Inhalt

LG Kempten, Endurteil v. 16.05.2024 – 11 O 1597/23
Titel:

Bereicherungsrechtliche Rückforderung des Einsatzes einer unerlaubten Sportwette

Normenketten:
GlüStV § 4 Abs. 1
BGB § 134, § 812 Abs. 1
AEUV Art. 56
Leitsätze:
1. Die Nichtverfolgung rechtswidrigen Verhaltens durch die zuständigen Behörden berührt die Frage der Nichtigkeit nach § 134 BGB nicht. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
2. Glücksspiele im Internet gefährden die genannten Ziele in besonderem Maße, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt, insbesondere für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die mit dem Glücksspielverbot verbundene Einschränkung der durch Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ist gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet gewesen ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sportwette, Onlinewette, Bereicherung, Erlaubnis, gesetzliches Verbot
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 07.11.2024 – 14 U 2342/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 30596

Tenor

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klagepartei 12.404,66 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.12.2023 zu zahlen.
2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klagepartei 7.825,83 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.12.2023 zu zahlen.
3. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 1) 61% und die Beklagte zu 2) 39%. Die Beklagten tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 20.230,49 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klagepartei begehrt mit der am 16.12.2023 zugestellten Klage die Rückzahlung von Verlusten, die die Klagepartei im Rahmen der Teilnahme an Online-Sportwetten bzw. Online Casinospielen erlitten hat.
2
Die T. Co. Ltd bot und bietet unter der deutschsprachigen Internetdomain www.t.de Sportwetten an.
3
Die T. Games Ltd. bot und bietet unter der deutschsprachigen Internetdomain www.games.t.de Online-Casinospiele, Online-Poker und virtuelle Automatenspiele an.
4
Die T. Co. Ltd. erhielt am 09.10.2020 eine Lizenz für ihr Sportwettenangebot. Die T. Games Ltd. erhielt im Oktober 2022 eine Erlaubnis für das Anbieten von virtuellen Automatenspielen. Davor gab es jeweils keine Erlaubnisse deutscher Behörden.
5
Beide Beklagten sind Tochterunternehmen der T. Holding Limited. Beide Anbieter sind über die gemeinsame Webseite www.t.de zu erreichen, auf der oben zwischen den beiden verschiedenen Angeboten gewechselt werden kann:
6
Die Klagepartei nahm an diesen Angeboten vom 10.2013 – 11.2019 (Sportwetten bis 31.12.2017) teil.
7
Bei den hier streitgegenständlichen Teilnahmen am Online-Glücksspiel verwendete die Klagepartei folgende Anmeldeinformationen:
www.t.de
Benutzername / Nutzer-ID:
E-Mail-Adresse:
8
Über eine Glücksspiellizenz – einschließlich Sportwetten – in Deutschland oder für das Bundesland Bayern, den Wohnsitz des Klägers, verfügten die Beklagte jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum von Oktober 2013 bis November 2019 nicht.
9
Die Klagepartei verspielte unter Berücksichtigung ihrer Einzahlungen und den Auszahlungen bei der Beklagten zu 1. (Sportwetten) einen Betrag i.H.v. 12.404,66 EUR und bei der Beklagten zu 2. (Casinospiele) einen Betrag i.H.v. 7.825,83 EUR.
10
Die Zahlungen der Klagepartei an die Beklagte erfolgten jeweils über den Personal Computer oder die mobile Webseite des Smartphones der Klagepartei. Die Abbuchungen erfolgten sodann über das in Deutschland geführte Girokonto und Kreditkartenkonto der Klagepartei. Der von der Klagepartei erlittene Schaden sei somit am Wohnort der Klagepartei eingetreten.
11
Die Klagepartei ist der Auffassung, dass das angerufene Gericht international zuständig sei.
12
Der Kläger habe von seiner im Rubrum bezeichneten Wohnung an diesen öffentlichen Glücksspielen der Beklagten teilgenommen. Die Teilnahme an den streitgegenständlichen Glücksspielen sei weder zu gewerblichen noch zu selbständigen beruflichen Zwecken gewesen.
