Inhalt

OLG Nürnberg, Endurteil v. 10.09.2024 – 3 U 2510/23
Titel:

Vorauszahlungen auf Erstattungsbeträge für gewährte Entlastungsbeträge nach den Bestimmungen über die Strompreisbremse

Normenketten:
EnWG § 3, § 102, § 106
StromPBG § 2, § 4, § 20, § 22a
ZPO § 256
Leitsatz:
Stromversorgungsunternehmen, die eine Belieferung ihrer Kunden nach dem Beistellungsmodell praktizieren, sind im Kontext des StromPBG als Elektrizitätsversorgungsunternehmen iSd § 2 Nr. 6 StromPBG anzusehen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorauszahlungen, Erstattungsbeträge, Entlastungsbeträge, Strompreisbremse, Elektrizitätsversorgungsunternehmen, Beistellungsmodell, Letztverbraucher, Netznutzungsverträge, Regelzone, Höchstgrenzen, Abrechnungsreife, Berufung, Zuständigkeit, Kartellsenat
Vorinstanzen:
LG Bayreuth, Berichtigungsbeschluss vom 30.11.2023 – 1 HK O 30/23
LG Bayreuth, Endurteil vom 30.11.2023 – 1 HK O 30/23
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 31130

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 30. November 2023, Az. 1 HK O 30/23, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil sowie das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Bayreuth sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung aus diesen Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.796.963,44 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten Vorauszahlungen auf Erstattungsbeträge für gewährte Entlastungsbeträge nach den Bestimmungen über die Strompreisbremse fordern kann.
2
Die Beklagte ist einer der vier in Deutschland tätigen Übertragungsnetzbetreiber mit eigener Regelzone (ÜNB). Die Klägerin ist ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen, welches Strom von regionalen Energieerzeugern einkauft und diesen an ihre Kunden, schwerpunktmäßig Einrichtungen im kirchlichen, diakonischen und sozialen Bereich, weiterverkauft. Ihr wurde am 19. November 2008 ein Erlaubnisschein als Versorger i.S.d. Stromsteuergesetzes erteilt. Sie verfährt dabei nach dem sog. Beistellungsmodell, indem sie selbst für die Entnahmestellen ihrer Kunden integrierte Stromlieferungsverträge mit den Energieerzeugern/-händlern wie z.B. den Stadtwerken ... (i.F.: Vorlieferanten) schließt, von denen sie den Strom bezieht. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Netznutzung bis zur jeweiligen Entnahmestelle durch Abschluss entsprechender Netznutzungsverträge werden somit nicht von der Klägerin, sondern ihren Vorlieferanten geschaffen; diese entrichten die Entgelte an die Netzbetreiber und stellen diese als Teil des Strompreises der Klägerin in Rechnung. Die Abwicklung der Marktkommunikation, der Bilanzkreisbewirtschaftung und der Netznutzungsprozesse erfolgt damit über die Vorlieferanten, weshalb im System der Netzbetreiber für die entsprechenden Netzentnahmestellen die Klägerin mit der Marktrolle „Kunde/Letztverbraucher“ i.S.d. GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität, Anlage 1 zum Beschluss der Bundesnetzagentur vom 21. November 2022, BK6-22-128) geführt wird. Die Klägerin rechnet die gesamten Kosten für Strombeschaffung und Netznutzung sodann gegenüber ihren Kunden als Teil des zwischen ihnen vereinbarten Entgelts ab. Die zwischen der Klägerin und ihren Kunden geschlossenen Verträge weisen typischerweise Laufzeiten zwischen einem und drei Jahren auf.
3
Die Klägerin belieferte im Jahr 2023 zahlreiche Kunden in der Regelzone der Beklagten; sie gewährte ihnen eine Entlastung nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 StromPBG. Sie hat die Summe der voraussichtlich ihren Kunden gewährten Entlastungen im Jahr 2023 auf ... € prognostiziert, wovon ... € auf Kunden in der Regelzone der Beklagten entfallen. Im Laufe des Verfahrens hat sie mitgeteilt, dass der Entlastungsbetrag, auch was die Regelzone der Beklagten betrifft, sogar geringfügig höher ausfallen werde.
4
Die Klägerin hat unter dem 18. Februar 2023 bei der Beklagten auf Grundlage der prognostizierten Entlastungsbeträge unter Angabe der maßgeblichen Daten und Parameter Vorauszahlungsansprüche i.H.v. jeweils ... € für die Monate Januar bis März 2023 angemeldet. Die Beklagte äußerte mit E-Mail vom 24. Februar 2024 Bedenken im Hinblick auf die Berechtigung der Forderung und behielt sich eine Rückforderung vor, zahlte gleichwohl am 27. Februar 2023 an die Klägerin einen Betrag von ... €. Unter dem 17. März 2023 lehnte die Beklagte weitere Zahlungen ab, woran sie unter dem 26. Mai 2023 festhielt; auf die Anmeldungen der Klägerin für die Monate April bis September i.H.v. jeweils ... € leistete die Beklagte deshalb keine Zahlungen.
5
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung zu Vorauszahlungen auf die Erstattungsbeträge für die Monate April bis September 2023 (... €) nebst Rechtshängigkeitszinsen sowie die Feststellung, dass ihr entsprechende Vorauszahlungen auch für die Monate Oktober bis Dezember 2023 zustehen. Die Beklagte verlangt mit ihrer Widerklage die Rückzahlung der bereits geleisteten ... € nebst Rechtshängigkeitszinsen. Im Hinblick auf diese Widerklage hat die Klägerin ihre ursprünglich erhobene negative Feststellungsklage für erledigt erklärt; die Beklagte hat dem nicht zugestimmt.
6
Die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bayreuth hat im angegriffenen Endurteil vom 30. November 2023 (im Tenor berichtigt mit Beschluss vom selben Tag) die Beklagte zu Vorauszahlungen in der begehrten Höhe einschließlich des überwiegenden Teils der begehrten Zinsen verurteilt und einen entsprechenden Anspruch für die Monate Oktober bis Dezember 2023 sowie die Erledigung der Hauptsache hinsichtlich des negativen Feststellungsantrags festgestellt; die Widerklage hat sie abgewiesen. Die Klägerin sei Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) i.S.d. § 2 Nr. 6 StromPBG, sodass sie die Ansprüche nach §§ 20, 22a StromPBG geltend machen könne, und nicht Letztverbraucherin, wie die Beklagte meint. Zwar sei EVU nach der Definition in § 2 Nr. 6 StromPBG nur eine natürliche oder juristische Person, die Strom über ein Netz an Letztverbraucher liefere, doch stehe die Einschränkung „über ein Netz“ der Behandlung der Klägerin als EVU nicht entgegen. Die Bestimmung sei zwar dahin zu verstehen, dass gerade die Lieferung der Klägerin über ein Netz geschehen müsse, doch finde sich eine echte Definition, was unter „Netz“ zu verstehen sei, weder in § 2 Nr. 13 StromPBG noch in § 3 Nr. 16 EnWG. Es spreche viel dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Tatbestandselement lediglich Liefersachverhalte innerhalb von Kundenanlagen ausschließen habe wollen, aber Fälle von Zwischenhändlern wie die Klägerin nicht erwähnt und offensichtlich nicht bedacht habe. Sowohl die Klägerin als auch ihre Kunden ließen sich unter dem Begriff des Letztverbrauchers i.S.v. § 2 Nr. 12 StromPBG subsumieren; da die Klägerin nicht (zur Entlastung verpflichtete) EVU und (zur Entlastung berechtigte) Letztverbraucherin sein könne und der Gesetzgeber davon ausgehe, dass die Entlastung des Letztverbrauchers genau einmal durch das ihn beliefernde EVU zu erfolgen habe, sei die Klägerin als EVU anzusehen. Ein anderes Verständnis würde dazu führen, dass die Kunden der Klägerin entgegen der gesetzgeberischen Intention eine Entlastung nicht beanspruchen könnten; eine solche könnten sie allenfalls ohne Rechtsanspruch und wegen der Obergrenzen des § 9 StromPBG nur teilweise erwarten. Die Höhe des Anspruchs der Klägerin ergebe sich aus den unstreitig gebliebenen Anmeldungen, bei denen die Klägerin die geschätzten Beträge zugrunde legen habe dürfen. Eine abschließende Klärung sei der Endabrechnung vorbehalten. Aus diesen Überlegungen ergebe sich zugleich die Begründetheit des Feststellungsantrags und des Erledigungsfeststellungsantrags und die Unbegründetheit der Widerklage. Den Anträgen der Beklagten auf Berichtigung des Tatbestands vom 19. Dezember 2023 hat das Landgericht nicht entsprochen.
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Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klageanträge und die Verurteilung der Klägerin entsprechend ihrem Widerklageantrag. Die Parteien haben in der Berufungsinstanz ihre erstinstanzlichen Argumente wiederholt, vertieft und ergänzt. Die Beklagte und Berufungsführerin rügt, dass das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, dass die Klägerin ihre Kunden an der Netzentnahmestelle beliefere; vielmehr sei es so, dass die Klägerin selbst dort von ihren Vorlieferanten beliefert werde. Sie macht zudem geltend, das Landgericht habe sich nicht mit geschätzten Beträgen begnügen dürfen, da die Vorauszahlungsansprüche nach § 22a Abs. 2 u. 3 StromPG zu berechnen seien; schlüssigen und substantiierten Vortrag hierzu habe die Klägerin nicht gehalten. Die Beklagte habe lediglich nicht bestritten, dass die Klägerin entsprechende Vorauszahlungsanträge in ihr Portal eingestellt hat, wohl aber die Berechtigung der geltend gemachten Forderungen auch der Höhe nach. Sie rügt ferner, dass das Landgericht das Verfahren zu schnell betrieben habe und die notwendige Beteiligung der BNetzA unterblieben sei; letztere könne schon deswegen nicht als unbedeutend angesehen werden, weil hinsichtlich der streitentscheidenden Rechtsfrage eine Abstimmung zwischen den vier ÜNB, der BNetzA und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz stattgefunden habe.
8
Die Beklagte und Berufungsführerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Bayreuth vom 30.11.2023 (Az. 1 HK O 30/23) wird
1. die Klage insgesamt abgewiesen und
2. die Klägerin verurteilt, an die Beklagte ... € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Schriftsatzes der Beklagten vom 02.11.2023 zu zahlen.
9
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
10
Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung.
11
Der Senat hat zur Sache mündlich verhandelt; eine förmliche Beweisaufnahme ist nicht erfolgt. Die Bundesnetzagentur wurde in der vorgesehenen Form gemäß § 104 EnWG beteiligt; sie hat von Stellungnahmen oder einer Teilnahme am Verhandlungstermin abgesehen. Im Übrigen wird zur Darstellung des Sachverhalts auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung sowie die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen, auf die Schriftsätze auch wegen des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien im Übrigen.
II.
12
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, weil sich die angegriffene Entscheidung als zutreffend darstellt.
13
1. Der Senat des Oberlandesgerichts Nürnberg ist für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig.
14
Das Landgericht Bayreuth hat im angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass die Streitigkeit den Tatbestand des § 102 Abs. 1 S. 2 EnWG erfüllt und deshalb eine Handelssache darstellt, weil die Entscheidung auch davon abhängt, ob/dass die Beklagte regelzonenverantwortliche Übertragungsnetzbetreibern i.S.v. § 3 Nr. 10a EnWG ist. Die Passivlegitimation für die Ansprüche nach den §§ 20, 22a StromPBG knüpft insoweit uneingeschränkt an die Begrifflichkeit des EnWG an, so dass eine nach dem EnWG zu beurteilende Vorfrage gegeben ist. Unerheblich ist dabei, dass die Qualifikation der Beklagten als regelzonenverantwortliche Übertragungsnetzbetreibern weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht im Streit steht. Diese Auffassung stellt die Berufung nicht in Abrede.
15
Dementsprechend ergibt sich die Zuständigkeit des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg aus § 106 Abs. 1 EnWG i.V.m. § 34 Nr. 2 GZVJu.
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2. Die Klageanträge sind zulässig; dies gilt insbesondere auch für den die Vorauszahlungen für die Monate Oktober bis Dezember 2023 betreffenden Feststellungsantrag.
