Titel:
Anforderungskriterien für die Übernahme als Berufssoldat
Normenketten:
VwGO § 161 Abs. 2
GG Art. 33 Abs. 2
Leitsätze:
1. Der Dienstherr kann über die Eignung eines Bewerbers in einem gestuften Auswahlverfahren befinden und den grundsätzlich anhand der aktuellen dienstlichen Beurteilungen vorzunehmenden Leistungsvergleich erst nach einer Vorauswahl der Bewerber durchführen, sofern der Inhalt der dieser zugrunde gelegten Anforderungen mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nur solche Bewerber um ein Dienstverhältnis im Status eines Berufssoldaten zuzulassen, die über eine in qualitativer Hinsicht hinreichende Bereitschaft und Fähigkeit verfügen, überdurchschnittliche Leistungen über eine einen einzigen Beurteilungszeitraum übersteigende Zeitspanne hinweg zu erbringen, ist ein sachgerechtes konstitutives Anforderungskriterium, das mit dem Leistungsgrundsatz vereinbar ist. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Soldatenrecht, Hauptsacheerledigung, Umwandlung des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in das eines Berufssoldaten, Gestuftes Auswahlverfahren, Konstitutives Auswahlkriterium („wiederholt bestätigtes überdurchschnittliches Eignungs- und Leistungsbild“), Berufssoldat, Bewerbung, Bewerbungsverfahrensanspruch, gestuftes Auswahlverfahren, Anforderungskriterien, Leistungsgrundsatz, dienstliche Beurteilung, Zeitspanne, Kosten, billiges Ermessen, summarische Prüfung, Erfolgsaussichten
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 23.05.2023 – W 1 K 23.81
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3137
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Mai 2023 ist wirkungslos geworden.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
III. Der Streitwert des Berufungsverfahren wird auf 42.982,56 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Kläger für das Auswahljahr 2023 zum Berufssoldaten ernannt worden ist. Entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO ist das Verfahren deshalb durch die Berichterstatterin (§ 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO) einzustellen und der Beschluss des Verwaltungsgerichts für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
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Über die Kosten des Verfahrens ist nach § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. In der Regel entspricht es billigem Ermessen, gemäß dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 15.5.2023 – 10 ZB 22.2072 – juris Rn. 4; B.v. 3.3.2016 – 6 BV 15.214 – juris Rn. 2). Bei der Ausübung dieses Ermessens bedarf es weder einer (weiteren) Sachaufklärung noch einer abschließenden Klärung streitiger Rechtsfragen; vielmehr genügt eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage.
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Nach diesen Grundsätzen entspricht es im Streitfall billigem Ermessen, dem Kläger trotz seines Erfolges in der ersten Instanz die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zugelassene Berufung der Beklagten voraussichtlich Erfolg gehabt hätte (vgl. Schreiben des Senats vom 10. Januar 2024 mit dem entsprechenden Hinweis) und die Klage in der Entscheidung über die Berufung abgewiesen worden wäre.
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1. Gegenstand des Verfahrens war die Bewerbung des Klägers um die Umwandlung seines Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in das eines Berufssoldaten im Auswahljahr 2022.
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a) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verletzte der Ausschluss des Klägers aus dem Kreis der für die Umwandlung des Dienstverhältnisses in Betracht kommenden Soldaten auf Zeit in das eines Berufssoldaten im Auswahljahr 2022 seinen aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (Bewerbungsverfahrensanspruch) nicht. Der Ausschluss beruhte auf einem zulässigen konstitutiven Anforderungsprofil, das der Kläger nicht erfüllt hat.
6
Die Beklagte hat im Rahmen einer Vorauswahl nur diejenigen Bewerber in das eigentliche Auswahlverfahren aufgenommen, die das zwingende Anforderungskriterium eines wiederholt bestätigten überdurchschnittlichen Eignungs- und Leistungsbildes erfüllt haben (gestuftes Auswahlverfahren). Mit diesem Kriterium hat die Auswahlkonferenz 2022 eine auf alle Auswahlentscheidungen im Rahmen der Eignungsfeststellung anzuwendende, in Anlage 4.2 zu den „Allgemeinen Regelungen bundeswehrgemeinsamer Bedarfsträgerforderungen für militärische Auswahl- und Verwendungsplanungsverfahren für militärisches Personal“ (AR A-1340/78) enthaltene Anforderung übernommen. Das ist nach summarischer Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden.
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Der Dienstherr kann über die Eignung eines Bewerbers auch in einem „gestuften Auswahlverfahren“ befinden und den grundsätzlich anhand der aktuellen dienstlichen Beurteilungen vorzunehmenden Leistungsvergleich (vgl. dazu BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3.11 – juris Rn. 23) erst nach einer Vorauswahl der Bewerber durchführen, sofern der Inhalt der dieser zugrunde gelegten Anforderungen mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist. Das ist bei dem zwingenden, dienstpostenunabhängigen Anforderungskriterium eines wiederholt bestätigten überdurchschnittlichen Eignungs- und Leistungsbildes der Fall.
