Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.02.2024 – 9 NE 23.1618
Titel:

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Bebauungsplan – gefahrlose Entwässerung

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2, Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 6, Abs. 7
WHG § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 55 Abs. 2
BauNVO § 15
BayBO Art. 2 Abs. 4 Nr. 12, Art. 58 Abs. 1
Leitsätze:
1. § 1 Abs. 7 BauGB verlangt, dass der Bauleitplanung eine Erschließungskonzeption zugrunde liegt, nach der das im Plangebiet anfallende Niederschlagswasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen – auch außerhalb des Plangebiets – keinen Schaden nehmen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird die Hürde der Antragsbefugnis genommen, ist regelmäßig auch das für den Normenkontrollantrag erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse gegeben. Es fehlt erst dann, wenn sich die Inanspruchnahme des Normenkontrollgerichts als nutzlos erweist, weil der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten Entscheidung (aktuell) nicht verbessern kann. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Konfliktverlagerung hinsichtlich der detaillierten Entwässerung auf einen städtebaulichen Vertrag ist nicht zu beanstanden, wenn die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Konflikt in diesem nachfolgenden Verfahren tatsächlich einer Lösung zugeführt wird und sich die Gemeinde einen Kenntnisstand verschafft hat, der ihr – spätestens im Zeitpunkt des Beschlusses über den Bebauungsplan – eine diesbezügliche Bewertung erlaubt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Soweit § 15 BauNVO eingreift, verlangt das Abwägungsgebot keine so weitgehende Konkretisierung der planerischen Festsetzungen, dass über die Zulässigkeit und Ausgestaltung einzelner Nutzungen und Nutzungsarten das letzte Wort bereits im Bebauungsplan gesprochen werden muss. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans, Fehlende Dringlichkeit, Kein schwerer Nachteil oder sonstige wichtige Gründe, Gefahrlose Entwässerung hinreichend nachgewiesen, Festsetzung einer privaten Grünfläche, Gemeinbedarfsfläche mit Zweckbestimmung „Kindertagesstätte“, Konfliktbewältigung., Konfliktbewältigung, Rechtsschutzbedürfnis, städtebaulicher Vertrag, Abwägungsgebot
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3149

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 20.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen den am 21. Juli 2023 bekanntgemachten Bebauungsplan Nr. 6/16 „Wohngebiet Am E. / P.-weg“ der Antragsgegnerin. Der Antragsteller ist Eigentümer von im Plangebiet gelegenen (FlNr. ...) und an das Plangebiet angrenzenden Grundstücken (FlNrn. … ).
2
Das 48.654 m2 umfassende Plangebiet liegt im Osten des Stadtgebiets der Antragsgegnerin am nördlichen Ausläufer des …, der Geländeverlauf fällt moderat nach Norden hin ab. Ziel des Bebauungsplans ist laut Begründung, aus dem bislang überwiegend landwirtschaftlich genutzten Plangebiet, das im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche dargestellt ist, unter begrenzter Ausschöpfung des dortigen Bauflächenpotenzials und in Ergänzung bzw. Abrundung des vorhandenen Siedlungsgebiets … ein Wohngebiet landschaftlicher Prägung mit einem differenzierten Wohnungsangebot im Bereich Einfamilienhäuser (Einzel-, Doppel-, Reihenhäuser) für maximal 60 Wohneinheiten zu entwickeln.
3
Die Planung, fußend auf einem 2014 entwickelten Rahmenplan, geht zurück auf einen Aufstellungsbeschluss vom 20. Juli 2016, der die Entwicklung von 150 Wohneinheiten zum Gegenstand hatte. Im Verlauf der Planung wurden verschiedene Entwürfe mit unterschiedlichen Größenordnungen entwickelt: Auf Grundlage des Planungsstands vom 4. November 2018 (150 Wohnungseinheiten, Gesamtfläche Geltungsbereich 108.370 m2) wurde durch das Institut für … … … mit Aktennotiz vom 11. Dezember 2018 die Erschließung des Plangebiets an das Kanalnetz bewertet und unter Wahrung einer Einleitbegrenzung von 60 l/(s*ha) eine überstaufreie Ableitung als sichergestellt erachtet. Dem Konzeptplan des Ingenieur- … … … für die Entwässerung des Plangebiets vom 27. März 2019 lag der Planungsstand vom 14. März 2019 mit 150 Baurechten zugrunde. Gegenstand der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung vom 1. Juli bis 29. Juli 2019 war der Planungsstand vom 29. April 2019 mit Billigungsbeschluss vom 29. Mai 2019, der ein reduziertes Plangebiet von 84.140 m2 mit 100 Baurechten vorsah. In der weiteren Planung wurde der Geltungsbereich auf 49.502 m2 weiter verkleinert und die Zahl der Wohneinheiten auf rd. 60 reduziert. Die Entwässerungsplanung wurde unter dem 22. Januar 2021 bzw. 8. Februar 2022 angepasst und sah für 9 Einzugsgebiete drei (unterirdische) Regenrückhaltebecken vor. Die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden erfolgte nach Bekanntmachung vom 25. März 2022 im Zeitraum vom 4. April bis 4. Mai 2022. Eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden gemäß § 4a Abs. 3 BauGB fand vom 6. bis 27. März 2023 statt. Da in der Internetveröffentlichung nicht die aktuelle Entwässerungsplanung vom 8. April 2022 beigefügt war, wurde die erneute Beteiligung der Öffentlichkeit und Behörden im Zeitraum vom 17. April 2023 bis einschließlich 2. Mai 2023 unter Auslage der Entwässerungsplanung vom 8. April 2022 und unter Beschränkung der Stellungnahmen zu den (gekennzeichneten) geänderten Inhalten wiederholt. Die Antragsgegnerin schloss am 21. März 2023 einen städtebaulichen Vertrag und in dessen Anlage 7 einen Erschließungsvertrag mit der Beigeladenen. Der Bebauungsplan wurde am 28. Juni 2023 als Satzung beschlossen, am 7. Juli 2023 ausgefertigt und am 21. Juli 2023 bekanntgemacht.
