Titel:
zum generalpräventiven Ausweisungsinteresse
Normenketten:
AufenthG § 53 Abs. 1, Abs. 3a, § 54 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1a, § 55 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2
AsylG § 75 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Ein generalpräventives Ausweisungsinteresse liegt vor, wenn die Ausweisung an Straftaten oder Verhaltensweisen anknüpft, bei denen sie nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet erscheint, andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn eine Aufenthaltsbeendigung auf absehbare Zeit nicht möglich erscheint, kommt der Ausweisung dennoch verhaltenssteuernde (und damit gefahrenabwehrrechtliche) Wirkung zu, denn sie zielt in ihren Rechtswirkungen auf den Verlust des Aufenthaltstitels und hindert eine weitere aufenthaltsrechtliche Verfestigung. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Generalpräventive Ausweisung, Sofort vollziehbarer Widerruf der Flüchtlingseigenschaft, Zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, Inlandsbezogene Ausweisung, Besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, Kein höheres Gewicht des Bleibeinteresses wegen Abschiebungsverbot, Bestandskräftige Abschiebungsandrohung, Widerruf der Flüchtlingseigenschaft, Abschiebungsandrohung, generalpräventive Ausweisung, faktischer Inländer, Ausweisungsinteressen, Bleibeinteressen
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 19.10.2022 – AN 5 K 20.2831
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3122
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg.
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Der Kläger (ein syrischer Staatsangehöriger, eigenen Angaben zufolge am ... 2002 geboren) wendet sich mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2022, mit welchem seine Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2020 und den Ergänzungsbescheid vom 26. September 2022 sowie auf Verpflichtung der Beklagten zur Aufenthaltserlaubniserteilung abgewiesen wurde.
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Der Kläger ist nach eigenen Angaben am 16. Oktober 2015 als unbegleiteter Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 15. November 2016 wurde ihm bestandskräftig die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Vom 20. November 2016 bis 19. November 2019 war der Kläger im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG und in der Folgezeit im Besitz einer Fiktionsbescheinigung. Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts A. vom 28. Oktober 2019 (Bl. 212 ff. der eAkte), rechtskräftig seit 12. Dezember 2019, wurde der Kläger wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dem lag zugrunde, dass der Kläger, der das Entgelt für eine Taxifahrt nicht bezahlen konnte (was ihm vor Fahrtantritt bekannt war), den ihn verfolgenden Taxifahrer mehrfach gewürgt, zweimal in den rechten Arm gebissen und diesem einen Pflasterstein gegen die rechte Schläfe, den Hinterkopf sowie frontal auf die Stirn geschlagen hatte, wobei der Geschädigte mehrere klaffende Platzwunden erlitt, sodann die Gelegenheit zur Flucht genutzt und den stark blutenden Geschädigten an einem wenig frequentierten Ort zur Nachtzeit zurückgelassen hatte. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 27. Mai 2020 (Bl. 119 ff. der eAkte) wurde die Flüchtlingseigenschaft des Klägers aufgrund des Ausschlusstatbestandes des § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG widerrufen, wobei der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt, aber ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Syriens festgestellt wurde (Klage gegen den Widerrufsbescheid noch unter dem Az.: AN 15 K 20.30479 anhängig). Am 30. September 2021 wurde der Kläger, der sich ab dem 29. April 2019 in Untersuchungshaft und ab Rechtskraft der Verurteilung, die am 12. Dezember 2019 eintrat, in Haft befand, aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts B. vom 14. September 2021 unter Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (Bewährungszeit drei Jahre) entlassen.
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Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. November 2020 (Bl. 156 ff. der eAkte) wies die Beklagte den Kläger nach erfolgter Anhörung aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1 des Bescheides), erließ gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren ab der Ausreise befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot (die Sperrfrist wurde durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 19.10.2022 auf acht Jahre herabgesetzt) (Ziffer 2) und lehnte die Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 3). Mit Ergänzungsbescheid vom 26. September 2022 forderte die Beklagte den Kläger auf, das Bundesgebiet bis spätestens 26. Oktober 2022 zu verlassen (Ziffer 5), und drohte diesem die Abschiebung in einen anderen Staat als Syrien an (Ziffer 6).
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Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.
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Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
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1. Über den Antrag auf Zulassung der Berufung kann der Senat entscheiden, obwohl der Kläger mit am 16. Oktober 2023 eingegangenem Schreiben mitgeteilt hat, dass er derzeit ohne rechtlichen Beistand sei, da gegen seinen vorherigen Anwalt ein Strafverfahren laufe, und um die Möglichkeit gebeten hat, sich angemessen auf das „Abschiebungsverfahren“ vorzubereiten. Der Kläger hatte zwar einen Rechtsanwalt B. als Strafverteidiger, wird im Berufungszulassungsverfahren aber von Rechtsanwältin T. vertreten, die den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Schriftsatz vom 28. November 2022 gestellt und mit Schriftsatz vom 2. Januar 2022 begründet hat. Anhaltspunkte für ein Erlöschen des Mandats dieser Rechtsanwältin liegen nicht vor. Im Übrigen würde eine Kündigung der Vollmacht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO dem Gegner gegenüber erst mit der Anzeige der Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt rechtliche Wirksamkeit entfalten; dies gilt auch gegenüber dem Gericht (BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 22 ZB 22.2101 – juris Rn. 4). Hierauf wurde die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben des Gerichts vom 30. Oktober 2023 hingewiesen, ohne dass eine Reaktion erfolgte. Es ist daher davon auszugehen, dass der (nicht postulationsfähige) Kläger im Berufungszulassungsverfahren nach § 67 Abs. 4 Satz 1 und 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 VwGO ordnungsgemäß vertreten ist.
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2. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (siehe dazu 2.1), der besonderen tatsächlichen Schwierigkeit nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (siehe dazu 2.2), der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (siehe dazu 2.3) sowie eines beachtlichen Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (siehe dazu 2.4) sind schon nicht (ausreichend) dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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2.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen nur dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellt (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente schlagen jedoch nach dem Rechtsgedanken des § 144 Abs. 4 VwGO nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Maßgeblich für die Beurteilung dieses Zulassungsgrundes ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), so dass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7).
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Gemessen daran wirft der klägerische Vortrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils auf.
