Titel:
Sachlichkeitsgebot der Staatsregierung bei Äußerungen gegenüber Abgeordneten und Fraktionen
Normenketten:
BV Art. 13 Abs. 2, Art. 16a Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 24 Abs. 2, Art. 64
VfGHG Art. 49 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag (BayLTGeschO) ist kein eigenständiger Prüfungsmaßstab im Organstreitverfahren nach Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 VfGHG. (Rn. 42)
2. Die Möglichkeit einer Prozessstandschaft sieht das bayerische Verfassungsprozessrecht im Organstreit nicht vor. Fraktionen und Abgeordnete können in diesem Verfahren nur eigene verfassungsmäßige Rechte aus dem innerparlamentarischen Bereich verfolgen. (Rn. 43)
3. Das von Art. 24 Abs. 2 BV garantierte Zutritts- und Anhörungsrecht der Staatsregierung zieht den Rechten der Abgeordneten aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV von vornherein Grenzen. Ein Recht der Abgeordneten oder Fraktionen, das es der Staatsregierung verböte, sich zu ihren Anträgen und sonstigen Handlungen zu äußern, kennt die Verfassung auch im Verfahren zur Aufstellung des Haushaltsplans und Verabschiedung des Haushaltsgesetzes nicht. (Rn. 50)
4. An die Stelle der Verpflichtung der Staatsregierung, gegenüber den Abgeordneten und Fraktionen im Hinblick auf deren Parlamentsarbeit Neutralität zu wahren, tritt im Verfahren der Gesetzgebung ein Objektivitäts- oder Sachlichkeitsgebot. (Rn. 54)
Schlagworte:
Staatsregierung, Abgeordneter, Fraktion, Organstreit, Äußerung, Sachlichkeitsgebot, Neutralität
Fundstellen:
BayVBl 2024, 769
LSK 2024, 31181
DÖV 2025, 129
BeckRS 2024, 31181
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Antragstellerin zu 1, die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, sowie die Antragsteller zu 2 und 3, zwei dieser Fraktion angehörende Abgeordnete, wenden sich in einem Organstreitverfahren gegen ein Schreiben des Leiters des Haushaltsreferats des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (Antragsgegner zu 2; im Folgenden auch: Wirtschaftsministerium) vom 15. Februar 2022, das an das Büro des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen (im Folgenden auch: Haushaltsausschuss) im Bayerischen Landtag zur Vorbereitung der Sitzung des Haushaltsausschusses am 17. und 18. Februar 2022 gerichtet war. Sie sehen durch das Schreiben ihre Rechte aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV verletzt.
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2. Zur Vorbereitung der Sitzung des Haushaltsausschusses am 18. Februar 2022, bei der der Entwurf des Haushaltsplans 2022 (Einzelplan 07/StMWi) beraten werden sollte, bat das Ausschussbüro den Antragsgegner zu 2 um eine Übersicht, inwieweit sich die Zusammenfassung von insgesamt 130 Änderungsanträgen zu Beratungsschwerpunkten anbiete. Am 15. Februar 2022 übermittelte der Leiter des Haushaltsreferats des Antragsgegners zu 2 die angeforderte Übersicht von Vorschlägen an das Büro des Haushaltsausschusses. Die Übersicht war in Tabellenform verfasst. Sie enthielt in der linken Spalte jeweils Vorschläge für Zusammenfassungen und in der rechten Spalte jeweils eine kurze, stichwortartige Erläuterung des betroffenen Vorschlags. Einige Vorschläge zur Zusammenfassung von durch die Antragstellerin zu 1 eingebrachten Änderungsanträgen wurden wie folgt erläutert:
Zur Zeile 3 der Übersicht: „Mehr oder eher weniger begründete Anträge der AfD auf Mittelanhebungen im EpI. 07 unter Gegenfinanzierung aus EpI 03/Asyl: allein deshalb abzulehnen“
Zur Zeile 14 der Übersicht: „Ansatzkürzungen der AfD im Epl. 07 zur Gegenfinanzierung von Ausgaben mit nicht substantiierter Begründung“
Zur Zeile 19 der Übersicht: „Vollzug energier. Vorschriften (AfD Streichung – ggf. schon oben in „Streichliste“ AfD erledigt; GRÜ Ansatzanhebung)“
3
3. Die Übersicht wurde am 16. Februar 2022 vom Ausschussbüro unverändert an sämtliche Mitglieder des Haushaltsausschusses übermittelt. Auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 1 an das Büro des Haushaltsausschusses erklärte dieses,
dass die Vorlagen für die Zusammenfassung der Beratungsschwerpunkte von der Staatsregierung (Antragsgegnerin zu 1) kämen und weder kommentiert noch überprüft würden. In der Ausschusssitzung am 18. Februar 2022 entschuldigte sich der Ausschussvorsitzende gegenüber der AfD-Fraktion für den Versand der Erläuterungen. Der Haushaltsausschuss empfahl die Ablehnung der Anträge der AfDFraktion sowie der anderen Oppositionsfraktionen. Das Plenum des Landtags lehnte die Anträge in seiner Sitzung vom 6. April 2022 ab.
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Mit Schreiben vom 2. März 2022 forderte die Antragstellerin zu 1 die Staatsregierung auf, binnen einer Woche öffentlich zu erklären, dass die „Bewertungen bzw. Beschlussempfehlungen des Wirtschaftsministeriums“ nichtig seien und nicht beachtet werden dürften, dass keine pauschale Ablehnung von AfD-Anträgen empfohlen werde und dass die „Beschlussempfehlungen“ verfassungswidrig seien und insbesondere einen Verstoß gegen das Budgetrecht des Parlaments und die Neutralitätspflicht der Verwaltung darstellten. Mit E-Mail vom 17. März 2022 versandte der Antragsgegner zu 2 ein Antwortschreiben der Amtschefin an die Antragstellerin zu 1 sowie an einen ihrer Abgeordneten. Darin brachte sie ihr Bedauern über den Vorfall zum Ausdruck und betonte, dass eine unveränderte Weiterleitung der als Arbeitshilfe gedachten Unterlagen an die Fraktionen seitens des Antragsgegners zu 2 nicht intendiert gewesen sei und dass jedenfalls durch die unverbindlichen Anmerkungen des Antragsgegners zu 2 weder das Budgetrecht des Parlaments noch das staatliche Neutralitätsgebot verletzt worden seien.
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Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2022 stellten die Antragsteller beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art. 64 BV, Art. 49 VfGHG. Sie beantragen
1. festzustellen, dass die Antragsgegner durch die Beschlussempfehlung der Antragsgegnerin zu 2) vom 16.02.2022 für die Sitzung des Haushaltsausschusses am 17. und 18.02.2022 hinsichtlich der Beratungsschwerpunkte im Einzelplan 07 die Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 13 Abs. 2 BV, Art. 16 a Abs. 1 und Artikel 16 a Abs. 2 Satz 1 BV verletzen,
2. den Antragsgegnern aufzugeben, die Beschlussempfehlung vom 16.02.2022 gegenüber dem Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen sowie dem Bayerischen Landtag zu widerrufen und solche künftig zu unterlassen. Hilfsweise eine Vollzugsanordnung gem. Art. 29 II VfGHG zu erlassen.
1. festzustellen, dass die Antragsgegnerin zu 2) durch ihr Beschlussempfehlung vom 16.02.2022 für die Sitzung des Haushaltsausschusses am 17. und 18.02.2022 hinsichtlich der Beratungsschwerpunkte im Einzelplan 07 die Antragsteller in ihren Rechten aus Art. 13 Abs. 2 BV, Art. 16 a Abs. 1 und Artikel 16 a Abs. 2 Satz 1 BV verletzt,
2. der Antragsgegnerin zu 2) aufzugeben, die Beschlussempfehlung vom 16.02.2022 gegenüber dem Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen sowie dem Bayerischen Landtag zu widerrufen und solche künftig zu unterlassen. Hilfsweise eine Vollzugsanordnung gem. Art. 29 II VfGHG zu erlassen.