4
Der Antragsteller hat am 7. September 2023 den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO beantragt. Er macht geltend, die aufgrund der Hanglage und schlechter Versickerungsverhältnisse bereits bestehende Überschwemmungsgefahr für die Grundstücke des Antragstellers werde durch den Vollzug des Bebauungsplans und die damit einhergehende Versiegelung verschärft. Die Dringlichkeit ergebe sich daraus, dass eine ordnungsgemäße Entwässerung, insbesondere die Einleitung des Oberflächenwassers in die bereits jetzt überlastete Kanalisation nicht sichergestellt sei und mit einer zu erwartenden Verwirklichung der geplanten Wohnbauvorhaben „Vorbindungen“ entstünden, die mit Blick auf etwaige noch erforderliche Nachermittlungen und Bewertungen unzumutbar seien. Bei Erteilung von Baugenehmigungen auf Basis des Bebauungsplans sei eine Sicherstellung der Entwässerung nicht mehr möglich, eine funktionierende Oberflächenentwässerung des Baugebiets sei nicht Bestandteil der Baugenehmigungsprüfung. Die Grundlagenermittlung sei defizitär und unvollständig, vor dem Satzungsbeschluss sei keine vollständige, funktionierende Entwässerungslösung begutachtet, geprüft und sichergestellt worden. Die Untersuchungen seien lückenhaft, es fehle eine Auseinandersetzung damit, dass das Kanalnetz bereits im Bestand überlastet sei (Druckabfluss im Kreuzungsbereich … … laut Aktenvermerk vom 11.12.2018). Die aktualisierte Entwässerungsplanung mit E-Mail vom 8. April 2022 konstatiere selbst eine Überlastung der gewählten Entwässerungslösung und zeige hinsichtlich der außerhalb des Plangebiets erforderlichen Maßnahmen zwei mögliche Lösungswege auf, ohne zu klären, welcher Weg beschritten werden solle. Eine Anbindung an den Kanal im … würde einen Kanalausbau erforderlich machen; ein entsprechender Beschluss zum Ausbau des Kanalnetzes liege aber nicht vor. Hinsichtlich der alternativen Anbindung an den nördlichen Kanalstrang mittels Verteilerschacht bestehe weiterer Untersuchungsbedarf. Der Erschließungsvertrag sei unzureichend, da dem Vertrag eine Verpflichtung zu Maßnahmen außerhalb des Plangebiets (Ertüchtigung des Kanalnetzes) nicht zu entnehmen sei; er leiste keine verbindliche Lösung der Entwässerungsproblematik. Zentrale Erfordernisse des Entwässerungskonzeptes wie Größe der Retentionsbecken seien im Bebauungsplan nicht umgesetzt. Die Anforderungen einer nachhaltigen Planung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB würden durch eine Mischkanalanbindung nicht erfüllt, die Abwägung verstoße gegen § 55 Abs. 2 WHG. Zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses sei nicht geklärt, ob die Entwässerung ordnungsgemäß sichergestellt werden könne. Eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer maximalen Einleitungsmenge von 60 l/(s x ha) sei nicht ersichtlich.
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Der Antragsteller macht weiter geltend, die vollständige Überplanung seines Grundstücks FlNr. … als private Grünfläche sei nicht durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt. Dem Grundstück werde jegliche Bebaubarkeit entzogen, obwohl im Bestand eine Bebauung mit privilegierten Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 BauGB denkbar gewesen wäre. Dies sei fehlerhaft abgewogen worden.
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Die fehlende Maßfestsetzung für die Gemeinbedarfsfläche begründe einen Abwägungsfehler. Es sei städtebaulich verfehlt, ein Baufenster der vorliegenden Größe nicht mit einer Maßfestsetzung zu regulieren. Dem Bebauungsplan mangele es insofern an einer hinreichenden städtebaulichen Steuerung. Fehlerhaft sei auch, dass in der schalltechnischen Untersuchung des Kindergartens vom 29. Dezember 2021 die Flächenschallquelle für den Freibereich lediglich im Süden des Grundstücks festgelegt worden sei, obwohl dies durch die großzügige bauplanerische Festsetzung nicht zwingend sei.
7
Hinsichtlich der verkehrlichen Erschließung rügt der Antragsteller eine Überlastung der Zu- und Abfahrtsmöglichkeiten über den … Die aufkommende Verkehrsbelastung sei nicht untersucht worden, lediglich die Leistungsfähigkeit der Anbindung an die … sei Gegenstand der Untersuchung gewesen. Die Erschließung des Kindergartens sei unzureichend, da eine Anfahrt nur über den … und den verkehrsberuhigten Bereich entlang sämtlicher Gebäude im östlichen Plangebiet möglich sei und die in der Verkehrsuntersuchung angesetzte Nutzung der Kindergartenfläche für lediglich vier Gruppen à 20 Kinder dem nunmehr ausgewiesenen Baurecht nicht entspreche. Der geplante Wirtschaftsweg über die Felder durch den neuen verkehrsberuhigten Bereich verschärfe die Situation.
8
In formaler Hinsicht sei die letzte Auslegung unvollständig, da nur die E-Mail-Nachricht des Büros Ingenieur- … … … … vom 8. April 2022 und nicht die Entwässerungsplanung vom 22. Januar 2021 bzw. 8. Februar 2022 enthalten gewesen sei.
9
Der Antragsteller beantragt,
10
den Bebauungsplan Nr. 6/16 „Wohngebiet Am E. / P.-weg“ der … …, bekannt gemacht am 21. Juli 2023, vorläufig außer Kraft zu setzen.