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Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht habe ungeachtet der sehr gut gelungenen Resozialisierung und der vorzeitigen, gerichtlich bewilligten Haftentlassung die Ausweisungsverfügung in der zuletzt vorliegenden Form unrechtmäßigerweise bestätigt. Die Ausweisung sei eine ordnungsrechtliche Maßnahme, die künftige Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im polizeirechtlichen Sinne, der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik verhindern solle. Sie sei daher immer zukunftsbezogen, präventiv auf die Abwehr einer zukünftigen Gefahr gerichtet, welche allerdings zumindest in gewisser Form konkretisiert sein müsse. Nach der erfolgten Gesetzesänderung könne diese zwar grundsätzlich auch noch auf generalpräventive Erwägungen, also die Abschreckung anderer Ausländer von der Begehung ähnlich gelagerter Straftaten, gestützt werden, sofern – und das sei an dieser Stelle wesentlich – nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiege. Dieser Ansicht könne jedoch der Wortlaut des Gesetzestextes und seine Regelungssystematik entgegengehalten werden, denn auch nach dem Willen des Gesetzgebers habe der Gefahrenbegriff des § 53 Abs. 1 AufenthG gegenüber dem bislang geltenden Recht nicht ausgeweitet werden sollen (m.V.a. BT-Drucks. 18/4097, S. 49). § 53 Abs. 1 AufenthG setze (in der Neufassung) eine Gefährdung voraus, welche vom Auszuweisenden ausgehen müsse. Die „generalpräventive Ausweisung“ ohne weitere Gefährdungsbeurteilung stehe – im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR – im Widerspruch zur im jeweiligen Einzelfall geforderten umfassenden, von Amts wegen durchzuführenden Interessenabwägung zwischen Ausweisungs- und Bleibeinteresse (m.V.a. Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 7. Aufl. 2020, S. 773). Art. 8 Abs. 2 EMRK setze eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte ergebnisoffene Abwägung für jeden Einzelfall voraus, in der dann die Schwere der Tat berücksichtigungsfähig sei. Dieses diene jedoch gerade nicht der Abschreckung. Im klageabweisenden Urteil sei aber gerade keine Abwägung vor dem Hintergrund der (vermeintlichen) Grundlage der Generalprävention vorgenommen worden. In diese Abwägung hätte die gelingende Integration und Resozialisation zwingend eingestellt werden müssen. Gerade nach den geschilderten, in den gerichtlichen Entscheidungen vom 13. Oktober 2022 und 19. Oktober 2022 erwähnten positiven Umständen und positiven Fortschritten hätten sich zudem als schweres Bleibeinteresse i.S.d. § 55 Abs. 2 AufenthG aufdrängen und in die erforderliche Abwägung übernommen werden müssen. Diese Vorschrift enthalte keinen abschließenden Katalog der schwerwiegenden Bleibeinteressen, sondern zähle die entsprechenden Aspekte lediglich beispielhaft auf, wie der Wortlaut „insbesondere“ verdeutliche. Damit seien die Umstände des Klägers, seine besonderen Fortschritte in der Integration nach dem vormaligen „Scheitern“ in den Vorjahren, besonders berücksichtigungswürdig. Ausbildung und vorzeitige Haftentlassung sowie die Verfolgung der Ausbildung auch außerhalb des reglementierten Rahmens der Jugendhaft hätten zu einer für das hiesige Verfahren beachtlichen Verwurzelung geführt, die das öffentliche Interesse an einer Ausweisung zurücktreten lasse, zumal die Tat mittlerweile über vier Jahre zurückliege und sich der Kläger in dieser Zeit rechtstreu verhalten habe. Weiterhin sei beachtlich, dass der Kläger als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling in die Bundesrepublik gelangt sei und sich hier seit 2015 über fünf Jahre aufhalte. Nach aller Lebenserfahrung habe damit eine Entwurzelung aus seiner Heimat stattgefunden. Auch dieser Aspekt sei zwingend in die Abwägung der widerstreitenden Interessen einzustellen gewesen. Der neugefasste Regelungskomplex habe insbesondere den Minderjährigenschutz im Rahmen der Interessenabwägung unter eben dem Aspekt der Entfremdung zum Heimatland eingestellt (m.V.a. Marx a.a.O. S. 827). Vorliegend sei dieser zwar nicht im Rahmen des besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses zu berücksichtigen, da dessen Voraussetzungen „knapp“ verfehlt würden, dennoch eröffne das schwere Bleibeinteresse einen maßgeblichen Aspekt dieser Umstände. Hinzukomme, dass trotz des Widerrufs das Bundesamt ein rechtskräftiges Abschiebeverbot hinsichtlich Syriens zugesprochen habe. Die dortigen Umstände verdeutlichten also, dass der Kläger bei einer Ausreise in sein Heimatland einer erheblichen Gefährdung an Leib und Leben ausgesetzt wäre. Ein dritter Mitgliedstaat sei nicht zur Aufnahme des Klägers verpflichtet, so dass dieser bereits aus diesem Grund in der Bundesrepublik verbleiben müsse und die von der Beklagten beabsichtigte und vom klageabweisenden Urteil bestätigte Abschreckungswirkung sich rein tatsächlich gar nicht umsetzen lasse. Die Ausweisungsverfügung sei daher diesbezüglich ein untaugliches Mittel und stelle damit bereits einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Die durch das Abschiebeverbot dokumentierte Gefahr des Klägers in seinem Heimatland führe darüber hinaus zu einem Überwiegen des Bleibeinteresses des Klägers (m.V.a. Marx a.a.O. S. 778). Zwar komme der Ausweisungsverfügung eine titelvernichtende Wirkung zu, welche ohne eine zwingend vorzunehmende korrekte Abwägung der widerstreitenden Interessen nunmehr Sanktionscharakter aufweise, dies sei jedoch keine geeignete Grundlage für die streitgegenständliche Entscheidung und vor dem Hintergrund des Verbots der Doppelbestrafung kein berücksichtigungsfähiger Aspekt im Rahmen der erforderlichen Abwägung im Einzelfall. Vorliegend habe das Gericht unzulässiger Weise allein die schematische Anwendung des Gesetzes ohne weitere Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände des Klägers und gerade nicht die notwendige Interessenabwägung vorgenommen. Daher sei bereits allein deshalb die Berufung zuzulassen, der geschilderten Fehlerhaftigkeit sei die Maßgeblichkeit der Entscheidung des streitgegenständlichen Urteils inhärent.
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Diese Rügen führen nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel.
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Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung ist – wie ausgeführt – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2007 – 1 C 45.06 – BVerwGE 130, 20). Nach den danach anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen erweist sich die Ausweisungsverfügung der Beklagten als rechtmäßig. Das Zulassungsvorbringen vermag die vom Verwaltungsgericht bestätigte Gefahrenprognose nicht in Frage zu stellen; es ist auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung weiterhin davon auszugehen, dass der Aufenthalt des Klägers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (§ 53 Abs. 1 AufenthG, vgl. nachfolgend 2.1.1). Das gegen die Gesamtabwägung gem. § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG des Verwaltungsgerichts gerichtete Zulassungsvorbringen rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel (2.1.2). Hinsichtlich der weiteren Maßnahmen zu Lasten des Klägers – einschließlich des befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots – in den Ziffern II bis VI des angegriffenen Bescheids (in der Gestalt des – mit Schriftsatz vom 18.10.2022 rechtzeitig gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 91 VwGO in die Klage einbezogenen – Ergänzungsbescheids vom 26.9.2022) hat der Kläger keine Zulassungsgründe dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.
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2.1.1 Das Verwaltungsgericht und die Beklagte haben die Ausweisung (im Ergebnis) zu Recht auf generalpräventive Erwägungen gestützt.