13
Der Kläger ist der Ansicht, dass die gegenständlichen Spielverträge nichtig seien. Die Spielverträge seien wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV 2012 i.V.m. § 134 BGB nichtig. Ihm stehe daher ein Anspruch aus § 812 BGB auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen zu.
14
Die Klagepartei habe dabei angenommen, dass die von der Beklagten in Deutschland angebotenen Glücksspiele erlaubt seien. Erst nach späterer Konsultation ihres Prozessbevollmächtigten habe die Klagepartei erfahren, dass die von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspiele am Wohnort der Klagepartei in Deutschland verboten seien.
15
Die Verantwortlichen der Beklagten hätten in dem Bewusstsein gehandelt, dass das Anbieten der streitgegenständlichen Online-Glücksspiele in Deutschland verboten sei. Die Klagepartei beantragt,
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klagepartei 12.404,66 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klagepartei 7.825,83 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
16
Die Beklagten beantragen jeweils:
Die Klage wird abgewiesen.
17
Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sei nicht gegeben, da eine private Zweckrichtung beim Kläger nicht ersichtlich sei. Auch die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit deutschen Rechts seien nicht ersichtlich.
18
Sollte der Kläger den vorliegenden Fall mit einer Prozessfinanzierung realisieren, der den als vorgelegten Vereinbarungen entsprechende vertragliche Regelungen zugrunde liegen würden, so würde die Klage eine unzulässige Rechtsausübung darstellen.
19
Im Übrigen sei die Aktivlegitimation des Klägers zu bestreiten.
20
Hinsichtlich der Beklagten zu 2) würden die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsverfahrens des Europäischen Gerichtshofs Az. C-440/23 gemäß § 148 ZPO vorliegen.
21
Für das Angebot der Beklagten zu 2) fehle es auch an ausreichenden Feststellungen zum Gesundheitsschutz und Gefährdungspotenzial von Online-Casinospielen.
22
Im Übrigen sei die Klage unbegründet.
23
Die Unionsrechtswidrigkeit des im Jahr 2012 gestarteten Konzessionsverfahrens habe wegen der Einheit der Rechtsordnung zur Folge, dass das Fehlen einer Lizenz keine Nichtigkeit bzw. Schutzgesetzverletzung begründe. Dies folge aus der Entscheidung „Ince“ des EuGH (EuGH, Urt. v. 4. Februar 2016, Az. C-336/14 – „Ince“). Ansprüche auf Rückzahlung gemäß §§ 812 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB würden folglich ausscheiden.
24
Ansprüche des Klägers aus § 812 BGB seien nicht gegeben, da es bereits an einem nichtigen Vertrag fehle. Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein etwaiger Verstoß gegen § 4 GlüStV nicht zur Nichtigkeit des Glücksspielvertrags bzw. des Rahmenvertrages nach § 134 BGB führe. Für die Annahme der Nichtigkeit eines Vertrags gemäß § 134 BGB sei grundsätzlich ein beiderseitiger Gesetzesverstoß erforderlich, aus einem einseitigen Gesetzesverstoß könne sich die Nichtigkeit eines Vertrags vorliegend nicht ergeben.
25
Das Angebot der Beklagten in der Zeit davor sei im Übrigen von den zuständigen Behörden geduldet worden.
26
Bereicherungsrechtliche Ansprüche würden jedenfalls auch nach § 817 Satz 2 BGB ausscheiden. Sollten die Angebote der Beklagten tatsächlich unzulässig gewesen sein (quod non), habe sich der Kläger mindestens leichtfertigt der Einsicht der Sittenwidrigkeit seines Tuns verschlossen.
27
Darüber hinaus scheitere ein Anspruch bereits daran, dass die Geltendmachung rechtsmissbräuchlich sei. Die Bejahung eines Bereicherungsanspruchs würde es dem Kläger ermöglichen, risikolos spielen zu können und damit die Zufallsabhängigkeit des Glücksspiels und damit dessen Wesen sowie das darauf entsprechend begründete Vertrauen der Beklagten auszuhebeln.
