Inhalt

LG Traunstein, Urteil v. 18.07.2024 – 3 NBs 340 Js 41721/22
Titel:

Fahren ohne Fahrerlaubnis, Freiheitsstrafen, Tatbezeichnung, Ohne Fahrerlaubnis, Gesamtfreiheitsstrafe, Bewährungszeit, Strafvollstreckung, Führerscheinerwerb, Nachträgliche Gesamtstrafenbildung, Tateinheitliches, Gesondert Verfolgter, Tatmehrheit, Urkundenfälschung, Tagessatz, Geldstrafe, Mietverträge, Strafkammer, Bewährungshelfer, Notwendige Auslagen, Berufung der Staatsanwaltschaft

Schlagworte:
Bewährungswiderruf, Rückfallgeschwindigkeit, Gesamtstrafenbildung, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Urkundenfälschung, Sozialprognose, Strafzumessung
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 16.10.2024 – 206 StRR 334/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 30994

Tenor

1. Die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts L. vom 12.09.2023 werden verworfen.
2. Von der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe durch Einbeziehung des seit 24.11.23 rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts N. wird abgesehen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seiner Berufung und seine notwendigen Auslagen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Berufung der Staatsanwaltschaft und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Der Angeklagte lebt derzeit mit seiner Verlobten in Österreich auf 1000 m Meereshöhe in einer 3-Zimmer Wohnung, für welche er Miete zu zahlen hat. Der Angeklagte ist Vater von … Kindern aus … Beziehungen im Alter von …, …, … und … Jahren, mit denen er auch Kontakt hat. Der Angeklagte hat keinen Beruf erlernt, eine Malerlehre hat er abgebrochen, zuletzt war er als selbständiger Tätowierer tätig. Ferner betreibt der Angeklagte eine Firma in U., mit welcher er die Vermietung von Ferienwohnungen betreibt. Derzeit werden 5 Wohnungen vermietet, weitere 8 sollen demnächst dazukommen. Der Angeklagte hat ein Einkommen von etwa 2.200 €. Vor Aufnahme der Vermittlungstätigkeit der Wohnungen hat der Angeklagte einige Monate lang Retouren aus Bestellungen verkauft, hieraus aber keinen relevanten Ertrag erzielt.
2
Das Bundeszentralregister weist für den Angeklagten folgende Eintragungen auf:
1. 15.06.2005 STAATSANWALTSCHAFT D.
Tatbezeichnung: Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz
Datum der (letzten) Tat: 06.01.2005
Angewandte Vorschriften: BTMG § 29
Von der Verfolgung abgesehen nach § 45 Abs. 2 JGG.
2. 11.10.2005 STAATSANWALTSCHAFT D.
Tatbezeichnung: Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 19.02.2005
Angewandte Vorschriften: STGB § 242
Von der Verfolgung abgesehen nach § 45 Abs. 2 JGG.
3. 16.06.2008 AG N.
Tatbezeichnung: Versuchte räuberische Erpressung in Tatmehrheit mit Körperverletzung in 2 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung
Datum der (letzten) Tat: 28.02.2007
Angewandte Vorschriften: StGB § 113, § 185, § 223, § 241, § 253, § 255, § 303, § 21, § 22, § 23, § 52, § 53, JGG § 1, § 105
4 Woche(n) Jugendarrest.
4. 04.11.2008 Amtsgericht D.
Tatbezeichnung: Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Beleidigung in Tatmehrheit mit versuchten Raubes
Datum der (letzten) Tat: 08.02.2008
Angewandte Vorschriften: StGB § 223, § 285, § 303, § 52, § 53, § 249 Abs. 1, § 22, § 23, JGG § 1, § 105
I.Freizeit Jugendarrest.
Verwarnung.
Wiedergutmachungspflicht.
Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen: 2W.
5. 10.08.2009 Amtsgericht O.
Tatbezeichnung: Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 11.10.2008
Angewandte Vorschriften: STGB § 52 § 223 I, § 242 I, § 21, JGG § 1, § 105
8 Monat(e) Jugendstrafe.
Bewährungszeit 3 Jahr(e).
6. 23.08.2010 Amtsgericht O.
Tatbezeichnung: Vorsätzliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzliche Körperverletzung
Datum der (letzten) Tat: 22.08.2009
Angewandte Vorschriften: STGB § 223 Abs. 1, § 21, JGG § 105, § 1, § 57
1 Jahr(e) 8 Monat(e) Jugendstrafe.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 10.08.2009
Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt bis 11.08.2014.
Bewährungszeit verlängert bis 29.08.2015.
Strafaussetzung widerrufen.
Strafvollstreckung erledigt am 04.05.2021.
7. 28.07.2011 Amtsgericht F.
Tatbezeichnung: Erschleichen von Leistungen in 2 Fällen Datum der (letzten) Tat: 30.04.20 1 1
Angewandte Vorschriften: StGB § 265a Abs. 1, § 248a, § 53
15 Tagessätze zu je 8,00 EUR Geldstrafe.
8. 16.03.2012 Amtsgericht O.
Tatbezeichnung: Sachbeschädigung
Datum der (letzten) Tat: 01 .04.2011
Angewandte Vorschriften: StGB § 303c, § 303 Abs. 1
90 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
9. 28.08.2012 Amtsgericht O.
Tatbezeichnung: Beleidigung
Datum der (letzten) Tat: 21.02.2012
Angewandte Vorschriften: StGB § 194, § 185
90 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
10. 06.11.2012 Amtsgericht O.
100 Tagessätze zu je 18,00 EUR Geldstrafe.
Nachträglich durch Beschluss gebildete Gesamtstrafe.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 16.03.2012
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 28.07.2011
11. 11.04.2013 AG K.
Tatbezeichnung: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in 3 tatmehrheitlichen Fällen
Datum der (letzten) Tat: 13.12.2012
Angewandte Vorschriften: StGB § 44, § 53, § 54, StVG § 2, § 21 Abs. I Nr. 1
80 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
3 Monat(e) Fahrverbot.
12. 31 .07.2014 Amtsgericht S.
Tatbezeichnung: Fahren ohne Fahrerlaubnis tateinheitlich mit dem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 9 Fällen und Unterschlagung
Datum der (letzten) Tat: 24.06.2013
Angewandte Vorschriften: StGB § 246 Abs. 1, § 69a, § 69, § 56, § 53, § 52, PfIVG § 6 Abs. 1, StVG § 21 Abs. 1Nr. I
12 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 03.08.2015.
Bewährungszeit bis 03.08.2018.
Bewährungshelfer bestellt.
Strafaussetzung widerrufen.
Strafvollstreckung erledigt am 04.06.2020.
13. 12.11.2015 Amtsgericht S.
Tatbezeichnung: Fahren ohne Fahrerlaubnis in 2 Fällen
Datum der (letzten) Tat: 24.09.20 14
Angewandte Vorschriften: StGB § 69a, § 69, § 53, StVG § 21 Abs. I Nr
9 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 19.11.2017.
Bewährungszeit bis 19.11.2020.
Bewährungshelfer bestellt.
Strafaussetzung widerrufen.
14. 14.07.2016 Amtsgericht F.
Tatbezeichnung: vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Tateinheit mit vorsätzlichem Verstoß gegen § 6 Pflichtversicherungsgesetz, Urkundenfälschung
Datum der (letzten) Tat: 28.12.2015
Angewandte Vorschriften: StGB § 267 Abs. 1, § 69a, § 69, § 52, PflVG § 6, StVG § 21 Abs. I Nr. I
210 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 21.07.2017.
15. 09.02.2017 … Kreis Besitz und Erwerb von Waffen untersagt.
16. 29.08.2017 Amtsgericht D.
Tatbezeichnung: Versuchter Diebstahl in 3 Fällen
Datum der (letzten) Tat: 25.09.2016
Angewandte Vorschriften: StGB § 243 Abs. I Nr. 2, § 242 Abs. 2, § 53, § 49, § 47, § 25 Abs. 2, § 23, § 22
11 Monat(e) Freiheitsstrafe.
17. 25.04.2018 Landgericht L.
Tatbezeichnung: Fahren ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen
Datum der (letzten) Tat: 10.10.2016
Angewandte Vorschriften: StGB § 69a, § 55, § 54, § 53, StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 2
7 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 24.10.2019.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 14.07.2016
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 29.08.2017
Anmerkung zur Gesamtstrafenbildung: Auf die Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten wurde erkannt wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Entscheidung vom 14.07.2016. Wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen wurde unter Einbeziehung des Urteils vom 29.08.2017 eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr I Monat ausgesprochen. Strafvollstreckung erledigt am 13.10.2020.
Strafvollstreckung erledigt am 04.06.2019.
18. 29.03.2021 AG W.
Tatbezeichnung: Unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln (Anlage 1 und 3 zum BtmG)
Datum der (letzten) Tat: 17.03.2020
Angewandte Vorschriften: StGB § 56, BtMG § 29 Abs. I Satz I Nr. 3, § I Abs. 1, § 3 Abs. 1
1 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit bis 09.11 .2024.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG).
19. 31 .01 .2022 AG A.
Tatbezeichnung: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis
Datum der (letzten) Tat: 02.08.2021
Angewandte Vorschriften: StGB § 55, § 56, § 69 a, StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1
6 Monat(e) 2 Woche(n) Freiheitsstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 30.01.2024.
Bewährungszeit 4 Jahr(e).
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG).
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 29.03.2021
Bewährungshelfer bestellt.
20. 21.02.2022 AG N.
Tatbezeichnung: Gemeinschaftlicher Betrug
Datum der (letzten) Tat: 12.10.2021
Angewandte Vorschriften: StGB § 263 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 73 c
100 Tagessätze zu je 30,00 EUR Geldstrafe.
Verfall oder Einziehung von Taterträgen.
21. 19.08.2022 AG N.
Tatbezeichnung: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis
Datum der (letzten) Tat: 09.09.2021
Angewandte Vorschriften: StGB § 56, § 69 a, StVG § 2, § 21 Abs. 1 Nr. 1
7 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 26.08.2023.
Bewährungszeit 3 Jahr(e).
Bewährungshelfer bestellt.
22. 02.02.2023 AG N.
1 Jahr(e) Freiheitsstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 30.01.2024.
Bewährungszeit bis 30.01.2026.
Aufrechterhaltene Sperrfrist nach Gesamtstrafenbildung.
Aufrechterhaltene Nebenstrafe oder Maßnahme nach Gesamtstrafenbildung.
Verfall oder Einziehung von Taterträgen.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG).
Nachträglich durch Beschluss gebildete Gesamtstrafe.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 21.02.2022
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 19.08.2022
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 29.03.2021
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 31.01.2022
Bewährungshelfer bestellt.
23. 20.07.2023 AG N.
Tatbezeichnung: Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung
Datum der (letzten) Tat: 30.11.2022
Angewandte Vorschriften: StGB § 263 Abs. 1, § 267 Abs. 1, § 52
160 Tagessätze zu je 30,00 EUR Geldstrafe.
24. 17.10.2023 Kreis Gesucht wegen Rückforderung gem. UVG.
25. 26.06.2024 StA A.
Gesucht wegen Strafverfolgung wegen Aufenthaltsermittlung.
3
Die widerrufene Strafaussetzung zur Bewährung aus dem seit 20.11.2015 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts S. (BZR Nr. 13) ist noch nicht vollstreckt. Zuletzt bestand Vollstreckungsaufschub bis 21.6.2024.
4
Unter Nr. 23 des Bundeszentralregisters wird folgende Eintragung mitgeteilt:
5
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts N.vom 20.7.2023 rechtskräftig seit 24.11.2023, wurde der Angeklagte wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt.
6
Dieser Verurteilung liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
„Sie erhielten als Teil einer Bedarfsgemeinschaft mit der gesondert Verfolgten K. seit dem August 2021 Leistungen durch das Jobcenter in N.
Durch dieses wurde auch die Miete in Höhe von 720 EUR für Ihre Wohnung in N.direkt an Ihren Vermieter, den Zeugen S. überwiesen.
Aufgrund ihres gemeinsamen Tatplans mit der gesondert Verfolgten K. teilten Sie am 12.08.2022 dem Jobcenter telefonisch bewusst wahrheitswidrig mit, dass Ihr Mietvertrag mit dem Zeugen S. welcher bis zum 31.08.2022 befristet war, verlängert worden sei. Um diese Behauptung zu bekräftigen, übersandte die gesondert Verfolgten K. am 15.08.2022 per E-Mail einen Weiterbewilligungsantrag zum Erhalt von Leistungen, sowie einen neuen Mietvertrag mit Datum 12.08.2022 für die …straße … Auf dem Mietvertrag befand sich eine Unterschrift, die den Anschein erwecken sollte, dass diese von dem Zeugen S. geleistet wurde. Tatsächlich hatten Sie oder die gesondert Verfolgte K. diese Unterschrift selbst geleistet. In dem Mietvertrag hatten Sie zusätzlich in Täuschungsabsicht die Kontonummer des Zeugen S. auf das Konto DE… geändert, um zu bewirken, dass die Mietzahlungen auf Ihr bei der N. Bank geleistet werden. Als Sie auf dem Bewilligungsbescheid vom 17.08.2022 feststellten, dass die Kontonummer für den Zeugen S. durch das Jobcenter nicht geändert worden war, rief die gesondert Verfolgte K. am 22.08.2022 erneut beim Jobcenter an und verwies ausdrücklich auf die Änderung der Kontonummer. Wie von Ihnen und der gesondert Verfolgten K. beabsichtigt, zahlte das Jobcenter im Vertrauen auf die Richtigkeit der von Ihnen übersandten Unterlagen am 30.08.2022 die 720 EUR Miete auf das besagte Konto bei der N. Bank.
Wie Ihnen bereits zum Zeitpunkt Ihres Anrufes am 12.08.2022 und der Stellung des Weiterbewilligungsantrages bekannt war, zogen Sie am 02.09.2022 aus der Wohnung in der … straße in N. aus und zogen mit der gesondert Verfolgten K. nach Österreich. Diesen Umzug teilten Sie auch im Nachgang dem Jobcenter nicht mit. Ihnen war bewusst, dass Sie bei einem Umzug ins Ausland nicht mehr leistungsberechtigt sein würden. Das Jobcenter an die Bedarfsgemeinschaft zahlte in der Zeit von 01.09.2022 bis 30.11.2022 weiterhin Leistungen in Höhe von insgesamt 4.436,98 EUR inklusive Mietzahlung, auf die Sie – wie Sie wussten keinen Anspruch mehr hatten.“
II.
7
Im vorliegenden Verfahren wurde der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts L. vom 12.9.2023 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit Schriftsatz vom 13.9.2023 Rechtsmittel, die Staatsanwaltschaft ebenfalls mit Schriftsatz vom 13.9.2023 Berufung ein, wobei diese Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde. Beiden Rechtsmitteln blieb der Erfolg versagt. Von einer Einbeziehung der Strafe aus dem Verfahren AG N. im Wege nachträglicher Gesamtstrafenbildung hat die Strafkammer abgesehen.
III.
8
Die Strafkammer hat nach Durchführung der Berufungshauptverhandlung den folgenden Sachverhalt festgestellt:
9
Der Angeklagte führte am 18.9.2022 gegen 18:50 Uhr den Pkw Peugeot 207, amtl. Kennzeichen … auf der BAB A 8 in Fahrtrichtung Salzburg bis zur polizeilichen Kontrolle an der Anschlussstelle Anger, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein, was er wusste.
10
Im Rahmen dieser allgemeinen Verkehrskontrolle wurde bei der Durchsuchung des vom Angeklagten geführten Fahrzeugs in der Mittelkonsole in der Geldbörse des Angeklagten ein österreichischer Führerschein aufgefunden, der auf die Personalien des Angeklagten ausgestellt war. Dieser Führerschein war, wie der Angeklagte wusste, eine Totalfälschung. Die Führerscheinnummer war für einen Führerschein einer anderen Person in Österreich ausgestellt. Der Angeklagte hatte diesen Führerschein einige Wochen vor der Kontrolle für 500 € an einer Raststätte in Österreich gekauft. Der Führerschein war aus Marokko geliefert worden. Der Angeklagte handelte hierbei in der Absicht, diesen Führerschein bei Bedarf zur Täuschung über eine Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs vorlegen zu können.
IV.
11
Die Feststellungen zur Person beruhen auf den Angaben des Angeklagten, die Auskunft aus dem Bundeszentralregister wurde ebenso verlesen wie der oben dargestellte Strafbefehl des Amtsgerichts N. vom 20.7.2023. Die Feststellungen zum Vollsteckungsaufschub aus dem Urteil des Amtsgerichts S. (BZR Nr.13) beruhen auf den Angaben des Verteidigers.
12
Die Feststellungen zur Sache beruhen auf dem durch Verteidigererklärung abgegebenen – weitgehenden – Geständnis, welches insoweit durch den Angeklagten bestätigt wurde. Dieser hat zur „Vorgeschichte“ noch mitgeteilt, sie seien zu Dritt aus Düsseldorf gekommen, sie hätten zu seiner Verlobten nach Salzburg fahren wollen. Im Bereich des Chiemsees sei es zu einem Streit gekommen, worauf der bisherige Fahrer weggelaufen wäre. Er habe sich dann entschlossen, den Pkw zu führen, nachdem der weitere Insasse keinen Führerschein gehabt habe. Er habe mit dem Führerschein nicht täuschen wollen, deswegen habe er ihn ja nicht vorgezeigt.
13
Die Angaben zur Kontrolle wurden bestätigt durch den Polizeibeamten R., der auch angab, der Angeklagte habe nach dem Fund des Führerscheins nach Belehrung den Kauf des Führerscheins für 500 € zugegeben. Die Fälschung sei von schlechter Qualität gewesen.
14
Diese Fälschung wurde bestätigt durch den polizeilichen Untersuchungsbericht zur Dokumentenprüfung, welcher zur Verlesung kam.
15
Auch wenn der Angeklagte den Führerschein nicht vorgezeigt hat, sondern dieser im Rahmen der Kontrolle durch den Polizeibeamten gefunden worden ist, ist die Strafkammer davon überzeugt, dass der Angeklagte die Absicht hatte, den gefälschten Führerschein bei einer Kontrolle vorzuweisen, um das Vorliegen einer Fahrerlaubnis vorzutäuschen. Dass diese Absicht bei der „Bestellung“ des Führerscheins vorlag, ergibt sich schon daraus, dass der Angeklagte bereit war, 500 € dafür auszugeben. Wenn der Angeklagte diese Absicht aufgegeben hätte, etwa, weil er von der Qualität enttäuscht war, hätte er das Papier vernichten können. Der Umstand, dass er den Führerschein in seiner Geldbörse verwahrte, spricht indes entscheidend dafür, dass der Angeklagte dem Führerschein weiterhin einen „Wert“ beigemessen hat. Dieser Wert kann sich nur bei einer Kontrolle erweisen, wenn es um die Frage des Vorhandenseins einer Fahrerlaubnis geht. Auch wenn also der Angeklagte den Führerschein bei der gegenständlichen Kontrolle nicht vorwies (entsprechend wurde auch keine Anklage wegen Urkundenfälschung erhoben), spricht dies nicht gegen eine allgemeine Verwendungsabsicht. So mag es sein, dass der Angeklagte bei dieser Kontrolle Bedenken gegen eine Entdeckung hatte, er diese Bedenken etwa bei einer nächtlichen Kontrolle mit Taschenlampenbeleuchtung nicht haben würde. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die Strafkammer jedenfalls davon überzeugt, dass der Angeklagte auch die erforderliche Gebrauchsabsicht zur Täuschung hatte. Im übrigen steht aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass der Angeklagte den Führerschein in Österreich gekauft, dann aber in der Bundesrepublik Deutschland bei sich hatte.
V.
16
Der Angeklagte ist daher schuldig des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gem. § 21 Abs. 1 StVG in Tatmehrheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen gem. § 276 Abs. 1 Nr. 2, 53 StGB, wobei auch der Tatbestand des § 276 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegt, wozu rechtlicher Hinweis erteilt worden ist.
VI.
17
Der Strafrahmen des § 21 Abs. 1 StVG sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor, der Strafrahmen des § 276 Abs. 1 StGB weist eine Strafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe auf.
18
Bei der konkreten Strafzumessung war bei dem Fahren ohne Fahrerlaubnis das volle Geständnis des Angeklagten zu seinen Gunsten zu würdigen, bei dem Verschaffen des falschen Führerscheins sein jedenfalls weitgehendes Geständnis, in welchem er jedenfalls den Ankauf des gefälschten Führerscheins gegen 500 € einräumte, ferner auch sein Einverständnis mit der formlosen Einziehung.
19
Zu Lasten des Angeklagten musste sich hinsichtlich des Führens des Pkw die Häufigkeit der Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auswirken, allgemein zudem die Vielzahl seiner Vorstrafen. Ferner zeigt der Angeklagte insgesamt eine erschreckende Rückfallgeschwindigkeit und Unbelehrbarkeit. So war der Angeklagte gerade einmal einen Monat vor der gegenständlichen Fahrt durch das Amtsgericht N. wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Diese Unbelehrbarkeit ergibt sich auch daraus, dass der Angeklagte bei Tatbegehung mehrfach unter offener Bewährung stand und sich auch hierdurch nicht hat abschrecken lassen.
20
Aufgrund dieser Umstände und einer Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände kommt die Strafkammer zu dem Ergebnis, dass für die Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten und des weiteren für das Führerscheindelikt eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten tat- und schuldangemessen sind.
21
Unter nochmaliger Überprüfung der Strafzumessungskriterien und der Würdigung des situativen und zeitlichen Zusammenhangs hält die Strafkammer eine Gesamtstrafe, die gem. § 54 StGB durch Erhöhung der verwirkten höchsten Einzelstrafe, also hier von 8 Monaten zu bilden ist. Angemessen erschien eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten.
22
Bei dieser Sachlage waren sowohl die Berufung der Staatsanwaltschaft als auch das Rechtsmittel des Angeklagten, welches ebenfalls als Berufung zu behandeln war, zu verwerfen.
23
Die Strafkammer hat zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für den Angeklagten davon abgesehen, die an sich gesamtstrafenfähige Entscheidung des Amtsgerichts AG N. im Wege nachträglicher Gesamtstrafenbildung einzubeziehen. Diese Einbeziehung hätte dazu geführt, dass wegen der hier verhängten Freiheitsstrafen die dortige Geldstrafe bei Festsetzung der Gesamtstrafe letztlich in eine Freiheitsstrafe umzuwandeln gewesen wäre, was aus Sicht der Strafkammer für den Angeklagten eine Erschwerung bedeutet hätte.
VII.
24
Eine Strafaussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung kam aus Sicht der Strafkammer nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB nicht vorliegen. Dem Angeklagten kann keine positive Sozial- und Legalprognose gestellt werden. Der Angeklagte hat sich trotz des einzig erkennbaren stabilisierenden Faktors, dem Bestehen eines Verlöbnisses nicht von den gegenständlichen Taten abhalten lassen. Im übrigen zeigt auch die Tatbegehung binnen mehrerer offener Bewährungen die Unbelehrbarkeit des Angeklagten. Es kann daher nicht erwartet werden, dass die Chance künftig straffreien Lebens größer ist als die Gefahr eines Rückfalls in die Kriminalität.
VIII.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.