11
Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
13
Die Verwirklichung des Bebauungsplans lasse eine schwerwiegende Beeinträchtigung einer rechtlich geschützten Position des Antragstellers nicht konkret erwarten. Die neu geplante Entwässerung führe beim Antragsteller zu erheblichen Verbesserungen und nicht zu einer Verschlechterung seiner Position.
14
Hinsichtlich der Einbindung des Baugebiets in das bestehende Kanalnetz sei das Kanalnetz am … und der … im Vermerk vom 11. Dezember 2018 als voll leistungsfähig ausgewiesen worden (Freispiegelabfluss). Die festgesetzte Einleitbegrenzung von Oberflächenwasser (Drosselabflussspende) von 60 I/(s x ha) in die Kanalisation weise nicht auf eine kritische Entwässerungssituation hin, sondern werde vom Generalentwässerungsplan vorgegeben. Als Ergebnis des Entwässerungskonzeptes vom 8. April 2022 seien für eine ausreichende Entwässerung zwei Varianten aufgezeigt worden (Dimensionsvergrößerung des Kanals … auf einer Länge von 250 m oder Errichtung eines Verteilerschachtes mit Verbindung zum nördlichen Kanalstrang am …*). Die Dimensionierung der Regenrückhaltebecken weise beachtliche Sicherheitspuffer auf.
15
Die Umsetzung der ordnungsgemäßen Entwässerung sei durch Erschließungsvertrag zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses gesichert gewesen. Die Errichtung der Erschließungsanlagen sei dem städtebaulichen Vertrag zur Herstellung von rd. 60 Wohngebäuden/Wohnungen vorgelagert. Im Erschließungsvertrag verpflichte sich die Erschließungsträgerin zur Herstellung der Anlagen zur Beseitigung des im Baugebiet anfallenden Abwassers entsprechend des Entwässerungskonzepts vom 8. April 2022. Es bestehe die Verpflichtung zu eigener Ausführungsplanung unter Festlegung einer Variante und Erbringung eines hydraulischen Nachweises des Entwässerungssystems. Die Berechnungen im Laufe der weiteren Planung seien berücksichtigt und der Anlage 3 des Erschließungsvertrags zugrunde gelegt.
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Eine Einhaltung der festgesetzten maximalen Einleitungsmenge aus dem Planbereich von 60 l/(s x ha) werde durch die entsprechend dimensionierten Rückhaltemaßnahmen im Baugebiet gewährleistet. Im Bebauungsplan seien nur die Lage der Retentionsbecken und nicht deren genaue Größe festgesetzt worden. Die Abwasserbeseitigung erfolge im gesamten Erschließungsgebiet im Trennsystem mit Regenwasserrückhaltung, das Kanalnetz bestehe jedoch aktuell noch aus Mischwasserkanälen. Dies entspreche § 55 Abs. 2 WHG.
17
Mit der Überplanung des Grundstücks des Antragstellers werde diesem kein Baurecht entzogen, es liege keine wertmindernde Verschlechterung vor. Die Antragsgegnerin habe aus städtebaulichen Gründen keine Möglichkeit gesehen, das Grundstück aus dem Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … herauszunehmen. Das keilförmige Grundstück liege zwischen einem allgemeinen Wohngebiet, einer Fläche für den Gemeinbedarf, privaten und öffentlichen Grünflächen und weise eine verhältnismäßig geringe Größe auf. Städtebauliches Ziel der Planung sei es, vorhandene Grünstrukturen zu erhalten und diese miteinander zu vernetzen. Die Festsetzung als private Grünfläche entspreche der aktuellen Nutzung des Grundstücks und es ergäben sich nur minimale Veränderungen gegenüber der vorherigen baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks des Antragstellers.
18
Die fehlende Maßfestsetzung für die Gemeinbedarfsfläche begründe keine Unwirksamkeit, sie resultiere aus einer bewussten planerischen Zurückhaltung. Entscheidend sei die Regelung der Art der baulichen Nutzung (Fläche für den Gemeinbedarf, Zweckbestimmung Kindertagesstätte) und der überbaubaren Grundstücksfläche (Festsetzung einer Baugrenze) gewesen. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung solle sich die künftige Gemeinbedarfseinrichtung an dem Maßstab der Umgebung orientieren und sich somit bezüglich der baulichen Dichte in die vorhandenen und künftigen Baustrukturen einfügen. Die festgesetzte Fläche für den Gemeinbedarf entspreche aufgrund des Erfordernisses einer vorgeschriebenen Außenspielfläche pro Kind in etwa einer Kindertagesstätte mit bis zu vier Gruppen à 20 Kindern. Die schalltechnische Untersuchung gehe von der berechtigten Annahme aus, dass der Außenbereich des Kindergartens im südlichen bzw. im südwestlichen Bereich des Grundstückes liegen werde.
19
Der Planung der verkehrlichen Erschließung lägen externe Fachgutachten zugrunde. Die Planung einer für die Umgebung verträglichen Erschließung des neuen Wohnbaugebietes mit zwei Zufahrten sei unter Berücksichtigung der örtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der vorhandenen verkehrlichen Infrastrukturen, ihrer Auslastung und Potenziale erfolgt. Die Kindertagesstätte sei über den … und den südlich geplanten 3 m breiten öffentlichen Rad- und Fußweg ausreichend erschlossen. Die festgesetzte Fläche für den Gemeinbedarf gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB entspreche aufgrund des Erfordernisses einer vorgeschriebenen Außenspielfläche pro Kind in etwa einer Kindertagesstätte mit bis zu vier Gruppen à 20 Kindern. Insofern sei die Berechnungsgrundlage zur Verkehrsuntersuchung vom 2. Dezember 2021 korrekt. Der Wirtschaftsweg solle lediglich die Erschließung des Flurstücks FlNr. … erleichtern; hierdurch komme es zu keiner signifikanten Verkehrszunahme.