28
Da die Beklagten jeweils über eine von der maltesischen Glücksspielbehörde – der Malta Gaming Authority (MGA) – erteilte Lizenz verfügten, hätten sie ihre Glücksspiele im gegenständlichen Zeitraum zulässigerweise auf der Grundlage einer ihr in der EU erteilten Erlaubnis und gestützt auf ihr Recht auf Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV angeboten.
29
Zuletzt wendet die Beklagte ein, dass die Ansprüche des Klägers aus den bis zum Jahr 2019 getätigten Spieleinsätzen verjährt seien. Die Einrede der Verjährung wurde ausdrücklich erhoben.
30
Das Gericht hat am 08.05.2024 mündlich zur Sache verhandelt und dabei den Kläger informatorisch angehört. Bezüglich des Inhalts wird auf das Protokoll zu mündlichen Verhandlung vom 08.05.2024 umfassend Bezug genommen. Beweis wurde nicht erhoben. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen vollumfänglich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
31
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
32
1. Die Klage ist zulässig.
33
Die Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO). Der Kläger macht den Klageanspruch unter anderem auch aus einem Verbrauchervertrag im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit c Brüssel I a – VO geltend. Der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ ist dabei weit zu verstehen und umfasst auch Anspruch auf Rückgewähr von Beträgen, die auf der Grundlage dieses Vertrags ohne Rechtsgrund gezahlt wurden (EuGH, Urteil vom 20.04.2016 – C 366/13 – EuZW 2016, 419).
34
Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland.
35
Er hat die dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Verträge mit der Beklagten als Verbraucher geschlossen. Der Verbraucherbegriff ist autonom auszulegen. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO erfasst danach alle Verträge, die eine Einzelperson zur Deckung ihres Eigenbedarfs beim privaten Verbrauch schließt und die nicht in Bezug zu einer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit stehen (BGH NJW 2012, 1817 – juris, Rn. 28). Dies ist hier der Fall.
36
In seiner Anhörung hat der Kläger nachvollziehbar und glaubhaft erläutert, dass er die gegenständlichen Wetteinsätze in seiner Freizeit durchgeführt habe und zwar meist während der Fußballspiele, die er angeschaut habe. Soweit die Spiele bei der Beklagten zu 2) betroffen seien, habe er diese Spiele, und zwar zumeist Swipe Games, in der Halbzeit der jeweiligen Spiele gespielt. Konkrete Anhaltspunkte für eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit oder Zielsetzung des Klägers bei der Teilnahme an den Glücksspielen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
37
Die Beklagte betreibt die jeweilige Website im Rahmen ihrer beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeit. Sie hat ihr Onlineglücksspiel auch auf den deutschen Markt ausgerichtet. Dieses ergibt sich bereits daraus, dass die Angaben in deutscher Sprache erfolgen.
38
Es besteht daher für die vorliegende Klage des Klägers die internationale und die örtliche Zuständigkeit am Wohnsitz des Klägers bei dem Landgericht Kempten (Allgäu). Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG.
39
Der Kläger ist ausweislich der Anlage K15 auch prozessführungsbefugt.
40
Der vom Kläger abgeschlossene Prozessfinanzierungsvertrag hat keinen Einfluss auf die internationale Zuständigkeit. Der Begriff des Verbrauchers im Sinne der Art. 15 und 16 VO Nr. 44/2001 (a.F.) ist anhand der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung zu bestimmen. Deshalb fallen nur Verträge, die eine Einzelperson ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen allein zu dem Zweck schließt, ihren Eigenbedarf beim privaten Verbrauch zu decken, unter die Sonderregelung, welche die VO zum Schutz des Verbrauchers vorsieht, wohingegen dieser Schutz nicht gerechtfertigt ist bei Verträgen, deren Zweck in einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit besteht (EuGH NJW 2018, 1003, 1004). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die wortgleichen Bestimmungen in Art. 17 und 18 EuGVVO n.F. (Paulus, NJW 2018, 987, 989). Maßgeblich für die Bestimmung der Verbrauchereigenschaft ist mithin nicht die Art der Geltendmachung der sich aus einem Vertrag ergebenden Ansprüche – hier im Wege der Prozessstandschaft,- sondern die Zielsetzung des Vertrags bei Abschluss und Durchführung. Eine Forderungsabtretung kann für sich allein keinen Einfluss auf die Bestimmung des zuständigen Gerichts haben (EuGH NJW 2018, 1003, 1005); OLG Hamm Urt. v. 21.3.2023 – 21 U 116/21, BeckRS 2023, 8297 Rn. 19, beck-online)