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Die Anträge seien zulässig. Die jeweiligen Anträge zu 2. seien ausnahmsweise geboten, da nicht mit einer Herstellung verfassungsgemäßer Zustände durch die Antragsgegner gerechnet werden könne und mit fortgesetzt verfassungswidrigem Verhalten der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern in anderen Gesetzgebungsverfahren gerechnet werden müsse. Insbesondere sei aufgrund der ausgebliebenen Reaktion der Antragsgegner auf die Aufforderung der Antragsteller nicht damit zu rechnen, dass die Antragsgegner ohne Anordnung rechtmäßige Zustände herstellen würden, sodass eine Anordnung zur Sicherung des Rechtsfriedens für die Zukunft erforderlich sei. Die „Beschlussempfehlung“ der Antragsgegner habe gegen die Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag (BayLTGeschO) verstoßen und die Antragsteller in ihren Rechten aus Art. 13, 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1, Art. 78 Abs. 3 BV verletzt. Obwohl die Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag nicht unmittelbar Gegenstand der Verfassungsstreitigkeit sei, sei bei deren Verletzung zu prüfen, ob die gerügte Handlung mit Art. 13, 16 a Abs. 2 Satz 1, Art. 78 Abs. 3 BV vereinbar sei. Gemäß § 136 Abs. 4
BayLTGeschO gelte für Mitglieder der Staatsregierung der 1. Abschnitt des Teils VII der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag im Hinblick auf die Teilnahme an Sitzungen der Ausschüsse. Hiernach hätten gemäß § 177 Abs. 1 Satz 1 BayLTGeschO Mitglieder der Staatsregierung und die von ihnen bestellten Beauftragten Zutritt zu allen Sitzungen des Landtags, seiner Ausschüsse und Unterausschüsse. Überdies sei gem. § 136 Abs. 1 Satz 2 BayLTGeschO jedes Mitglied des Landtags berechtigt, bei Sitzungen eines Ausschusses, dem es nicht angehöre, anwesend zu sein. Gemäß § 177 Abs. 1 Satz 2 BayLTGeschO könnten Mitglieder der Staatsregierung jederzeit während der Beratung, auch außerhalb der Tagesordnung, aber nach Abschluss einer Rede, das Wort verlangen. Gem. § 177 Abs. 2 BayLTGeschO könne die Staatsregierung in ihren Ausführungen auf Schriftsätze Bezug nehmen, die sie mindestens drei Tage vor Beginn der Ausführungen den Mitgliedern des Landtags übermittelt habe. Das Versenden einer Beschlussempfehlung durch die Antragsgegner an den Ausschuss verstoße bereits gegen die Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag, da diese ein solches Vorgehen nicht vorsehe. Zwar könnten sich die Antragsgegner in den Sitzungen mündlich zu Wort melden, doch im Rahmen von Ausschusssitzungen nicht Bezug nehmen auf zuvor versandte Ausführungen, da § 177 Abs. 2 BayLTGeschO nur auf das Plenum des Landtags, nicht aber auf Ausschüsse anzuwenden sei. Das Vorgehen der Antragsgegner verstoße gegen die Grundsätze der Gewaltenteilung, weshalb es von der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag auch nicht geregelt sei.
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Zwar habe die Antragsgegnerin zu 1 das Initiativrecht für das Haushaltsgesetz gem. Art. 29, 30 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO). Die Haushaltshoheit liege aber beim Parlament, das insoweit auch nicht an den Plan der Staatsregierung gebunden sei. Verfassung und Geschäftsordnung seien insoweit Ausprägung einer rechtsstaatlichen Demokratie.
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Insbesondere fänden die Beratungen über einen Gegenstand in dem hierfür zuständigen Ausschuss statt, nicht in einem Ministerium. Ein Ministerium sei im Rahmen des Initiativrechts auf seine Rechte im Rahmen der Bayerischen Haushaltsordnung beschränkt. Zuständiger und federführender Ausschuss sei nach § 148 Satz 1 BayLTGeschO der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen, die Mitberatung anderer Ausschüsse sei beim Staatshaushalt gemäß § 148 Satz 3
BayLTGeschO ausgeschlossen. Eine Endberatung bleibe gemäß § 149 BayLTGeschO lediglich dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration als endberatendem Ausschuss vorbehalten. Eine Beschlussempfehlung obliege nach § 150 BayLTGeschO ausschließlich dem federführenden
Ausschuss. Ein Eingriff der Regierung in die Haushaltsberatungen über die ihr im Rahmen der Verfassung, der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag und der Bayerischen Haushaltsordnung zustehenden Rechte hinaus sei daher verfassungswidrig. Die „Beschlussempfehlung“ der Antragsgegner, jedenfalls aber die lediglich die Anträge der Antragsteller betreffenden Empfehlungen, hätten daher die Rechte der Antragsteller verletzt, da deren Mitwirkungsrechte im Rahmen der Budgetfindung gegenüber den anderen Fraktionen durch Negativbewertung beeinträchtigt worden seien.
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Selbst wenn die „Beschlussempfehlung“ der Antragsgegner noch im Rahmen der Geschäftsordnung erfolgt sein sollte, sei sie im konkreten Fall, da sie allein die Anträge der Antragsteller betroffen habe, jedenfalls willkürlich, missbräuchlich und verfassungswidrig und verletze die Antragsteller in ihren Rechten. Überdies sei in diesem Fall die dahingehende Anwendung der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag selbst auf ihre Vereinbarkeit mit den Rechten der Antragsteller zu überprüfen. Eine das Vorgehen der Antragsgegner billigende Geschäftsordnung sei verfassungswidrig und verletze die Antragsteller in ihren Rechten.
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Unter Abwägung der Erhaltung der Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Parlaments und der durch die Verfassung garantierten Rechte der Antragsteller, insbesondere auch als Opposition, und bei Übertragung der Grundsätze der Verletzung der Chancengleichheit der Parteien durch Regierungshandeln stelle sich die „Beschlussempfehlung“ unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls als missbräuchlich und verfassungswidrig dar. Die von der Rechtsprechung zum Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien entwickelten Grundsätze seien insoweit auch auf die innerparlamentarische Chancengleichheit übertragbar. Dies gelte gerade für die Antragsgegner als oberste Staatsorgane. Diese hätten auch im parlamentarischen Rahmen Neutralität zu wahren, um eine chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung des Volkes durch das Parlament, insbesondere in Haushaltsangelegenheiten, zu gewährleisten. Denn nicht nur die Einwirkung auf den Willensbildungsprozess des Wählers, sondern gerade auch die Einwirkung auf die den Wählerwillen repräsentierenden Volksvertreter in Ausschuss und Parlament verstoße gegen diese Grundsätze, insbesondere sofern dies eine spezifische Entscheidung des Parlaments betreffe.
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Die „Beschlussempfehlung“ sei den Antragsgegnern zuzurechnen. Sie sei insbesondere auch unter Nutzung von Regierungsressourcen erfolgt und habe in spezifischer Weise die Autorität der Regierung in Anspruch genommen. Sie stelle insoweit eine Zensur vor der Willensbildung der Legislative dar, gerade weil sie nur einseitig bezüglich der Antragsteller erfolgt sei. Die Missbräuchlichkeit ergebe sich daraus, dass die Beschlussempfehlung allein die Anträge der Antragsteller bewertet habe, Sachargumenten entbehre und die für die Beschlussfassung geltenden Geschäftsordnungsregeln umgehe. Dadurch hätten sich die Antragsgegner einen Vorteil und in verfassungswidriger Art und Weise eine Art Ankereffekt im Sinn einer Urteilsheuristik gesichert.
