Titel:
Nutzungsuntersagung eines Grundstücks
Normenketten:
BayBO Art. 57, Art. 76
BayVwVfG Art. 37
Leitsatz:
Die Nutzungsuntersagung eines Grundstücks muss hinreichend bestimmt (Art. 37 BayVwVfG) sein. (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nutzungsuntersagung, Schaustellerbetrieb, Bestimmtheit, Vollstreckungsfähigkeit (verneint), gewerbliche Nutzung., Grundstück, gewerbliche Nutzung, Vollstreckungsfähigkeit, Container, Carport, Lagerung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 19.01.2023 – RO 7 K 20.686
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3121
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beigeladenen tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt.
Gründe
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Die Beigeladenen verteidigen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser ihrem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten auf dem benachbarten, der Klägerin gehörenden Grundstück nachgekommen ist. Er hatte der Klägerin mittels zwangsgeldbewehrter Anordnung u.a. die Nutzung ihres Grundstücks für gewerbliche Tätigkeiten, das Abstellen privater Fahrzeuge und Gerätschaften sowie die Lagerung privater Gegenstände mit Ausnahme von Kleinmengen, die auf den Hochwasserabfluss keinen Einfluss haben, weitgehend untersagt und die Beseitigung der nordöstlich des Hauptgebäudes befindlichen Container und des Carports angeordnet.
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Das Verwaltungsgericht hat der dagegen gerichteten Klage der Klägerin im Wesentlichen stattgegeben und den angefochtenen Bescheid mit Ausnahme der verfügten Beseitigung des Carports sowie der festgesetzten Auslagen aufgehoben. Bezüglich der umfassenden Untersagung gewerblicher Tätigkeiten auf dem klägerischen Grundstück – mit Ausnahme des genehmigten Abstellens leerer Container auf aufgeständerten Lagerflächen im Freien und des Unterstellens betriebseigener Gerätschaften und Fahrzeuge in der Halle – bleibe unklar, gegen welche öffentlich-rechtlichen Vorschriften i.S.d. Art. 76 Satz 2 BayBO solche (unter Umständen gem. Art. 57 BayBO verfahrensfreien) Nutzungen verstießen. Insoweit sei die getroffene Anordnung auch ermessensfehlerhaft bzw. unverhältnismäßig. Die übrigen Anordnungen erwiesen sich als zu unbestimmt: So erschließe sich dem betroffenen Adressaten weder, was unter „Kleinmengen, die auf den Hochwasserabfluss keinen Einfluss haben“ zu verstehen sei, noch, welche der vorhandenen Container tatsächlich zu beseitigen seien.
3
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung wenden sich die Beigeladenen gegen dieses Urteil. Sie sind der Auffassung, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung sei rechtsfehlerhaft, weiche von der Entscheidung eines anderen Oberverwaltungsgerichts ab und die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Der Beklagte hat im Zulassungsverfahren trotz seines nahezu vollständigen Unterliegens in erster Instanz weder Stellung genommen noch einen Antrag gestellt, ist aber der Meinung, das eingelegte Rechtsmittel sei begründet. Die Klägerin hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, der streitgegenständliche Bescheid sei insbesondere deshalb überwiegend rechtswidrig und aufzuheben, weil die enthaltenen und auf Art. 76 BayBO gestützten Regelungen teils nicht verhältnismäßig, teils nicht hinreichend bestimmt (Art. 37 BayVwVfG) und damit auch nicht ausreichend vollstreckungsfähig sind. Der Senat nimmt deshalb zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf diese zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab. Ergänzend und klarstellend bleibt folgendes zu bemerken:
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Die Beigeladenen sind der Auffassung, aus Nr. 1 des Tenors und den entsprechenden Gründen des angefochtenen Bescheides gehe – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – hinreichend klar hervor, welche konkreten gewerblichen Tätigkeiten die Klägerin auf ihrem Grundstück tatsächlich nicht (mehr) ausüben darf. Auch die von dem ausgesprochenen Abstell- bzw. Lagerungsverbot ausgenommenen „Kleinmengen, die auf den Hochwasserabfluss keinen Einfluss haben“ (Nr. 2) seien begrifflich ausreichend bestimmt – im Zweifel müsse sich die Klägerin sachkundiger Hilfe bedienen, um die Regelung erfüllen zu können. Und schließlich lasse auch die in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids getroffene Regelung, „die nordöstlich des Hauptgebäudes befindlichen Container (…) sind zu beseitigen“, deutlich erkennen, welche und wo gelagerten Gegenstände betroffen seien.