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Insoweit wendet sich der Kläger nicht gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 53 Abs. 3a AufenthG der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen nicht entgegenstehe, da die Klage gegen den Widerruf der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung entfalte, was auch unionsrechtlich (im Ergebnis) keinen Bedenken begegne, da eine Abschiebung des Klägers derzeit (mangels Benennung eines konkreten Zielstaats) ohnehin nicht durchgeführt werden könne. Es kann somit offenbleiben, ob die Wirkungen des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft aufgrund der Regelung des § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG bereits mit Eintritt der inneren Wirksamkeit greifen (davon geht offenbar der Gesetzgeber aus, vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 220 zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union; vgl. dazu OVG Bremen, B.v. 9.12.2020 – 2 B 240/20 – juris Rn. 11 ff.; Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, § 73b AsylVfG, Rn. 52; ebenso wohl Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 39. Ed. Stand 1.10.2023, AsylG § 73 Rn. 109; anderer Ansicht: Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 53 Rn. 95; offenlassend: BayVGH, B.v. 23.2.2016 – 10 B 13.1446 – juris Rn. 3; OVG LSA, B.v. 14.12.2022 – 2 M 93/22 – juris Rn. 21; VGH BW, U.v. 13.3.2001 – 11 S 2374/99 – juris Rn. 27). Folglich ist vorliegend nicht von dem erhöhten Ausweisungsschutz des § 53 Abs. 3a AufenthG (i.d.F. des Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts vom 21.12.2022, BGBl. I, S. 2847), sondern von dem Maßstab des § 53 Abs. 1 AufenthG auszugehen.
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Das Bundesverfassungsgericht hat – schon zu § 10 AuslG 1965 – entschieden, dass die Heranziehung generalpräventiver Gründe bei einer Ausweisungsentscheidung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird (BVerfG, B.v. 18.7.1979 – 1 BvR 650/77 – juris Rn. 37). Den im Zusammenhang mit der Neuregelung des Ausweisungsrechts ab dem 1. Januar 2016 vorliegenden Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass eine Ausweisungsentscheidung nach § 53 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich auch auf generalpräventive Gründe gestützt werden kann (BT-Drs 18/4097, S. 49). Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12. Juli 2018 (1 C 16.17 – juris) zunächst für die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dargelegt, dass und aus welchen Gründen auch allein generalpräventive Gründe ein Ausweisungsinteresse begründen, und sodann mit Urteil vom 9. Mai 2019 entschieden (1 C 21.18 – juris Rn.17), dass eine Ausweisung auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht auf generalpräventive Gründe gestützt werden kann. § 53 Abs. 1 AufenthG verlange nämlich nicht, dass von dem ordnungsrechtlich auffälligen Ausländer selbst eine Gefahr ausgehen müsse. Vielmehr müsse dessen weiterer „Aufenthalt“ eine Gefährdung bewirken. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen habe, könne aber auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine Wiederholungsgefahr mehr ausgehe, im Falle des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen.
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Dem Gedanken der Generalprävention liegt zugrunde, dass – über eine ggf. erfolgte strafrechtliche Sanktion hinaus – ein besonderes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Erforderlich ist regelmäßig, dass eine Ausweisungspraxis, die an die Begehung ähnlicher Taten anknüpft, geeignet ist, auf potentielle weitere Täter abschreckend zu wirken. Bei der generalpräventiven Aufenthaltsbeendigung ist besonders sorgfältig das Gewicht der mit ihr verfolgten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu ermitteln. Hierzu gehört auch für die Verwaltungsgerichte eine genaue Kenntnisnahme und Würdigung des der Aufenthaltsbeendigung zugrundeliegenden Tatgeschehens und seiner strafgerichtlichen Bewertung (BVerfG, B.v. 21.3.1985 – 2 BvR 1642/83 – juris Rn. 24). Eine Ausweisung ist allerdings nur dann geeignet, eine generalpräventive Wirkung zu erzielen, wenn eine kontinuierliche Ausweisungspraxis besteht, wenn die Anlasstat nicht derartig singuläre Züge aufweist, dass die an sie anknüpfende Ausweisung keine abschreckende Wirkung entfalten könnte, und wenn angesichts der Schwere der Straftat ein dringendes Bedürfnis auch für eine ordnungsrechtliche Prävention besteht (BVerwG, U.v. 14.2.2012 – 1 C 7.11 – juris Rn. 17). Grundsätzlich müssen daher auch bei einer generalpräventiv motivierten Ausweisung die konkreten Umstände der Straftat und der Lebensumstände des Ausländers individuell gewürdigt werden (BVerfG, B.v. 10.8.2007 – 2 BvR 535/06 – juris Rn. 28).
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Die Auffassung des Klägers, generalpräventive Gründe könnten bei ihm nicht ausreichen, um eine Ausweisung zu begründen, da er ein sogenannter „faktischer Inländer“ sei, trifft nicht zu (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2021 – 19 ZB 20.323 – juris Rn. 31). Der Kläger unterfällt, wie festgestellt, nicht dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 3, 3a oder 4 AufenthG. Mithin ist eine generalpräventiv begründete Ausweisung für den Kläger – auch dann, wenn er als sog. „faktischer Inländer“ anzusehen wäre – nicht per se, also von vornherein ausgeschlossen, sondern bedarf einer sorgfältigen Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im konkreten Einzelfall, bei der gegebenenfalls auch der Grad einer Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet und einer damit einhergehenden Entwurzelung im Herkunftsland angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, U.v. 14.2.2012 – 1 C 7.11 – juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 2.12.2020 – 2 B 257/20 – juris Rn. 28; Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 39. Ed. Stand 1.10.2023, § 53 Rn. 30) – siehe dazu nachfolgend 2.1.2.
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Ausweisung des Klägers aus generalpräventiven Gründen insbesondere in Anbetracht der Schwere der Anlasstat, der Umstände der Tatbegehung und der Lebensumstände des Ausländers zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung (noch) nicht unverhältnismäßig.