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1. Die Antragsgegnerin zu 1 hält die Anträge für unzulässig, soweit sie auf den Widerruf des Schreibens vom 16. Februar 2022 und eine künftige Unterlassung gerichtet sind, im Übrigen für unbegründet.
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Bei der durch das Büro des Haushaltsausschusses versandten Übersicht handle es sich nicht um eine Beschlussempfehlung, sondern lediglich um ein Arbeitsdokument zur Erleichterung der Vorbereitung der Beratungen des Haushaltsausschusses. Es entspreche der üblichen Praxis, dass das Ausschussbüro im Vorfeld der Sitzungen eine Zusammenfassung der Beratungsschwerpunkte erstelle und den Ausschussmitgliedern übermittle. Auch sei es üblich, dass das Ausschussbüro hierfür vom fachlich zuständigen Ressort einen Vorschlag für eine geeignete Zusammenfassung anfordere. Entsprechend dieser Bitte habe der Leiter des Haushaltsreferats des Antragsgegners zu 2 einen Vorschlag für eine Zusammenfassung erarbeitet. In der linken Spalte der Übersicht seien die Anträge, die aus Sicht des Antragsgegners zu 2 gemeinsam behandelt werden konnten, gebündelt worden. Diese Bündelungsvorschläge seien für die Anträge aller Fraktionen vorgenommen worden. Die in der Übersicht enthaltenen Erläuterungen seien als Hilfestellung zur besseren Nachvollziehbarkeit der Bündelungsvorschläge gedacht gewesen.
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Die Anmerkung zu Zeile 3 der Übersicht (”Mehr oder eher weniger begründete Anträge der AfD auf Mittelanhebungen im EpI. 07 unter Gegenfinanzierung aus EpI 03/Asyl: allein deshalb abzulehnen“) erläutere, dass die Bündelung der Anträge vorgeschlagen worden sei, weil darin jeweils eine Gegenfinanzierung der vorgeschlagenen Änderungen aus dem Einzelplan 3/Asyl beantragt worden sei. Der Zusatz „allein deshalb abzulehnen“ habe sich auf die Gegenfinanzierung aus dem Asyletat als Grund für eine mögliche zusammenfassende Behandlung bezogen. Die Anmerkung zu Zeile 14 der Übersicht („Ansatzkürzungen der AfD im Epl. 07 zur Gegenfinanzierung von Ausgaben mit nicht substantiierter Begründung“) habe darauf hingewiesen, dass die jeweils wortgleichen Kürzungsanträge nicht hätten erkennen lassen, wofür die eingesparten Mittel konkret verwendet werden sollten. Die Anmerkung zu Zeile 19 der Übersicht („Vollzug energier. Vorschriften (AfD Streichung – ggf. schon oben in „Streichliste“ AfD erledigt; GRÜ Ansatzanhebung)“) habe jeweils einen Antrag der Fraktion der GRÜNEN und einen Antrag der AfD-Fraktion (Antrag 4.115) betroffen. Der Hinweis „AfD Streichung – ggf. schon oben in „Streichliste“ AfD erledigt“ habe dabei gemeint, dass der AfD- Antrag 4.115 bereits im Rahmen von Zeile 14 der Übersicht mit anderen Anträgen zusammengefasst worden sei und in der Ausschussberatung gegebenenfalls bereits an dieser Stelle behandelt würde. Mit „Streichliste“ der AfD sei wiederum die Zusammenfassung von Anträgen in Zeile 14 der Übersicht gemeint, also ein Themenblock, in dem Ansatzkürzungen („Streichungen“) zusammengefasst worden seien. Damit enthalte die Zeile 19 der Übersicht bereits keine Wertung des Antrags der AfD, sondern nur die Feststellung, dass dieser Antrag thematisch eventuell bereits an anderer Stelle beraten werde. Daneben sei die Zusammenfassung weiterer Anträge der AfD-Fraktion und anderer Fraktionen aufgrund des thematischen Zusammenhangs empfohlen worden.
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Die Übersicht habe keine förmliche Beschlussempfehlung im Sinn der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag, insbesondere nicht im Sinn des § 150 BayLTGeschO dargestellt. Die Geschäftsordnung bezeichne als Beschlussempfehlung die förmliche Empfehlung eines Ausschusses an den Landtag.
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Auch jenseits der Regelungen der Geschäftsordnung stelle die Übersicht keine Empfehlung an die Ausschussmitglieder dar. Die Anmerkung zu Zeile 3 der Übersicht habe keine Empfehlung beinhaltet, sondern nur eine Erläuterung für die Zusammenfassung der Anträge in dem Sinn, dass diese Anträge wegen der darin vorgeschlagenen Gegenfinanzierung aus dem Asyletat aller Voraussicht nach keine Mehrheit finden würden. Zeile 14 habe sich auf die Feststellung beschränkt, dass die dort zusammengefassten Anträge keine substanziierte Begründung enthalten hätten. Eine Empfehlung sei damit nicht einhergegangen. Zu Zeile 19 sei lediglich auf die Möglichkeit der Behandlung schon im Rahmen der Zusammenfassung von Zeile 14 verwiesen worden.
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Die in der Übersicht enthaltenen Anmerkungen hätten überdies dem Büro des Haushaltsausschusses lediglich als Erläuterung dienen sollen und seien nicht für die Mitglieder des Haushaltsausschusses bestimmt gewesen. Insgesamt hätten die gerügten Anmerkungen damit lediglich einen Informationscharakter. Die unveränderte Weiterleitung an die Mitglieder des Haushaltsausschusses sei durch das Haushaltsreferat des Antragsgegners zu 2 nicht intendiert gewesen und den Antragsgegnern nicht zurechenbar. Die Bereitstellung einer Übersicht für eine thematische Zusammenfassung der Beratungsgegenstände des Haushaltsausschusses falle nicht in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners zu 2, sondern in den Zuständigkeitsbereich des Landtags. Die Antragsgegner verträten zur Zusammenfassung von Änderungsanträgen keine eigene Position, es handle sich um eine Frage der möglichst effizienten Organisation der Abstimmungen im Haushaltsausschuss ohne inhaltliche Auswirkungen auf die Abstimmungen an sich.
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Die Übersicht verletze nicht die verfassungsmäßig geschützten Rechte der Antragsteller. Insbesondere liege darin weder ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung noch seien die Mitwirkungsrechte der Antragsteller bzw. das staatliche Neutralitätsgebot dadurch beeinträchtigt.
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Nach Art. 24 Abs. 2 BV hätten die Mitglieder der Staatsregierung und die von ihnen bestellten Beauftragten zu allen Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse Zutritt. Zudem müssten sie während der Beratung jederzeit, auch außerhalb der Tagesordnung, gehört werden. Die Verfassung sehe also bereits selbst vor, dass sich die Vertreter der Staatsregierung in die Ausschussberatungen einbringen könnten. In diesem Rahmen könnten die Mitglieder der Staatsregierung und deren Beauftragte unzweifelhaft die Anträge der Opposition bewerten.