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Durch die Aufnahme dieses konstitutiven Anforderungskriteriums wird das Bewerberfeld nicht aufgrund der Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens eingeengt. Denn die Forderung ist nicht speziell auf einen konkreten Dienstposten bezogen, sondern fußt im bundesweit zur Anwendung gebrachten Anforderungsprofil der Beklagten und gilt für eine Vielzahl gleich bewerteter Dienstposten in vergleichbarer Weise (vgl. BVerwG, B.v. 20.2.2023 – 1 W-VR 28/22 – juris Rn. 44; B.v. 26.10.2017 – 1 WB 41.16 – juris Rn. 43 zum vergleichbaren Zentralerlass B-1340/78).
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Es handelt sich auch um ein sachgerechtes konstitutives Anforderungskriterium, das mit dem Leistungsgrundsatz vereinbar ist: Es bezweckt ersichtlich, nur solche Bewerber um ein Dienstverhältnis im Status eines Berufssoldaten zuzulassen, die über eine in qualitativer Hinsicht hinreichende Bereitschaft und Fähigkeit verfügen, überdurchschnittliche Leistungen über eine einen einzigen Beurteilungszeitraum übersteigende Zeitspanne hinweg zu erbringen. Das erscheint im Hinblick auf die Anforderung an einen Berufssoldaten nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt. Mit der Festlegung einer überdurchschnittlichen Leistung auch in dem der historischen Beurteilung zugrundeliegenden Zeitraum als Voraussetzung für die Teilnahme am Auswahlverfahren verfolgt der Dienstherr keine eignungsfremden Zwecke, sondern konkretisiert das von Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 SG vorgegebene Auswahlkriterium der Eignung in typisierender Weise.
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Mit seiner Rüge, durch das geforderte Kriterium werde der Leistungsgrundsatz ausgehebelt, wonach beim Leistungsvergleich der letzten dienstlichen Beurteilung, die maßgeblich die aktuelle fachliche Leistung des Bewerbers abbilde, das ausschlaggebende Gewicht zukommen müsse, verkennt der Kläger, dass ein Bewerber, der die Voraussetzungen eines – wie hier – rechtlich zulässigen konstitutiven Anforderungsprofils nicht erfüllt, gar nicht erst in den für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Bewerberkreis aufgenommen und damit nicht in den Leistungsvergleich einbezogen wird. Nur hier stellt aber der aktuelle Leistungsstand das maßgebliche Kriterium dar und können frühere Beurteilungen lediglich zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes einbezogen werden (vgl. BVerwG, B.v. 20.2.2023 – 1 W-VR 28/22 – juris Rn. 32; B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 23 unter Hinweis auf den B.v. 25.10.2011 – 2 VR 4.11; BayVGH, B.v. 10.8. 2021 – 6 CE 21.1278 – juris Rn. 16; HessVGH, B.v. 8.2.2018 – 1 B 1830/17 – juris Rn. 14).
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b) Der Kläger hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass die Berechnung des Schwellenwertes für die historische Beurteilung fehlerhaft wäre und er das konstitutive Anforderungskriterium bei richtiger Berechnung erfüllt hätte. Entgegen seiner Auffassung war hierfür der durchschnittliche Leistungswert des Werdegangs (und gerade nicht der des Teilnehmendenfeldes) heranzuziehen.
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c) Das Verwaltungsgericht ist nach Auffassung des Senats auch zu Unrecht von einer unzureichenden Dokumentation des Auswahlverfahrens ausgegangen. Auf der Grundlage der in der Einzelvorlage vom 26. August 2022 enthaltenen Angaben zu den zugrundeliegenden wesentlichen Umständen der Auswahlentscheidung war augenscheinlich sowohl eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung durch den Kläger als auch eine gerichtliche Kontrolle der Entscheidung möglich. Selbst wenn man aber eine Verletzung der Dokumentationspflicht hätte annehmen wollen, hätte der Kläger daraus keine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs herleiten können, weil ausgeschlossen werden kann, dass er bei fehlerfreier Wiederholung des Auswahlvorgangs (mit ausreichender Dokumentation) zum Zuge hätte kommen können (vgl. OVGRhPf, B.v. 23.12.2013 – 2 B 11209/13 – juris Rn. 6 u. 12).
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2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG. Anzusetzen ist danach die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge eines Hauptfeldwebels mit Ausnahme der nicht ruhegehaltsfähigen Zulagen (hier: 42.982,56 EUR).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).