Titel:
Impfung gegen den Coronavirus - Kein Schadenersatz für die Verwendung von Comirnaty
Normenketten:
AMG § 84 Abs S. 1, S. 2 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 2 S. 1, § 87 S. 2
BGB § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1, § 826
Leitsätze:
1. Es ist richtig, eine abstrakte Nutzen-Risiko-Abwägung für maßgeblich zu halten, da ansonsten Impfungen wegen des bestehenden Haftungsrisikos im Einzelfall praktisch nicht mehr durchgeführt werden könnten. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hinsichtlich der schädlichen Wirkungen hat eine retrospektive Beurteilung der Vertretbarkeit zu erfolgen, wobei die aktuellen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arzneimittels zurück zu prognostizieren sind und zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung des damaligen pharmazeutischen Umfelds die schädlichen Wirkungen hätten hingenommen werden dürfen oder nicht. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Impfstoff Comirnaty weist kein unvertretbares Nutzen–Risiko–Verhältnis iSd § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG auf; die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung des Kosten-Nutzen-Risikos ist nicht veranlasst. (Rn. 27 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Haftungsbeschränkung, Nutzen-Risiko-Verhältnis, Impfschäden, Comirnaty
Fundstelle:
BeckRS 2024, 30729
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger macht Ansprüche auf Schadenersatz wegen behaupteter Impfschäden geltend.
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Der 1993 geborene Kläger erhielt am ...2021 sowie am ...2021 und am ...2021 jeweils eine Impfung mit dem Impfstoff Comirnaty, dessen Hersteller die Beklagte ist. Grund für die Impfungen waren insbesondere die gemeinsame Kinderplanung mit der Ehefrau nach Berichten, dass das Risiko etwaiger Folgeschäden für an Covid 19 erkrankten Schwangeren deutlich erhöht sei und der Wunsch des Klägers, bei der Geburt seiner Zwillinge anwesend sein zu dürfen, wofür er einen Impfnachweis benötigte.
3
Der Impfstoff wurde durch die europäische Arzneimittelagentur (EMA) geprüft und am 21.12.2020 als Impfstoff -zunächst bedingt – gegen das Coronavirus zugelassen. In Deutschland erfolgte erstmals am 26.12.2020 mit diesem Impfstoff eine Impfung. Am 10.10.2022 erteilte die Europäische Kommission auf Basis der EMA die Empfehlung, dem Impfstoff eine Standardzulassung nach der Verordnung (EG) Nummer ... zu erteilen.
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Seit seiner Zulassung wird Comirnaty intensiv und fortlaufend durch die zuständigen Arzneimittelüberwachungsbehörden in europäischen und anderen Ländern auf seine Sicherheit und Nebenwirkungen hin überwacht. Mit Empfehlung vom 30.08.2023 bestätigte die EMA als zentrale Behörde in der EU, den auf die Covid 19 Subvariante Omicron XBB. 1.5 angepassten ComirnatyImpfstoff zuzulassen, wobei ausdrücklich erklärt wurde, alle verfügbaren Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit geprüft zu haben. Auf die Anlage B6 wird Bezug genommen. Dieser Empfehlung schloss sich die EU-Kommission an und ließ den Impfstoff am 31.08.2023 zu. Weltweit wurden seit der Zulassung in Deutschland über 2,6 Milliarden Dosen des Impfstoffes verimpft (Stand Juni 2022).
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Beim Kläger wurde am 12.04.2022 eine akute diabetische Entgleisung sowie pulminale Verlaufsuntersuchung bei undulierender Dyspnoe (Atemnot), am 19.4.2022 sodann ein Verdacht auf Diabetes mellitus Typ 1 u.a. diagnostiziert. Auf den Entlassungsbrief des Universitätsklinikums vom 19.04.2022, Anlage K6, wird Bezug genommen. Ihm wurde mit Bescheid vom 17.05.2022 ein GdB von 40 zugesprochen. Im Zuge einer am 14.07.2022 durchgeführten Untersuchung wurde Diabetes mellitus Typ 1 u.a. als Diagnose aufgeführt. Die Bundesagentur für Arbeit stellte den Kläger mit Schreiben vom 23.08.2022 antragsgemäß einem schwerbehinderten Menschen gleich.