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Der von den Antragstellern behauptete Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags führe, selbst wenn er vorläge, nicht zwangsläufig zu einem Verfassungsverstoß und zu einer Verletzung verfassungsmäßiger Rechte. Im Rahmen eines Organstreitverfahrens könnten nur Verletzungen von Rechten, welche durch die Verfassung geschützt seien, gerügt werden und nicht bloße Verletzungen der Geschäftsordnung, in denen keine Verletzungen der Bayerischen Verfassung zu sehen seien. Unabhängig davon liege kein Verstoß gegen die Vorgaben der Geschäftsordnung vor. Die Mitglieder der Staatsregierung und die von ihnen bestellten Beauftragten könnten nach Art. 24 Abs. 2 BV, § 177 Abs. 1 Satz 2 BayLTGeschO verlangen, dass ihnen während der Beratung eines Ausschusses das Wort erteilt wird. Nach § 177 Abs. 2 BayLTGeschO könnten sie bei ihren Ausführungen Bezug nehmen auf Schriftsätze, welche den Mitgliedern des Ausschusses vorab übermittelt wurden. Die Möglichkeit der Übermittlung schriftlicher Dokumente von der Staatsregierung an die Ausschussmitglieder sei also auch für Ausschusssitzungen in der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag ausdrücklich vorgesehen. Wenn die Vertreter der Staatsregierung aber bereits nach der Bayerischen Verfassung und der Geschäftsordnung im Rahmen von Ausschusssitzungen die Möglichkeit hätten, sich unter Zugrundelegung schriftlicher Stellungnahmen für oder gegen bestimmte Anträge auszusprechen, gelte dies erst recht für das streitige Informationsdokument.
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Mit der Zuleitung der Übersicht durch das Büro des Haushaltsausschusses gehe auch keine Beeinträchtigung des Budgetrechts des Parlaments einher. Das parlamentarische Budgetrecht sei zwar weitgehend dem Parlament zugeordnet, allerdings in Art. 78 Abs. 2, 4 und 5 sowie Art. 79 BV auch zugunsten von Verhandlungspositionen und Handlungskompetenzen der Exekutive modifiziert. Darüber hinaus liege das alleinige Initiativrecht für das Haushaltsgesetz bei der Staatsregierung. Die Bitte des Landtagsamts um fachliche Unterstützung bei der Zusammenfassung von Beratungsschwerpunkten und der Versand der Übersicht durch das Büro des Haushaltsausschusses stelle gerade vor diesem Hintergrund keine Verletzung des Budgetrechts des Parlaments dar. Die Entscheidungskompetenz über den Haushalt sei allein beim Parlament verblieben.
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Auch Abgeordnetenrechte und die Rechte der Opposition seien durch die Übersicht nicht verletzt. Das Antragsrecht der Mitglieder des Haushaltsausschusses, die der Antragstellerin zu 1 angehörten, sei nicht berührt worden, vielmehr seien die eingegangenen Anträge – ebenso wie die Anträge aller anderen Fraktionen – zu Beratungsschwerpunkten zusammengefasst und regulär im Ausschuss sowie in der Plenarsitzung zur Abstimmung gebracht worden. Auch hätten sich die in der Übersicht enthaltenen Kommentierungen nicht nachteilig auf das Rederecht der Ausschussmitglieder ausgewirkt. Diese hätten die Möglichkeit gehabt, im Rahmen der Ausschusssitzung zu den weitergeleiteten Anmerkungen des Antragsgegners zu 2 Stellung zu nehmen. Insoweit hätten die der Antragstellerin zu 1 unbeabsichtigt übermittelten Informationen dieser eher zum Vorteil gereicht, da ihr somit der Standpunkt der Regierung vorab bekannt geworden sei und sie diesen in ihre Redebeiträge argumentativ hätte miteinbeziehen können. Die Einholung und Abgabe fachlicher Stellungnahmen von Vertretern der Staatsregierung sei zulässiger und sogar notwendiger Bestandteil des parlamentarischen Austausches und trage zur politischen Willensbildung bei. Nach Art. 24 Abs. 2 BV und den Vorschriften der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags wäre auch eine persönliche Teilnahme von Mitgliedern der Staatsregierung bzw. der von ihnen bestellten Beauftragten sowie die Abgabe von mündlichen Stellungnahmen zu den behandelten Tagesordnungspunkten unproblematisch gewesen. Nichts anderes könne für die vorherige Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme gelten.
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Ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot liege ebenfalls nicht vor. In der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs sei anerkannt, dass aus dem Grundsatz der chancengleichen Beteiligung an der parlamentarischen Willensbildung die Verpflichtung der Staatsorgane folge, gegenüber den Abgeordneten und Fraktionen auch im Hinblick auf die Parlamentsarbeit Neutralität zu wahren. Soweit die Antragsteller dabei eine Beeinträchtigung des Rechts auf Chancengleichheit politischer Parteien geltend machten und sich auf Art. 21 GG beriefen, scheide eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte von vornherein aus. Als Rechte von Fraktionen, welche diese in einem Organstreitverfahren als verletzt geltend machen könnten, kämen lediglich solche im innerparlamentarischen Raum in Betracht. Das Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG könne daher von Fraktionen nicht geltend gemacht werden. Gleiches müsse auch für einzelne Ausschussmitglieder im Landtag gelten. Unabhängig davon sei das verfahrensgegenständliche Verhalten auch nicht geeignet gewesen, die Position der Parteien im politischen Meinungskampf zu beeinträchtigen und auf den Wettbewerb zwischen den politischen Parteien einzuwirken.
24
Aus dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der chancengleichen Beteiligung an der parlamentarischen Willensbildung folge vorliegend kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot. Das gewaltenverschränkende Zusammenspiel der verschiedenen Staatsgewalten im Rahmen der Initiierung, Ausarbeitung und Beratung von Gesetzentwürfen und das im Rahmen von Haushaltsberatungen notwendig werdende Stellungbeziehen könne nicht mit den bislang judizierten Sachverhalten verglichen werden. Vielmehr entspreche die parlamentarische Praxis, Regierung und Ministerien bei der Gesetzgebung einzubinden, da dort das für die Erstellung von Gesetzentwürfen erforderliche Fachwissen vorhanden sei, der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Bayern.
Insoweit bestehe gerade keine strikte Trennung von Exekutive und Legislative. Der Austausch zwischen Legislative und Staatsregierung sei regulärer und notwendiger Bestandteil des gesetzgeberischen Willensbildungsprozesses. Auch das Zutritts- und Anhörungsrecht der Staatsregierung bringe zum Ausdruck, dass der Landtag mit seinen Ausschüssen der zentrale Ort der politischen Diskussion und Auseinandersetzung sei. Dabei zähle es zu den wesentlichen Aufgaben der teilnehmenden Mitglieder der Staatsregierung bzw. Beauftragten, die Interessen und die Haltung ihres Ressorts gegenüber den Abgeordneten zu vertreten und fachliche Auskünfte zu geben.
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2. Der Antragsgegner zu 2 hat sich der Stellungnahme der Staatsregierung angeschlossen.
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Die Beteiligten haben ihren Vortrag in der mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2024 jeweils wiederholt und vertieft.
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Die Anträge sind unzulässig.
28
1. a) Zum Antragsgegenstand ist zunächst klarzustellen, dass es ein Schreiben des Antragsgegners zu 2 unmittelbar an die Mitglieder des Haushaltsausschusses, von den Antragstellern „Beschlussempfehlung der Antragsgegnerin zu 2) vom 16.02.2022“ genannt, das verfassungsmäßige Rechte der Antragsteller verletzt haben könnte, nicht gab. Die Übersicht vom 15. Februar 2022 des Antragsgegners zu 2 war an das Büro des Haushaltsausschusses gerichtet und wurde von dort am 16. Februar 2022 an die Ausschussmitglieder weitergeleitet. Dem Vortrag der Antragsgegner, dass – wie schon in der E-Mail des Antragsgegners zu 2 vom 17. März 2022 erklärt – eine unveränderte Weiterleitung des Schreibens an die Ausschussmitglieder vom Antragsgegner zu 2 weder beabsichtigt war noch vorausgesehen wurde, sind die Antragsteller nicht entgegengetreten; dieser Übermittlungsvorgang kann daher den Antragsgegnern nicht zugerechnet werden. Insofern kommt als Antragsgegenstand eines gegen die Antragsgegner zu 1 und 2 gerichteten Organstreits allein die Übersendung der Übersicht am 15. Februar 2022 an das Büro des Haushaltsausschusses in Betracht. Nicht Gegenstand des Organstreitverfahrens ist dagegen die Weiterleitung der Übersicht durch das Büro des Haushaltsausschusses an die Ausschussmitglieder.