41
2. Die Klage ist in der Hauptsache in vollem Umfang begründet.
42
a. Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (“Rom I-VO“) findet deutsches Recht Anwendung. Der sachliche Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 Rom IVO ist eröffnet und ein Fall des Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO liegt nicht vor. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO liegen ebenfalls vor, da der Kläger – wie bereits ausgeführt – als Verbraucher handelte und die Beklagte ihre gewerbliche Tätigkeit unter anderem auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet hat. Auch unterfällt die Rückabwicklung nichtiger Verträge gemäß Artikel 12 Abs. 1 lit. e) Rom I-VO dem Vertragsstatut.
43
b. Die Beklagte zu 1) hat durch Leistung des Klägers nach Berücksichtigung von Gewinnen insgesamt € 12.404,66 EUR erlangt.
44
Die Beklagte zu 2. hat durch Leistung des Klägers nach Berücksichtigung von Gewinnen insgesamt € 7.825,83 EUR erlangt.
45
Substantiierte Einwände hiergegen hat die Beklagte nicht erhoben.
46
c. Diese Leistungen wurden seitens des Klägers zur Erfüllung der klägerseits angenommenen Verbindlichkeit gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) aus den jeweiligen Spielverträgen vorgenommen.
47
d) Die Leistungen des Klägers erfolgten ohne Rechtsgrund, da die zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 1) und 2) abgeschlossenen Spielverträge jeweils wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 GlüStV in der vom 01.07.2012 bis 30.06.2021 (nachfolgend: GlüStV 2012) geltenden Fassung gemäß § 134 BGB nichtig waren.
48
aa) Das Angebot der Beklagten zu 1) und 2) verstieß gegen § 4 Abs. 1 GlüStV 2012.
49
Gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 durften öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel waren verboten.
50
Mangels Erlaubnis war das Angebot der Online-Sportwetten formell rechtswidrig.
51
(1) Die Beklagten zu 1) und 2) hatten unstreitig keine ausdrückliche Erlaubnis der zuständigen nationalen Behörde und sie ermöglichte es dennoch dem Kläger von seinem Wohnort aus in dem mit der Klage geltend gemachten Umfang im Internet Glücksspiele zu tätigen. Die in Malta erteilte Lizenz machte eine von der zuständigen nationalen Behörde erteile Lizenz nicht entbehrlich. Eine Pflicht zur Anerkennung der maltesischen Lizenz bestand nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 8.9.2010 – C 316/07, juris Rn. 112).
52
(2) Eine Duldung der Online-Sportwetten durch staatliche Behörden konnte die Erteilung einer Erlaubnis nicht ersetzen.
53
Aus einem verwaltungsgerichtlich gestoppten Vergabeverfahrens kann entgegen der Auffassung der Beklagten keine konkludente Genehmigung hergeleitet werden. Im Übrigen berührt die Nichtverfolgung rechtswidrigen Verhaltens durch die zuständigen Behörden die Frage der Nichtigkeit nach § 134 BGB nicht (vgl. BGH, Urteil vom 5.5.1992 – X ZR 134/90, BGHZ 118, 182, juris Rn. 31 zur Nichtverfolgung von Ordnungswidrigkeiten durch Behörden in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens; BGH, Urteil vom 22.7.2021 – I ZR 194/20, juris Rn. 53 zur Unabhängigkeit des zivilrechtlichen Schutzes der Mitbewerber von der verwaltungsbehördlichen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten).