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Der Kläger trägt vor, bereits nach der 1. Impfung habe er eine starke Impfreaktion, nämlich Gliederschmerzen, Fieber und heftiges Transpirieren gehabt. Anschließend hätte er insbesondere Probleme beim Fußballspielen gehabt. Die Reaktion nach der 2. Impfung sei nicht ganz so heftig gewesen. Insbesondere bei Fußballspielen sei aber ein Hustenreiz bis zum Brechreiz aufgetreten. Ende des Jahres 2021 und Anfang des Jahres 2022 sei es dann nach Fußballspielen zu einem Muskelkater in den Waden über mehrere Tage hinweg gekommen. Hinzugekommen seien Durstgefühl, trockener Mund und häufiges Wasserlassen. Die Leistungsfähigkeit sei herabgesetzt gewesen. Er leide nach wie vor an Dyspnoe, psychosozialer Stressinduktion der Dyspnoe sowie Diabetes, wobei diese gesundheitlichen Schäden allesamt auf die dargestellten Impfungen zurückzuführen seien. Vor Verabreichung der Corona-Schutzimpfungen habe er an keinen hier relevanten Vorerkrankungen gelitten.
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Der Kläger meint, aus diesem Sachverhalt könne er Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus § 84 I S. 1 und 2 Nr. 1 und Nr. 2, iVm § 87 Satz 2 AMG, § 823 Abs. 1 iVm 253 II BGB sowie aus § 826 BGB herleiten.
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Bei dem Impfstoff handele es sich um ein Arzneimittel im Sinne des AMG, das generell geeignet sei, gesundheitliche Schäden, etwa das Post-Vac-Syndrom oder einen Infarkt bzw. Schlaganfall, zu verursachen. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers seien auch durch dieses Arzneimittel verursacht worden wofür schon der enge zeitliche Zusammenhang spreche und Mitursächlichkeit genüge. Der Impfstoff habe kein positives Nutzen – Risiko – Profil, wobei bei der diesbezüglichen Beurteilung auf den Stand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Die Impfung schütze lediglich zu einem gewissen Prozentanteil vor einer Selbstinfektion, nicht aber vor einer Weiterverbreitung; ein Schutz sei auch nicht gegeben, soweit es sich um eine neue Virus Variante handele. Die Sicherheitsanalysen des Paul Ehrlich Instituts seien fehlerhaft und es sei unerheblich, ob die Standardzulassung durch die Europäische Union erteilt wurde, zumal dort Sicherheitsstufen übersprungen und der Prüfungszeitraum auf nur 6 Monate verkürzt worden seien..Jedenfalls in Bezug auf den Kläger sei kein positives Nutzen Risiko Verhältnis festzustellen, die Impfschäden würden die potentielle Vorbeugung eines schweren Verlaufs bei Covid 19- Infektionen überwiegen.
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Zudem habe die Kennzeichnung, Fachinformation und Gebrauchsinformation des Impfstoffs nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens entsprochen; die Hersteller hätten um die Gefährlichkeit des Impfstoffs gewusst.
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Der Kläger stellt folgende
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 60.000,00 € nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen künftigen Schäden zu ersetzen, die aus der Impfung mit dem Impfstoff Comirnaty am ...2021, ...2021 und ...2021 entstehen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine monatliche Geldrente, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 500,00 € nicht unterschreiten soll, bis zur Vollendung des Renteneintrittsalters zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
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Sie bestreitet die klägerseits vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, insbesondere aber die Kausalität der Impfung hierfür. Der klägerische Vortrag sei diesbezüglich schon nicht hinreichend substantiiert, zumal die Krankenunterlagen für den Zustand des Klägers vor der Impfung nicht vollständig vorgelegt würden.
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Weiter trägt die Beklagte vor, der streitgegenständliche Impfstoff sei nicht generell geeignet, dass PostVac- Syndrom hervorzurufen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, das Nutzen – Risiko – Verhältnis des Impfstoffes sei positiv. Im Übrigen seien die Zivilgerichte bei dieser Beurteilung an die arzneimittelrechtliche Zulassung, welche die zuständige Aufsichts – und Zulassungsbehörde erteilt habe (EMA), gebunden.
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Die Kennzeichnung sowie Fach – und Gebrauchsinformationen von Comirnaty seien stets auf dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft gewesen.
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Es ist kein Beweis erhoben worden. Der Kläger wurde informatorisch angehört. Diesbezüglich wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
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Die Klage ist zulässig. Die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Regensburg ergibt sich aus § 1 ZPO, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG, § 94 a Abs. 1 AMG.
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Das für den Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor, da nach dem Vorbringen des Klägers jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass die behauptete Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist (vgl. Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 256 Rn. 14).
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten Ansprüche zu.
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG.
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a) Der Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes ist eröffnet, da es sich bei dem streitgegenständlichen Impfstoff um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 AMG handelt.