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b) Den „hilfsweise“ gestellten Anträgen zu 1 und 2 kommt keine eigenständige Bedeutung zu, weder als Haupt- noch als Hilfsantrag. Die Anträge der Antragsteller stehen trotz ihrer Formulierung nicht im Verhältnis von Haupt- und Hilfsanträgen. Der „Hilfsantrag“ unterscheidet sich vom gegen die Antragsgegner zu 1 und 2 im Wege der subjektiven Antragshäufung gerichteten „Hauptantrag“ lediglich insofern, als er nur gegen den Antragsgegner zu 2 gerichtet ist. Er ist daher mit dem gegen den Antragsgegner zu 2 gerichteten Hauptantrag vollständig identisch.
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2. Der „Hauptantrag“ zu 2, mit dem die Antragsgegner verpflichtet werden sollen, das beanstandete Schreiben zu widerrufen und solche Schreiben künftig zu unterlassen, ist unzulässig.
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Soweit der Antrag auf den Widerruf der in der am 15. Februar 2022 versandten Übersicht enthaltenen Äußerungen und auf künftige Unterlassung vergleichbarer Äußerungen gerichtet ist, kann er schon kein zulässiger Gegenstand einer Organstreitigkeit sein.
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Ein solches Verfahren dient als kontradiktorische Parteistreitigkeit maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihrer Teile in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns. Demgemäß stellt der Verfassungsgerichtshof im Organstreit lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme gegen verfassungsmäßige Rechte verstößt (Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 64 Rn. 13; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 64 Rn. 21). Es obliegt sodann dem jeweiligen Verfassungsorgan selbst, einen festgestellten verfassungswidrigen Zustand zu beenden. Für eine über die Feststellung einer Verletzung der Rechte des Antragstellers hinausgehende Verpflichtung des Antragsgegners zu einem bestimmten Verhalten ist im Organstreit grundsätzlich kein Raum (vgl. VerfGH vom 11.8.2021 BayVBl 2021, 734 Rn. 25; BVerfG vom 22.7.2020 NVwZ 2020, 1422 Rn. 39; jeweils m. w. N.). Soweit die Antragsteller Unterlassung und Widerruf der beanstandeten Äußerungen begehren, ist ihr Antrag somit auf Rechtsfolgen gerichtet, die im Organstreitverfahren grundsätzlich nicht bewirkt werden können. Dass solche Verpflichtungen im vorliegenden Fall ausnahmsweise geboten sein könnten, ist weder substanziiert dargetan noch sonst ersichtlich (vgl. VerfGH vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 18; vom 17.1.2023 BayVBl 2023, 262 Rn. 28 ff.; BVerfG NVwZ 2020, 1422 Rn. 40 f.). Es gibt keine objektiven Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Antragsgegner eine stattgebende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Feststellungsantrag nicht beachten würden.
33
Soweit das Begehren der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegner zur Unterlassung vergleichbarer Äußerungen zum Gegenstand hat, betrifft es zudem mögliche Handlungen in der Zukunft. Es ist damit auf die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtet, der grundsätzlich nicht Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein kann (vgl. VerfGH vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 19; BayVBl 2023, 262 Rn. 29; BVerfG vom 30.10.2018 BVerfGE 150, 163 Rn. 16).
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3. Der auf Feststellung gerichtete „Hauptantrag“ zu 1 ist ebenfalls unzulässig.
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a) Der Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof ist gemäß Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 VfGHG eröffnet. Eine Verfassungsstreitigkeit im Sinn dieser Bestimmungen (Organstreit) liegt vor.
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b) Sowohl die Antragsteller als auch die Antragsgegner verfügen über die für das Organstreitverfahren erforderliche Beteiligtenfähigkeit.
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Nach Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 VfGHG entscheidet der Verfassungsgerichtshof über Verfassungsstreitigkeiten zwischen den obersten Staatsorganen oder in der Verfassung mit eigenen Rechten ausgestatteten Teilen eines obersten Staatsorgans.
38
Als Teile des Landtags sind sowohl einzelne Abgeordnete als auch Fraktionen grundsätzlich antragsberechtigt. Einer Fraktion als einem Zusammenschluss von Abgeordneten können verfassungsmäßige Rechte wie den einzelnen Abgeordneten zustehen. Zudem ergibt sich für Fraktionen und Mitglieder des Landtags, die – wie die Antragsteller – die Staatsregierung nicht stützen, aus Art. 16 a Abs. 2
Satz 1 BV das Recht auf ihrer Stellung entsprechende Wirkungsmöglichkeiten (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 17.2.1998 VerfGHE 51, 34/39 f.; vom 26.2.2019 VerfGHE 72, 15 Rn. 38; BayVBl 2021, 734 Rn. 22, 34; vom 25.10.2023 BayVBl 2024, 191 Rn. 23). Die Beteiligtenfähigkeit der Antragsteller wird nicht dadurch infrage gestellt, dass der Landtag nach Einleitung des Organstreitverfahrens neu gewählt wurde. Die Antragsteller zu 2 und 3 gehören auch dem neuen Landtag an. Im Übrigen ist für die Beurteilung der Beteiligtenfähigkeit der Status zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich. Die Antragstellerin zu 1 kann das anhängige Organstreitverfahren als Nachfolgefraktion fortsetzen (VerfGH vom 20.3.2014 VerfGHE 67, 13 Rn. 64; vom 22.5.2014 VerfGHE 67, 153 Rn. 22; vom 11.9.2014 VerfGHE 67, 216 Rn. 30; vom 21.5.2024 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 23). Die Staatsregierung (vgl. Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 Satz 2 VfGHG) und aufgrund des Ressortprinzips (Art. 51 Abs. 1, Art. 52 Satz 3 BV) auch das Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sind im Organstreitverfahren zulässige Antragsgegner. Zwar hat sich die Staatsregierung infolge der Landtagswahl 2023 neu konstituiert. Als Nachfolgerin ist ihre Beteiligtenfähigkeit jedoch ebenfalls weiterhin gegeben (VerfGHE 67, 13 Rn. 64; 67, 153 Rn. 23; 67, 216 Rn. 30).
39
c) Das im Organstreitverfahren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt ebenfalls vor. Wie bereits dargestellt, dient dieses kontradiktorische Verfahren maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns. Das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag entfällt grundsätzlich nicht allein dadurch, dass die beanstandete Rechtsverletzung in der Vergangenheit stattgefunden hat und bereits abgeschlossen ist (vgl. BVerfG vom 15.6.2022 BVerfGE 162, 207 Rn. 65). Selbst wenn man in diesen Fällen ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse forderte, läge dieses hier in Form eines objektiven Klarstellungsinteresses vor. Denn durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs sollen insbesondere auch für die Zukunft der Rechtsfrieden gesichert und die streitigen verfassungsrechtlichen Fragen geklärt werden (VerfGHE 67, 216 Rn. 32 m. w. N.;
72, 15 Rn. 52; VerfGH BayVBl 2024, 191 Rn. 40; vgl. auch BVerfG vom 22.3.3022 BVerfGE 160, 368 Rn. 37). Im Hinblick auf die Übermittlung der Übersicht mit den vorliegend beanstandeten Äußerungen an das Büro des Haushaltsausschusses ist nicht auszuschließen, dass vergleichbare Umstände erneut zu einer Verfassungsstreitigkeit führen. Schon deshalb ist ein objektives öffentliches Interesse an einer Klärung der mit dem Antrag aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen gegeben.
