehenden Planakten, Bauakten, Lagepläne und Luftbilder Defizite aufweisen sollten, die sich nur durch eine Inaugenscheinnahme ausgleichen ließen. Auf die Beurteilung der Umgebungsbebauung kommt es bei dem im Gebiet eines Bebauungsplans gelegenen Vorhabens nicht an.
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Auch im Hinblick auf die abgelehnte Beweiserhebung mittels Sachverständigengutachtens über Beeinträchtigungen der Belichtung und entstehende Verwirbelungen auf der Terrasse können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs und einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) berufen. Ihr Vorbringen lässt nicht erkennen, inwieweit die Ablehnung des Beweisantrags als Ausforschungsantrag durch das Verwaltungsgericht im Prozessrecht keine Stütze finden soll (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2016 – 10 BN 1.15 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 9 ZB 18.2585 – juris Rn. 16).
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5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladenen haben im Zulassungsverfahren zwar einen Antrag (ohne Kostenrisiko, vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2001 – 8 ZB 01.1789 – juris Rn. 10), gestellt, allerdings keinen eigenen, die Sache förderlichen Beitrag geleistet. Es entspricht daher der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten für das Zulassungsverfahren selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013; sie entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).