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Das generalpräventive Ausweisungsinteresse ist insoweit objektiv zu bestimmen (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 26 zum generalpräventiven Ausweisungsinteresse i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Hierfür sprechen vorliegend gewichtige Gründe. Der Kläger wurde, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist, wegen Straftaten aus dem 17. Abschnitt (Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit) sowie dem 20. Abschnitt (Raub und Erpressung) des Strafgesetzbuchs verurteilt. Dabei handelt es sich um Taten, die das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung besonders berühren. Des Weiteren ist auch die konkrete Art und Weise der Tatbegehung als besonders schwerwiegend anzusehen. Das Schöffengericht hat zur Begründung des Schuldspruchs ausgeführt, dass der Kläger sowohl bei dem massiven Würgegriff als auch bei den Schlägen auf den Kopf des Geschädigten mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe; das Vorliegen eines versuchten Tötungsdeliktes sei (dennoch) letztendlich zu verneinen gewesen, da der Kläger von weiteren Schlägen auf sein zu Boden gegangenes Opfer abgesehen und die Flucht ergriffen habe, so dass diesbezüglich von einem freiwilligen Rücktritt auszugehen sei. Die Tatbestandsmerkmale der das Leben gefährdenden Handlung als auch die Gefahr des Todes seien hingegen zweifellos anzunehmen, da der Kläger den Geschädigten so massiv gewürgt habe, dass dieser keine Luft mehr bekommen habe, Todesangst verspürt habe und im Anschluss daran in der Sprechfertigkeit deutlich beeinträchtigt gewesen sei. Ferner berge der Schlag mit einem 4,5 kg schweren Betonstein auf den Schädel des Opfers die Gefahr seiner Tötung in sich, da dieser sowohl am Oberkopf als auch in der Nähe der Schläfe getroffen worden sei, wobei die Ausführung der Schläge so heftig gewesen sei, dass am Kopf des Geschädigten zwei stark blutende Platzwunden entstanden seien. Letztlich habe der Kläger auch mit einem Ableben seines Opfers gerechnet, da er sich eigenem Bekunden zufolge nach der Tat wiederholt gefragt habe, ob sein Opfer noch lebe. Gegen den Kläger sei gemäß § 17 Abs. 2 JGG wegen der Schwere der Schuld Jugendstrafe zu verhängen gewesen, weil er durch sein Verhalten einen Verbrechenstatbestand erfüllt habe, der nach Erwachsenenstrafrecht mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren zu ahnden gewesen wäre (m.V.a. § 250 Abs. 2 StGB). Gleichzeitig habe er den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB erfüllt, wobei er in beiden Fällen gleich zwei Qualifikationsmerkmale verwirklicht habe, da neben der Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs für das Opfer jeweils die Gefahr des Todes bestanden habe. Aus diesen Ausführungen des Strafgerichts wird die konkrete erhebliche Schwere der begangenen Taten deutlich, wozu im Übrigen noch beiträgt, dass dem Geschädigten von den Schlägen mit dem Pflasterstein eine Narbe am Kopf verblieben ist. Zwar weist die Anlasstat die Besonderheit auf, dass der im Strafverfahren tätig gewordene Sachverständige beim Kläger eine Posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10: F43.1) festgestellt hat, die dem Begriff der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ im Sinne der §§ 20, 21 StGB zuzuordnen sei (S. 14 des Gutachtens des Gerichtsärztlichen Dienstes vom 15. August 2019, Bl. 143 der VG-Akte) und in deren Folge sowie im Zusammenwirken mit der Alkoholintoxikation zur Tatzeit (laut Gutachter rechnerisch maximal 1,6 Promille), welche einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB entspreche, von einer verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne eines reduzierten Hemmungsvermögens im Sinne des § 21 StGB auszugehen sei. Letzterem ist das Schöffengericht aufgrund der Beweisaufnahme, insbesondere der Zeugenaussage des Geschädigten jedoch nicht gefolgt und ist demzufolge nicht von einer alkoholbedingten Enthemmung des Klägers, sondern von einer leichtgradigen Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund der PTBS ausgegangen (S. 12 f. des Strafurteils). Das Amtsgericht hat jedoch auch ausgeführt, dass zur Begehung einer solchen Tat mit der von dem Kläger an den Tag gelegten brutalen und rücksichtslosen Vorgehensweise, welche von einer erheblichen Geringschätzung der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens anderer Menschen zeuge, selbst bei Annahme einer leichtgradigen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit infolge der PTBS regelmäßig eine höhere Hemmschwelle überwunden werden müsse. Damit steht fest, dass der Kläger im Tatzeitpunkt nicht derart in seiner Steuerungsfähigkeit vermindert war, dass die konkrete Art und Weise der Tatbegehung als weniger schwerwiegend – und deshalb das generalpräventive Ausweisungsinteresse mindernd – einzustufen wäre. Ein generalpräventives Ausweisungsinteresse liegt somit vor. Erforderlich ist dafür lediglich, dass die Ausweisung an Straftaten oder Verhaltensweisen anknüpft, bei denen sie nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet erscheint, andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (BVerwG, U.v. 3.5.1973 – I C 33.72 – juris Rn. 34; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 53 AufenthG Rn. 64; Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 39. Ed. Stand 1.10.2023, § 53 AufenthG Rn. 32). Eine angemessene generalpräventive Wirkung der Ausweisung ist nicht zu erwarten bzw. ein Bedürfnis für ein generalpräventives Einschreiten besteht nicht, wenn der Sachverhalt Besonderheiten, insbesondere derart singuläre Züge, aufweist, dass die beabsichtigte Abschreckungswirkung nicht eintritt (BayVGH, B.v. 5.10.2021 – 10 ZB 21.1725 – juris Rn. 12; VGH BW, U.v. 2.1.2023 – 12 S 1841/22 – juris Rn. 88). Ein solcher Fall liegt nicht vor.
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Auch wenn das Amtsgericht die Vollstreckung des Strafrestes (nach Verbüßung eines Teils der Jugendstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten) gemäß § 88 Abs. 1 und 2 JGG zur Bewährung ausgesetzt hat, vermag dies die Schwere der Anlasstat nicht zu entkräften. Allein aufgrund der Verurteilung wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung liegt in der Person des Klägers ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1, 1b AufenthG vor. Diese Norm stellt (anders als z.B. § 54 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) nicht darauf ab, dass die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern (BGBl. I, 394) am 17. März 2016 musste eine Strafe von „mehr als“ zwei Jahren vorliegen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Die jetzige Gesetzesfassung stellt eine gewollte weitere Verschärfung des Ausweisungsrechts dar (vgl. BT-Drs. 18/7537, S. 5, 7), da § 56 StGB es ermöglicht, eine Freiheitsstrafe von genau zwei Jahren noch zur Bewährung auszusetzen (Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 54 Rn. 9). Dem Beschluss zur Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung sind keine Anhaltspunkte für eine abweichende Würdigung der Taten unter generalpräventiven Gesichtspunkten zu entnehmen (vgl. Bl. 113 ff. der VG-Akte). Dies alles in den Blick nehmend musste das Verwaltungsgericht dem Umstand, dass die Vollstreckung des (noch nicht verbüßten) Rests der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist, keine ausschlaggebende Bedeutung beimessen.
22
Alles in Allem begründen sowohl die abstrakte Art und Schwere der begangenen Straftaten als auch deren konkrete Beurteilung durch das Strafgericht für ein gewichtiges Interesse an einer generalpräventiven Ausweisung, um andere Ausländer – zumindest im Umfeld des Klägers – von der Begehung derart gravierender, gegen höchste Rechtsgüter gerichteter, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung in erheblichem Maße beeinträchtigender und in äußerst rücksichtsloser und brutaler Weise ausgeführter Taten abzuschrecken. Es würde das Sicherheitsempfinden der Allgemeinheit und das Vertrauen in die Fähigkeit des Staates, Sicherheit und Rechtsfrieden zu garantieren, erheblich beeinträchtigen, wenn auf solche Taten keine harte Reaktion (auch) des Gefahrenabwehrrechts erfolgte.