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Dieses Vorbringen verhilft dem Zulassungsbegehren der Beigeladenen nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass auch sie im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht als rechtswidrig erachtete Nr. 1 des angefochtenen Bescheids nicht benennen (können), welche gewerblichen Tätigkeiten der Klägerin im Rahmen der Nutzung ihres Grundstücks konkret untersagt werden sollen, ist das erstinstanzliche Gericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid deren Art und Umfang nicht ausreichend bestimmt. Aus dessen Gründen (Nr. II. 2.1, S. 4 f.) geht zwar hervor, dass die Klägerin auf ihrem Grundstück ursprünglich und mit entsprechender baurechtlicher Genehmigung einen Handel mit Insolvenzmasse und einen Containerdienst betrieben, diesen aber mittlerweile zugunsten eines Schaustellerbetriebs aufgegeben hat. Als dessen „Heimatstandort“ wird das klägerische Grundstück – ohne entsprechende Genehmigung – nun genutzt. Es werden dort Fahrzeuge und Gerätschaften, die für diesen Betrieb benötigt werden, abgestellt und bei Bedarf repariert. Gleichwohl untersagt der streitgegenständliche Bescheid nach seinem Wortlaut nicht nur („insbesondere“) die ersichtlich störende und formell illegale gewerbliche Nutzung des Grundstücks für den Schaustellerbetrieb, sondern sämtliche gewerblichen Tätigkeiten der Klägerin, „außer das Abstellen von leeren Containern auf aufgeständerten Lagerflächen im Freien und das Unterstellen von betriebseigenen Gerätschaften und Fahrzeugen in der Halle“ (so der Wortlaut der zugunsten des mittlerweile aufgegebenen Handelsbetriebs erteilten Baugenehmigung). Bereits das Verwaltungsgericht hat hier zutreffend darauf hingewiesen, dass diese weitgehende, u.U. präventiv wirkende Nutzungsuntersagung auch verfahrensfreie (vgl. Art. 57 BayBO) und materiell rechtmäßige Tätigkeiten umfasst und damit nicht nur unbestimmt, sondern auch unverhältnismäßig ist. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Was die von dem in Nr. 2 ausgesprochenen Abstell- bzw. Lagerungsverbot privater Fahrzeuge, Gerätschaften und Gegenstände auf dem klägerischen Grundstück ausdrücklich ausgenommenen „Kleinmengen, die auf den Hochwasserabfluss keinen Einfluss haben“ betrifft, machen die Beigeladenen geltend, der Regelungsgehalt dieser Ausnahme erschließe sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts jedenfalls dann eindeutig, wenn man sich sachkundiger Hilfe bediene. Diese Argumentation überzeugt ebenfalls nicht. Sie stützt sich zwar auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 22.1.2021 – 6 C 26.19 – juris Rn. 52 ff.), die einen behördlicherseits geforderten Versorgungsnachweis bezüglich ständig in ausreichender Menge für mehrere Grundstücke mit insgesamt 72 Wohneinheiten vorzuhaltender Löschwasservorräte zum Gegenstand hatte. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts werde nicht dadurch infrage gestellt, dass sich der Adressat sachkundiger Hilfe bedienen muss, um die Regelungen erfüllen zu können (BVerwG a.a.O. m.w.N. zu seiner Rechtsprechung). Allerdings waren in diesem bereits in seiner Größenordnung nicht vergleichbaren Fall nicht nur das behördlicherseits verfolgte Ziel – Nachweis stetiger Bereitstellung der notwendigen Löschwasservorräte – hinreichend klar umrissen, sondern auch drei mögliche Wege zur Erbringung des geforderten Nachweises vorgegeben. An derartigen Konkretisierungen fehlt es hier: Es erschließt sich nicht ausreichend, was unter „Kleinmengen, die auf den Hochwasserabfluss keinen Einfluss haben“, zu verstehen ist. Daran ändert auch der zutreffende Hinweis der Beigeladenen nichts, dass die i.S.v. Art. 37 BayVwVfG unbestimmte Regelung ausschließlich zugunsten der Klägerin wirkt.
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Soweit die Beigeladenen im Übrigen der Meinung sind, das angefochtene verwaltungsgerichtliche Urteil sei auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil aus Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids allein aufgrund der Beschreibung „die nordöstlich des Hauptgebäudes befindlichen Container sind zu beseitigen“ hinreichend deutlich werde, welche Container gemeint sind, verhilft auch dies ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht zum Erfolg. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, der Bescheid enthalte diesbezüglich weder einen Lageplan noch ein Bild, aus dem sich die genaue Anzahl oder die Beschaffenheit der Container ersehen ließe. Zu unbestimmt ist außerdem, wo sich die Teilfläche „nordöstlich des Hauptgebäudes“ exakt befindet, weil es an einem gesicherten Bezugspunkt oder einer Bezugslinie für diese Festlegung fehlt. Bezugspunkte oder Bezugslinien hätten insoweit beispielsweise der Verlauf einer Gebäudeabschlusswand oder der Verlauf einer Baugrenze sein können (vgl. OVG NW U.v. 22.11.1994 – 11 A 4214/92 – juris Rn. 11). Der Verweis auf das gesamte Hauptgebäude als Bezugspunkt ist insoweit ungeeignet, weil unklar bleibt, welcher Teil des Hauses in welchem Ausmaß den Abschluss der betroffenen Fläche markieren soll.
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2. Die Rechtssache ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
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Die Beigeladenen halten für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob die Angabe einer Himmelsrichtung mit einem genauen Bezugspunkt oder einer genauen Bezugslinie zur Bestimmung einer Teilfläche eines Grundstücks genügt, damit ein Verwaltungsakt unter örtlichen Gesichtspunkten hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG ist“. Sie sind der Auffassung, das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bejahe in dem oben zitierten Urteil (OVG NW U.v. 22.11.1994 – 11 A 4214/92 – juris) diese Frage, während das erstinstanzliche Gericht diese im Ergebnis verneine. Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Denn die aufgeworfene Frage würde sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen, weil der angefochtene Bescheid gerade keinen genauen Bezugspunkt bzw. eine genaue Bezugslinie angibt, sondern ein Gesamtgebäude, das, wie oben ausgeführt, zu einer genauen Ortsbestimmung hier nicht taugt.
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3. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor. Eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21.16 – juris Rn. 5). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, das keine sich widersprechenden Rechtssätze gegenüberstellt, nicht gerecht. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht, wie oben ausgeführt, weder von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.1.2021 (Az. 6 C 26.19 – juris) noch von dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22.11.1994 (Az. 11 A 4214/92 Strich juris) entscheidungserheblich abgewichen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013; sie entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).