54
Schließlich stellt auch der von den Bundesländern gefasste Umlaufbeschluss vom 8.9.2020 keine eine die Konzession ersetzende Legalisierung in Form eines Verwaltungsakts dar (BGH, Urteil vom 22.7.2021 – I ZR 194/20, juris Rn. 54; OLG Frankfurt, Beschluss vom 8.4.2022 – 23 U 55/21, juris; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 7.11.2018 – 8 B 29/18, juris). Im Übrigen wäre dieser Beschluss nicht geeignet, eine Rückwirkung auf den davor liegenden Zeitraum zu begründen (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 23.2.2023 – U 3/22, juris Rn. 81 ff.).
55
(3) Da die Beklagte für den hier streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig keine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten in Deutschland hatte, ist unerheblich, dass ihr danach eine Erlaubnis erteilt wurde. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Gesetzesverstoßes ist der Zeitraum vom 17.11.2019 bis zum 8.10.2020. Die spätere Erlaubniserteilung hat darauf keine Auswirkung (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 31.5.2023 – 13 U 1753/22, juris Rn. 35)
56
bb) § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
57
(1) Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV sind entbehrlich (ebenso OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023 – 9 U 3/22 –, juris Rn. 67 ff.). 59(1) Es stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt wäre oder sich nicht zweifelsfrei beantworten ließe (vgl. BGH, Beschluss vom 22.07.2021 – I ZR 199/20 –, juris). So hat der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 08.09.2009 – C 42/07 – Liga Portuguesa – (EuZW 2009, 689 Rn. 50 und 57 ff.) ausdrücklich Internetverbote von Sportwetten für europarechtskonform erklärt. Er hat zugleich betont, dass Glücksspiele im Internet ein erheblich höheres Gefährdungspotential haben als traditionelle Vertriebskanäle (EuGH, Urteil vom 30.06.2011, RS. C-212/08 –, Zeturf, EuZW 2011, 674 Rn. 79 ff. m.w.N.; vgl. im Ergebnis ebenso OLG Dresden, Urteil vom 31.05.2023 – 13 U 1753/22 –, BeckRS 2023, 12231 Rn. 31; OLG Köln, Urteil vom 10.05.2019 – 6 U 196/18 –, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022, – 23 U 55/21-, juris). Die Ziele des § 1 GlüStV rechtfertigen hiernach eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit insbesondere in Anbetracht der Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen im Internet verbunden sind (OLG Karlsruhe, BeckRS 2023, 41772).
58
(2) Mit dem genannten Verbot werden legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugend- und Spielerschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. Glücksspiele im Internet gefährden die genannten Ziele in besonderem Maße, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt, insbesondere für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Gerade der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen Folgen vergrößern können (OLG Karlsruhe, SpuRt 2024, 127) 129 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16, BVerwGE 160, 193212, juris Rn. 31).
59
(3) Die mit dem Verbot verbundene Einschränkung der durch Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ist gerechtfertigt gewesen, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet gewesen ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen (OLG Karlsruhe, BeckRS 2023, 41772, vgl. auch BVerwGE 160, 193 – juris Rn. 28 ff.).
60
Zwar ist Art. 56 AEUV dahin auszulegen, dass es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen (vgl. EuGH, Urteil vom 30.06.2016 – C-464/15- juris Rn. 34). Das ändert aber nichts daran, dass es nach ständiger Rechtsprechung des EuGH jedem einzelnen Mitgliedstaat – dem insoweit ein Wertungsspielraum zuzuerkennen ist – vorbehalten bleibt, allein darüber zu bestimmen, auf welchem Niveau er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will und wie dieses Niveau erreicht werden soll (OLG Karlsruhe, BeckRS 2023, 41772; vgl. auch EuGH, Urteil vom 04.05.2017 – C-339/15 – juris Rn. 71 m. w. N;).
61
Deshalb war mangels Erheblichkeit davon abzusehen, über das Vorbringen der Beklagten, von virtuellen Glücksspiel gehe neueren Studien zufolge angeblich keine besondere Gefährlichkeit aus, Beweis zu erheben durch Einholung eines von ihr beantragten Sachverständigengutachtens.