23
Der Ausweisungsgrund kann dem Kläger auch weiterhin entgegengehalten werden. Hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung eines (generalpräventiven) Ausweisungsinteresses, das an strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, für die vorzunehmende gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung orientiert sich die Rechtsprechung an den Fristen der §§ 78 ff. StGB zur Strafverfolgungsverjährung (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 23). Demnach bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Bei abgeurteilten Straftaten bilden die Tilgungsfristen des § 46 BZRG zudem eine absolute Obergrenze, weil nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden dürfen (§ 51 BZRG). Vorliegend ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats die gemäß § 78a StGB mit dem Zeitpunkt der Tatbeendigung (24.9.2019) beginnende, zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB noch nicht abgelaufen. Des Weiteren greift hinsichtlich der Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten die zehnjährige Tilgungsfrist nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c BZRG (außer in den Fällen der Nummer 1 Buchst. d bis f, welche hier nicht vorliegen – insbesondere nicht Nr. 1 Buchst. e, da die Bewährungszeit noch nicht abgelaufen ist). Die Tilgungsfrist ist seit dem Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung (am 12.12.2019) noch nicht abgelaufen. Da die Ausweisung des Klägers von generalpräventiven Erwägungen getragen wird, kann dahinstehen, ob die Maßnahme im Entscheidungszeitpunkt noch durch Gründe der Spezialprävention getragen wird.
24
Dem Kläger ist ferner nicht darin zu folgen, dass aufgrund des festgestellten Abschiebeverbots hinsichtlich Syriens die von der Beklagten beabsichtigte und vom klageabweisenden Urteil bestätigte Abschreckungswirkung sich rein tatsächlich gar nicht umsetzen lasse, weshalb die Ausweisungsverfügung diesbezüglich ein untaugliches Mittel sei und bereits deshalb einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darstelle, dass darüber hinaus die durch das Abschiebeverbot dokumentierte Gefahr des Klägers in seinem Heimatland zu einem Überwiegen des Bleibeinteresses des Klägers (m.V.a. Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 7. Aufl. 2020, S. 773) führe und dass überdies der Ausweisungsverfügung zwar eine titelvernichtende Wirkung zukomme, welche ohne eine zwingend vorzunehmende korrekte Abwägung der widerstreitenden Interessen nunmehr Sanktionscharakter aufweise, was jedoch keine geeignete Grundlage für die streitgegenständliche Entscheidung und vor dem Hintergrund des Verbots der Doppelbestrafung kein berücksichtigungsfähiger Aspekt im Rahmen der erforderlichen Abwägung im Einzelfall sei. Soweit der Kläger mit diesem Vorbringen die Gewichtung und Abwägung seiner Bleibeinteressen gegenüber dem Ausweisungsinteresse anspricht, ist auf die Ausführungen zur Interessenabwägung zu verweisen (siehe nachfolgend 2.1.2). Soweit der Kläger mit seinem Vortrag hingegen darauf abzielt, dass die Ausweisung ein untaugliches Mittel darstelle, weil sich die mit der Maßnahme beabsichtigte Abschreckungswirkung aufgrund des Fehlens eines aufnahmebereiten bzw. -verpflichteten Staates nicht umsetzen lasse, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Auch wenn kein dritter aufnahmebereiter oder aufnahmeverpflichteter Staat ersichtlich ist – was anderenfalls die Beklagte darzulegen hätte – und deshalb eine Aufenthaltsbeendigung auf absehbare Zeit nicht möglich erscheint, kommt der Ausweisung dennoch verhaltenssteuernde (und damit gefahrenabwehrrechtliche) Wirkung zu, denn sie zielt in ihren Rechtswirkungen auf den Verlust des Aufenthaltstitels (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und hindert eine weitere aufenthaltsrechtliche Verfestigung (vgl. §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie bewirkt zudem den Verlust sonstiger Ansprüche, die den Besitz eines Aufenthaltstitels voraussetzen, und ist rechtliche Grundlage für weitere belastende ausländerrechtliche Maßnahmen (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 23; VGH BW, U.v. 2.1.2023 – 12 S 1841/22 – juris Rn. 92; OVG Bremen, U.v. 30.8.2023 – 2 LC 116/23 – juris Rn. 23, 39; Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 39. Ed. Stand 1.10.2023, AufenthG § 53 Rn. 6). Diese Folgen sind durchaus geeignet, auf potentielle andere Täter verhaltenssteuernd einzuwirken. Ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung – wie von dem Kläger behauptet – liegt schon deshalb nicht vor, weil die Ausweisung eine ordnungsrechtliche Maßnahme zur Abwehr künftiger Gefahren und keine strafrechtliche Sanktion begangenen Unrechts darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2015 – 1 B 26.15 – juris Rn. 7 m.V.a. Rspr. des EGMR; BayVGH, B.v. 14.6.2021 – 10 ZB 21.1522 – juris Rn. 10).
25
Die Ausweisung des Klägers verstößt im Übrigen nicht gegen Unionsrecht, insbesondere kommt es nicht darauf an, dass die (nicht angegriffene und daher bestandskräftige) Abschiebungsandrohung einen konkreten Zielstaat nicht benennt (vgl. dazu EuGH, U.v. 22.11.2022 – C-69/21 – juris Rn. 53; U.v. 6.7.2023 – C-663/21 – juris Rn. 46; OVG MP, U.v. 7.12.2022 – 4 LB 233/18 – juris Rn. 75; VGH BW, U.v. 2.1.2023 – 12 S 1841/22 – juris Rn. 131; OVG Bremen, U.v. 30.8.2023 – 2 LC 116/23 – juris Rn. 66), da nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts selbst das Nichtergehen oder die Aufhebung einer Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 der RL 2008/115/EG die Rechtmäßigkeit der Ausweisung unberührt lässt, da die Ausweisung nicht dem Anwendungsbereich der RFRL unterfällt (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2023 – 1 C 32.22 – juris Rn. 22 m.V.a. EuGH, U.v. 22.11.2022 – C-69/21, X – juris Rn. 84; BVerwG, U.v. 16.2.2022 – 1 C 6.21 – juris Rn. 40 ff.; U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 10 ff.). Offenbleiben kann des Weiteren, ob eine Abschiebungsandrohung nach nationalem Recht ohne konkrete Benennung eines Zielstaates überhaupt rechtmäßig ergehen kann (verneinend: VGH BW, B.v. 2.1.2023 – 12 S 1841/22 – juris Rn. 122; offengelassen: BVerwG, U.v. 25.7.2000 – 9 C 42.99 – juris Rn. 10).
26
2.1.2 Die von dem Verwaltungsgericht bestätigte Gesamtabwägung der Beklagten gemäß § 53 Abs. 1, 2 AufenthG ist nicht zu beanstanden.