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Wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage fehlt einer solchen zwar regelmäßig das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, wenn die Klagepartei ihr Begehren im Wege der „rechtsschutzintensiveren“ Leistungsklage durchsetzen könnte. Jedoch sind Ausnahmen von diesem Grundsatz anerkannt, wenn im Einzelfall angenommen werden kann, dass auch die Durchführung eines Feststellungsverfahrens unter Berücksichtigung der Prozessökonomie zu einer sinnvollen und sachgerechten Erledigung führt. Zu diesen Fällen gehören Situationen, in denen zu erwarten ist, dass der Beklagte ein Feststellungsurteil respektieren wird, was bei Klagen gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten, aber auch – mit Rücksicht auf die gesetzlichen Pflichten bzw. die staatliche Aufsicht durch entsprechende Behörden – Klagen gegen Insolvenzverwalter, Versicherungsunternehmen und Banken angenommen wird (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 55; Musielak/Voit/Foerste, 21. Aufl. 2024, ZPO § 256 Rn. 13).
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Vorliegend kann hinreichend sicher angenommen werden, dass die Beklagte einem Urteil, welches ihre Zahlungspflicht lediglich feststellt, Folge leisten wird und es daher nicht auf die mit einer Leistungsklage verbundene Vollstreckungsmöglichkeit für die Klägerin ankommen wird. Die Beklagte ist zwar juristische Person des Privatrechts, untersteht aber einer intensiven staatlichen Aufsicht durch die BNetzA und andere Regulierungsbehörden (§ 54 EnWG), welche u.a. bei Rechtsverstößen Abhilfemaßnahmen treffen können (§ 65 EnWG). Daher ist davon auszugehen, dass die Beklagte, die auch hinreichend leistungsfähig erscheint, nach einem rechtskräftigen Feststellungsurteil die entsprechende Leistung von sich aus erbringen wird.
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3. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Leistung von Vorauszahlungen auf Erstattungsansprüche wegen nach § 4 Abs. 1 StromPBG ihren Kunden gewährter Entlastungen angenommen. Insbesondere ist es zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin EVU im Sinne der § 22a, § 20, § 4 Abs. 1, § 2 Nr. 6 StromPBG ist.
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a) Das Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse (Strompreisbremsegesetz, StromPBG) sieht, soweit vorliegend von Interesse, für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2023 folgende Entlastungs- und Wälzungsmechanismen vor:
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Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) haben dem von ihnen mit Strom belieferten Letztverbraucher eine Absenkung der Stromkosten in Höhe des monatlichen Entlastungsbetrags zu gewähren (§ 4 Abs. 1 StromPBG). Für Letztverbraucher, die Unternehmen sind, beläuft sich der Entlassungsbetrag grundsätzlich auf maximal 2.000.000,00 € bzw. 4.000.000,00 €, kann aber durch die Prüfbehörde bei Vorliegen bestimmter Umstände erhöht werden, ist aber auch dann auf einen Prozentanteil der Mehrbelastung begrenzt (§ 9 Abs. 1 Nr. 1, § 11 StromPBG).
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Die EVU haben einen Anspruch auf Erstattung der ihren Kunden gewährten Entlastungsbeträge gegenüber dem regelzonenverantwortlichen ÜNB (§ 20 StromPBG); sie können deswegen Vorauszahlungen beanspruchen (§ 22a StromPBG). Die Belastung für die ÜNB soll im Wesentlichen durch die Abschöpfung von Übererlösen bei Stromerzeugern aufgefangen werden (§§ 13 ff. StromPBG); im Übrigen findet ein Ausgleich unter den ÜNB und mit den Verteilernetzbetreibern statt, ersatzweise eine Erstattung aus dem Bundeshaushalt (§ 24 StromPBG).
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b) Hieraus folgt für den vorliegenden Sachverhalt, dass von der Qualifikation der Klägerin als EVU – wie sie es für zutreffend hält – oder als Letztverbraucherin – wie es die Beklagte vertritt – abhängt, ob sie ihren Kunden zur Entlastung verpflichtet ist und von der Beklagten Erstattung und Vorauszahlung beanspruchen kann. Zugleich hängt davon ab, in welcher Weise und ggf. in welchem Umfang die Kunden der Klägerin in den Genuss der Entlastung kommen:
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Sind Stromversorgungsunternehmen, die eine Belieferung ihrer Kunden nach dem Beistellungsmodell praktizieren, im Kontext des StromPBG als EVU anzusehen, haben die belieferten Kunden (die dann die Letztverbraucher i.S.v. § 2 Nr. 2 StromPBG sind) gegenüber ihnen den Anspruch auf Entlastung nach § 4 Abs. 1 StromPBG und sie selbst wiederum Ansprüche gegen den ÜNB nach §§ 20, 22a StromPBG. Es ist dann die vollständige Entlastung der Stromverbraucher im nach § 9 StromPBG vorgesehenen Umfang sichergestellt. U.a. dieses Ergebnis spricht tendenziell für die von der Klägerin vertretene Position, welche auch zwischenzeitlich das Landgericht Stuttgart in einem von der Klägerin gegen einen anderen regelzonenverantwortlichen ÜNB betriebenen Rechtsstreit eingenommen hat und bereits zuvor in der Aufsatzliteratur für zutreffend gehalten wurde (Eder/Lehnert/Nissle, EnWZ 2023, 315 (318)).
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Sind solche Stromlieferanten dagegen als Letztverbraucher (dann: „weiterleitende Letztverbraucher“) zu qualifizieren, haben sie selbst gegenüber ihrem Vorlieferanten den Entlastungsanspruch nach § 4 StromPBG, dessen Höhe jedoch unter Beachtung von § 9 StromPBG zu bestimmen ist. Inwieweit sie diese Entlastung an die tatsächlichen Endverbraucher (dann: „weiterbelieferte Drittverbraucher“) weitergeben (ggf.: müssen) und diese im Ergebnis geringer ausfällt, weil sie nur eine begrenzte Entlastung beanspruchen können, ist dann eine Frage des Zivilrechts (vgl. BT-Drs. 20/4685, S. 77). Für diese Einordnung, die auch vom BMWK und der BNetzA vertreten wird, spricht der Wortlaut des § 2 Nr. 6 StromPBG.
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Der Senat kommt nach Würdigung der von den Parteien vorgebrachten Argumente zum Ergebnis, dass die Klägerin, wie von ihr vertreten, ein EVU i.S.d. § 2 Nr. 6 StromPBG ist und daher ihr die geltend gemachten Ansprüche zustehen.
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c) In tatsächlicher Hinsicht muss der Senat davon ausgehen, dass die Belieferung der Klägerin durch ihre Vorlieferanten an der jeweiligen Entnahmestelle, die den Kundenanschlüssen der Klägerin entspricht, erfolgt und an diesem Ort zugleich die Belieferung durch die Klägerin zugunsten ihrer Kunden vorgenommen wird.
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Entsprechendes hat die Klägerin substantiiert vorgetragen und exemplarisch belegt. So wird in § 1 des Vertrags über die Lieferung und Bezug von elektrischer Energie zwischen der Klägerin und der ...  GmbH vom ... der Vertragsgegenstand dahin umschrieben, dass die Klägerin der Kundin Energie an die Entnahmestelle zu liefern hat, welche die Eigentumsgrenze des Netzanschlusses darstellt, über den der Kunde beliefert und mittels Marktlokations-Identifikationsnummer energieewirtschaftlich identifiziert wird. Damit ist klar zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin ihren Kunden den Strom am Netzentnahmepunkt bereitstellt, aber keine weiteren Lieferungen – insbesondere auch nicht hinter der Netzentnahmestelle – schuldet. Auch die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen an ihre Kunden wie z.B. die ... weisen eine Zählpunktbezeichnung und eine Verbrauchsstelle aus, enthalten aber keine Hinweise darauf, dass die Klägerin noch hinter diesen Netzentnahmestellen tätig ist, für die Kundenanlage oder Teile davon verantwortlich sein soll oder diese zum Stromtransport nutzen soll. Hierfür bestünde auch kein Bedarf; zudem wäre derartiges beim Beistellungsmodell auch nicht üblich.
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Wenn die Beklagte hier Einzelheiten in tatsächlicher Hinsicht mit Nichtwissen bestreitet (und nicht nur geltend macht, das Landgericht hätte nicht die Endkunden als Letztverbraucher qualifizieren dürfen) und fehlende Feststellungen rügt, steht dies einer entsprechenden Überzeugungsbildung des Gerichts nicht entgegen. Eine tatsächliche Überzeugung ist auch aufgrund des Parteivorbringens möglich, wenn keine Zweifel begründenden Umstände erkennbar sind; Letzteres ist hier nicht gegeben. Insoweit kann das Gericht nicht zugrunde legen, dass, wie es die Beklagte in der Berufungsbegründung darstellt, die Weiterleitung des Stroms durch die Klägerin in der Kundenanlage der jeweiligen Kunden erfolge. Vielmehr unternimmt die Klägerin überhaupt keine physische Weiterleitung.
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Wenn in der Literatur für das Beistellungsmodell geäußert wird, beim Beistellungsmodell erhalte der vom Endkunden gewählte Stromversorger die Stromlieferung in einer „juristischen Sekunde“ direkt hinter dem Netzanschluss von seinem Vorlieferanten in der Marktrolle Lieferant und liefere sie dann an den Letztverbraucher weiter (Assmann/Purucker, in: Assmamn/Pfeiffer, EnWG, 11. Edition Stand 1.6.2024, § 20 Rn. 55), dürfte diese Darstellung bereits maßgeblich von der Rollenverteilung der GPKE geprägt sein. Jedenfalls ergibt sich aus der vorliegenden Vertragsgestaltung, dass der Netzanschluss der Punkt ist, an dem sowohl die Vorlieferanten ihre Leistung an die Klägerin erbringen als auch diese ihre Leistung an ihre Kunden.
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Im Übrigen dürften die Ausführungen des Landgerichts Bayreuth in den Entscheidungsgründen (S. 7), die Leistung der Klägerin beziehe sich auf eine Netzentnahmestelle, sie lasse bis dorthin [Strom] durch Dritte in deren Regie liefern und verkaufe ab dort, der Sache nach tatbestandliche Feststellungen darstellen. Diese hat die Beklagte nicht mit ihrem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen, sodass die Ausführungen für das Berufungsgericht wegen § 314 ZPO als verbindlich zugrundezulegen sind.
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d) Bei striktem Festhalten am Wortlaut des § 2 Nr. 6 StromPBG, nach dem durch das EVU ein Energietransport über das öffentliche Netz stattfinden muss, könnte die Klägerin nicht als EVU i.S.d. StromPBG eingeordnet werden.
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aa) Dem Normwortlaut und insbesondere dem Merkmal „über ein Netz“ kommt für die Auslegung Bedeutung zu, weil der Gesetzgeber durch diese Wendung bewusst eine engere Begriffsbestimmung als die im EnWG verwendete gewählt hat, um den damit korrespondierenden Kreis der Entlastungsberechtigten einzuschränken (BT-Drs. 20/4685, S. 76). bb) Zur Auslegung des Begriffs des Netzes in § 2 Nr. 6 StromPBG ist wegen § 2 Nr. 13 StromPBG das Begriffsverständnis des § 3 Nr. 16 EnWG zugrunde zu legen, der allerdings seinerseits keine abschließende Definition enthält, sondern nur negativ Kundenanlagen ausgrenzt.
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Wie es auch das Landgericht erkannt hat, stellt nach dem gängigen Verständnis ein einzelner Knoten kein Netz dar; die Klägerin wird aber lediglich an einem solchen tätig, da sie an der Netzentnahmestelle die Lieferung ihrer Vorlieferanten empfängt und sogleich an ihre Kunden weitergibt, ohne im eigenen Namen eine Netznutzung vorzunehmen. Der Punkt an der Grenze des Netzes, an dem sie die Energielieferungen erhält (Eigentumsgrenze zum Kunden), ist zugleich der Punkt, an dem sie ihrem Kunden den Strom liefert. Sie nutzt daher nicht selber das Netz, sodass die Belieferung nicht über dieses erfolgt. Der Senat folgt insoweit auch der Argumentation der Beklagten, dass die Netznutzung durch die Vorlierantin der Klägerin nicht der Klägerin zugerechnet werden können, weil die maßgeblichen Netznutzungsverträge von diesen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abgeschlossen werden. Da die Klägerin nach den vorgelegten Verträgen als Leistung ihrer Vorlieferanten die Lieferung an diese letzte Entnahmestelle verlangen kann, erbringen die Vorlieferanten durch die Netznutzung ihre Leistung und sind nicht als Auftragnehmer o.Ä. in die der Klägerin gegenüber ihren Kunden obliegenden Leistungen eingebunden.