40
d) Die Antragsteller haben aber ihre Antragsbefugnis nicht substanziiert dargelegt.
41
aa) Prüfungsmaßstab im vorliegenden Organstreitverfahren sind allein die verfassungsmäßigen Rechte der Antragsteller als Fraktion und Einzelabgeordnete nach Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV.
42
Im Organstreitverfahren nach Art. 64 BV sind – ebenso wie im Organstreitverfahren des Bundes nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG (vgl. dazu BVerfG vom 3.5.2016 BVerfGE 142, 25 Rn. 79; Kment in Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. 2022, Art. 93 Rn. 89; Morgenthaler in Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 93 Rn. 18) – die Regelungen der Geschäftsordnungen oberster Verfassungsorgane kein selbstständiger Prüfungsmaßstab. Ebensowenig wie ein Verstoß gegen Geschäftsordnungsvorschriften ein Gesetz verfassungswidrig macht (VerfGH vom 15.12.1982 VerfGHE 35, 148/162; vom 9.5.2016 VerfGHE 69, 125 Rn. 114), führt er für sich genommen zu einer Verletzung organschaftlicher Rechte aus der Verfassung. Dass etwas anderes gelten kann, wenn die verletzte Geschäftsordnungsbestimmung Verfassungsrecht konkretisiert, weil dann gleichzeitig ein Verstoß gegen die Verfassung selbst vorliegt (VerfGHE 69, 125 Rn. 114 für die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes), macht Geschäftsordnungen oberster Verfassungsorgane nicht zum eigenständigen Prüfungsmaßstab im Organstreitverfahren. Vielmehr ist die Geschäftsordnungsmäßigkeit in aller Regel nicht entscheidungsrelevant, wenn feststeht, dass der beanstandete Verfahrensgegenstand verfassungsmäßige Rechte des Antragstellers nicht verletzt.
43
Die Möglichkeit einer Prozessstandschaft sieht das bayerische Verfassungsprozessrecht – anders als § 64 Abs. 1 BVerfGG (vgl. dazu etwa BVerfG vom 7.3.1953 BVerfGE 2, 143) – ebenfalls nicht vor (vgl. VerfGH vom 14.9.2020 – Vf. 70-IVa-20 - juris Rn. 10; BayVBl 2021, 734 Rn. 29; 2024, 191 Rn. 31; vom 21.5.2024 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 33; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 64 Rn. 11; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 64 Rn. 8; Holzner, Verfassung des Freistaates Bayern, 2014, Art. 64 Rn. 14). Als im Organstreit verfolgbare Rechte von Fraktionen und Abgeordneten kommen nur solche aus dem innerparlamentarischen Bereich in Betracht (VerfGH vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 16; BayVBl 2021, 734 Rn. 32 für Fraktionen; vgl. auch BVerfGE 150, 163 Rn. 14). Deshalb können sich die Antragsteller nicht unmittelbar auf die Verletzung von Rechten des Bayerischen Landtags, insbesondere von dessen Budgetrecht (Art. 78 Abs. 3 BV) berufen. Auch können die Antragsteller keine Rechte der AfD als Partei für sich in Anspruch nehmen (vgl. VerfGH BayVBl 2023, 262 Rn. 25).
44
Schließlich kann von den Antragstellern im Organstreitverfahren auch ein Verstoß gegen sonstiges objektives Verfassungsrecht – hier den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 5 BV) – nicht unmittelbar gerügt werden. Wie bereits dargestellt, dient der Organstreit als kontradiktorische Parteistreitigkeit maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihrer Teile in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns; Art. 64 BV eröffnet nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage. Ein etwaiger Verstoß gegen andere verfassungsrechtliche Bestimmungen kann zwar als Vorfrage eine Rolle spielen, aber dem Organstreit nicht eigenständig zum Erfolg verhelfen (vgl. VerfGH vom 21.5.2024 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 27; BVerfG vom 2.3.2021 BVerfGE 157, 1 Rn. 57 zum bundesrechtlichen Organstreit). Entscheidend ist allein, ob die Maßnahme im Ergebnis eigene verfassungsmäßige Rechte der Antragsteller verletzt.
45
bb) Im Organstreit muss der Antragsteller für die Antragsbefugnis schlüssig darlegen, durch die Maßnahme oder ein Verhalten des Antragsgegners in seinen eigenen, durch die Verfassung geschützten Rechten verletzt oder gefährdet zu sein. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung muss demnach substanziiert behauptet werden (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.8.2021 BayVBl 2021, 808 Rn. 65; vom 30.10.2023 NVwZ 2023, 1908 Rn. 14; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 64 Rn. 17; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 64 Rn. 8). Es muss hinreichend dazu vorgetragen werden, dass die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung des Antragstellers beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten könnte (vgl. VerfGH BayVBl 2021, 734 Rn. 33 m. w. N.).
46
cc) Diesen Anforderungen werden die Antragsteller nicht gerecht.
47
Die Antragsteller machen zwar durch die Rüge einer Verletzung ihres jeweiligen Rechts aus Art. 13 Abs. 2 BV (sog. freies Mandat) bzw. von Oppositionsrechten gemäß Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV unter Berufung insbesondere auf eine behauptete Verletzung der Pflicht der Antragsgegner zur Neutralität, Sachlichkeit und organschaftlichen Treue eine Verletzung eigener Rechte geltend. Sie haben aber weder hinsichtlich des allgemeinen Umstands, dass sich der Antragsgegner zu 2 in der an das Büro des Haushaltsausschusses übermittelten Übersicht vom 15. Februar 2022 zu den Änderungsanträgen der Antragstellerin zu 1 im Verfahren zum Haushalt 2022 inhaltlich geäußert hat, noch hinsichtlich des Inhalts dieser Äußerung die Möglichkeit der Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV schlüssig und hinreichend substanziiert dargetan.
48
(1) Die Ausführungen der Antragsteller lassen außer Betracht, dass die geltend gemachten Rechte verfassungsimmanenten Schranken unterliegen.
49
Die Abgeordneten sind gemäß Art. 13 Abs. 2 BV Vertreter des Volkes, nicht lediglich einer Partei; sie sind nur ihrem Gewissen verantwortlich und an Aufträge nicht gebunden. Diese Verfassungsnorm gibt jedem Abgeordneten das subjektive Recht, sein Mandat innerhalb der Schranken der Verfassung ungehindert auszuüben, und verbürgt ihm einen Kernbestand an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben (sog. freies Mandat). Die Freiheit des Mandats schützt insbesondere vor staatlichen Maßnahmen, die sich gegen eine bestimmte Art und Weise der Ausübung parlamentarischer Rechte richten. Ihr Schutzbereich umfasst ferner die freie Willensbildung der Abgeordneten und als Grundbedingung dafür eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen ihnen und den Wählern; dies gilt auch für die Öffentlichkeitsarbeit, wie etwa Kontakte zu den Medien. Zugleich ist aus Art. 13 Abs. 2 BV das Prinzip der egalitären Repräsentation abzuleiten, das zur Folge hat, dass alle Mitglieder des Parlaments einander formal gleichgestellt sind. Denn sie repräsentieren in ihrer Gesamtheit als Volksvertretung im Sinn des Art. 4 BV die stimmberechtigten Bürger, wobei sich die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV geforderte Gleichheit der Wahl in der Gleichheit der gewählten Abgeordneten widerspiegelt. Das daraus resultierende Recht auf Chancengleichheit bei der Parlamentsarbeit kann auch die Antragstellerin zu 1 als Zusammenschluss von Abgeordneten für sich in Anspruch nehmen. Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen; diese haben ein Recht auf formal gleiche Mitwirkung an der parlamentarischen Willensbildung. Art. 13 Abs. 2 BV schützt – wie Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG – den Status der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse und deren Mitwirkungsbefugnisse in einem formellen und umfassenden Sinn. Wegen ihrer Zugehörigkeit zur parlamentarischen Opposition können sich die Antragsteller hinsichtlich der dargestellten Rechte zudem auf Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV stützen (vgl. zu alledem VerfGHE 72, 15 Rn. 54 ff.; VerfGH vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 21; BayVBl 2023, 262 Rn. 34).