27
Ein Ausländer kann – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nur dann ausgewiesen werden, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (§ 53 Abs. 1 AufenthG). In die Abwägung sind somit die in § 54 AufenthG und § 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Die gesetzliche Unterscheidung in besonders schwerwiegende und schwerwiegende Ausweisungs- und Bleibeinteressen ist für die Güterabwägung zwar regelmäßig prägend (BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 39). Eine schematische und allein in den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkretem Gewicht, zuwiderlaufen würde, ist aber unzulässig (BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – juris Rn. 41 bereits zum früheren Ausweisungsrecht). Im Rahmen der Abwägung ist mithin nicht nur von Belang, wie der Gesetzgeber das Ausweisungsinteresse abstrakt einstuft. Vielmehr ist das dem Ausländer vorgeworfene Verhalten, das den Ausweisungsgrund bildet, im Einzelnen zu würdigen und weiter zu gewichten, da gerade bei prinzipiell gleichgewichtigem Ausweisungs- und Bleibeinteresse das gefahrbegründende Verhalten des Ausländers näherer Aufklärung und Feststellung bedarf (BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 39). Der Gesetzgeber hat im Ausweisungsrecht in differenzierter Weise die Schutzwürdigkeit familiärer Bindungen ausdrücklich berücksichtigt und ihnen normativ verschieden gewichtete Bleibeinteressen zugeordnet (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 2 Nr. 3 bis 6 AufenthG). Die Katalogisierung schließt es aber nicht aus, dass andere, nicht ausdrücklich in § 55 Abs. 1 AufenthG benannte Interessen und Umstände bei der zu treffenden Abwägungsentscheidung jeweils mit einem Gewicht einzustellen sein können, das einem besonders schwerwiegenden Bleibeinteresse entsprechen kann (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt/Bauer, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 55 Rn. 5).
28
Vorliegend ergeben die gesetzlichen Typisierungen ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses gegenüber dem Bleibeinteresse des Klägers. Auch bei der gebotenen Einbeziehung der Umstände des Einzelfalls überwiegt das Ausweisungsinteresse, selbst wenn der Kläger – was das Verwaltungsgericht jedenfalls nicht ausgeschlossen hat – als faktischer Inländer anzusehen wäre (vgl. zur Bedeutung der Integrationsleistungen bei der Frage des faktischen Inländers BVerwG, U.v. 29.9.1998 – 1 C 8.96; U.v. 30.3.2010 – 1 C 8/09 – jeweils juris).
29
Nach der gesetzlichen Typisierung hat der Kläger besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a AufenthG verwirklicht. Dem steht schon kein gleich gewichtiges Bleibeinteresse des Klägers gegenüber. Er kann sich auf kein gesetzlich normiertes vertyptes Bleibeinteresse gemäß § 55 AufenthG berufen. Der Kläger, der (nach eigenen Angaben) am 16. Oktober 2015 als Minderjähriger in das Bundesgebiet einreiste und vom 20. November 2016 bis 19. November 2019 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG (und in der Folgezeit im Besitz einer Fiktionsbescheinigung) war, hat sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausweisungsverfügung vom 19. November 2020 (vgl. Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 39. Ed. Stand 1.10.2023, AufenthG § 55 Rn. 24 f.), hier am 24. November 2020 (vgl. Bl. 180 der eAkte) nicht seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und war im maßgeblichen Zeitpunkt auch nicht mehr im (tatsächlichen) Besitz einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. dazu BVerwG, U.v. 16.11.2023 – 1 C 32.22 – juris Rn. 13 f.), weshalb er weder das besonders schwerwiegende Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG noch das schwerwiegende Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG für sich in Anspruch nehmen kann. Aufenthalte auf der Grundlage einer Erlaubnis- oder Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 gelten gemäß § 55 Abs. 3 AufenthG als rechtmäßiger Aufenthalt, sofern dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde, was vorliegend nicht der Fall ist, da die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. November 2020 versagt wurde.
30
Entgegen der Auffassung des Klägers führt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes zu seinen Gunsten durch das Bundesamt nicht zu einem höheren Gewicht seiner Bleibeinteressen. Vielmehr sind in einem solchen Fall nach den für die sogenannte „inlandsbezogene Ausweisung“ entwickelten Grundsätzen die Bleibeinteressen des betroffenen Ausländers geringer zu gewichten, da deren konkrete Beeinträchtigung durch eine Abschiebung nicht droht (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2023 – 1 C 32.22 – juris Rn. 21; U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 28; U.v. 25.7.2017 – 1 C 12.16 – juris Rn. 31; U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 58). Die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG hat daher nicht zur Konsequenz, dass die Abwägung im Rahmen des § 53 Abs. 1 AufenthG zugunsten des Klägers ausfällt, da die gegen ihn sprechenden Belange im Übrigen überwiegen:
31
Die Beklagte und das Verwaltungsgericht haben im Rahmen der Abwägungsentscheidung die Dauer des Aufenthalts des Klägers ebenso mit dem ihr zukommenden Gewicht berücksichtigt, wie etwaige Folgen für sein Privatleben. Die Ausweisung des (nicht im Bundesgebiet geborenen) Klägers ist auch unter Berücksichtigung seines Privatlebens – Verwandte im Bundesgebiet hat er, abgesehen von seinem mit ihm eingereisten Onkel, dem jedoch aufgrund der Verschlechterung der persönlichen Beziehung bereits im Januar 2018 die Vormundschaft für den Kläger entzogen worden war, nicht – weder ein Verstoß gegen Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK noch unverhältnismäßig.
32
Der Kläger kann gegen die Ausweisung nicht mit Erfolg einwenden, dass er durch seine Aufenthaltsdauer und Integration im Bundesgebiet einen derart hohen Grad der Verwurzelung erreicht habe, dem eine entsprechende Entwurzelung im Herkunftsland gegenüberstehe, dass die Aufenthaltsbeendigung vor dem Hintergrund des grund- und menschenrechtlichen Schutzes des Privatlebens nach Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK unverhältnismäßig wäre. Ein generelles Ausweisungsverbot für „faktische Inländer“ besteht nicht (BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – juris Rn. 19; BVerwG, U.v. 16.11.2023 – 1 C 32.22 – juris Rn. 16 f.; EGMR, U.v. 18.10.2006 – Üner, 46410/99 – juris Rn. 57). Bei der Ausweisung im Bundesgebiet geborener (oder wie der Kläger als Minderjährige eingereister) Ausländer ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der besonderen Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe darstellt, in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen (BVerfG, B.v. 25.8.2020 – 2 BvR 640/20 – juris Rn. 24).