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cc) Dementsprechend wird auch im Leitfaden „FAQ-Liste zur Strompreisbremse“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 13. September 2023 unter Nr. 18 vertreten, dass bei der Belieferung nach dem Beistellungsmodell das liefernde Unternehmen der Letztverbraucher ist und daher der belieferte Kunde keine Entlastung begehren kann. Der Abschnitt bezieht sich dabei – anders als die BT-Drs. 20/4685 – gerade auf EVU wie die Klägerin, die Strom an der Netzentnahmestelle entgegennehmen und dort unmittelbar an Kunden weitergeben.
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e) Dem Wortlaut der Bestimmung kann aber für die Konstellationen der vorliegenden Art nicht die entscheidende Bedeutung zukommen. Vielmehr gebieten sachliche Gründe, insbesondere der Normzweck und die vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgten Ziele (objektiv-teleologische und subjektiv-teleologische/historische Auslegung) sowie der Zusammenhang mit den Höchstgrenzen (systematische Auslegung), das Merkmal „über ein Netz“ so auszulegen, dass das belieferte Unternehmen in Fälle der vorliegenden Art das EVU (und nicht den Letztverbraucher) bildet; jedenfalls müssten die maßgeblichen Normen auf die Situation des Beistellungsmodells analog angewandt werden.
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aa) Der Gesetzgeber beabsichtigte zwar zweifellos, mit dem Merkmal „über ein Netz“ bestimmte Liefersachverhalte vom sachlichen Anwendungsbereich der Strompreisbremse auszunehmen. Entscheidend muss dabei aber sein, welche Situationen er von dem gesetzlichen Entlastungs- und Wälzungsmechanismus ausnehmen wollte, insbesondere, ob hierzu auch Fälle der Belieferung im Beistellungsmodell gehören sollten.
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(1) Nach dem Inhalt der maßgeblichen Gesetzesmaterialien sollte die Einengung des Begriffs des EVU in § 2 Nr. 6 StromPBG bewirken, dass Liefersachverhalte innerhalb einer Kundeanlage nicht erfasst werden (BT-Drs. 20/4685, S. 76; wenn dies nach Auffassung der BNetzA, Beschluss vom 2. Juli 2024, BK4-24-020, S. 9 sich bereits aus § 2 Nr. 13 StromPBG, § 3 Nr, 16 EnEG ergeben soll, dürfte dies übersehen, dass diese Regelung erst über § 2 Nr. 6 und 12 StromPBG relevant wird).
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(2) Zudem sollte durch das einschränkende Merkmal bestimmten Weiterleitungssachverhalten Rechnung getragen werden, insbesondere solchen bei Ladesäulen und Landstromanlagen. Nach dem StromPBG sollten auch Personen als Letztverbraucher gelten und damit die Entlastung beanspruchen können, die Strom an andere Personen weiterleiten, die ihn dann letztverbrauchen. Andernfalls könnten diese weiterleitenden Personen eine Entlastung nur insoweit für sich beanspruchen, als sie den Strom selbst verbrauchen (BT-Drs. 20/4685, S. 77). Indem derjenige, der den Strom aus dem Netz entnimmt, generell als Letztverbraucher gilt, kommt er in den Genuss der Privilegierungen nach dem StromPBG; wichtig sei dies insbesondere im Hinblick auf Betreiber öffentlicher Ladesäulen und Fahrer von Elektroautos. Darüber, inwieweit er weiter belieferten Personen hiervon partizipieren lässt, soll das jeweilige zivilrechtliche Rechtsverhältnis bestimmen.
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(3) Positive Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber die – nach übereinstimmenden Parteivortrag zwar weiterhin zulässige, aber infolge der Liberalisierung des Netzzugangs an Bedeutung verlierende – Konstellation des Beistellungsmodells vor Augen oder überhaupt bedacht hat, finden sich dagegen nicht. Das Beistellungsmodell entspricht auch nicht den vom Gesetzgeber bedachten Situationen in den maßgeblichen Punkten, sodass nichts dafür spricht, dass es ebenfalls ausgeschlossen sein sollte:
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bb) Die vom Gesetzgeber bedachten Sachverhalte „Ladesäulen und Landstromanlagen“ unterscheiden sich in einem maßgeblichen Punkt von der Belieferungs- und Vertragspraxis zwischen der Klägerin und ihren Kunden, so dass die für den Gesetzgeber maßgeblichen Erwägungen hier nicht uneingeschränkt passen.
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(1) Aufgrund der (sowohl typischerweise als auch im vorliegenden Fall) mehrjährigen Laufzeiten von Stromlieferverträgen besteht für die im Beistellungsmodell belieferten Kunden regelmäßig keine Möglichkeit zur spontanen Auswahl unter mehreren Anbietern; insoweit liegt die Sachlage grundlegend anders als für denjenigen, der für sein Elektroauto oder sein Schiff eine Lademöglichkeit sucht. Der Betreiber einer Ladesäule steht typischerweise in Konkurrenz mit anderen Betreibern und wird deshalb faktisch gezwungen sein, die ihm zuteil gewordene Entlastung nach § 4 Abs. 1 StromPBG an seine Kunden vollständig oder zumindest teilweise weiterzugeben, wenn dies die anderen Mitbewerber tun, weil sich der Kunde sonst von ihm abwenden wird. Insoweit bewirkt der Markt einen Druck auf die Anbieter, der wiederum dazu führt, dass die Endverbraucher auch ohne einen der Regelung in § 4 Abs. 1 StromPG vergleichbaren Rechtsanspruch faktisch in den Genuss der Entlastung kommen, die der Gesetzgeber den Endverbrauchern – und nicht den weiterliefernden Unternehmen – zugedacht hat.
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Zugunsten des langjährig gebundenen Verbrauchers sind solche Effekte nicht zu erwarten, weil er an den Vertrag mit seinem Lieferanten gebunden ist und dieser daher keinen vergleichbaren Anreiz hat, die erhaltene Entlastung weiterzugeben.
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Zudem spricht dafür, dass eine Ausnahme betreffend Ladesäulen und Landstromanlagen geschaffen werden musste, da in solchen Situationen eine Anknüpfung an die Netzentnahmestelle, wie sie § 4 Abs. 2 StromPBG vorsieht, nicht möglich wäre. Ebenso wären eine Zusammenfassung aller bezogenen Strommengen und daraus resultierende Entlastungen zur Ermittlung der Höchstgrenzen (vgl. § 30 StromPBG) kaum praktikabel, wenn auch solche Kleinstbezüge einbezogen werden müssten.
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(2) Die Beklagte hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass Kunden einen Stromliefervertrag außerordentlich kündigen können, wenn der Lieferant von einem einseitigen Preisanpassungsrecht Gebrauch macht. Ein solcher Fall ist aber tatbestandlich nicht gegeben, wenn das beliefernde Unternehmen den Preis schlicht beibehält, obwohl infolge einer Entlastung sachlicher Anlass für eine Reduzierung gegeben sein könnte.
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(3) Richtig dürfte demgegenüber der Hinweis der Beklagten sein, dass die Klägerin eine vertragliche Nebenpflicht trifft, die von ihr belieferten Kunden an einer unerwarteten Reduzierung der Beschaffungskosten teilhaben zu lassen, die sich daraus ergibt, dass sie selbst gegenüber ihrer Lieferantin in den Genuss der Entlastung nach § 4 Abs. 1 StromPBG kommt. Eine solche Pflicht ist aus dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB) abzuleiten oder könnte auf den Gesichtspunkt einer Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) gestützt werden. Derartiges ist auch in den Stromlieferungsverträgen, die die Klägerin mit ihren Kunden schließt, explizit enthalten. Die Kunden, die im Beistellungsmodell Strom beziehen, wären daher auch bei langfristigen Verträgen bei der Belieferung im Beistellungsmodell im Ergebnis nicht rechtlos gestellt; auf Marktmechanismen kommt es dann nicht entscheidend an.
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Ein solcher Anspruch auf „Weitergabe“ der selbst erhaltenen Entlastung wäre aber wirtschaftlich nachteiliger als ein unmittelbarer Entlastungsanspruch nach § 4 StromPBG, weil die Kunden der Klägerin lediglich eine Weitergabe von Entlastungen in dem Umfang beanspruchen könnten, wie sie auch die Klägerin erfährt. Ist das im Beistellungsmodell beliefernde Unternehmen Letztverbraucher, kann – wie noch darzustellen sein wird – der Fall eintreten, dass es wegen § 9 StromPBG eine Entlastung nur in gedeckeltem Umfang enthält, was dann dazu führt, dass auch seine Kunden keine vollständige Entlastung beanspruchen können.
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Eine vollständige oder auch nur weitgehende Entlastung, wie sie bei Ladesäulen und Landstromanlagen erwartet werden konnte, ist damit nicht in vergleichbarer Weise sichergestellt.
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(4) Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber durch die Herausnahme von Stromlieferungen an Ladesäulen und Landstromanlagen durch das Merkmal „über ein Netz“ die Position der (untechnisch) Letztverbraucher verbessern, nicht verschlechtern wollte. Durch den „definitorischen Kunstgriff“ (BeckOK EnSiR/Richter, 5. Ed. 1.2.2024, StromPBG § 2 Rn. 35) in § 2 Nr. 12 EnWG, den weiterleitenden Inhaber des Netzanschlusses zum Letztverbraucher zu machen, auch wenn er selbst den Strom nicht verbraucht, kommt der Belieferte wenigstens indirekt in den Genuss einer Entlastung, weil bei den einzelnen Strombelieferungsvorgängen der Abwicklungsmechanismus nach § 4 Abs. 1 StromPBG nicht eingreifen könnte. Eine sachgerechte Erfassung solcher Verbräuche und der Entlastung schien dem Gesetzgeber damit praktisch nur auf diesem Weg möglich (BeckOK EnSiR/Richter, 5. Ed. 1.2.2024, StromPBG § 2 Rn. 36).
50
Mit der so zweckgeleiteten Begriffsdefinition in § 2 Nr. 12 EnWG korrespondiert aber die Definition in § 2 Nr. 6 EnWG, sodass beide Begrifflichkeiten zusammen betrachtet werden müssen.
51
Dies verbietet es tendenziell, das Merkmal in § 2 Nr. 6 EnWG so zu handhaben, dass die Position von Stromnutzern gegenüber der Situation verschlechtert wird, die ohne die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene Abweichung vom üblichen Begriffs- und Rollenverständnis bestehen würde. Bei der Belieferung im Beistellungsmodell bedarf es eines derartigen Kunstgriffs nicht, weil sich hier die erwünschte Entlastung der Endkunden zwanglos erreichen lässt; vielmehr erweist sich der definitorische Kunstgriff hierfür gerade als kontraproduktiv.
52
cc) Darüber hinaus lässt sich dem Gesetz und den Materialien lediglich entnehmen, dass der Gesetzgeber Vorgänge, die sich innerhalb einer Kundenanlage abspielen, vom sachlichen Anwendungsbereich des StromPBG ausnehmen wollte.
53
Unerheblich ist dabei wiederum, ob sich der Ausschluss der Belieferung innerhalb von Kundenanlagen nicht erst aus § 2 Nr. 6 StromPBG ergibt, wie der Gesetzgeber möglicherweise gemeint zu haben scheint (BT-Drs. 20/4685, S. 76), sondern dies bereits Folge der Definition des „Netzes“ in § 2 Nr. 13 StromPBG ist (BNetzA, Beschluss vom 2. Juli 2024, BK4-24-020, S. 9), die wiederum an § 3 Nr. 16 EnWG anknüpft, oder aus § 3 Abs. 3 StromPBG folgt. Der Gesetzgeber hat bewusst alle Fälle von Kundenanlagen nach § 3 Nr. 24a, 24b EnWG ausgenommen (BT-Drs. 20/4685, S. 77, zu Nr. 13).
54
Auch für die Herausnahme der Vorgänge innerhalb von Kundenanlagen lassen sich aber spezifische Gründe finden. Insbesondere gilt, dass der Gesetzgeber für solche Fälle auch keine Übererlösabschöpfung vorgesehen hat (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 25. Juni 2024, 32 O 41/23, S. 8). Sofern, was bei größeren Kundenanlagen wie in Industrieparks nicht selten der Fall sein dürfte, innerhalb dieser auch Strom erzeugt wird, profitiert der Endverbraucher hiervon. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass sich solche Vorgänge ohnehin vollständig außerhalb des regulierten Bereichs abspielen. Dementsprechend werden auch im Zusammenhang mit der Besteuerung des Stroms Liefervorgänge, die ausschließlich innerhalb einer Kundenanlage erfolgen, weitgehend von der Besteuerung ausgenommen (vgl. § 1a Stromsteuer-Durchführungsverordnung). Das Gesetz behandelt solche Vorgänge somit generell anders als Vorgänge, bei denen zumindest ein Kontakt mit dem Netz besteht, weshalb ein Stromverbraucher, der innerhalb einer Kundenanlage beliefert wird und auch nicht von seinem Recht aus § 3 Nr. 24 lit. d) EnWG Gebrauch macht, von vornherein weniger Schutz verdient, in den Genuss von Entlastungen zu kommen, da er auch zu der Finanzierung des allgemeinen Stromsystems nur eingeschränkt beiträgt. Dies ist auch deutlicher erkennbar als für denjenigen, der lediglich, wie die Kunden der Klägerin, sich für eine Belieferung im Beistellungsmodell entscheidet.
55
dd) Dass und welche anderen Weiterleitungssachverhalte der Gesetzgeber bewusst vom sachlichen Anwendungsbereich der Strompreisbremse ausnehmen wollte, lässt sich den Materialien nicht näher entnehmen. Richtig ist zwar, dass der Gesetzgeber dann, wenn er lediglich Liefersachverhalte innerhalb von Kundenanlagen ausschließen hätte wollen, dies so formulieren hätte können. Wie dargestellt, lässt sich ein belastbarer Gegenschluss aber nicht ziehen, weil der Gesetzgeber jedenfalls Fallgestaltungen wie die vorliegende nicht vor Augen hatte. Insoweit darf auch nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber den Weg eines „definitorischen Kunstgriffs“ ging, um eine ganz bestimmte Situation adäquat zu regeln.
56
Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe auch Fälle der vorliegenden Art als solche Weiterleitungssachverhalte begriffen, denen er durch die besonderen Definitionen in § 2 Nr. 6 und Nr. 12 StromPBG Rechnung tragen habe wollen, spricht dabei auch, dass es zu einem Eigenverbrauch des Weiterliefernden nicht kommt. Der Gesetzgeber hatte ausweislich der maßgeblichen Drucksache die Situation vor Augen, dass derjenige, der den Strom aus dem Netz entnimmt, sowohl für sich selbst Strom verbraucht als solchen auch weiterleitet. Nur so ist nämlich die Wendung zu erklären, dass die Begrifflichkeit des EEG in solchen Fällen dazu führen würde, dass nur wegen des Eigenverbrauchs, nicht auch wegen des weitergeleiteten Stroms Entlastung beansprucht werden könnte (BT-Drs. 20/4685, S. 77, zu Nr. 13).
57
ee) Auch durch die vom Gesetzgeber nachträglich eingefügte Regelung in § 12a StromPBG kommt zum Ausdruck, dass von einem zwischengeschalteten Dritten versorgten Stromverbrauchern die Entlastung ungedeckelt zugute kommen soll, sich die für den Weiterliefernden (infolge der definitionsgemäßen Rolle als Letztverbraucher maßgeblichen) relevanten Höchstbeträge also nicht auswirken sollen.
58
(1) Für Fälle von Miet- und Pachtverhältnissen sowie von Wohnungseigentümergemeinschaften, in denen die Wohnungsnutzer über den Vermieter, die WEG usw. beliefert werden und der Strombezug über die Nebenkostenabrechnung abgerechnet wird, hat der Gesetzgeber mit § 12a StromPBG einen schuldrechtlichen Anspruch des Mieters, Pächters oder Wohnungseigentümers auf entsprechende Entlastung im Rahmen der Betriebskostenabrechnung geschaffen (BeckOK EnSiR/Krater, 5. Ed. 1.5.2024, StromPBG § 12a Rn. 15).
59
Hierdurch hat er zum einen jedenfalls klargestellt, dass die Entlastung nicht dem Vermieter, der WEG etc. gebühren soll, sondern dem Endverbraucher.
60
Zum anderen hat er damit auf die Problematik reagiert, dass ein in großem Umfang als Vermieter tätiges Unternehmen wegen § 9 StromPBG nur eine gedeckelte Entlastung erfahren würde und daher entweder weitergehende Entlastungen seiner Mieter etc. aus eigener Tasche tragen müsste oder diese kürzen können dürfte. Zur Vermeidung einer entsprechenden Reduzierung des Entlastungsumfangs, der wegen der Maßgeblichkeit der Höchstgrenzen für das Vermittlungsunternehmen etc. zwangsläufig eintreten würde, hat er in § 12a Abs. 9 StromPBG angeordnet, dass diese Beträge nicht bei der Berechnung der Höchstgrenzen nach § 9 StromPBG zu berücksichtigen sind.
61
(2) Die in § 12a StromPBG geregelte Situation entspricht weitgehend der, die beim Beistellungsmodell droht, wenn der den Endverbraucher beliefernde Unternehmer als Letztverbraucher zu qualifizieren wäre. In beiden Fällen droht die vom Gesetzgeber für die Endverbraucher vorgesehene Entlastung „nicht anzukommen“, weil für das beliefernde Unternehmen die Höchstgrenzen nach § 9 StromPBG maßgeblich werden, obwohl der Endverbraucher einen deutlich niedrigeren Verbrauch hat. Der Gesetzgeber hat es zwar in § 12a StromPBG dabei belassen, den Vermieter, die WEG etc. als den Letztverbraucher einzuordnen, was aber alternativlos gewesen sein dürfte, weil sonst die nach dem gesetzgeberischen Konzeption nicht berücksichtigten Endabnehmer Letztverbraucher wären. Maßgeblich ist aber, dass der Gesetzgeber für diese Konstellation das beschriebene Risiko, dass sich die beihilferechtlich motivierten Höchstgrenzen zum Nachteil anderer Endverbraucher auswirken, erkannt und ihm entgegengewirkt hat. Diese Wertung muss auch für ein Beistellungsmodell gelten.
62
ff) Nicht übersehen werden kann zudem die Grundstruktur des StromPBG, bei der Abwicklung der Entlastung und Umwälzung Zwischenstufen auszunehmen. Die Entlastung bzw. Abwälzung soll nach den Regelungen ausschließlich einerseits zwischen Stromverbraucher und dem ihn unmittelbar beliefernden EVU und andererseits zwischen diesem EVU und dem ÜNB abgewickelt werden. Zwischenhandelsstufen sollten, und zwar gerade durch die Aufnahme des Merkmals „über ein Netz“ in die Abwicklung nicht involviert werden (vgl. BNetzA, Beschluss vom 2. Juli 2024, BK4-24-020, S. 9; BeckOK EnSiR/Richter, 5. Ed. 1.2.2024, StromPBG § 2 Rn. 21). Bei dem von der Beklagten verflochtenen Verständnis würden jedoch die Vorlieferanten der Klägerin und damit eine weitere Person einbezogen werden.
63
gg) Der Standpunkt des Landgerichts, der Gesetzgeber habe mit der Einschränkung in § 2 Nr. 6 StromPBG nicht Energielieferungen im Beistellungsmodell erfassen wollen, erscheint daher auch dem Senat zutreffend.
64
hh) Aus diesen Erwägungen ergibt sich zugleich, dass keine sachlichen Gründe dafür erkennbar sind, weshalb der Umstand, ob das beliefernden EVU selbst die für die Belieferung notwendigen Netznutzungsverträge schließt oder sie dies ihrem Vorlieferanten überlässt, dafür relevant sein sollte, wie die beteiligten Personen zu qualifizieren sind und ob der Stromverbrauchende einen Rechtsanspruch auf Entlastung hat.
65
ii) Das einschränkende Merkmal „über ein Netz“ scheint als für Fallgruppen der vorliegenden Art damit zu weit geraten, was eine einschränkende, am Normzweck orientierte Auslegung gebietet.
66
Der Gesetzgeber wollte erkennbar solche Belieferungsvorgänge ausnehmen, die sich außerhalb des Netzes, also hinter einem Entnahmepunkt an Ladesäulen oder in einer Kundenanlage abspielen. Auch nach Auffassung des Gesetzgebers sollten die Netzentnahmestellen die Schnittstellen zwischen dem Netz im Sinn des StromPBG und den Kundenanlagen bilden (BT-Drs. 20/4685, S. 77); das StromPBG soll keine Vorgänge erfassen, bei denen hinter der Netzabnahmestelle andere Personen weiterbeliefert werden (vgl. BeckOK EnSiR/Richter, 5. Ed. 1.2.2024, StromPBG § 2 Rn. 34).
67
Die Fälle der vorliegenden Art zeichnen sich dadurch aus, dass die Klägerin jedenfalls an der Eigentumsgrenze zum Kunden und damit „gerade noch am Rande des Netzes“, und nicht außerhalb desselben, tätig ist. Wie ausgeführt, beliefert auch sie am Übergabepunkt, mag sie auch das Netz über keinen einzigen Millimeter selbst zum Stromtransport benutzen, und zwar von der Netzseite her. Damit fehlt es an einem Sachverhalt, der sich ausschließlich außerhalb des Netzes abspielt; Letzteres ist aber sowohl bei den Ladesäulen und Landstromanlagen als auch bei der Belieferung unter Zuhilfenahme von Kundenanlagen gegeben.
68
Dies lässt es zu, dass Merkmal „über ein Netz“ einschränkend auszulegen oder insoweit teleologisch zu reduzieren, als darunter nur Vorgänge gefasst werden, die sich „nicht außerhalb des Netzes“ abspielen (ebenso i.E. Eder/Lehnert/Nissle, EnWZ 2023, 315 (318), nach denen auch beim Beistellungsmodell der Kunde über das Netz beliefert werde, da er nicht innerhalb einer Kundenanlage oder einer Insellösung angeschlossen sei).
69
Der Senat sieht umgekehrt keine Möglichkeit, der beschriebenen Problematik durch analoge Anwendung des § 12a StromPBG zu begegnen. In den dort erfassten Fällen erfolgt die Belieferung klar ausschließlich jenseits der Eigentumsgrenze. Der Eingriff in die Systematik und Begrifflichkeiten wäre daher wesentlich größer als bei der hier bevorzugten Lösung. jj) Diesem Verständnis steht schließlich nicht entgegen, dass nach der gesetzgeberischen Vorstellung die Entlastung in dem Lieferverhältnis erfolgen soll, in dem die Lieferung aus dem Netz heraus vorgenommen wird, d.h. weder auf Zwischenhandelsstufen (BNetzA, Beschluss vom 2. Juli 2024, BK4-24-020, S. 9) noch bei Liefersachverhalten hinter dem Netz (so die Kommentierung von Gerstner/Gundel, wiedergegeben in der Klageerwiderung vom 2. November 2023, S. 25 = Bl. 73). Eine Belieferung am Übergabepunkt kann durchaus als Lieferung aus dem Netz heraus begriffen werden, auch wenn kein Transport durch das Netz vorangegangen ist.
70
Auch daraus, dass dem maßgeblichen Gesetzesentwurf die Vorstellung zugrunde gelegen habe, die Entlastung solle in dem Lieferverhältnis erfolgen, in dem der Letztverbraucher an der Netzentnahmestelle „aus dem Netz heraus“ beliefert wird (so die Beklagte unter Hinweis auf die Kommentierung von Gerstner/Gundel), ergibt sich kein zwingendes Gegenargument. Der Gesetzgeber mag zwar zur eindeutigen Festlegung dessen, der die Entlastung vorzunehmen hat, daran angeknüpft haben, wo die Lieferung aus dem Netz erfolgt. Fälle wie den vorliegenden, in denen am Übergangsbereich zwischen dem Netz und der Kundenanlage mehrere Akteure ihre Leistungen erbringen, wurden dabei aber erkennbar nicht bedacht.
71
kk) Schließlich ergibt sich nicht zwingend anderes aus der zur Definition des Elektrizitätsversorgungsunternehmens gewissermaßen komplementären Definition des Letztverbrauchers in § 2 Nr. 12 StromPBG. Zwar lässt sich ein Unternehmen wie die Klägerin unter die Definition in § 2 Nr. 12 StromPBG subsumieren, da sie an der Netzentnahmestelle Strom geliefert bekommt und dies dem fremden Verbrauch (ihrer Kunden) dient. Wiederum gilt aber, dass durch die Klägerin keine klassische Weiterleitung an Dritte hinter dieser Netzentnahmestelle erfolgt, weil ihre Kunden den Strom unmittelbar dort abnehmen und nicht über weitere Verteilereinrichtungen Dritten zur Verfügung stellen.
72
f) Für den Standpunkt der Klägerin spricht weiter die Überlegung (auf die die BNetzA im Beschluss vom 2. Juli 2024, BK4-24-020, nicht eingeht), dass eine Handhabung entsprechend dem Verständnis der Beklagten erhebliche Nachteile für sie und/oder ihre belieferten Kunden mit sich brächte oder jedenfalls zu befürchten wäre.
73
aa) Gegen ein Verständnis, bei dem auch Personen Letztverbraucher i.S.v. § 2 Nr. 12 StomPBG und nicht EVU i.S.v. § 2 Nr. 6 StromPBG sind, die lediglich Strom weiterleiten und weiterveräußern, sprechen tendenziell die Regelungen in §§ 9 ff. StromPBG und die Auswirkungen, die deren Anwendung – wie eingangs dargestellt – für die Kunden bei Nutzung des Beistellungsmodells hätte.
74
§ 9 StromPBG sieht Höchstgrenzen für die Entlastung von Letztverbrauchern vor, die Unternehmen sind. Die Höchstgrenze beträgt regelmäßig 2.000.000,00 € oder 4.000.000,00 € (§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StromPBG); der Betrag kann nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) bis c) i.V.m. § 11 StromPBG für besonders von hohen Energiepreisen Betroffene und ggf. energieintensive Unternehmen auf einen höheren Betrag ansteigen. Der Betrag ist aber stets auf einen gewissen Prozentanteil der krisenbedingten Energiemehrkosten des Letztverbrauchers gedeckelt (§ 9 Abs. 2 StromPBG). Eine vollständige Entlastung von Unternehmen ist daher nur dann möglich, wenn der Entlastungsbetrag unter 2.000.000,00 € liegt (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 lit. e) StromPBG). Zudem ergeben sich aus § 9 Abs. 2 Nr. 2 StromPBG weitere Restriktionen.
75
bb) Soweit die Beklagte rügt, die Klägerin habe nicht dargelegt und bewiesen, dass für sie die Höchstgrenzen im Bereich von 2.000.000,00 € oder 4.000.000,00 € gelten und daher nicht die höheren Höchstgrenzen relevant sind, und es müsse daher zugrundegelegt werden, dass sie in den Genuss einer vollständigen Entlastung komme und diese an ihre Kunden uneingeschränkt weitergeben könne, geht ihr Einwand ins Leere.
76
Gegenstand der vorliegenden Überlegungen ist, ob der Gesetzgeber in sachgerechter Weise gewollt haben kann, dass Endkunden, die im Beistellungsmodell beliefert werden, eine Entlastung nur in der Weise erfahren, dass sie von ihrem Lieferanten eine Weiterreichung der ihm zugekommenen Entlastung verlangen können. Maßgeblich ist damit, ob bei diesem Lösungsmodell Nachteile für die Endkunden eintreten können, sodass es alleine darauf ankommt, ob sich die Höchstgrenzen des § 9 StromPBG bei abstrakter Betrachtung auswirken können oder nicht. Insoweit ist für die Frage, ob sich aus der Gesetzessystematik ein Argument für oder gegen den jeweiligen Standpunkt der Parteien ableiten lässt, eine abstrakte oder typisierende Betrachtung anzustellen. Es kommt mithin nicht drauf an, ob im konkret zu entscheidenden Sachverhalt die Deckelung nach § 9 StromPBG eingreift und sich auswirkt, sondern nur, ob sie – ein entsprechend großes Stromlieferungsvolumen unterstellt – eingreifen und Nachteile für den Endkunden bewirken könnte.
77
Damit kommt es nicht drauf an, ob die Behauptungen der Klägerin, sie habe im Jahr 2023 ihren Endkunden prognostizierte Entlastungen im Umfang von ... € zu gewähren, und der tatsächliche Betrag werde noch höher liegen, sachlich zutrifft oder nicht. Relevant ist nur, dass bei einer solchen Sachlage wegen §§ 9, 11 StromPBG eine vollständige Entlastung eines Stromlieferanten wie der Klägerin nicht zweifelsfrei gegeben wäre.
78
cc) Mit den in § 9 StromPBG vorgesehenen Höchstgrenzen sollte primär auf beihilfenrechtliche Vorgaben des europäischen Rechts reagiert werden, die einer uneingeschränkten Entlastung von Unternehmen entgegengestanden hätten. Bei einer bloßen Belieferung für Dritte sind solche Bedenken aber von vornherein nicht berechtigt, weil eine Marktverzerrung durch vergünstigte Strompreise nur auf Ebene des produzierenden und dienstleistenden Gewerbes droht. Ebenso wenig passen die Regelungen zu den Höchstgrenzen auf reine Versorgungsunternehmen. Gleichwohl ist nicht sichergestellt, dass die Höchstgrenzen nach § 9 StromPBG nicht zur Anwendung kämen, und wäre das in § 11 StromPBG erforderliche Prüfverfahren ersichtlich entbehrlich:
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(1) In materiellrechtlicher Hinsicht erscheint es nach den Regelungen des § 9 StromPBG höchst zweifelhaft, jedenfalls nicht klar sichergestellt, dass ein Stromversorger eine Entlastung in dem Umfang beanspruchen kann, der es erlaubt, den belieferten Kunden eine Entlastung in dem Umfang zuteilwerden zu lassen, wie sie nach § 4 Abs. 1 StromPBG einträte.
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Dem Katalog der „Besonders von hohen Energiepreisen betroffenen Sektoren und Teilsektoren“ in Anlage 2 zum StromPBG lässt sich die Belieferung mit Strom nicht zuordnen.
81
Eine besondere Betroffenheit durch Vergleich des EBITDA i.S.v. § 9 Abs. 7 S. 1 StromPBG im Entlastungszeitraum mit dem in anderen Zeiträumen wäre zwar auch unabhängig davon möglich. Dass die Klägerin eine entsprechende Minderung ihres Gewinns darlegen könnte, setzt aber voraus, dass sie beim Einkauf des Stroms mehr zahlen musste als sie durch die Weiterleitung erlöst hat; eine Betroffenheit ist damit nur denkbar, wenn sie ihren Endkunden eine Entlastung gewährt hat, worauf Letztere aber wiederum nur ein Anspruch haben, wenn die Klägerin eine solche beanspruchen kann. Letztlich droht ein Zirkelschluss. Überdies sind die erhöhten Entlastungssummen bei besonderer Betroffenheit auf bestimmte Prozentsätze der krisenbedingten Mehrkosten begrenzt, so dass sich auch bei diesem Mechanismus keine vollständige Entlastung ergeben würde.
82
(2) Zudem kann der Senat dem Gesetzgeber nicht den Willen unterstellen, dass reine Energiehändler erst ein aufwändiges Verwaltungsverfahren nach § 11 StromPBG durchlaufen müssen, damit sie einen erhöhten Höchstbetrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromPBG in Anspruch nehmen können, der dann zu einer vollständigen Entlastung wegen aller weiter gelieferten Strommengen führen und eine vollständige Weitergabe erlauben würde. Gerade dann, wenn für den Gesetzgeber das Ergebnis „vollständige Entlastung reiner Stromlieferanten“ selbstverständlich gewesen wäre, läge es fern, ein entsprechendes Verwaltungsverfahren unter Prüfung der Ausnahmetatbestände für erforderlich anzusehen und vorzusehen. Vielmehr hätte alles dafür gesprochen, dass keine differenzierte Prüfung in einem Verfahren erforderlich sein soll, alles andere hätte nur unnötigen bürokratischen Mehraufwand bedeutet. Zu dem (auch von der Beklagten für richtig gehaltenen) Ergebnis einer vollständigen Entlastung unabhängig von Höchstgrenzen gelangt man aber zwanglos, wenn man die Klägerin als EVU ansieht und ihre Kunden als die Letztverbraucher, weil sich dann das gebotene Ergebnis unmittelbar kraft Gesetzes einstellt und die gesamte Prüfung entbehrlich wird.
83
dd) Dies gebietet, das Gesetz von vornherein so auszulegen, dass für reine Weiterleitungssachverhalte überhaupt kein Höchstbetrag gilt und sich deshalb die Frage, ob das Unternehmen eine entsprechende Erhöhung erfolgreich beanspruchen kann, sich von vornherein nicht stellt.
84
g) Der Umstand, dass der Beklagten und den anderen drei regelzonenverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibern in gewissem Umfang die Abwicklung erleichtert wird und Fehler ausgeschlossen werden, wenn im Beistellungsmodell tätige Lieferanten als Letztverbraucher behandelt werden, kann das danach gebotene Auslegungsergebnis nicht entscheidend beeinflussen.
85
aa) Der Senat kann uneingeschränkt nachvollziehen, dass sich die involvierten Personen, insbesondere die ÜNB, bei massenhaft anfallenden Vorgängen der vorliegenden Art aus praktischen Gründen an den etablierten Modellen und Prozessen orientieren wollen (in diesem Sinne BNetzA, Beschluss vom 2. Juli 2024, BK4-24-020, S. 9). Die Belange der ÜNB, die Vorgänge einfach und standardisiert automatisiert abwickeln zu können, sind auch beachtlich, weil ihnen der Gesetzgeber eine Aufgabe zugewiesen hat, die letztlich eine staatliche Verwaltungsaufgabe darstellt, und sie – soweit ersichtlich – eine gesonderte Vergütung für den damit verbundenen Mehraufwand nicht beanspruchen können. Ebenso erkennt der Senat an, dass die ÜNB und letztlich auch der Haushaltsgesetzgeber ein beachtliches Interesse daran besitzen, dass eine Doppelentlastung von Endverbrauchern verhindert wird, und dies dann sichergestellt ist, wenn Stromlieferanten wie die Klägerin nicht als EVU behandelt werden.
86
bb) Für die Auslegung des Gesetzes können solche Überlegungen aber nur dann maßgeblich sein, wenn sich nach den anerkannten Auslegungsmethoden ergibt, dass der Gesetzgeber an die Modelle und energiewirtschaftlichen Prozesse anknüpfen bzw. er dadurch die entsprechenden Interessen der ÜNB berücksichtigen wollte.
87
Nichts anderes ergibt sich unter dem Aspekt, dass der Gesetzgeber zu einer gewissen Typisierung befugt ist und deshalb ein Gesetz auch so fassen darf, dass Sondersituationen unbeachtet bleiben und deshalb Unbilligkeiten oder Ungleichbehandlungen entstehen, um einen unkomplizierten und sicheren Gesetzesvollzug zu ermöglichen. Auch hierzu muss nämlich der Gesetzgeber die beiderseitigen Belange – also nicht nur das Interesse der eine Akteure an einer einfachen und sicheren Rechtsanwendung (hier: der ÜNB), sondern insbesondere auch das Interesse der „benachteiligten“ Personen an einer materiell gerechten Regelung (hier: der Klägerin und der von ihr belieferten Endverbraucher) – gesehen und in vertretbarer Weise abgewogen haben. An Anhaltspunkten dafür, dass der Gesetzgeber diese Gesichtspunkte gesehen und deshalb die Regelung nach gebotener Abwägung in der von der Beklagten vertretenen Weise treffen wollte, fehlt es jedoch. cc) Der Gesetzgeber hat, wie bereits dargestellt, im Gesetzgebungsverfahren offenbar nicht bedacht, dass eine Stromlieferung weiter nach dem sog. Beistellungsmodell erfolgt und auch erfolgen darf. Das früher vorhandene Bedürfnis nach einer solchen Gestaltung ist zwar durch die Liberalisierung der Netze weitestgehend entfallen. Dies ändert aber nichts daran, dass solche Vertragsmodelle – da § 20 Abs. 1a EnWG und die StromNZV diesen nicht entgegenstehen, sondern lediglich vorgeben, dass für jede Entnahmestelle ein Netznutzungsvertrag gegeben ist – weiterhin zulässig sind und auch praktiziert werden. Auf dabei auftretende Situationen und insbesondere die Auswirkungen, die sich durch die Fassung der Definition in § 2 Nr. 6 StromPBG für solche Lieferanten ergeben, ist er jedoch nicht eingegangen. Dies verbietet die Annahme, er habe die Auswirkungen erkannt und lediglich nach Abwägung mit anderen Belangen für zumutbar gehalten.
88
dd) Auch dafür, dass der Gesetzgeber verbindlich die im Energiemarkt etablierten Modelle und Prozesse zugrunde legen wollte und deshalb bei der Begriffsdefinition diese vorausgesetzt hat, ergibt sich nichts.
89
(1) Der Gesetzgeber hat die vorliegend maßgeblichen Begriffe „Elektrizitätsversorgungsunternehmen“ und „Letztverbraucher“ in § 2 StromPBG definiert, aber weder im Gesetzestext an die GPKE oder die Rollenzuordnung über die Marktlokations-Identifizierungsnummern angeknüpft noch in den Materialien zu erkennen gegeben, dass diese hierfür von Relevanz sein sollte.
90
(2) Soweit die „automatisierte Marktkommunikation“ erwähnt wird (BT-Drs. 20/4685, S. 83), erfolgt dies lediglich im Zusammenhang damit, dass dem Energieversorger, der zum maßgeblichen Zeitpunkt beliefert, die für die Prognose des Jahresenergieverbrauchs maßgeblichen Umstände durch die automatisierte Marktkommunikation übermittelt werden. Eine weitergehende Anknüpfung ist damit nicht verbunden.
91
(3) Der Umstand, dass in § 31 Abs. 1 StromPBG die Daten „bilanzkreisscharf“ zu übermitteln sind, bewirkt derartiges ebenfalls nicht.
92
Die Verpflichtung, bei der Netznutzung mit Bilanzkreisen zu operieren und jede Einspeise- oder Entnahmestelle genau einem Bilanzkreis zuzuordnen, folgt aus § 4 StromNZV. Zwar trifft es zu, dass Versorger, die sich des Beistellungsmodells bedienen, keine eigenen Bilanzkreisverträge i.S.v. § 26 StromNZV unterhalten (BNetzA, Beschluss vom 2. Juli 2024, BK4-24-020, S. 11). Dies folgt daraus, dass sie nicht selbst das Netz nutzen, sondern sich durch andere über dieses beliefern lassen. Dementsprechend trägt die Klägerin selbst vor, in den Bilanzkreisen der ... und anderer Vorlieferanten gelistet zu sein.
93
Dass der Gesetzgeber mit der Anknüpfung an die Bilanzkreise aber Fallgestaltungen wie die vorliegende vom gesetzlichen Entlastungsmechanismus ausschließen wollte, ergibt sich daraus jedoch (entgegen den Folgerungen der BNetzA) nicht hinreichend deutlich. Wiederum muss zum einen angenommen werden, dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit überhaupt nicht bedacht hat. Es spricht auch viel dafür, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung lediglich ausdrücken wollte, dass die Daten nicht spezifisch für die einzelnen Entnahmestellen, sondern insoweit global zu übermitteln sind, solange nicht Anlass zu detaillierteren Angaben besteht.
94
Zum anderen ist eine Übermittlung der maßgeblichen Daten im Hinblick auf die gewährten Entlastungen auch beim Beistellungsmodell bilanzkreisscharf möglich, indem die beliefernden Versorger die Summe der gewährten Entlastungen für Netzentnahmestellen nach Bilanzkreisen zusammenfassen, mögen sie selbst auch nicht die Bilanzkreisverantwortlichen sein. Die Klägerin und ihre jeweiligen Vorlieferanten würden dann gesondert Daten für den Bilanzkreis, den der Vorlieferant hält und in dem die Klägerin gelistet ist, übermitteln; diese Daten ergeben dann in der Summe den auf diesen Bilanzkreis entfallenden Entlastungsbetrag.
95
ee) Das von der Beklagten nachvollziehbar aufgezeigte Risiko, dass wegen ein- und derselben Lieferstelle eine Doppelentlastung durch den ÜNB erfolgt, weil er die Rolle der Beteiligten nicht erkennen und überprüfen kann, mag zwar bestehen, ist aber bereits nicht so groß, dass es eine Ungleichbehandlung der Fälle, in denen die Belieferung im Beistellungsmodell erfolgt, gegenüber den gewöhnlichen Fallgestaltungen legitimieren könnte. Dieses Risiko kann auch ausreichend beherrscht werden.
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(1) Zu einer Doppelentlastung kann es in Sachverhalten der vorliegenden Art kommen, wenn sowohl der Vorlieferant den Stromlieferanten (konkret: die Klägerin) entlastet (weil er ihn entsprechend dem energiewirtschaftlichen Rollenmodell als Letztverbraucher ansieht) und beim ÜNB deswegen Erstattung beantragt als auch dieser Stromlieferant dem letztbelieferten Kunden eine Entlastung gewährt (weil er sich als EVU betrachtet) und sich deswegen ebenfalls an den ÜNB mit einem Erstattungsbegehren wendet. Ein solches Szenario ist sicher ausgeschlossen, wenn sich alle Beteiligten formal an die in der Marktkommunikation vergebenen Rollen halten und Ausnahmen nicht zulassen. Dagegen besteht ein solches Risiko, wenn der ÜNB auch dem Erstattungsbegehren eines Stromlieferanten wegen Liefervorgängen für Netz-Entnahmestellen entsprechen müsste, für die er nicht als EVU registriert ist. Der ÜNB könnte in solchen Fällen angesichts der massenweise anfallenden Belieferungsvorgänge und der Zusammenfassung der angemeldeten Mengen nach Bilanzkreisen realistischerweise nicht erkennen, ob bereits der Vorlieferant entsprechende Entlastungen vorgenommen und angemeldet hat.
97
(2) Auch zu einer solchen Doppelentlastung (mit ungerechtfertigter doppelter Belastung des ÜNB bzw. der Allgemeinheit) kann es aber nur kommen, wenn sowohl der den Endkunden Beliefernde als auch dessen Vorlieferant Entlastungen gewähren und/oder Entlastungsbeträge beim ÜNB geltend machen. Dies setzt wiederum voraus, dass der den Endverbraucher Beliefernde wegen derselben Strommenge von seinem Vorlieferanten eine Entlastung in Anspruch genommen hat. Zumindest dieser Stromversorger müsste daher unredlich oder unsorgfältig agieren (mag auch der Vorlieferant die Situation möglicherweise nicht erkennen können).
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(3) Dafür, dass der Gesetzgeber einer solchen Situation vorbeugen und dies um den Preis in Kauf nehmen wollte, dass die Entlastung der nachgelagerten Endverbraucher infrage gestellt wird, lassen sich keine positiven Anhaltspunkte feststellten.
99
Umgekehrt spricht der Umstand, dass auch die EVU einer staatlichen Zulassung und Aufsicht unterliegen, dafür, dass von ihnen ein Mindestmaß an Seriosität und Sorgfalt erwartet werden kann. Dies führt dazu, dass keine Notwendigkeit für Schutzmaßnahmen besteht, damit nicht Unternehmen in der Rolle der Klägerin nicht einerseits Entlastung von ihrem Vorlieferanten beantragen und andererseits Beträge von der Beklagten einfordern. Ebenso kann von den Marktteilnehmern in Gestalt der Vorlieferanten erwartet werden, dass sie dann, wenn sie an eine Person wie die Klägerin im Beistellungsmodell Strom liefern, sich vergewissern, ob der Belieferte wegen der weiter gelieferten Mengen selbst eine Erstattung beim ÜNB in Anspruch genommen hat, bevor sie ihr eine Entlastung gewähren.
100
Hinzu kommt wiederum, dass wegen § 31 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StromPBG auch ein im Beistellungsmodell operierendes EVU die Daten bilankreisscharf übermitteln muss, was nach dem oben aufgezeigten Weg bedeutet, dass es angeben muss, welchen (fremden) Bilanzkreisen die Strommengen und Entlastungen zuzurechnen sind. Der ÜNB kann dann schnell erkennen, dass hier eine Situation gegeben ist, in der abstrakt das Risiko einer Überschneidung und Doppelentlastung droht, und weitere Klärung unternehmen. Jedenfalls könnte die Prüfbehörde eine solche Überschneidung von Anmeldungen zum Anlass für ein Verlangen nach Letztverbraucher- und Netzentnahmestellen bezogenen Angaben gem. § 31 Abs. 1 Nr. 2 StromPBG nehmen.
101
(4) Anders mag die Sache hinsichtlich der Vorauszahlungen, wie sie vorliegend begehrt werden, liegen, weil diese nicht davon abhängig sind, dass tatsächlich bereits einem Dritten eine Entlastung gewährt wurde. Insoweit würde der ÜNB das Risiko tragen, die im Ergebnis zu Unrecht ausgezahlten Beträge nicht erfolgreich zurückfordern zu können, also das Liquiditätsrisiko der EVU. In einem gewissen Umfang trägt der ÜNB dieses aber ohnehin, weil es den EVU ohnehin gestattet ist, aufgrund von Prognosen die Vorauszahlungen abzurufen. Die Erstattungsbeträge können auch viel geringer ausfallen, gerade bei in wirtschaftliche Schieflage geratenen EVU, denen die Kunden abhanden kommen; die hier drohenden Gefahren – welche dem Gesetzgeber zwangsläufig bewusst gewesen sein müssen – dürften nicht geringer sein als die durch das hier diskutierte Szenario.
102
ff) Nicht außer Betracht gelassen werden darf bei alledem ferner, dass die GPKE von vornherein nicht in der Lage sind und auch nicht darauf abzielen, vom Regelfall abweichende Gestaltungen wie das Beistellungsmodell zu erfassen.
103
(1) Die GPKE in der aktuell geltenden Fassung wurden mit Beschluss der Bundesnetzagentur vom 21. November 2022, BK6-22-128, für die Zeit ab dem 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt. Die Festlegungskompetenz der BNetzA beruht auf Bestimmungen des EnWG, des MsbG und der StromNZV, sodass den festgestellten Regeln eine gewisse Verbindlichkeit nicht abgesprochen werden kann.
104
(2) Entscheidend ist aber, dass die in der GPKE enthaltenen Bestimmungen von vornherein nur die typischen Fälle abbilden und insoweit keinen weitergehenden Anspruch erheben.
105
Nach I.1 der GPKE beschreibt diese die zentralen Prozesse und den dazu gehörenden elektronischen Datenaustausch im Zusammenhang mit dem Lieferantenwechsel bei der leitungsgebundenen Versorgung mit Strom. Sie soll eine möglichst einfache und zuverlässige sowie schnelle Abwicklung regelmäßig anfallender Prozesse wie einen Lieferantenwechsel ermöglichen. Ihnen liegt ausdrücklich der Fall zugrunde, dass der Letztverbraucher mit seinem Lieferanten einen Energielieferungsvertrag inkl. Netznutzung abgeschlossen hat, der Lieferant somit die Aktivitäten der Prozessbeschreibung in seiner Rolle als (bisheriger, aktueller oder künftiger) Netznutzer für die Marktlokation eines Letztverbrauchers wahrnimmt; soweit der Letztverbraucher selbst Netznutzer ist, tritt er in die Rolle des Lieferanten. Ausdrücklich wird festgehalten, dass die in der GPKE abgebildeten Prozesse (nur) die überwiegende Zahl der Geschäftsprozesse abdecken und in ihrer Detaillierung so gehalten sind, dass sie Allgemeingültigkeit im Markt haben.
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In der Anwendungshilfe Rollenmodell für die Marktkommunikation im deutschen Energiemarkt des bdew (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.) ist ebenfalls unter 1.1 festgehalten, dass der Fokus der Marktkommunikation auf Geschäftsabläufen liegt, die standardisiert, in einer hohen Anzahl und wiederkehrend durchgeführt werden.
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Umstände und Personen, die für die reibungslose Netznutzung nicht relevant sind, werden daher von der GPKE mangels Relevanz für die darin zur regelnden Prozesse nicht berücksichtigt. Im Vordergrund der GPKE steht, dass alle Netzbetreiber und Energieversorger erkennen können, wer an welcher Stelle Strom entnimmt, wer für die Netznutzung im Hinblick auf eine Entnahmestelle (so die Terminologie der StromNZV) bzw. Marktlokationen (so die Terminologie der GPKE) verantwortlich sein soll und wer deswegen die Entgelte für den Strom und die Netznutzung zu entrichten hat. Dementsprechend mag es konsequent und sachgerecht sein, dass für die Marktlokation der Kunden der Klägerin die Klägerin als Letztverbraucherin geführt wird. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es die Klägerin ist, die für diese Marktlokationen einen integrierten Stromlieferungsvertrag mit einem anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen geschlossen hat. Für die Zwecke der GPKE ist es unschädlich, dass sie und nicht die Endkunden als Letztverbraucher registriert sind; die Meldung der Klägerin als Verbraucherin an den jeweiligen Marktlokationen ergibt sich auch zwanglos daraus, dass ihre Vorlieferanten, mit denen sie den integrierten Lieferungsvertrag geschlossen hat und die den Vorgang zur GPKE anmelden, diesen mit der Klägerin unterhalten und nicht wissen, wie die Klägerin weiter verfährt. Ihnen wäre daher regelmäßig gar nicht möglich, zu hinterlegen, dass letztlich eine andere Person beliefert wird, jedenfalls besteht für die Akteure hieran kein Interesse.
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Dieser Hintergrund und diese Zielsetzung verbieten aber, die dortige Rollenzuweisung auf Situationen zu übertragen, bei denen ganz andere Gesichtspunkte im Vordergrund stehen. gg) Umgekehrt kann den Endkunden der Klägerin nicht angelastet werden, dass sie sich für das Beistellungsmodell entschieden haben; eine Benachteiligung gegenüber anderen Belieferungsmodellen lässt sich somit dadurch nicht rechtfertigen.
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(1) Wie ausgeführt, ist der Abschluss von Stromlieferungsverträgen im Beistellungsmodell weiter zulässig.
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(2) Nachteile für die Kunden der Klägerin können auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie sich in Ausübung ihrer Privatautonomie für eine solche Gestaltung entschieden haben und deshalb nun die Konsequenzen tragen müssen (so aber BNetzA, Beschluss vom 2. Juli 2024, BK4-24-020, S. 11/12).
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Es liegt mehr als fern, dass die Kunden der Klägerin zu dem Zeitpunkt, als sie die Verträge mit der Klägerin abgeschlossen haben, auch nur ansatzweise absehen konnten, dass diese Gestaltung für sie Nachteile, wie sie nun zu befürchten sind, bedeuten könnte. Die Entwicklungen auf dem Energiemarkt, insbesondere der erhebliche Preisanstieg infolge des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine und die dadurch veranlassten Sanktionen, waren erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 in vollem Ausmaß abzusehen. Noch weniger war vorherzusehen, dass der Gesetzgeber die Regelungen und Mechanismen in einem Gesetz, das Endverbraucher von den erhöhten Strompreisen entlasten soll, so ausgestaltet, dass es darauf ankommen kann, ob die Belieferung durch integrierte Stromlieferungsverträge oder im Beistellungsmodell erfolgt. Wie bereits ausgeführt, spielt es nämlich für die wirtschaftlichen Belange, die Interessenlage und die Schutzbedürftigkeit der Endverbraucher keinerlei Rolle, wie die vertraglichen Beziehungen zu ihren Stromlieferanten ausgestaltet sind, insbesondere, ob diese selbst Netznutzungsverträge schließen oder dies ihrem Vorlieferanten überlassen.
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Insoweit lässt sich nicht attestieren, dass die Kunden der Klägerin eine privatautonome Entscheidung getroffen hätten, an der sie sich festhalten lassen müssten. Eine auch insoweit freiverantwortliche Entscheidung liegt nicht vor, weil sie die maßgeblichen Folgen ihrer Entscheidung nicht absehen, nicht einmal erahnen konnten, und daher nicht in der Lage waren, ein mögliches Für und Wider abzuwägen.
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(3) Nicht außer Acht bleiben kann an dieser Stelle auch, dass die Rechtsordnung die Belieferung im Beistellungsmodell nicht anders behandelt als die mittels eines integrierten Stromlieferungsvertrags, was wiederum ein Vertrauen des Kunden begründet, insoweit nicht anders behandelt zu werden. So ist die Klägerin insbesondere Versorgerin i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Stromsteuergesetz, worüber ihr eine Erlaubnis nach § 3 Stromsteuer-Durchführungsverordnung ausgestellt wurde.
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(4) Auch mit monetären Vorteilen für die Kunden der Klägerin ließen sich nachteilige Auswirkungen nicht rechtfertigen; für den gegenteiligen Befund im Beschluss der BNetzA (Beschluss vom 2. Juli 2024, BK4-24-020, S. 11) kann der Senat keine Grundlage erkennen.
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Wie der Senat mit den Parteien mündlich erörtert hat, bringt das Beistellungsmodell als solches keine finanziellen Vorteile für die Klägerin und/oder ihre Kunden mit sich. Ein monetärer Vorteil wird nur dadurch erzielt, dass durch die Bündelung der Nachfrage der Endverbraucher, vorliegend der verschiedenen kirchlichen, diakonischen und sozialen Einrichtungen, entsprechend den allgemeinen Marktgesetzen günstigere Einkaufskonditionen ausgehandelt werden können. Der Vorteil liegt somit alleine darin, dass die Endverbraucher nicht isoliert am Markt als Nachfrager auftreten, sondern sie gemeinsam eine entsprechend große Menge nachfragen. Hierzu bedienen sie sich der Klägerin, indem sie diese als Zwischenhändlerin einschalten.
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Diese Wirkung ließe sich aber in zulässiger Weise auch auf andere Art und Weise erzielen. Insbesondere könnten die Vorteile auch dann erreicht werden, wenn die Klägerin wie ein „gewöhnliches“ Energieversorgungsunternehmen auch für die Netznutzung im eigenen Namen Sorge tragen und entsprechende Verträge mit den Netzbetreibern abschließen würde. Die Klägerin würde dann ein geringeres Entgelt an die Vorlieferanten wie die Stadtwerke ... entrichten (weil diese lediglich Strom zur Einspeisung liefern, aber nicht den Transport verantworten würden), hätte aber selbst die Netzentgelte an die involvierten Netzbetreiber zu entrichten. Im Ergebnis würden diese Kosten in gleicher Weise auf die Endkunden überwälzt.
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Mangels wirtschaftlicher Vorteile, die gerade auf die Gestaltung als Beistellungsmodell zurückzuführen sind, ist es daher nicht zulässig, Nachteile der Endkunden mit der Entscheidung für dieses zu rechtfertigen.
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hh) Unerheblich muss schließlich sein, dass der Gesetzgeber die Regelungen zur Strompreisbremse innerhalb kurzer Zeit schaffen musste (BNetzA, Beschluss vom 2. Juli 2024, BK4-24-020, S. 11).
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Der Senat hat bereits Zweifel, ob Zeitdruck im Gesetzgebungsverfahren als solcher es rechtfertigen kann, relevante Ausnahmekonstellationen nicht zu berücksichtigen. Jedenfalls ist wiederum nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber zu dem Zweck, im Interesse der großen Mehrheit der Endverbraucher schnell eine praktikable Regelung zu schaffen, bewusst in Kauf genommen hat, dass sich für Situationen wie die vorliegende sachlich nicht gerechtfertigte Unterschiede und Nachteile ergeben.
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ii) Auch eine Entlastung unter Zuhilfenahme eines im Beistellungsmodell agierenden EVU hat überdies Praktikabilitätsvorteile bei der Abwicklung. Gegenüber dem stromverbrauchenden Endkunden rechnet nur dieser Versorger ab. Nur er kennt die Parameter, die für die Entlastung gerade dieses Kunden relevant sind; sämtliche Vorgaben des Gesetzes zur Ermittlung des Differenzbetrages und des Entlastungskontingentes werden nur in dieser Beziehung relevant (Eder/Lehnert/Nissle, EnWZ 2023, 315 (318))
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h) Insgesamt sprechen damit die besseren Gründe dafür, die Bestimmungen des StromPBG, insbesondere die Definition in § 2 Nr. 6 StromPBG so zu verstehen, dass die Klägerin EVU im Sinne dieser Bestimmung ist und deren Kunden Letztverbraucher i.S.v. § 2 Nr. 12 StromPBG sind.
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aa) Dem gängigen Begriffsverständnis von „über ein Netz“ wird dabei zwar nicht vollständig entsprochen, doch ist mit dem Wortlaut ein Verständnis vereinbar, dass es ausreicht, dass die Belieferung zumindest im Bereich des Netzes und damit nicht vollständig außerhalb desselben erfolgt. Gegen die von der Beklagten mit der BNetzA und dem BMWK vertretene Lesart sprechen die Auswirkungen auf die Kunden der Klägerin, die sachlich nicht zu rechtfertigen sind; diese Kunden sind auch insbesondere nicht mit Personen vergleichbar, die weit außerhalb des Netzes innerhalb von Kundenanlagen oder an Ladesäulen Strom beziehen. Zudem erscheint nicht sichergestellt, dass die Höchstbeträge auf die Klägerin anzuwenden wären und sie daher eine vollständige Entlastung, wie sie der Gesetzgeber grundsätzlich für alle natürlichen und juristischen Personen vorgesehen hat, nicht durch Weitergabe im Zivilrechtsverhältnis bewirken könnte. Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass die Abwicklung der Prozesse zur Netznutzung und zur Umsetzung des StromPBG zwingend erfordern, dass nur Personen involviert werden, denen in der Marktkommunikation eine entsprechende Rolle zugewiesen ist. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass der Gesetzgeber dieses Interesse bewusst höher gewichtet hat als das Interesse der Kunden der Klägerin, eine vollständige Leistung zu erfahren. Es droht mithin eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Kunden der Klägerin, wenn die Klägerin als Letztverbraucherin zu qualifizieren wäre.
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Zusätzliche Aspekte, die ein anderes Ergebnis zutreffend erscheinen ließen, haben die Parteien nicht vorgebracht und konnten auch vom Senat nicht gefunden werden. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass das zuständige Bundesministerium und die Bundesnetzagentur nach Abstimmung mit den ÜNB zu der von ihr vertretenen Lösung gelangt sind, sind dem Senat die dabei maßgeblichen Argumente nicht mitgeteilt worden.
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bb) Selbst wenn man es im Hinblick auf die Wortlautgrenze methodisch nicht für zulässig hielte, zu diesem Ergebnis im Wege der Auslegung zu gelangen, müsste man der Klägerin einen entsprechenden Anspruch in analoger Anwendung von § 4 Abs. 1 StromPBG zubilligen.
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Der Regelungsplan des Gesetzgebers besteht darin, den Endkunden möglichst uneingeschränkt eine Entlastung von den infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stark angestiegenen Stromkosten zukommen zu lassen. Nach diesem Plan sollten Belieferungssachverhalte nach dem Beistellungsmodell weder gezielt ausgenommen sein noch entsprechen diese den Fallgestaltungen, für die der Gesetzgeber eine Ausnahme vorgesehen hat. Eine unbewusste Lücke ist daher anzunehmen. Sachliche Gründe, in Fällen der vorliegenden Art den Mechanismus des § 4 Abs. 1 StromPBG nicht im Verhältnis der Endkunden zur Klägerin zur Anwendung kommen zu lassen, sondern im Verhältnis der Klägerin zu ihren Vorlieferanten und die Endkunden auf zivilrechtliche Ansprüche gegen die Klägerin zu verweisen, lassen sich nicht finden, ebenso wenig, weshalb es auf die Höchstbeträge und Ausnahmeverfahren nach §§ 9, 11 StromPBG ankommen sollte. Damit besteht eine vergleichbare Interessenlage zu den Standardfällen der Belieferung durch integrierte Stromlieferungsverträge.
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i) Die Klägerin ist damit als EVU im Sinne von § 2 Nr. 6 StromPBG zu qualifizieren, sodass ihr gegen die Beklagte die Ansprüche aus § 20 und § 22a StromPBG zustehen. Ihr Begehren ist daher dem Grunde nach gerechtfertigt.
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4. Die Klageforderung erweist sich auch im Hinblick auf die Höhe als berechtigt; die Ansprüche auf Vorauszahlung sind auch nicht infolge zwischenzeitlich eingetretener Abrechnungsreife erloschen.
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a) Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, die Klägerin habe die Höhe der Forderung nicht schlüssig dargetan.
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aa) Die Höhe der Beträge ist nicht unstreitig. Die Beklagte hat lediglich eingeräumt, dass und in welcher Höhe die Klägerin die Forderungen angemeldet hat; sie hat jedoch bestritten, dass die Klägerin Kunden im Bereich der Regelzone der Beklagten im Umfang von insgesamt ... € im Kalenderjahr 2023 entlastet.
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bb) Eine weitere Substantiierung und Darlegung war jedoch nicht erforderlich; vielmehr genügen die unstreitig übermittelten Daten mangels erkennbarer oder aufgezeigter Defizite, um den Anspruch auszulösen.
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(1) Ein EVU kann die Vorauszahlungen grundsätzlich bereits dann beanspruchen, wenn es den Anforderungen aus § 22a Abs. 4 StromPBG genügt hat, also eine Anmeldung mit den dort aufgeführten Daten unternommen hat.
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Hierfür spricht zum einen, dass das Gesetz in § 22a StromPBG keine weiteren sachlichen Voraussetzungen für den Vorauszahlungsanspruch aufstellt. Vielmehr werden lediglich in § 22a Abs. 2 und 3 StromPBG – differenziert für Entnahmestellen mit bis zu und über 30.000 kWh – die Formel zur Berechnung des Vorauszahlungsanspruchs genannt und in § 22a Abs. 4 StromPBG die formellen Voraussetzungen beschrieben. Aus dem Wesen des Vorauszahlungsanspruchs und dem Umstand, dass dieser zu einem Zeitpunkt zu entrichten ist, in dem die endgültigen Stromliefermengen und Entlastungsbeträge noch nicht feststehen, folgt jeweils, dass es lediglich auf eine entsprechende Prognose ankommen kann.
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Weiter ist zu bedenken, dass der Anspruch auf Vorauszahlungen die Liquidität der EVU sicherstellen soll (siehe nur BeckOK EnSiR/Stuhlmacher, 5. Ed. 1.5.2024, StromPBG § 22a Rn. 1), da sie nach § 4 Abs. 1 StromPBG die belieferten Letztverbraucher sofort entlasten müssen. Dieser Zweck wäre beeinträchtigt, wenn die EVU umfassende Nachweise liefern müssten. Die Sicherung der Liquidität der EVU geht dabei nicht zulasten der ÜNB, weil der Anspruch auf Vorauszahlungen wiederum davon abhängt, dass der Bund den Zwischenfinanzierungsanspruch der ÜNB nach § 25 StromPBG erfüllt hat (BeckOK EnSiR/Stuhlmacher, 5. Ed. 1.5.2024, StromPBG § 22a Rn. 3).
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Auch der Charakter als Vorauszahlung oder Vorschuss spricht tendenziell dagegen, dass den Anspruchsteller weitergehende Darlegungs- und Nachweispflichten treffen sollen. Eine Klärung, in welchem Umfang dem EVU gegen den ÜNB tatsächlich Ausgleichsansprüche nach § 20 StromPBG zustehen, weil er seinerseits Verbraucher nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 StromPBG entlastet hat, ist dem Ausgleichsverfahren nach § 20 StromPBG vorbehalten. Das Risiko, dass das EVU vorübergehend zu hohe Zahlungen erhält, ist der Regelung immanent und wurde vom Gesetzgeber sehenden Auges hingenommen, wohl wiederum, weil er von den einer behördlichen Aufsicht unterliegenden EVU eine ausreichende Seriosität und Liquidität erwartete.
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Schließlich ist zu beachten, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des StromPBG, anders als im EWPBG, davon abgesehen hat, einen prüfenden Beauftragten vorzusehen (BeckOK EnSiR/Stuhlmacher, 5. Ed. 1.5.2024, StromPBG § 22a Rn. 6).
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(2) Welche Vorauszahlungen die EVU beanspruchen dürfen, richtet sich damit zwar grundsätzlich nach den objektiven Daten zu den in der Vergangenheit erfolgten Verbräuchen, doch sind die Angaben der EVU hierzu zugrundezulegen, solange sich keine Unrichtigkeiten ergeben. Insoweit sind die ÜNB darauf beschränkt, die Richtigkeit der Berechnung zu überprüfen und die angemeldeten Daten zu plausibilisieren (vgl. BeckOK EnSiR/Stuhlmacher, 5. Ed. 1.5.2024, StromPBG § 22a Rn. 6, auch dazu, dass die Pflichten in § 22a Abs. 4 StromPBG eine solche gerade ermöglichen sollen), mag dies auch, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, nur in sehr eingeschränktem Umfang möglich sein.
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cc) Die Klägerin hat ausgeführt, dass sie den Betrag aufgrund einer Prognose ermittelt hat und sich die Entlastung für den Zeitraum zwischen Januar und Oktober 2023 bereits auf ... € summiert, was aufs Jahr gerechnet zu einem Betrag von ... € führt. Der mengengewichtete Durchschnitt für die Differenzbeträge belaufe sich auf knapp ... €; Grundlage müsse eine bezogene Strommenge von ... kWh sein. Dies ... führte dann zu dem Betrag von ... € monatlich. Rechenfehler sind insoweit nicht erkennbar.
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Die Beklagte hat keine Anhaltspunkte aufgezeigt, dass die von der Klägerin angemeldeten Daten unzutreffend sein sollen.
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dd) Der Prüfungsmaßstab für das Gericht, welches über einen Vorauszahlungsanspruch zu entscheiden hat, kann nicht strenger sein als der, der nach dem maßgeblichen materiellen Recht Voraussetzung für das Bestehen eines solchen Anspruchs ist. Begnügt sich das materielle Recht damit, bestimmte Angaben zu verlangen, damit einer Person ein Anspruch gegen eine andere zusteht, kann auch im gerichtlichen Verfahren eine weitergehende Prüfung nicht erforderlich sein. Anderes gilt nur dann, wenn die mitgeteilten Daten Anlass zu Zweifeln geben. Insoweit haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zutreffend eine Parallele zu Sicherungsmitteln gezogen, bei denen der Schuldner auf erstes Anfordern zu leisten hat; er ist dann auf eine Klärung im Nachverfahren verwiesen, wenn sich nicht aus dem Anforderungsschreiben heraus oder anderen liquide belegbaren Umständen ergibt, dass das Begehren nicht gerechtfertigt ist.
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Das Landgericht dufte daher zutreffend die angemeldeten Zahlen zugrunde legen und musste nicht die Forderungshöhe weiter überprüfen, sich insbesondere nicht eine eigene Gewissheit hinsichtlich der Richtigkeit des Betrags verschaffen. Auch für den Senat ergibt sich keine Verpflichtung hierzu. Andernfalls würde der ÜNB allein dadurch, das er es auf einen Rechtsstreit ankommen lässt, eine umfassendere Prüfung erwirken können als ein ÜNB, der nach Eingang einer formell korrekten und auch nicht inplausiblen Anmeldung die Vorauszahlungen leistet.
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Damit hat die Klägerin nach alledem die Umstände vorgetragen, die erforderlich sind, den maßgeblichen Rechtssatz nach Subsumtion so auszufüllen, dass sich die beanspruchte Rechtsfolge ergibt. Ihr Vortrag ist damit schlüssig.
142
b) Der Anspruch auf Vorauszahlung ist auch nicht, was das Gericht von Amts wegen zu prüfen hatte, deshalb untergegangen oder unersetzbar geworden, weil zwischenzeitlich „Abrechnungsreife“ eingetreten ist. Dies wäre erst dann der Fall, wenn die gesamten Stromliefermengen und geleisteten Erstattungsbeträge abschließend feststünden. Wie der Senat mit den Parteien erörtert hat, könnte dies frühestens im Verlauf des ersten Halbjahres 2025 der Fall sein. Dementsprechend sieht § 31 Abs. 1 Nr. 1 lit b) i.V.m. § 12 StromPBG eine Abrechnung bis zum 31. Mai des Folgejahres vor. Auch wenn sich die Klägerin im Verlaufe des Berufungsrechtszugs in der Lage gesehen hat, auf Grundlage der ihr mitgeteilten Zählerstände das tatsächliche Volumen der gewährten Entlastungen zu beziffern, bedeutet dies nicht zwingend, dass sie zu einer abschließenden Berechnung in der Lage ist; jedenfalls besteht gegenwärtig hierzu noch keine Verpflichtung.
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c) Ebenso wenig steht dem Begehren nach Vorauszahlungen entgegen, dass die Zeiträume, auf diese sich beziehen, bereits abgelaufen sind. Die nachträglich eingefügte Bestimmung des § 22a StromPBG sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass die EVU gegenüber den Letztverbrauchern zur Entlastung verpflichtet sind, obwohl auch insoweit die Höhe des Erstattungsanspruchs erst nach der Endabrechnung genau feststeht (LG Stuttgart, Urteil vom 25. Juni 2024, 32 O 41/23, S. 14). Bedarf danach, die Liquidität der EVU sicherzustellen, bis sie aufgrund einer Abrechnung den Anspruch nach § 20 StromPBG geltend machen können, besteht naturgemäß so lange, bis diese Situation eintritt.
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d) Die mit der Leistungsklage bzw. der Feststellungsklage verfolgten Ansprüche für die Monate April bis Dezember 2023 bestehen daher im geltend gemachten Umfang.
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5. Den von der Beklagten an die Klägerin für die ersten drei Monate des Jahres 2023 geleisteten Zahlungen liegt damit ein wirksamer gesetzlicher Rechtsgrund i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zugrunde. Die auf Rückzahlung gerichtete Widerklage war daher abzuweisen.
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6. Der Ausspruch zu den Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Für die zentralen Fragen, wie das Begriffsmerkmal „über ein Netz“ in § 2 Nr. 6 EnWG zu verstehen ist und welche Voraussetzungen der Vorauszahlungsanspruch in § 22a StromPBG aufweist, lassen sich, wie dargestellt, unterschiedliche Argumente finden. Eine gefestigte Auffassung hierzu hat sich in Rechtsprechung und Literatur noch nicht bilden können; vielmehr handelt es sich bei dem vorliegenden Berufungsurteil um die erste obergerichtliche Entscheidung hierzu. Die Beantwortung der Fragen ist auch nicht durch andere Entscheidungen maßgeblich vorgeprägt. Aufgrund der Angaben der Parteien, insbesondere der Beklagten, im Verhandlungstermin ist auch nicht zu erwarten, dass sich diese Fragen lediglich in einer ganz geringen, überschaubaren Zahl von Einzelfällen stellen werden. Das zeitlich bedingte Auslaufen der Regelungen zur Strompreisbremse hat mithin nicht dazu geführt, dass für eine Klärung durch eine höchstrichterliche Entscheidung kein Bedarf mehr besteht. Da die Regelungen nicht solche des bayerischen Landesrechts sind, obliegt die Entscheidung dem Bundesgerichtshof und nicht dem Bayerischen Obersten Landesgericht.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit war nach § 708 Nr. 10 i.V.m. § 713 ZPO zu treffen.
149
Der Streitwert war mit der Summe aus dem Betrag der Klageforderung, dem Betrag der Widerklageforderung und 80% des von der Feststellungsklage betroffenen Betrags festzusetzen. Dies ergibt, wie bereits vom Landgericht errechnet, 2.796.963,44 €.