50
Die Rechte aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV finden ihre Grenzen jedoch in den verfassungsmäßigen Rechten anderer Staatsorgane. Hierzu gehört auch das von Art. 24 Abs. 2 BV garantierte Zutritts- und Anhörungsrecht der Staatsregierung. Damit korrespondiert notwendigerweise ein Äußerungsrecht der Staatsregierung. Nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BV haben die Mitglieder der Staatsregierung und die von ihnen bestellten Beauftragten zu allen Sitzungen des Landtags und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BV während der Beratung jederzeit, auch außerhalb der Tagesordnung, gehört werden. Das Anhörungs- und Äußerungsrecht der Staatsregierung dient der Kommunikation zwischen Legislative und Exekutive und gehört zum traditionellen Kernbestand staatsrechtlicher Normen in parlamentarischen Demokratien (Huber in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 24 Rn. 1). Es steht im Dienst des „staatsleitenden Dialogs“ (Brocker in Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, 2016, § 34 Rn. 47; Klein/Schwarz in Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Art. 43 Rn. 119; Schliesky in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 43 Rn. 37). Deshalb korrespondiert mit dem Äußerungsrecht der Regierung eine entsprechende Verpflichtung des jeweiligen Gremiums und seiner Mitglieder, der Regierung auch Gehör zu gewähren (Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BV). Die Abgeordneten haben die Äußerungen der Staatsregierung zur Kenntnis zu nehmen und bei den weiteren Beratungen zu berücksichtigen; sie dürfen das Äußerungsrecht nicht unterlaufen (Brocker in Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 43 Rn. 32 f. m. w. N.). Damit zieht das Äußerungsrecht der Regierung den Rechten der Abgeordneten aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV von vornherein Grenzen. Ein Recht der Abgeordneten oder Fraktionen, das es der Staatsregierung verböte, sich zu ihren Anträgen und sonstigen Handlungen zu äußern, kennt die Verfassung nicht. Der sachliche Austausch von Argumenten zwischen den Verfassungsorganen in Rede und Gegenrede wird von der Bayerischen Verfassung vorausgesetzt und kann die Rechte der Abgeordneten und Fraktionen von vornherein nicht verletzen. Das gilt auch für die Abgeordneten und Fraktionen der Landtagsminderheit. Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV schränkt die Rechte der Staatsregierung aus Art. 24 Abs. 1 BV grundsätzlich nicht ein.
51
Diese Maßstäbe gelten auch im Verfahren zur Aufstellung des Haushaltsplans und im Verfahren zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes. Zutreffend ist, dass es sich beim Budgetrecht des Parlaments um ein besonders bedeutsames Recht und zentrales Instrument der parlamentarischen Regierungskontrolle handelt (VerfGH vom 17.11.1994 VerfGHE 47, 276/304 f.; vom 31.3.2000 VerfGHE 53, 42/64 f.; Hoffmeyer in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 78 Rn. 3; Lindner in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 78 Rn. 1). Es bezeichnet die alleinige Befugnis des Parlaments zur verbindlichen Festlegung aller Einnahmen und Ausgaben des Staates durch förmliches Gesetz. Das Budgetrecht ist dem Parlament vorbehalten (Art. 78 Abs. 3 BV) und bleibt dem Volksentscheid verschlossen (Art. 73 BV). Gleichwohl ist gerade das Haushaltsverfahren auf besondere Kooperation und Verständigung zwischen Exekutive und Legislative angelegt (Hoffmeyer a. a. O.). Deshalb sieht die Bayerische Verfassung auch hier keine Einschränkung des Äußerungsrechts der Staatsregierung (Art. 24 Abs. 2 BV) vor und billigt ihr sogar das Recht zu, bei bedarfserhöhenden Beschlüssen des Landtags eine nochmalige Beratung zu verlangen (Art. 78 Abs. 5 BV). Einfachrechtlich steht das Initiativrecht allein der Staatsregierung zu (Art. 29 Abs. 1 BayHO). Aus diesen wechselseitigen Rechten und Pflichten sowohl des Landtags als auch der Staatsregierung folgt keine weitergehende Verpflichtung der Staatsregierung, im Rahmen der Haushaltsgesetzgebung Äußerungen über die parlamentarische Arbeit von Abgeordneten oder Fraktionen zu unterlassen.
52
(2) Die Antragsteller haben hiernach nicht substanziiert dargetan, dass ihre Organrechte durch einen Neutralitätsverstoß der Antragsgegner verletzt worden wären.
53
Aus dem Grundsatz der chancengleichen Beteiligung an der parlamentarischen Willensbildung folgt die Verpflichtung der Staatsorgane, gegenüber den Abgeordneten und Fraktionen im Hinblick auf deren Parlamentsarbeit Neutralität zu wahren (vgl. VerfGH vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 22 unter Verweis auf VerfGHE 72, 15 Rn. 73 und BVerfG vom 27.2.2018 BVerfGE 148, 11 Rn. 44 ff., letztere Entscheidung zum Wettbewerb der Parteien). Diese „allgemeine“ Neutralitätspflicht reicht indes nur so weit wie der spezifische Schutzbereich des freien Mandats. Sie schützt demnach insbesondere vor solchen staatlichen Maßnahmen, die sich gegen eine bestimmte Art und Weise der Ausübung parlamentarischer Rechte richten oder die freie Willensbildung der Abgeordneten und ihre von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zu den Wählerinnen und Wählern beeinträchtigen (VerfGH BayVBl 2023, 262 Rn. 35).
54
Eine strikte Neutralitätspflicht gilt jedoch nicht für das Gesetzgebungsverfahren als solches. Beim Gesetzgebungsverfahren handelt es sich um ein innerstaatliches Verfahren und nicht wie bei einer Wahl um den Grundakt demokratischer Legitimation (VerfGH vom 19.1.1994 VerfGHE 47, 1/14 für die Gesetzgebung durch Volksbegehren). Auf die Gesetzgebung durch den Landtag darf die Staatsregierung kraft ihres unbeschränkten Rechts auf Anhörung und Äußerung (Art. 24 Abs. 2 BV) Einfluss nehmen (VerfGHE 47, 1/14 ff.; Huber in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 24 Rn. 1). An die Stelle des Neutralitätsgebots tritt daher im Verfahren der Gesetzgebung ein Objektivitäts- oder Sachlichkeitsgebot (VerfGHE 47, 1/16 f. für die Gesetzgebung durch Volksbegehren). Dabei darf die Staatsregierung auch auf Kritik an Gesetzesvorhaben, die sie oder die sie tragende Parlamentsmehrheit initiiert haben, eingehen. Wenn aber die Staatsregierung schon im außerparlamentarischen Bereich zur Erläuterung von ihr getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben befugt ist, was das Recht einschließt, sich mit darauf bezogenen kritischen Einwänden sachlich auseinanderzusetzen (BVerfG vom 27.2.2018 BVerfGE 148, 11 Rn. 56 für die Bundesregierung bezogen auf die Chancengleichheit der Parteien), so gilt dies erst recht im innerparlamentarischen Bereich. Die Verfassung verpflichtet die Staatsregierung und die Staatministerien zwar auch hier, einseitig parteiergreifende Stellungnahmen zugunsten oder zulasten einzelner Fraktionen oder Abgeordneter zu unterlassen. Die Erläuterung ihrer Politik und die Zurückweisung der darauf zielenden Einwände darf sie nicht zum Anlass nehmen, für Regierungsparteien zu werben oder Oppositionsparteien oder deren Abgeordnete zu bekämpfen. Stattdessen hat sie sich darauf zu beschränken, ihre politischen Entscheidungen zu erläutern und dagegen vorgebrachte Einwände in der Sache aufzuarbeiten (BVerfGE 148, 11 Rn. 58 für die Bundesregierung). Eine strikte Neutralität in dem Sinn, dass sie Kritik an ihren Maßnahmen unkommentiert hinnehmen müsste, muss sie jedoch nicht wahren.