33
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht insoweit ausgeführt, dass dem Kläger – trotz seiner Aufenthaltsdauer von (im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts) etwa sieben Jahren im Bundesgebiet, davon bis zum Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis vier Jahren rechtmäßigen Aufenthaltes – ausweislich seines schulischen und sozialen Werdegangs eine tragfähige Integration ins Bundesgebiet bislang nicht gelungen ist. Zu ergänzen ist – bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats –, dass zwar nach der gegenwärtig positiven Entwicklung des Klägers, wie sie aus den vorliegenden Berichten der Bewährungshilfe sowie den Stellungnahmen der Arbeitgeber hervorgeht, zu beurteilen, die Aussicht auf eine erfolgreiche Resozialisierung und Integration des Klägers in die Rechts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland besteht. In diesem Sinne lassen das zur Aussetzung des Strafrestes führende Sachverständigengutachten vom 7. Juli 2021 (Bl. 72 ff. der VG-Akte), die Berichte der JVA vom 21. Juli 2021 (Bl. 51 der VG-Akte) und vom 30. August 2021 (Bl. 109 der VG-Akte) sowie die Berichte der Bewährungshilfe vom 31. Januar 2022 (Bl. 117 der VG-Akte) und vom 15. März 2022 (Bl. 197 der VG-Akte) eine positive Entwicklung des Klägers erkennen. Aus den genannten Gutachten bzw. Berichten geht hervor, dass der Kläger bereits im Strafvollzug sowohl seine PTBS behandeln ließ als auch seine Alkoholproblematik aufarbeitete. Den entsprechenden Weisungen im Aussetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 14. September 2021 kommt der Kläger nach den Angaben der Bewährungshilfe nach. Weitere strafrechtliche Verurteilungen des Klägers nach der Anlassverurteilung liegen nicht vor. Des Weiteren zeigen die Stellungnahmen der Ausbilder bzw. Arbeitgeber des Klägers, der ab dem 1. Oktober 2021 eine Lehre als Koch absolviert und diese nach eigenen Angaben (im am 16.10.2023 eingegangenen Schreiben des Klägers) wegen guter Leistungen verkürzt abschließen konnte, eine positive Entwicklung. Überdies spricht der Umstand, dass der Kläger (nach eigenen Angaben) im laufenden Jahr eine eigene Wohnung bezogen hat und regelmäßig – entsprechend den Bewährungsauflagen im Aussetzungsbeschluss – seine Gespräche mit seinem Bewährungshelfer und psychologischen Behandlungstermine im Bezirksklinikum A. wahrgenommen hat (vgl. die mit am 16.10.2023 eingegangenem Schreiben des Klägers vorgelegte Bescheinigung vom 28.3.2023), für eine gewisse Stabilisierung der Lebensumstände des Klägers. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Umstände, welche geeignet sind, die Schwere der begangenen Tat und Tatumstände sowie das darauf gegründete Ausweisungsinteresse entfallen zu lassen. Aus diesen Umständen lässt sich jedoch (noch) nicht auf einen derart starken Grad der Verwurzelung schließen, dass eine Aufenthaltsbeendigung – auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK – als unverhältnismäßig erscheinen könnte. Der bisher zu betrachtende Zeitraum ist nicht lang genug, um von einer nachhaltigen Verhaltensänderung ausgehen zu können. Dem steht auch die Schwere der von dem Kläger begangenen Straftaten gegen höchste Rechtsgüter und die Schwere der konkreten Tatbegehung, wie dargestellt, nach wie vor entgegen. Des Weiteren ist insoweit – das Bleibeinteresse mindernd – zu berücksichtigen, dass eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung des Klägers aufgrund des bestehenden zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots bis auf Weiteres nicht realistisch ist (vgl. BVerwG U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 28). Der Kläger ist somit infolge der Ausweisung weder gezwungen, seinen hier durch eine eigene Wohnung gegründeten Lebensmittelpunkt noch seine derzeitige Beschäftigung als Koch, die er auch mit seinem aktuellen Aufenthaltsstatus (Duldung) ausüben konnte, aufzugeben. Des Weiteren hat die Beklagte im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung zu Recht angenommen, dass dem Kläger – der sein Heimatland erst im Alter von über 13 Jahren verlassen hat, also dort über eine beträchtliche Zeit seines Lebens hinweg sozialisiert wurde – eine Reintegration dort ohne größere Schwierigkeiten wieder gelingen würde.
34
Der vom Kläger als Straftäter ins Feld geführte Aspekt der Resozialisierung steht einer Ausweisung – weder gefahrenabwehrrechtlich noch als Bleibeinteresse in der Abwägung – entgegen (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2013 – 1 B 17.12 – juris Rn. 7; U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 10.2.2022 – 19 ZB 21.2650 – juris Rn. 37 ff.). Dies gilt auch für den Umstand, dass ein Verlassen des Aufnahmestaates für die weitere Resozialisierung des Klägers möglicherweise weniger günstig ist, weil das Ausweisungsrecht nicht der Resozialisierung des von der Ausweisung Betroffenen dient (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2013 a.a.O.; U.v. 15.1.2013 a.a.O.; BayVGH, B.v. 10.2.2022 a.a.O.).
35
Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Abwägung die Bleibeinteressen des Klägers zutreffend gewürdigt, ist jedoch in nicht zu beanstandender Weise in Anbetracht des Gewichts der begangenen Straftaten von einem Überwiegen des öffentlichen Ausweisungsinteresses ausgegangen. Diese Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts sind nicht zu beanstanden.
36
2.2 Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.
37
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.).
38
Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt. Ob besondere tatsächliche Schwierigkeiten bestehen, ist unter Würdigung der aufklärenden Tätigkeit des Verwaltungsgerichts zu beurteilen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 33). Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische, aber sorgfältige, die Sache überblickende Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Die Offenheit des Ergebnisses charakterisiert die besondere rechtliche Schwierigkeit und rechtfertigt – insbesondere zur Fortentwicklung des Rechts – die Durchführung des Berufungsverfahrens (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 16, 25, 27). Dabei ist der unmittelbare sachliche Zusammenhang des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mit Abs. 2 Nr. 1 VwGO in den Blick zu nehmen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 25). Schwierigkeiten solcher Art liegen vor, wenn der Ausgang des Rechtsstreits aufgrund des Zulassungsvorbringens bei summarischer Prüfung als offen erscheint und sich die aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen nicht schon ohne Weiteres im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren mit der erforderlichen Sicherheit klären und entscheiden lassen.
39
Für die Darlegung der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten genügt dabei nicht die allgemeine Behauptung eines überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrads. Vielmehr ist erforderlich, dass sich der Kläger mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil substanziell auseinandersetzt und im Einzelnen darlegt, hinsichtlich welcher aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung auftretenden Fragen sich besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten ergeben sollen (BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 21 m.w.N.).