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Hinsichtlich des gerügten Auslegungsfehlers wird darauf hingewiesen, dass vor dem Hintergrund, dass in den textlichen Ausführungen bzw. den Berechnungen noch die ursprüngliche Planung beschrieben gewesen sei, die nicht mit dem aktuellen Entwässerungsplan übereinstimme, sich die Antragsgegnerin ganz bewusst dafür entschieden habe, diese Ursprungsberechnung nicht mit auszulegen. Die graphische Darstellung des Entwässerungskonzeptes sei aus sich selbst heraus auch ohne berechnenden Teil verständlich.
21
Die Beigeladene tritt dem Antrag entgegen und führt aus, eine Überlastungsgefahr des bestehenden Entwässerungsnetzes oder eine Überschwemmungsgefahr durch Hangwasser wegen einer großflächigen Versiegelung bestehe nicht. Der Geltungsbereich sei von 8,41 ha auf 4,86 ha verringert worden. Nach sachverständiger Aussage könne mit einer Einleitbegrenzung von 60 l/(s x ha) eine überstaufreie Ableitung für den Nachweislastfall sichergestellt werden. Die Dosierungen zur Ableitung der Regenwasserrückhaltebecken seien angepasst auf die beiden Bestandskanäle berechnet worden. Die Planung bewirke eine wesentliche Verbesserung der zuvor bestehenden Überschwemmungsgefahr (Entwässerungsgraben um das gesamte Baugebiet, Ableitung in ausreichend dimensionierte Regenrückhaltebecken). Eine Überlastung des Kanals durch das Erschließungsgebiet sei aufgrund der technischen Vorgaben im Entwässerungskonzept, welches dem Erschließungsvertrag zugrunde liege, auszuschließen. Das Haus des Antragstellers liege „weit über der Straße“, eine Überschwemmung durch Überlaufen des Bestandskanals sei physikalisch nicht möglich.
22
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Planaufstellungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
23
Der Antrag hat keinen Erfolg; er ist zulässig, aber unbegründet.
24
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 47 Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass der Antragsteller bislang in der Hauptsache noch keinen Normenkontrollantrag anhängig gemacht hat, da ein solcher gegen den am 21. Juli 2023 bekanntgemachten Bebauungsplan noch binnen Jahresfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO möglich ist (vgl. ThürOVG, B.v. 20.4.2016 – 3 EN 222/16 – NVwZ-RR 2016, 872 Rn. 10).
25
Der Antragsteller ist antragsbefugt. Die Antragsbefugnis im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO entspricht der des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für das Normenkontrollverfahren (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 9 NE 19.2274 – juris Rn. 16). Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird (stRspr vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2015 – 4 BN 4.15 – ZfBR 2016, 154). Eine solche Rechtsverletzung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks (auch) gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen. Denn bei den Festsetzungen eines Bebauungsplans handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese muss der Eigentümer nur hinnehmen, wenn der Bebauungsplan rechtmäßig ist (BayVGH, U.v. 13.10.2020 – 1 N 17.1125 – juris Rn. 11). Ist ein Antragsteller Eigentümer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des angegriffenen Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. § 1 Abs. 7 BauGB verlangt, dass der Bauleitplanung eine Erschließungskonzeption zugrunde liegt, nach der das im Plangebiet anfallende Niederschlagswasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen – auch außerhalb des Plangebiets – keinen Schaden nehmen (BayVGH, B.v. 22.6.2022 – 9 NE 22.705 – juris Rn. 19 mit Verweis auf B.v. 2.8.2021 – 9 NE 21.1262 – juris Rn. 17). Gemessen an diesen Grundsätzen ist es nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass der Antragsteller, dessen (Garten-) Grundstück im Satzungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans liegt und dessen Wohngrundstück am Fuße einer moderaten Hanglage an das Plangebiet direkt angrenzt, durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in seinem Eigentumsrecht verletzt wird.
26
Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers entfällt nicht deshalb, weil sich der Antragsteller gegen Vorhaben im Plangebiet durch Eilrechtsschutz nach §§ 80, 123 VwGO zur Wehr setzen könnte. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des § 47 Abs. 6 VwGO einerseits und des Individualrechtsschutzes nach § 123 VwGO oder § 80 Abs. 5, § 80a VwGO andererseits können grundsätzlich nebeneinander in Anspruch genommen werden (BayVGH, B.v. 3.1.2013 – 1 NE 12.2151 – juris Rn. 3). Dem Antragsteller kann zudem das Rechtsschutzbedürfnis nicht mit dem Argument abgesprochen werden, der Antragsteller könne im Hinblick auf seine Eigentümerstellung beim Grundstück FlNr. … seine Rechtsposition durch eine vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans mangels Bebaubarkeit dieses Grundstücks nicht verbessern. Wird die Hürde der Antragsbefugnis genommen, ist regelmäßig auch das für den Normenkontrollantrag erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse gegeben (BVerwG, U.v. 23.4.2002 – 4 CN 3.01 – juris Rn. 10). Es fehlt erst dann, wenn sich die Inanspruchnahme des Normenkontrollgerichts als nutzlos erweist, weil der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten Entscheidung (aktuell) nicht verbessern kann (BayVGH, B.v. 10.12.2020 – 2 N 18.632 – juris Rn. 12 m.w.N.). Mit dem Erfordernis soll nur vermieden werden, dass die Gerichte in eine Prüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Rechtsschutzsuchenden wertlos ist. Um ein Rechtsschutzinteresse anzunehmen reicht es daher aus, dass sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Antragsteller von Nutzen sein kann. Dem Eigentümer eines Grundstücks, dessen Bebaubarkeit durch eine bauleitplanerische Festsetzung ausgeschlossen wird, kann eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Bebauungsplans im Hinblick auf eine mögliche alternative Planung von Nutzen sein, wenn eine Bebaubarkeit auch bei einem Erfolg des Antrags wegen der dann gegebenen Außenbereichslage unzulässig bleiben würde (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2002, a.a.O. Rn. 10 m.w.N.).
27
2. Der Antrag ist unbegründet. Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ist nicht gemäß § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten.
