Inhalt

VGH München, Beschluss v. 05.02.2024 – 6 ZB 23.1831
Titel:

Ausreichende Begründung einer beamtenrechtlichen Beurteilung

Normenkette:
VwGO § 124 Abs. 2
Leitsätze:
1. Nicht floskelhaft und damit ausreichend ist eine Aussage in der Beurteilung, nach der im Vergleich mit den anderen Beamten der Beurteilungsliste dem Beamten nicht die Note "Hervorragend" erteilt werden könne, wenn die Beurteiler dies ausdrücklich damit begründen: "Obwohl der Beamte in einigen Merkmalen hervorzuhebende Leistungen erzielt hat, konnte in einer Gesamtbetrachtung aller Einzelmerkmale und im Vergleich mit anderen Beamten der Beurteilungsliste nicht die Note Hervorragend erteilt werden." (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hier nicht klärungsbedürftig und damit keine die Berufungszulassung rechtfertigende Frage ist, ob für die Plausibilisierung einer Begründung in einer Beurteilung mit Hinweis auf einen Vergleich mit den anderen Beamten der Beurteilungsliste diese Beamten benannt und deren Ergebnisse angegeben werden müssen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ebenfalls hier nicht klärungsbedürftig ist die Frage, ob eine Gruppengröße von drei Personen für einen Vergleich ausreichend ist und welche Beweise der klagende Beamte hinsichtlich der Anwendung von Richtwertvorgaben tätigen muss, da allgemein anerkannt ist, dass die dienstliche Beurteilung neben der objektiven individuellen Bewertung der Leistungen des Beamten dem Vergleich des jeweiligen Beamten mit den anderen Beamten seiner Besoldungsgruppe und Laufbahn dient (ebenso BVerwG BeckRS 2012, 5881) und die fehlende Größe der Vergleichsgruppe nur dazu führt, dass die Richtwerte keine unmittelbare Anwendung finden (ebenso BVerwG BeckRS 2023, 40045). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bundesbeamtenrecht, D. T. AG, Dienstliche Beurteilung, Anforderungen an die Begründung des Gesamturteils, Vergleichsgruppe, dienstliche Beurteilung, Größe der Vergleichsgruppe, Richtwerte, Plausibilisierung einer Begründung, Beurteilungsliste, Laufbahn, Besoldungsgruppe
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 28.09.2023 – Au 2 K 21.574
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3139

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. September 2023 – Au 2 K 21.574 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, dem Antrag zu entsprechen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Der Kläger, ein Beamter (Technischer Fernmeldeoberamtsrat, Besoldungsgruppe A 13_vz, im streitgegenständlichen Zeitraum A 12) im Dienst der Beklagten und bei dem Postnachfolgeunternehmen D. T. AG (im Folgenden: T.) beschäftigt, wendet sich gegen die für ihn unter dem 30. Juni 2020 erstellte dienstliche Regelbeurteilung für den Zeitraum 1. September 2017 bis 31. August 2019, die mit dem Gesamturteil „Sehr gut“ mit der Ausprägung „++“ abschließt. Im streitgegenständlichen Beurteilungszeitraum war der Kläger höherwertig (mit der Bewertung A 13) eingesetzt. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage auf erneute dienstliche Beurteilung mit dem angegriffenen Urteil als unbegründet abgewiesen. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitige Beurteilung rechtmäßig sei, da gegen das Beurteilungssystem der T. im Ausgangspunkt rechtlich nichts zu erinnern sei und im Besonderen das Gesamturteil in der dienstlichen Beurteilung des Klägers ausreichend begründet sei. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass die für den Kläger maßgebliche Vergleichsgruppe rechtsfehlerhaft gebildet worden sei.
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2. Die gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachten Einwände rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO.