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b) Es liegt nach der informatorische Anhörung des Klägers und den vorgelegten ärztlichen Unterlagen, insbesondere aber auch wegen des nahen zeitlichen Zusammenhangs der Impfungen mit dem erstmaligen Auftreten der dargestellten gesundheitlichen Beschwerden nahe, dass die vom Kläger auf die Impfungen zurückgeführten vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, insbesondere Dyspnoe und Diabetes Mellitus Typ 1 (mit-) verursacht wurden durch die streitgegenständlichen Impfungen, also durch den von der Beklagten entwickelten Impfstoff.
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Um diesbezüglich die volle Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 Abs. 1 ZPO herbeiführen zu können, wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen.
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Die Frage des Vorhandenseins der vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Kausalität des Impfstoffs hierfür kann allerdings dahinstehen, da die weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 84 Abs. 1 Satz 2 AMG nicht gegeben sind. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen für die Vermutung der Kausalität nach 84 Abs. 2 Satz 1 AMG vorliegen, also der streitgegenständliche Impfstoff geeignet ist, solche Schäden oder etwa ein Post-VacSyndrom zu verursachen.
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c) Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass Comirnaty ein unvertretbares Nutzen – Risiko – Verhältnis im Sinne des § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG aufweist. Wegen der bestehenden Beweislast müssten Zweifel zulasten des beweisbelasteten Klägers gehen, wobei das Gericht ohnehin im Gegenteil von einem positiven NutzenRisiko- Verhältnis überzeugt ist.
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aa) Ein negatives Nutzen Risiko Verhältnis läge vor, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hätte, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinaus gehen. Die medizinische Vertretbarkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn der therapeutische Wert die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels überwiegt (BT – Drucksache 7/3060, 45 zu § 5 AMG). Dabei sind Art, Gefahr, Dauer, Schweregrad und Häufigkeit der schädlichen Nebenwirkungen mit dem potentiellen Nutzen und der Dringlichkeit der Behandlung in Beziehung zu setzen (vgl. BGH NJW 2015, 2502), wobei Behandlungsalternativen mit in Rechnung zu stellen sind. Insbesondere das Risiko des Todes oder des Eintritts schwerer oder schwerster Gesundheitsschäden im Fall der nicht erfolgten Verwendung des Arzneimittels kann ein höheres (Arzneimittel –) Risiko als vertretbar erscheinen lassen (vgl. LG Frankfurt a. M., Urt v. 14.02.2024 – 2 – 12 O 264/22). Hinsichtlich der schädlichen Wirkungen kommt es auf den Zeitpunkt der jetzigen Beurteilung an (vgl. LG Arnsberg, Urt. v.21. 12. 2023 – I – 1O 39/23).
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Die Haftung gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 Nummer 1 AMG besteht dabei nur für Arzneimittel, die bezogen auf die Gesamtheit der potentiellen Anwender ein negatives NutzenRisiko- Verhältnis aufweisen (vgl. OLG Schleswig Beck RS 2014, 8210). Nicht entscheidend ist demnach, ob für den Kläger persönlich das NutzenRisiko- Verhältnis anders zu bewerten ist als für die Allgemeinheit. (vgl. auch LG Arnsberg, a. a. O.).
30
Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an. Es ist richtig, eine abstrakte NutzenRisiko- Abwägung für maßgeblich zu halten, da ansonsten Impfungen wegen des bestehenden Haftungsrisikos im Einzelfall praktisch nicht mehr durchgeführt werden könnten; dies erst recht, wenn eine ex post Betrachtung maßgeblich wäre, also von einer tatsächlich eingetretenen außergewöhnlichen Schädigung auf ein negatives NutzenRisiko-Verhältnis abgestellt würde. So schwerwiegend und bedauerlich es für den Einzelnen – und hier gerade für den Kläger – sein wird, dass die Impfung (möglicherweise) gravierende Nebenwirkungen bei ihm herbeiführte, so notwendig ist es, auf Nutzen und Risiko des Impfstoffs für die Gesamtbevölkerung abzustellen.