40
Diesen Darlegungsanforderungen wird der Kläger nicht gerecht. Mit seinen Ausführungen, er sei nach allen Umständen derzeit als „faktischer Inländer“ anzusehen; wenngleich solche grundsätzlich auch ausgewiesen werden könnten, genüge die allein auf den Grund der Generalprävention ohne weitere Abwägung und Gefahrenprognose nicht den Erfordernissen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, sofern dies eben ohne individuelle Würdigung der Umstände eines mehrjährigen Aufenthalts und des postdeliktischen Verhaltens des Klägers geschehe; die Beklagte habe diesen wegen lediglich eines schwerwiegenden Delikts ausgewiesen und das diese Ordnungsverfügung bestätigende Urteil missachte den Grundsatz der Maßgeblichkeit der mündlichen Verhandlung und die Entscheidungserheblichkeit der Tatsachen, die in diesem [im Original hervorgehobenen] Zeitpunkt vorlägen; so habe, wie bereits dargelegt, der Kläger sich einwandfrei geführt und gezeigt, dass er zu einem rechtstreuen Leben imstande sei, und dies auch nach der Haftentlassung umgesetzt, begründet der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, legt jedoch weder die überdurchschnittliche Schwierigkeit der Rechtsache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht noch den Bedarf einer Klärung durch ein Berufungsverfahren dar. Es wird nicht dargelegt, worin bei summarischer Prüfung die Offenheit des Ausgangs des Rechtsstreits liegen soll und inwiefern sich die aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen nicht schon ohne Weiteres im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren mit der erforderlichen Sicherheit klären und entscheiden lassen. Wie ausgeführt, steht auch die Einstufung eines Ausländers als „faktischer Inländer“ im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK einer Ausweisung – auch aus generalpräventiven Gründen (vgl. dazu obige Ausführungen sowie BVerwG, U.v. 16.11.2023 – 1 C 32.22 – juris Rn. 16 f.; BayVGH, B.v. 23.9.2021 – 19 ZB 20.323 – juris Rn. 31) – nicht grundsätzlich entgegen; vielmehr ist im Einzelfall herauszuarbeiten, inwieweit eine Ausweisung auch vor dem Hintergrund eines langjährigen Aufenthaltes im Aufnahmestaat und (zusätzlich) einer weitgehenden Integration mit Blick auf den Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK noch verhältnismäßig ist.
41
2.3 Die Rechtssache hat auch nicht die von dem Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (stRspr., vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2019 – 10 ZB 19.275 – juris Rn. 7; B.v. 8.9.2019 – 10 ZB 18.1768 – Rn. 11; B.v. 14.2.2019 – 10 ZB 18.1967 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 10 ZB 15.1394 – juris Rn. 16 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72). Klärungsbedürftig sind solche Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend ober- und höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG, B.v. 28.4.2011 – 1 BvR 3007/07 – juris Rn. 21; Roth in Posser/Wolff, BeckOK, VwGO, Stand 1.1.2019, § 124 Rn. 55 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 38). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann (stRspr., BVerwG, B.v. 9.4.2014 – 2 B 107.13 – juris Rn. 9 m.w.N.; BVerfG, B.v. 29.7.2010 – 1 BvR 1634/04 – juris Rn. 64). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (Happ, a.a.O. § 124a Rn. 72 m.w.N.).
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Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen des Klägers schon deshalb nicht gerecht, weil keine konkrete, klärungsbedürftige und in einem Berufungsverfahren klärungsfähige Frage formuliert wird. Soweit der Kläger vorträgt, es bestünden auch grundsätzliche Zweifel an der Zulässigkeit der generalpräventiv begründeten Ausweisung; in jedem Fall müsse wegen des Wortlauts der Ausweisungsregelung allein durch den „weiteren Verbleib“ des Ausländers eine aktuelle und konkrete Gefährdung ausgehen; dies sei jedoch vor allem dann nicht mehr der Fall, wenn die zuständige Strafvollstreckungskammer entsprechend § 57 StGB die ausstehende Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt habe und die Ausländerbehörde dieser günstigen Sozialprognose nichts Nachteiliges entgegensetzen könne; darüber hinaus müsse das Ausweisungsinteresse auch weiterhin aktuell sein und sich über die bereits in der Vergangenheit liegende Tat durch weitere Umstände begründen lassen (m.V.a. Kabis in Oberhäuser [Hrsg.], Migrationsrecht in der Beratungspraxis, 2019, S. 431); damit sei in jedem Fall auch eine individuelle Prognose der Wiederholungsgefahr zu prüfen (m.V.a. Marx a.a.O. S. 843 ff.); das Gericht der Strafvollstreckung habe im vorliegenden Sachverhalt auf die begründete und durch Sachverständigengutachten bestätigte Annahme fehlender zukünftiger Delinquenz die Aussetzung zur Bewährung entschieden und damit auch einer etwaigen (konkreten) Wiederholungsgefahr eine Absage erteilt; vorliegend habe der Kläger aufgrund der einwandfreien Führung und des weiteren postdeliktischen Verhaltens vorzeitig entlassen werden können und es lägen gerade keine weiteren negativen Anhaltspunkte vor; im Gegenteil ließen die gelungene Integration, das Sich-Einbringen auf dem Arbeitsmarkt und auch die weitere Resozialisation den Kläger zu einem wertvollen Mitglied der deutschen Gesellschaft werden; die aufgeworfenen Fragen bzw. Kritikpunkte könnten in der Berufungsinstanz geklärt werden, so dass diese jeweils auch entscheidungserheblich seien und zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung beitragen würden, zielt der Kläger zwar auf die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung ab, rügt aber die inhaltliche Richtigkeit der Würdigung seines Einzelfalles und begründet damit wiederum ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezweckt aber gerade nicht die Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit.
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Der Kläger macht zum einen geltend, dass eine generalpräventive Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG in der geltenden Fassung nicht mehr zulässig sei. Diese Frage ist jedoch, wie dargelegt, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt und bedarf damit keiner Klärung in einem Berufungsverfahren mehr. Wie ausgeführt, hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine Ausweisung (bzw. ein Ausweisungsinteresse) auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht auf generalpräventive Gründe gestützt werden kann (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 17; U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris), da § 53 Abs. 1 AufenthG nicht verlangt, dass von dem ordnungsrechtlich auffälligen Ausländer selbst eine Gefahr ausgehen muss, sondern dass dessen weiterer „Aufenthalt“ eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bewirken muss, was aber bei einem Ausländer, der Straftaten begangen hat, auch dann der Fall sein kann, wenn von ihm selbst keine Wiederholungsgefahr mehr ausgeht, im Falle des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen.
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Zum anderen will der Kläger darauf hinaus, dass in seinem Falle (u.a.) aufgrund der Strafrestaussetzung zur Bewährung und der von ihm erbrachten Resozialisierungsleistungen eine Ausweisung nicht mehr zulässig sei. Den Klärungsbedarf dieser Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Fortentwicklung des Rechts legt er jedoch nicht dar. Wie ausgeführt, ist die Ausweisung durch generalpräventive Erwägungen gerechtfertigt, weshalb es auf die konkrete Wiederholungsgefahr durch das persönliche Verhalten des Klägers nicht ankommt. Des Weiteren wurde dargelegt, dass auch die bereits nachgewiesenen Resozialisierungsleistungen in der Gesamtschau nicht zu einem überwiegenden Bleibeinteresse des Klägers oder einer entsprechenden, die Ausweisung (im Hinblick auf Art. 8 EMRK) als unverhältnismäßig erscheinen lassenden Verwurzelung führen. Im Übrigen ist in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung auch geklärt, dass der Aspekt der Resozialisierung einer Ausweisung – weder gefahrenabwehrrechtlich noch als Bleibeinteresse in der Abwägung – entgegensteht (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2013 – 1 B 17.12 – juris Rn. 7; U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 10.2.2022 – 19 ZB 21.2650 – juris Rn. 37 ff.).
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2.4 Den im Berufungszulassungsantrag angesprochenen beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO hat der Kläger nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO).
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).