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a) Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Solche Zweifel wären begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
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aa) Es werden keine Richtigkeitszweifel mit der wiederholten Rüge aufgezeigt, die Beurteilung verstoße gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze, da der Kläger nicht erkennen könne, aus welchen Gründen ihm trotz verbal herausragender Umschreibungen der Einzelleistungen seitens der Führungskraft und in der Bewertung selbst und trotz höherwertiger Tätigkeit die Note „Hervorragend“ versagt bleibe und bestimmte Formulierungen in der Begründung des Gesamturteils sich lediglich als Floskeln ohne Aussagekraft darstellen würden. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Die als floskelhaft beanstandete Aussage, im Vergleich mit den anderen Beamten der Beurteilungsliste habe dem Kläger nicht die Note „Hervorragend“ erteilt werden können, haben die Beurteiler ausdrücklich wie folgt begründet: „Obwohl der Beamte in einigen Merkmalen hervorzuhebende Leistungen erzielt hat, konnte in einer Gesamtbetrachtung aller Einzelmerkmale und im Vergleich mit anderen Beamten der Beurteilungsliste nicht die Note Hervorragend erteilt werden.“ Damit haben die Beurteiler nach Auffassung des Senats noch hinreichend individuell und in der Sache nachvollziehbar erläutert, warum der Kläger im Vergleich zu den anderen Beamten in seiner Vergleichsgruppe trotz der „sehr guten“ Bewertung in den Einzelkriterien im Gesamturteil nicht die Spitzennote „Hervorragend“, sondern (nur) „Sehr gut“ mit der Tendenz zur Spitzennote erhalten hat. Es ist keine Abweichung von der vorbereitenden Stellungnahme durch die Fachvorgesetzte erkennbar, die von größerem Gewicht wäre und einen noch über die hier vorliegende Begründung des Gesamturteils „Sehr gut ++“ zusätzlichen Begründungsaufwand erfordern würde. Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, das Verwaltungsgericht verkenne, es bedürfe hier einer anderen Begründung für die Note „Sehr gut“ als diejenige, dass andere Beamte noch höherwertiger eingesetzt seien. Das Verwaltungsgericht hat sich in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der Begründung des Gesamturteils „Sehr gut ++“ in der Beurteilung auseinandergesetzt und ausgeführt, es habe insbesondere keiner weiteren noch tiefergehenden (Negativ-)Begründung bedurft, weshalb der Kläger nicht das Gesamturteil „Hervorragend“ erhalten habe. Hierbei ist auch zu beachten, dass in der streitgegenständlichen Beurteilung allgemein ausgeführt wird, die Schaffung der obersten, aufgesetzten Spitzennote „Hervorragend“ erfolge, um der Situation bei der T. Rechnung zu tragen, dass dort ein großer Teil der Beamten höherwertig eingesetzt werde. Weiter unten wird dann konkret ausgeführt, warum dem Kläger nicht die Note „Hervorragend“ erteilt wird. Der Vergleich mit anderen Beamten, die tatsächlich im Gesamtergebnis schlechter beurteilt worden sind, impliziert nicht, dass für den Kläger die Bestnote „Hervorragend“ zu vergeben ist.
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bb) Entgegen der Ansicht des Klägers führt die Bildung einer Vergleichsgruppe von nur drei Personen nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit der Beurteilung. Zwar dürfte eine noch akzeptable Mindestgröße mit insgesamt drei Beamten kaum erreicht sein. Die fehlende Größe der Vergleichsgruppe führt aber nur dazu, dass die Richtwerte keine unmittelbare Anwendung finden (BVerwG, B.v. 29.8.2023 – 1 WB 60.22 – juris Rn. 77). Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass vorliegend keine – über den Regelungsgehalt des § 50 Abs. 2 BLV hinausgehende – spezielle Beurteilungsrichtwerte vorgegeben sind (vgl. § 4 der Beilage 1 zur Beurteilungsrichtlinie der T.).