28
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. § 47 Abs. 6 VwGO stellt an die Aussetzung einer Norm erheblich strengere Anforderungen als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt. Eine Außervollzugsetzung ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt, die durch Umstände gekennzeichnet sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabweisbar erscheinen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 18.5.1998 – 4 VR 2.98 – NVwZ 1998, 1065; OVG NRW, B.v. 18.8.2023 – 2 B 349/23.NE – juris Rn. 20). Eine einstweilige Anordnung kann ergehen, wenn der Vollzug der Norm vor einer Entscheidung in der Hauptsache Auswirkungen befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragsteller, betroffener Dritter oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragsteller günstigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren geboten und unaufschiebbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2022 – 1 NE 22.2132 – juris Rn. 16; B.v. 26.3.2014 – 9 NE 13.2213 – juris Rn. 16 jeweils m.w.N.). Dies kann etwa angenommen werden, wenn vollendete Tatsachen entstehen, die den vom Antragsteller nachgesuchten Rechtsschutz leerlaufen ließen (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2019 – 1 NE 18.2637 – juris Rn. 13). Grundsätzlich stellt der bloße Vollzug eines Bebauungsplans jedoch keinen schweren Nachteil im Sinn des § 47 Abs. 6 VwGO dar (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 9 NE 15.377 – juris Rn. 26; B.v. 15.2.2021 – 1 NE 20.1813 – juris Rn. 19). Gemessen daran ist die begehrte einstweilige Anordnung hier weder im Hinblick auf die geltend gemachte unzureichende Entwässerung des Plangebiets und die daraus resultierenden Überschwemmungsgefahren (a) noch im Hinblick auf die Festsetzung einer privaten Grünfläche auf dem Grundstück des Antragstellers (b) noch hinsichtlich der verkehrlichen Erschließung (c) oder der Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche (d) dringend geboten.
29
a) Mit seinem Hinweis auf Überschwemmungsgefahren und seinem Vortrag, zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses sei wegen defizitärer Grundlagenermittlung und unzureichender Lösung der Entwässerungsfrage durch den Erschließungsvertrag eine ordnungsgemäße Entwässerung des Plangebiets nicht sichergestellt, hat der Antragsteller eine schwerwiegende Gefährdung seines Grundstücks bei Umsetzung des angegriffenen Bebauungsplans in Form von drohenden planbedingten Überflutungen nicht glaubhaft gemacht.
30
Zwar ist Abwasser, zu dem auch das Niederschlagswasser gehört (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG), so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 55 Abs. 1 WHG) und sind Belange der Abwasserbeseitigung und damit auch der Beseitigung des Niederschlagswassers regelmäßig in die nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotene Abwägung einzustellen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1, Nr. 7 Buchst. e BauGB). Der Planung muss daher eine Erschließungskonzeption zugrunde liegen, nach der das im Plangebiet anfallende Niederschlagswasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen diesseits und jenseits der Plangrenzen keinen Schaden nehmen. Überschwemmungen und Wasserschäden als Folge der Planverwirklichung müssen die Nachbarn des Plangebiets ebenso wenig hinnehmen, wie die Bewohner des Plangebiets selbst. Dem Plan adäquat-kausal zuzurechnen sind auch Überflutungsgefahren, die dadurch ausgelöst werden, dass das auf den bebauten und befestigten Flächen des Plangebiets niedergehende Regenwasser über einen öffentlichen Kanal abgeführt wird, dessen Kapazität bereits vor Anschluss des Plangebiets durch andere Regenwasserzuflüsse erschöpft oder gar überschritten war (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2002 – 4 CN 14.00 – BVerwGE 116, 144 = juris Rn. 15). Ob und gegebenenfalls welche rechtlichen Mittel die Gemeinde zur Beseitigung des im Plangebiet anfallenden Niederschlagswassers einzusetzen hat, hängt von den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall, insbesondere von den abwasserwirtschaftlichen und abwassertechnischen Erfordernissen sowie von den topografischen Gegebenheiten ab. Ist aufgrund der Dimensionierung der Kanalisation eine gefahrlose Ableitung des Niederschlagswassers gewährleistet, wird ein spezieller Festsetzungsbedarf in aller Regel nicht bestehen. Reicht die Kapazität des Kanalsystems hierzu nicht aus, kann eine ausreichende Erschließung gesichert sein, wenn die Gemeinde als Trägerin der Erschließungslast vor Erlass der Satzung den Beschluss fasst, das Kanalsystem in dem erforderlichen Umfang auszubauen oder die sonstigen zuständigen Erschließungsträger erklärt haben, dass sie die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig durchführen werden (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2002, a.a.O. Rn. 16; BayVGH B.v. 13.4.2018 – 9 NE 17.1222 – juris Rn. 41). Im Spannungsfeld zwischen Konfliktbewältigung und planerischer Zurückhaltung darf die Gemeinde von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan Abstand nehmen, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 CN 3.11 – BVerwGE 143, 24 = juris Rn. 19; U.v. 7.5.2014 – 4 CN 5.13 – NVwZ 2014, 1170 = juris Rn. 25; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537 = juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 2.6.2016 – 9 N 15.2011 – juris Rn. 41, jeweils m.w.N.). Städtebauliche Verträge sind geeignet, gebotene Konfliktlösungen in die vertragliche Verpflichtung zu verlagern (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2023, § 11 Rn. 132a). Eine Konfliktverlagerung hinsichtlich der detaillierten Entwässerung auf einen städtebaulichen Vertrag ist nicht zu beanstanden, wenn die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Konflikt in diesem nachfolgenden Verfahren tatsächlich einer Lösung zugeführt wird und sich die Gemeinde einen Kenntnisstand verschafft hat, der ihr – spätestens im Zeitpunkt des Beschlusses über den Bebauungsplan – eine diesbezügliche Bewertung erlaubt (BayVGH, U.v. 15.3.2022 – 15 N 21.1422 – juris Rn. 33, 34). Bei Erlass des Satzungsbeschlusses muss die Gemeinde sicher davon ausgehen können, dass das für das Baugebiet notwendige Entwässerungssystem in dem Zeitpunkt tatsächlich vorhanden und funktionstüchtig sein wird, in dem die nach dem Plan zulässigen baulichen Anlagen fertig gestellt und nutzungsreif sein werden (BVerwG, U.v. 21.3.2002, a.a.O. Rn. 16; BayVGH, B.v. 15.3.2022 – 15 N 21.1422 – juris Rn. 34; B.v. 13.4.2018 – 9 NE 17.1222 – juris Rn. 25).
31
Ein schwerer Nachteil gemäß § 47 Abs. 6 VwGO aufgrund schwerwiegender Gefährdung eines Grundstücks durch Niederschlagswasser ist nicht anzunehmen, wenn die Funktionsfähigkeit eines ins Auge gefassten Entwässerungskonzepts nach den vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen hinreichend nachgewiesen erscheint (vgl. OVG NRW, B.v. 18.8.2023 – 2 B 349/23.NE – juris Rn. 31). Bei der Ermittlung der planbedingten Entwässerungsfragen geht es regelmäßig um eine Prognose. Bei planerischen Entscheidungen, die nicht allein auf der Erfassung eines gegenwärtigen Zustands, sondern auch auf einer Prognose in der Zukunft liegender Tatsachen beruht, deren zukünftiger Eintritt vorausschauend angenommen worden ist, liegt es in der Natur der Sache, dass die gerichtliche Überprüfung der Richtigkeit der Prognose darauf beschränkt ist, ob die Prognose von zutreffenden Werten, Daten und Zahlen ausgeht, auf realistischen Annahmen beruht, methodisch einwandfrei erarbeitet worden ist und ob das Prognoseergebnis plausibel einleuchtend begründet worden ist (OVG NRW, B.v. 18.8.2023, a.a.O. Rn. 85 ff. m.w.N.). Dabei besteht kein Anlass, an der Richtigkeit der Berechnungen allein deshalb zu zweifeln, weil einzelne Rechenvorgänge nicht den Gutachten zu entnehmen sind (BVerwG, U.v. 9.6.2010 – 9 A 20/08 – juris Rn. 93). Eine ins Detail gehende Aufklärung kann dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
32
Nach diesen Maßgaben ist vorliegend davon auszugehen, dass sich die Antragsgegnerin durch im Bauleitplanverfahren mehrfach eingeholte sachverständige Stellungnahmen hinsichtlich der Entwässerung des Plangebiets einen Kenntnisstand verschafft hat, der die Bewertung einer Konfliktlösung im Rahmen des Erschließungsvertrags vom 21. März 2023 zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen (Anlage 7 zum städtebaulichen Vertrag) zuverlässig erlaubt. Die Bauleitplanung wurde im Hinblick auf die Entwässerung sachverständig begleitet: Mit Aktennotiz vom 11. Dezember 2018 wurde auf Grundlage des damaligen Planungstands (Plangebiet 108.370 m2, 130 Wohneinheiten) unter Berücksichtigung der Erschließungsgebiete die hydraulische Auslastung des Kanalnetzes sachverständig bewertet und eine Auslastung des Kanalnetzes im Bereich … und … unter Einhaltung der Vorgaben für allgemeine Wohnbebauung festgestellt. Dabei wurde ausgeführt, dass die Kanäle im … und in der …- … Freispiegelabfluss aufwiesen und nur in einem kleinen Bereich in der Hauptleitung für den Lastfall (T=3a) Druckabfluss berechnet werde. Mit einer Einleitbegrenzung von 60 l/(s x ha) könne die Erschließung des Plangebietes erfolgen und eine überstaufreie Ableitung für den Nachweislastfall (T=2a) sichergestellt werden. Das Wasserwirtschaftsamt hat mit Stellungnahme vom 23. Juli 2019 ebenfalls auf die Einleitbegrenzung, den Grundsatz der ortsnahen Versickerung und der getrennten Einleitung von Niederschlagswasser nach § 55 Abs. 2 WHG sowie darauf hingewiesen, dass infolge der Geländeneigung bei Starkniederschlägen Beeinträchtigungen möglich seien und daraus resultierende Gegenmaßnahmen die Situation für Dritte nicht verschlechtern dürften. In den weiteren Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamtes vom 4. Mai 2022 und vom 6. März 2023 wurde aus wasserwirtschaftlicher Sicht Einverständnis mit der Planung erklärt. In der Planung erfolgte die Vorbemessung der Rückhaltung entsprechend der geplanten Flächennutzung (Annahmen für Gebäude- und befestigte Grundstücksflächen) und unter Einbeziehung der Hangeinzugsgebietsflächen. So wurde im Konzeptplan für die Entwässerung des Baugebiets vom 27. März 2019 basierend auf der Einleitbegrenzung der Regenwasserabfluss, die zulässige Einleitungsmenge sowie das Rückhaltevolumen von vorgesehenen sieben Regenrückhaltebecken (459 m3) bezogen auf elf Einzugsgebiete mit drei Einleitungsstellen ermittelt. In der „Entwässerungsplanung Vorentwurf vom 22.01.2021/08.02.2022“ wird ausgeführt, dass mit „Stand vom 12.08.2020“ umfangreiche hydrotechnische Berechnungen durchgeführt worden seien, die auf Grundlage des Bebauungsplanentwurfs vom 31. Januar 2022 (Plangebiet 49.502 m2, 59 Wohneinheiten) ingenieurtechnisch überprüft und unter Beibehaltung der Ansätze für die Einzugsflächen übernommen worden seien. Aufgrund der vorliegenden Geologie (geringe Sickerfähigkeit) sei die Konzeption einer geplanten Kanalisation im Trennsystem mit Regenwasserrückhaltung und gedrosselter Ableitung im Mischsystem des Kanalnetzes entwickelt worden. Die geplante Wohnbebauung weise nunmehr eine erheblich reduzierte Gesamtfläche auf; zur Ableitung der einbezogenen Hangeinzugsgebietsflächen von ca. 8,71 ha seien Gräben mit Einleitung an den Tiefpunkten vorgesehen. Für nunmehr drei Regenrückhaltebecken, die unterirdisch anzuordnen seien, wurde ein Rückhaltevolumen von insgesamt 611 m3 bei zwei Einleitungsstellen errechnet. Diese Entwässerungsplanung wurde unter dem 8. April 2022 unter Berücksichtigung bestehender Flächenverfügbarkeiten dahingehend überarbeitet, die Einzugsflächen Nrn. 6 und 8 in Richtung „…“ abzuleiten, wodurch sich die Ableitungsmenge an der Einleitungsstelle 2 verdopple und das Volumen des Regenrückhaltebeckens 3 von 138 m3 auf 238 m3 steige. Weiter wird ausgeführt, dass für den Regelabfluss der Kanal DN 300 im … nicht ausreiche und hier der Kanal auf DN 500 bis zum Sammler (** …*) auf einer Baulänge von 250 m vergrößert werden müsste oder alternativ eine Ausbildung als Verteilerschacht mit Verbindung zum nördlichen Kanalstrang denkbar sei. Die Antragsgegnerin schloss mit der Beigeladenen am 21. März 2023 einen städtebaulichen Vertrag und in dessen Anlage 7 einen Erschließungsvertrag, in dem sich die Erschließungsträgerin zur Herstellung der Erschließungsanlagen und -einrichtungen, insbesondere der Herstellung der Anlagen zur Beseitigung des im Baugebiet anfallenden Abwassers nach Maßgabe des Entwässerungskonzepts vom 8. April 2022 verpflichtet (§ 1 Abs. 3 Satz 1 c), Abs. 4 Satz 1, § 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 4, Abs. 4 des Vertrages). Die Erschließungsträgerin hat nach § 2 Abs. 7 des Vertrags mindestens drei Monate vor Baubeginn die Ausführungspläne vorzulegen und nach § 2 Abs. 4 Satz 4 des Vertrags der zu erstellenden Erschließungsplanung einen hydraulischen Nachweis beizufügen.
33
Aufgrund der mehrfachen sachverständigen Berechnungen und Stellungnahmen im Verlaufe des Bauleitplanverfahrens konnte die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass die Funktionsfähigkeit des geplanten Entwässerungskonzepts hinreichend nachgewiesen erscheint und die Prognose gerechtfertigt ist, dass eine abschließende Konfliktbewältigung, insbesondere die in zwei Varianten aufgezeigte Möglichkeit des Anschlusses an das Kanalnetz im Rahmen der Erfüllung des städtebaulichen Erschließungsvertrags tatsächlich einer Lösung zugeführt wird. Auch wenn die entwässerungsfachliche Konfliktlösung nicht völlig unproblematisch sein sollte, kann diese anstelle von oder ergänzend zu Festsetzungen im Bebauungsplans selbst grundsätzlich auch über rechtlich verpflichtende Vereinbarungen wie im Rahmen von städtebaulichen Verträgen nach § 11 BauGB sichergestellt werden (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2022 – 15 N 21.1422 – juris Rn. 34).
34
Darüber hinaus wurden im streitgegenständlichen Bebauungsplan u.a. Festsetzungen hinsichtlich der Lage der Regenrückhaltebecken, der ortsnahen Versickerung von Niederschlagswasser sowie der offenen Gräben zur Ableitung erhöhten Oberflächenwasseranfalls insbesondere aus den Hangflächen getroffen. Soweit der Antragsteller beanstandet, Erfordernisse des Entwässerungskonzeptes wie Größe der Retentionsbecken seien nicht umgesetzt, ist darauf hinzuweisen, dass Festsetzungen eines Bebauungsplans auch Ausdruck einer abwägungsfehlerfreien planerischen Zurückhaltung sein können, sofern – wie hier – ein abschließender Konflikttransfer gewährleistet ist (BVerwG, B.v. 10.4.2014 – 4 BN 49.13 – juris Rn. 5).
35
Unter Berücksichtigung der getroffenen Festsetzungen zum Schutz vor abfließendem Niederschlagswasser ist für die Grundstücke des Antragstellers eine Verschärfung der Überschwemmungsgefahr bei Starkregenereignissen nicht glaubhaft gemacht. Im Hinblick auf die getroffenen Festsetzungen und die zulässigerweise verlagerte abschließende Konfliktbewältigung der Entwässerung in den städtebaulichen Vertrag ist insoweit die begehrte einstweilige Anordnung weder zur Abwehr schwerer Nachteile noch aus anderen wichtigen Gründen geboten.
36
b) Soweit der Antragsteller geltend macht, die bauplanerische Festsetzung einer privaten Grünfläche auf seinem Grundstück (FlNr. … … …*) sei nicht durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt und der Entzug jeglicher, ursprünglich zumindest im Außenbereich privilegiert zulässiger Bebauung sei fehlerhaft abgewogen, begründet dies noch keinen schweren Nachteil im Sinn von § 47 Abs. 6 VwGO. Denn den Festsetzungen des Bebauungsplans kommt keine enteignungsrechtliche Vorwirkung zu. Auch die Festsetzung als private Grünfläche stellt – ungeachtet derer städtebaulichen Rechtfertigung – keinen Anordnungsgrund dar, da die bereits bestehende Nutzung des Grundstücks weiter möglich ist und geplante abweichende Nutzungen weder vorgetragen sind noch grundsätzlich eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen können (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2022 – 1 NE 22.2132 – juris Rn. 17).