31
Hinsichtlich der schädlichen Wirkungen hat eine retrospektive Beurteilung der Vertretbarkeit zu erfolgen, wobei die aktuellen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arzneimittels zurück zu prognostizieren sind und zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung des damaligen pharmazeutischen Umfelds die schädlichen Wirkungen hätten hingenommen werden dürfen oder nicht (vgl. LG Arnsberg a. a. O.). Ein gewichtiges Indiz ist hierbei die Entscheidung einer fachkundig besetzten Zulassungsbehörde (Kögel/Müller/Hoffmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 83). Welches Risiko sich als vertretbar einstufen lässt, hängt von der Indikation des Arzneimittels sowie seiner therapeutischen Wirksamkeit ab. Je besser die therapeutische Wirksamkeit des Arzneimittels und je gravierender die Indikation, desto schwerere schädliche Wirkungen müssen toleriert werden (vgl. auch LG Regensburg, Urteil vom 13.03.2024 Aktenzeichen 81 O 2082/22). Wird das Arzneimittel – wie vorliegend – zur Behandlung einer Krankheit mit hoher Sterblichkeitsrate eingesetzt, sind unter Umständen auch besonders schwerwiegende Nebenwirkungen hinzunehmen, solange deren Eintrittswahrscheinlichkeit als gering einzustufen ist.
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bb) Ausgehend hiervon genügt das Vorbringen des Klägers nicht, um ein unvertretbares NutzenRisiko- Verhältnis des Impfstoffs Comrinaty anzunehmen.
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Das Gericht schließt sich der Ansicht an, dass die Zulassungsentscheidung der Europäischen Kommission im Zivilprozess Tatbestandswirkung entfaltet mit der Folge, dass, solange sie nicht durch die zuständige Behörde aufgehoben worden oder nichtig ist, nicht nur ihr Erlass als solcher, sondern auch ihr Ausspruch vor den Zivilgerichten hinzunehmen und ihren Entscheidungen zugrunde zu legen ist. Eine grundsätzliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung obliegt den Zivilgerichten nicht (vgl. LG Arnsberg a. a. O. und LG Regensburg a.a.O. sowie LG Frankfurt am Main Urteil vom 14.02.2024 -2 – 12 O 264/22).
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Zureichende Anhaltspunkte, die Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Zulassungsverfahrens oder der inhaltlichen Richtigkeit der Zulassungsentscheidung begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Es obliegt der Klagepartei, konkret darzulegen, aus welchen Gründen die von der Europäischen Kommission bzw. der EMA auf der Grundlage der verfügbaren medizinischen Forschungslage und Studienergebnisse getroffene Bewertung nicht den Kenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechen soll. Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
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Die Behauptung, die Impfung schütze lediglich zu einem gewissen Prozentanteil vor einer Selbstinfektion ist bereits unsubstantiiert, da hieraus ein konkreter Umfang des angenommenen Schutzes nicht hervorgeht. Soweit behauptet wird, der Schutz sei auch nicht gegeben, soweit es sich um eine neue Virusvariante handele, handelt es sich um eine Behauptung ohne jeden Beleg. So wurde unstreitig am 31.08.2023 durch die EMA der auf die Covid 19 Subvariante Omicron XBB. 1.5 angepasste ComirnatyImpfstoff zugelassen, wobei ausdrücklich erklärt wurde, alle verfügbaren Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit geprüft zu haben. Dies spricht gerade für einen effektiven Schutz auch bezüglich neuer Virusvarianten.
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Warum die Sicherheitsanalysen des Paul-Ehrlich-Institut fehlerhaft sein sollten, erschließt sich nicht. Auch die erhobene Vermutung, die Europäische Union sei nicht als unabhängig anzusehen, was sich bereits daraus ergebe, dass ein Haftungsausschluss mit der Beklagten vereinbart worden sei, ist nicht stichhaltig. Das Vorgehen der maßgeblichen Entscheidungsträger ist vielmehr vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Eilbedürftigkeit bei Annahme einer bereits bestehenden Pandemie und einer Notwendigkeit, sofort einschreiten zu müssen, um eine Vielzahl von Todesfällen zu verhindern, zu sehen. Ohne eine Absicherung des Impfstoffherstellers wäre nicht zu erwarten gewesen, dass dieser den bereits entwickelten Impfstoff in den Verkehr bringt, was wiederum dazu geführt hätte, einen vielversprechenden Ausweg aus der außergewöhnlichen Gefährdungssituation ungenutzt zu lassen.
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Deshalb macht diese Vereinbarung aber die EMA nicht angreifbar. Selbstverständlich war sie weiterhin verpflichtet, unabhängig das Nutzen-Risikoprofil des Impfstoffs zu überprüfen. Angreifbar wäre die EMA nur gewesen, wenn sie eine solche Überprüfung, welche schließlich in die Standardzulassung im Oktober 2022 mündete, nicht vorgenommen hätte. Eine Änderung dieser positiven Einschätzung erfolgte auch rückwirkend für den hier maßgeblichen Zeitraum im Jahr 2021 nicht.