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b) Besondere rechtliche Schwierigkeiten, die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), werden mit dem Zulassungsvorbringen nicht substantiiert dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die aufgeworfenen Fragen lassen sich auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung aus den oben dargelegten Gründen im Sinne des Verwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
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c) Die Berufung ist schließlich nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
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Um diesen Zulassungsgrund dazulegen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, zudem ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ferner erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und schließlich darlegen, weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2022 – 6 ZB 22.184 – juris Rn. 16).
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Nicht klärungsbedürftig ist zunächst die vom Kläger formulierte Frage, „ob eine Begründung einer Beurteilung mit Hinweis auf einen „Vergleich mit den anderen Beamten der Beurteilungsliste“ geeignet ist, eine Beurteilung zu plausibilisieren, wenn in der Beurteilung selbst die anderen Beamten der Beurteilungsliste nicht benannt werden und deren Ergebnisse nicht angegeben werden“. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass der Dienstherr die Bewertung der Leistung des beurteilten Beamten im Beurteilungszeitraum nachvollziehbar erläutern und seiner Verpflichtung zur Plausibilitätssicherung nachkommen muss. Die Beurteilung muss in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise klar abgefasst sein. Etwaige Defizite kann der Beurteiler im Rahmen der Eröffnung und Besprechung der dienstlichen Beurteilung ausgleichen, indem er dem Beurteilten die getroffenen Werturteile und ihre Grundlagen näher erläutert. Gegebenenfalls ist der Dienstherr gehalten, im Beschwerdeverfahren der Kritik nachzugehen und sich mit ihr auseinanderzusetzen, um seiner Plausibilisierungspflicht zu genügen und hierdurch die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung zu wahren (vgl. BVerwG, B.v. 29.8.2023 – 1 WB 60.22 – juris Rn. 65, 66). Eine ausreichende Plausibilisierung der abschließenden Gesamtnote kann auch durch eine bei einer Vielzahl dienstlicher Beurteilungen verwendete Formulierung mit gleichem Wortlaut (Textbaustein) gegeben sein (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2019 – 6 ZB 19.151 – juris Rn. 11), solange unter Berücksichtigung der konkreten Beurteilung noch ausreichend zum Ausdruck gebracht wird, dass das Gesamturteil in Anwendung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs innerhalb der Vergleichsgruppe der Beamtinnen und Beamten im selben Statusamt wie der zu Beurteilende gebildet wurde (BayVGH, B.v. 11.2.2020 – 6 ZB 19.2351 – juris Rn. 14). Inwieweit diese ausreichende Plausibilisierung gelungen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
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Des Weiteren wirft der Kläger als klärungsbedürftig die Frage auf, „ob eine Gruppengröße von drei Personen ausreichend ist und welche Beweise der klagende Beamte hinsichtlich der Anwendung von Richtwertvorgaben tätigen muss.“ Auch diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. Es ist allgemein anerkannt, dass die dienstliche Beurteilung neben der objektiven individuellen Bewertung der Leistungen des Beamten dem Vergleich des jeweiligen Beamten mit den anderen Beamten seiner Besoldungsgruppe und Laufbahn dient (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2012 – 2 A 2.10 – juris Rn.9; BVerwG, U.v. 2.3.2000 – 2 C 7.99 – juris). Ebenso ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine Vergleichsgruppe eine Mindestgröße erfordert (vgl. BVerwG, B.v. 29.8.2023 – 1 WB 60.22 – juris Rn. 76). Die fehlende Größe der Vergleichsgruppe führt nur dazu, dass die Richtwerte keine unmittelbare Anwendung finden (vgl. BVerwG, B.v. 29.8.2023 – 1 WB 60.22 – juris Rn. 76). Ob es tatsächlich Richtwertvorgaben gibt und inwieweit der Beamte hier substantiiert vortragen muss, der Beurteiler habe zu starr an diesen Vorgaben festgehalten und damit das Gesamtergebnis zu Lasten des Beamten verschlechtert, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht allgemein geklärt werden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 10.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO