Titel:
Kein Härteausgleich für Straßenausbaubeitrag nach unentgeltlicher Übertragung des Eigentums
Normenkette:
KAG Art. 19a Abs. 7
Leitsätze:
1. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Härteausgleich auch Antragstellern offenstehen soll, die die in Art. 19 Abs. 7 S. 4 Nr. 2 KAG genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit kommt dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise oder Sachverhalte grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Härteausgleich Straßenausbaubeitrag, Antragsbefugnis, Unentgeltliche Übertragung des Eigentums zwischen Beitragsfestsetzung und Antragstellung, Eigentumsübertragung unter Angehörigen, allgemeiner Gleichheitssatz
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 21.12.2022 – RO 11 K 22.1228
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3140
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Dezember 2022 – RO 11 K 22.1228 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.570,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil vom 21. Dezember 2022 zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wurde nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würden (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 m.w.N.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 – 6 ZB 17.2521 – juris Rn. 4). Das ist nicht der Fall.
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Der Zulassungsantrag hält den entscheidungstragenden Erwägungen im erstinstanzlichen Urteil nichts Stichhaltiges entgegen, das Zweifel an seiner Richtigkeit begründet und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedarf. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines Härteausgleichs hat, weil er im Zeitpunkt der Antragstellung weder Eigentümer noch beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks war und daher nicht antragsbefugt ist (Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG). Denn zum Zeitpunkt der Antragstellung hatte er das Eigentum an dem Grundstück bereits (unentgeltlich) auf seinen Sohn übertragen.
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Der Kläger wendet hiergegen im Wesentlichen ein, die vorliegende Fallkonstellation der unentgeltlichen Eigentumsübertragung unter Angehörigen noch vor Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und Einführung eines Härteausgleichs sei vom Gesetzgeber „vergessen“ worden. Es sei unerheblich, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung Eigentümer des Grundstücks gewesen sei. Entscheidend sei, dass er – der Kläger – Vorauszahlungen geleistet habe und nicht zurückerhalte.
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Damit vermag der Kläger nicht zu überzeugen. Er ist offenbar der Meinung, Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG sei (erweiternd) dahin auszulegen, dass antragsbefugt auch sei, wer das Eigentum zwischen Beitragsfestsetzung und Antragstellung, insbesondere – wie hier – noch vor Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und Inkrafttreten der Härtefallregelung unentgeltlich auf einen (nahen) Angehörigen übertragen habe. Dem steht aber, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, schon der klare Wortlaut der Vorschrift entgegen. Im Übrigen sind auch der Gesetzesbegründung keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Härteausgleich auch Antragstellern offenstehen soll, die die in Art. 19 Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, wenn es in den Gesetzesmaterialien heißt: „Art. 19 Abs. 7 KAG regelt die Antragsbefugnis für einen Härtefallausgleichsantrag. Er macht diesen von gewissen Zugangskriterien abhängig. Nur wenn diese vorliegen, ist ein zulässiger Antrag gegeben, so dass die Gewährung einer Leistung aus dem Härtefallfonds geprüft wird“ (LT-Drs. 18/1552, S. 4). Mit den Erwägungen des Gerichts hat der Kläger sich nicht einmal ansatzweise auseinandergesetzt. Insbesondere zu der Frage, welche in der Norm oder zumindest den Gesetzesmaterialien angelegten Umstände es rechtfertigen sollten, den Kreis der Antragsbefugten über den klaren Wortlaut des Art. 19 Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG hinaus auch auf die hier vorliegende – keineswegs seltene – Fallkonstellation der Eigentumsübertragung unter Angehörigen zu erweitern, verhält sich die Zulassungsschrift nicht.
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Auch soweit der Kläger dem erstinstanzlichen Urteil entgegenhält, es gehe zu Unrecht davon aus, dass ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG nicht vorliege, legt er keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung dar.
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Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung damit begründet, es sei nicht dargelegt, dass im Wesentlichen gleich liegende Sachverhalte vorliegen. Es sei naheliegend, dass die vom Kläger in Bezug genommenen, nicht näher bezeichneten Nachbarn, die ihre gezahlten Beiträge zurückerhalten hätten, im Gegensatz zum Kläger alle Voraussetzungen des Art. 19a Abs. 7 KAG erfüllt hätten. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten, sondern hat diese Annahme in der Zulassungsschrift als richtig bestätigt. Soweit er sich darauf beruft, es gebe keine nachvollziehbaren Gründe für den Ausschluss des Klägers von der Härtefallregelung – mithin sinngemäß geltend macht, die Eigentümerstellung sei kein ausreichender Differenzierungsgrund – vermag er damit nicht durchzudringen.
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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; er gilt für ungleiche Belastungen ebenso wie für ungleiche Begünstigungen (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 – BVerfGE 130, 240 – juris Rn. 40; B.v. 7.12.2022 – 2 BvR 988/16 – BVerfGE 164,347 – juris Rn. 129 jeweils m.w.N.). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung dem einem Personenkreis gewährt, dem anderen aber vorenthalten wird (BVerfG, B.v. 11.1.2005 – 2 BvR 167/02 – BVerfGE 112, 164 – juris Rn. 31, BVerwG, U.v. 29.11.2018 – 5 C 10/17 – BVerwGE 164, 23 – juris Rn. 17). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen aber stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfG, B.v. 7.2.2012 a.a.O. juris Rn. 40; B.v. 7.12.2022 a.a.O. juris Rn. 130).
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Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit ist zudem zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise oder Sachverhalte grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (BVerfG, 7.2.2012 a.a.O. juris Rn. 42; BVerwG, U.v. 29.11.2018 – 5 C 10/17 – BVerwGE 164, 23 – juris Rn. 17). Zwar bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützt (BVerfG, B.v. 14.10.2008 – 1 BvF 4/05 – BVerfGE 122, 1 – juris Rn. 88).
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Dass die Abgrenzung des antragsbefugten Personenkreises hier sachwidrig erfolgt wäre, ist weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll in den Genuss der Prüfung der – als freiwillige Leistung aus dem einmalig mit 50 Mio. Euro ausgestatteten Fonds ausgestalteten (vgl. Art. 19a Abs. 1 Satz 2, Abs. 8 KAG) – Gewährung eines Härteausgleichs nur kommen, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung noch dieselbe dingliche Position innehat, die die persönliche Beitragspflicht ausgelöst hat (vgl. Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG a.F.), bei dem also ohne weiteres davon auszugehen ist, dass die durch die Beitragsfestsetzung ggf. eingetretene Härte noch fortwirkt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).