55
(3) Zu keinem anderen Maßstab führt auch der aus dem Gebot der Gewaltenteilung (Art. 5 BV) fließende Grundsatz der Organtreue, der die drei Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative bei der Ausübung ihrer Befugnisse zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet (vgl. VerfGH vom 17.11.2014 VerfGHE 67, 291 Rn. 55; Brechmann in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 5 Rn. 4). Die Organtreue ist ein akzessorisches und subsidiäres Prinzip, das nicht zum Tragen kommt, wenn geschriebenes Verfassungsrecht eingreift (Bethge in Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 64 Rn. 110 m. w. N.). Aufgrund der ausdifferenzierten Regelungen in Art. 78 und 24 Abs. 2 BV im Bereich der Haushaltsgesetzgebung ergeben sich im Hinblick auf Äußerungen gegenüber dem Parlament auch aus dem allgemeinen Prinzip der Organtreue keine über das Sachlichkeitsgebot hinausgehenden Beschränkungen. Unter Verfassungsorganen schließen sich gegenseitige Rücksichtnahme und sachliche Auseinandersetzung bis hin zur Kritik nicht aus (Voßkuhle NJW 1997, 2216/2217 f.).
56
(4) Ein verfassungsunmittelbares Recht der Abgeordneten und Fraktionen, dass ihre Anträge von der Staatsregierung oder den zuständigen Ministerien nicht aufgegriffen und bewertet werden, ergibt sich damit weder aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV noch aus anderen Bestimmungen der Bayerischen Verfassung. Mit der bloßen sachlichen Bewertung der parlamentarischen Arbeit von Fraktionen und Abgeordneten der Opposition durch die Regierung ist noch keine erhebliche Beeinträchtigung der Ausübung parlamentarischer Rechte, der freien Willensbildung der Abgeordneten oder der von staatlicher Beeinflussung freien Kommunikationsbeziehung zu den Wählerinnen und Wählern verbunden. Dies gilt auch im Verfahren zur Verabschiedung des Haushalts.
57
(5) Aus alledem folgt, dass die Rechte der Antragsteller nicht schon dadurch verletzt sein können, dass sich der Antragsgegner zu 2 in der an das Büro des Haushaltsausschusses übersandten Übersicht überhaupt zu den Änderungsanträgen der Antragstellerin zu 1 verhalten hat. Vorliegend kommt hinzu, dass die Übersicht zur Bündelung von Änderungsanträgen vom Antragsgegner zu 2 entsprechend der unstreitigen und von den Antragstellern auch nicht angegriffenen parlamentarischen Praxis auf Bitten des Büros des Haushaltsausschusses erstellt wurde und auch nur für dieses gedacht war. Die Bündelungsvorschläge und mit ihnen ihre kurze Erläuterung waren damit sachlich veranlasst. Eine den Antragsgegnern zurechenbare einseitige Parteinahme, eine Einwirkung auf den parlamentarischen Willensbildungsprozess oder eine Beeinträchtigung der kommunikativen Beziehung zwischen den Antragstellern und ihren Wählerinnen und Wählern durch eine solche lediglich interne Arbeitshilfe liegen daher fern.
58
Verstößt der Umstand, dass sich der Antragsgegner zu 2 zu Anträgen der Antragstellerin zu 1 geäußert hat, für sich genommen nicht gegen verfassungsmäßige Rechte der Antragsteller, kommt es auf die Frage der Geschäftsordnungsmäßigkeit dieses Vorgangs – wie dargelegt – nicht entscheidungserheblich an. Jedenfalls sind die Antragsteller nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass die Äußerung des Antragsgegners zu 2 vorliegend schriftlich erfolgte. Dass sich die Staatsregierung oder die Staatministerien schriftlich an die Ausschüsse wenden, entspricht der parlamentarischen Praxis, wonach die Äußerungen der Mitglieder der Staatsregierung und ihrer Beauftragten nach § 177 Abs. 2 BayLTGeschO auch unter Bezugnahme auf schriftliche Dokumente erfolgen dürfen. § 177 Abs. 2 BayLTGeschO, der unbeschränkt auf § 177 Abs. 1 BayLTGeschO Bezug nimmt und damit entgegen der Auffassung der Antragsteller auch für Ausschüsse gilt, bildet das Äußerungsrecht der Regierung aus Art. 24 Abs. 2 BV insoweit auch im Hinblick auf die Rechte der Abgeordneten und Fraktionen in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ab.
59
Nicht schlüssig dargelegt ist schließlich, dass der konkrete Inhalt der Übersicht vom 15. Februar 2022, namentlich die Erläuterungen zu den Bündelungsvorschlägen, verfassungsmäßige Rechte der Antragsteller verletzt haben könnte. Die Antragsteller machen insofern geltend, die Verfassungswidrigkeit ergebe sich daraus, dass die Übersicht allein die Änderungsanträge der Antragstellerin zu 1 bewertet und keine Sachargumente enthalten habe. Das trifft in tatsächlicher Hinsicht bereits insofern nicht zu, als die Bewertungen jedenfalls stichpunktartig begründet waren. Hinzu kommt, dass die Erläuterung zu Zeile 19 schon keine inhaltliche Bewertung der Änderungsanträge der Antragstellerin zu 1 enthielt und sich die Erläuterungen zu Zeilen 3 und 14 darin erschöpften, stichwortartig den jeweiligen Grund für die Zusammenfassung anzugeben. Selbst wenn sich aus der Erläuterung zu Zeile 3 herauslesen ließe, dass damit die Ablehnung der Änderungsanträge der Antragstellerin zu 1 empfohlen würde, wäre dies für sich genommen noch nicht unsachlich, denn dadurch würde nur zum Ausdruck gebracht, dass die Staatsregierung an ihrem Entwurf festhalten möchte. Dass der Inhalt der Äußerung des Antragsgegners zu 2 zu den Änderungsanträgen der Antragstellerin zu 1 oder der Umstand, dass die Bündelungsvorschläge lediglich im Hinblick auf deren Anträge begründet wurden, gleichwohl die Grenzen der Sachlichkeit in verfassungsrechtlich relevanter Weise überschritten hätten, kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen, zumal die Antragssteller zu Hintergrund und inhaltlichem Kontext der Äußerungen nichts vortragen.
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4. Für die hilfsweise beantragte Vollzugsanordnung gemäß Art. 29 Abs. 2 VfGHG ist schon wegen der Unzulässigkeit der Hauptanträge kein Raum.
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Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).