37
c) Einwendungen des Antragstellers gegen die verkehrliche Erschließung, insbesondere eine geltend gemachte Überlastung der Zu- und Abfahrtsmöglichkeiten über den …, eine unzureichende Erschließung des Kindergartens und einer Verschärfung der Situation im verkehrsberuhigten Bereich durch den geplanten Wirtschaftsweg lassen keinen schweren Nachteil im Sinn von § 47 Abs. 6 erkennen, dessen Vermeidung eine vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans erfordern würde. Eine dahingehende Dringlichkeit wurde schon nicht geltend gemacht. Abgesehen davon, dass der bloße Vollzug eines Bebauungsplans noch keinen schweren Nachteil in diesem Sinne darstellt, kann nicht außer Betracht bleiben, dass eine planbedingte Mehrbelastung an Verkehr nicht sofort im vollen Umfang eintreten kann, sondern nur sukzessive mit der Umsetzung des Bebauungsplans, die eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2014 – 9 NE 13.2213 – juris Rn. 19). Eine vertiefte Prüfung im Hinblick auf die verkehrliche Erschließung und eine Auseinandersetzung mit dem Verkehrsgutachten vom 2. Dezember 2021 kann insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
38
d) Eine Dringlichkeit für die erstrebte vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans kann auch im Hinblick auf die von Antragstellerseite gerügten fehlenden Festsetzungen für die Gemeinbedarfsfläche „Kindertagesstätte“ nicht angenommen werden. Der Antragsteller moniert eine unzureichende städtebauliche Steuerung und beanstandet, dass die schalltechnische Untersuchung vom 29. Dezember 2021 die Flächenschallquelle für den Freibereich im Süden des Grundstücks ansetze, obwohl diese Annahme mangels bauplanerischer Festsetzungen nicht zwingend sei. Unter Berücksichtigung der unterlassenen Festsetzung von Gebietsart und Maß der baulichen Nutzung sowie der großzügig vorgesehenen Baugrenzen ist eine von den Annahmen des schalltechnischen Berichts abweichende Situierung des Gebäudes nebst Freiflächen sowie auch eine abweichende Dimensionierung denkbar.
39
Aus der Sicht der von den Festsetzungen eines Bebauungsplans berührten Personen muss in gewissem Umfang erkennbar und vorhersehbar sein, mit welchen Nutzungen auf den von Festsetzungen erfassten Flächen und mit welchen davon ausgehenden Einwirkungen auf ihr Eigentum sie zu rechnen haben. Das erforderliche Maß der Konkretisierung von Festsetzungen eines Bebauungsplanes richtet sich danach, was nach den Umständen des Einzelfalles (Planungsziele, örtliche Verhältnisse) für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist und dem Gebot gerechter Abwägung der konkret berührten privaten und öffentlichen Belange entspricht. Dabei darf der Plangeber berücksichtigen, dass § 15 BauNVO die Lösung von Konflikten in Einzelgenehmigungsverfahren ermöglicht (BVerwG, U.v. 11.3.1988 – 4 C 56/84 – juris LS 1, Rn. 19). Die Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche mit konkretisierendem Zusatz lässt in einer der örtlichen Situation angemessenen Weise hinreichend deutlich erkennen, mit welchen Arten von Grundstücksnutzungen in dem betreffenden Gebiet zu rechnen ist (BVerwG, U.v. 11.3.1988, a.a.O., Rn. 20). Auch im Hinblick auf das Gebot der gerechten Abwägung der öffentlichen und privaten, insbesondere nachbarlichen Belange gilt, dass der Bebauungsplan einen Rahmen setzen soll, hingegen nicht alle Probleme abschließend bewältigen muss. Insoweit enthält vielmehr die in § 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BauNVO enthaltene Regelung ein geeignetes Instrumentarium, um im Einzelfall auftretende Konflikte zu lösen. Soweit § 15 BauNVO eingreift, verlangt auch das Abwägungsgebot keine so weitgehende Konkretisierung der planerischen Festsetzungen, dass über die Zulässigkeit und Ausgestaltung einzelner Nutzungen und Nutzungsarten das letzte Wort bereits im Bebauungsplan gesprochen werden muss. Vielmehr bleibt auch unter dem Blickwinkel der gerechten Abwägung der konkret berührten öffentlichen und privaten Belange der plangebenden Gemeinde ein angemessener Spielraum für „planerische Zurückhaltung“ und weniger konkrete Festsetzungen (BVerwG, U.v. 11.3.1988, a.a.O., Rn. 22).
40
Gemessen hieran erscheint eine Verlagerung der abschließenden Konfliktbewältigung in das für eine Kinderbetreuungseinrichtung als Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Nr. 12 BayBO erforderliche Baugenehmigungsverfahren (keine Freistellung nach Art. 58 Abs. 1 BayBO) unter Berücksichtigung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots möglich und zulässig. Ausweislich der planerischen Abwägung wurde die Festsetzung als Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung Kindertagesstätte als ausreichend erachtet, um die städtebaulichen Ziele zu vollziehen (vgl. Abwägungstabelle vom 25.5.2023, S. 21). Ausgehend von der grundsätzlich möglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte an den maßgeblichen Immissionsorten (vgl. Übersicht S. 29 u. S. 52 des schalltechnischen Berichts vom 29.12.2021) kann bei einer von den Annahmen der immissionsfachlichen Beurteilung abweichenden Realisierung der Kindertagesstätte die immissionsfachliche und verkehrliche Konfliktlage im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren gelöst werden.
41
Bei dieser Sachlage bedarf es im weiteren keiner Entscheidung, ob ein in der Hauptsache noch einzulegender Normenkontrollantrag des Antragstellers voraussichtlich Erfolg haben würde (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2021 – 1 NE 20.1813 – juris Rn. 19; B.v. 21.4.2015 – 9 NE 15.377 – juris).
42
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, entspricht der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil sie keinen Antrag gestellt und somit auch kein Risiko übernommen hat, selbst Kosten auferlegt zu bekommen (§ 154 Abs. 3 VwGO).
43
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an Nummern 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
44
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).