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Gleiches gilt für die Annahme des Klägers, es seien bei der Standardzulassung Sicherheitsstufen übersprungen und der Prüfungszeitraum auf nur 6 Monate verkürzt worden. Auch insoweit bestätigen die nachträglichen Einschätzungen der EMA die erstmalige, wenn auch nur bedingte Zulassung des Impfstoffs im Dezember 2020. Auf die nachfolgende Standardzulassung im Oktober 2022 und die Empfehlung vom 30.08.2023 der EMA als zentrale Behörde in der EU, den auf die neue Variante angepassten Impfstoff zuzulassen, wird erneut hingewiesen.
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Infolge dieser wiederholten Zulassungen ist davon auszugehen, dass bindend festgestellt ist, dass Comirnaty – jedenfalls in dieser konkreten Gefährdungssituation der Jahre 2020 und 2021 – ein vertretbares NutzenRisiko- Verhältnis aufweist.
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Schließlich wird aus Sicht des Gerichts ins Blaue hinein behauptet, der Impfstoff habe überhaupt keinen Nutzen (insoweit etwas in Widerspruch zum eigenen Vortrag, der Impfstoff schütze vor einer Selbstinfektion nur (aber immerhin) zu einem geringen Prozentsatz). Immerhin rief die WHO im Januar 2020 eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite und im März 2020 der Bundestag eine epidemische Lage nationaler Tragweite nach § 5 IfSG aus. Es lag eine sehr bedrohliche Situation gerade unter dem Gesichtspunkt vor, dass es sich um ein neuartiges Virus handelte und dementsprechend Alternativpräparate weder vorhanden noch verfügbar waren. Die Gesamtzahl der schweren Verläufe einer Coronainfektion stieg von Tag zu Tag, die Intensivstationen waren voll mit CoronaPatienten. Auf die für richtig gehaltene Einschätzung des Landgerichts Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 14.02.2024 a. a. O. wird Bezug genommen. Dass der streitgegenständliche Impfstoff geeignet ist, zumindest die Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung herabzusetzen, kann wissenschaftlich nicht ernstlich bestritten werden. Dies gilt jedenfalls für die hier maßgebliche Zeit in den Jahren 2020 und 2021, in welchem die Gefährlichkeit des Corona Virus eine andere war, als möglicherweise zum jetzigen Zeitpunkt.
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Nach alledem ist auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung des KostenNutzen- Risikos, wie mit Schriftsatz der Klagepartei vom 09.10.2024 nach Schluss der mündlichen Verhandlung (nochmals) beantragt, nicht veranlasst.
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d) Auch eine Haftung nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 AMG besteht nicht.
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Näherer Sachvortrag seitens des Klägers hierzu fehlt. Die Behauptung, die Beklagte habe zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Impfstoffs um dessen Gefährlichkeit gewusst, erfolgt ins Blaue hinein.
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Dafür, dass die Fach – und Gebrauchsinformationen zum Zeitpunkt der Zulassung den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprochen haben, spricht zudem, dass die Fach – und Gebrauchsinformationen Teil der Zulassungsunterlagen selbst sind gemäß § 22 AMG iVm Art. 6 VO (EG) Nummer 726/2004 sowie Art. 19 RL2001/83/EG (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2023, Az: 3O 151/22).
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e) Die Frage, ob die in § 3 MedBVSV Enthaltene Haftungsbeschränkung rechtswidrig ist, kann dahinstehen, da bereits die Voraussetzungen einer Haftung nach § 84 Abs. 1 AMG ohne wirksame Haftungsbeschränkung nicht vorliegen (vgl. auch LG Arnsberg a.a.O.).
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2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Es fehlt jedenfalls eine Verkehrssicherungspflichtverletzung und ein notwendiges Verschulden der Beklagten. Vielmehr wird das NutzenRisiko- Verhältnis von Comirnaty von den zuständigen Aufsichtsbehörden nach wie vor uneingeschränkt positiv bewertet (vgl. obige Ausführungen).
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Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es nicht ausreichen würde, wenn die Beklagte die Verursachung von gesundheitlichen Schäden durch eine Verimpfung des von ihr entwickelten Impfstoffs für möglich hielt. Entscheidend ist, wie bereits ausgeführt, eine Gesamtbewertung, wobei der Zulassung durch die hierfür zuständigen Behörden maßgebliche Bedeutung beikommt.
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3. Für eine Haftung aus § 826 BGB ist nichts ersichtlich. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte ist nicht im Ansatz erkennbar. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
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4. Da eine Haftung dem Grunde nach nicht besteht, ist auch die Feststellungsklage unbegründet.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.