62
(4) Die Vereinbarkeit des Internetverbots für Glücksspiel und für Sportwetten mit Art. 12 GG ist auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.09.2013 – 1 BvR 3196/11 –, juris Rn. 23 ff.).
63
cc) Der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 führt zur Nichtigkeit der Spielverträge gemäß § 134 BGB.
64
(1) Bereits die mangels erteilter Konzession gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV formelle Rechtswidrigkeit des Angebots der Beklagten führt im zivilrechtlichen Verhältnis zum Spielteilnehmer zur Nichtigkeit der geschlossenen Verträge gemäß § 134 BGB (ebenso zur formellen Rechtswidrigkeit OLG Dresden, Urteil vom 31.5.2023 – 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231 Rn. 24 ff., insbesondere Rn. 29 m.w. N.; a. A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.1.2023 – 8 U 102/22, juris).
65
Der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz hat zwar in der Regel die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nur dann zur Folge, wenn sich das Verbot gegen beide Seiten richtet. In besonderen Fällen kann sich die Nichtigkeit allerdings auch aus einem einseitigen Verstoß ergeben, falls nämlich der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden darf. Eine solche Ausnahme liegt etwa vor, wenn der angestrebte Schutz des Vertragspartners die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert oder wenn der Erfüllungsanspruch auf eine unerlaubte Tätigkeit gerichtet ist (BGH, Hinweisbeschluss vom 22.03.2024, I ZR 88/23; BGH, Beschluss vom 13.09.2022 – XI ZR 515/21).
66
Vorliegend reicht demnach der einseitige Verstoß der Beklagten für die Nichtigkeit nach § 134 BGB aus. (BGH, Hinweisbeschluss vom 22.03.2024 – I ZR 88/23).
67
(2) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass auf eine ausschließlich im Einzelfall aufgrund des nicht durchgeführten Konzessionsverfahrens unter besonderen Voraussetzungen eine strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Sanktionierung nicht gestützt werden kann (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 4.2.2016 – C 336/14 – INCE; BVerwG, Urteil vom 15.6.2016 – 8 C 5/15, NVwZ 2017, 326 zum Rechtszustand vor dem GlüStV 2012; vgl. aber auch BVerwG im Urteil vom 16.10.2017 – 8 C 18/16, NVwZ 2018, 895 Rn. 45 zum Vergabeverfahren). Die zivilrechtliche Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts wird hierdurch nicht berührt (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 31.5.2023 – 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231 Rn. 24 ff., insbesondere Rn. 29 m.w. N.).
68
(3) Diese Auffassung widerspricht nicht dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.9.2023 – XI ZR 343/22 (das auf den Beschluss vom 13.9.2022 – XI ZR 515/21, Bezug nimmt) zum Verstoß eines Zahlungsdienstleisters gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall GlüStV 2012. Zum einen ist die hiesige Klage nicht gegen den Zahlungsdienstleister, sondern gegen den Anbieter des Glücksspiels gerichtet, sodass der Bundesgerichtshof über einen anderen Sachverhalt entschieden und keine allgemeingültige Aussage zu § 4 GlüStV 2012 getroffen hat. Zum anderen erwähnt der Bundesgerichtshof ausdrücklich die Nichtigkeit des Spielervertrags nach § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 GlüStV 2012, führt in diesem Zusammenhang jedoch aus, dass die Annahme in dem zu entscheidenden Fall nicht gerechtfertigt sei, die dortige Klägerin müsse sich diese Einwendung aus dem Valutaverhältnis im Deckungsverhältnis entgegen halten lassen (Urt. v. 19.9.2023 – XI ZR 343/22, juris Rn. 20). cc)
69
Bei den vorliegenden Verlusten aus Online Glücksspielen führt der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 zur Nichtigkeit der Verträge (ebenso OLG Dresden, Urteil vom 31.5.2023 – 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 24, 36; OLG Köln, Urt. v. 17.11.2023 19 U 123/22, juris Rn. 26ff.). Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 bietet keinen Anhaltspunkt für eine unterschiedliche Behandlung von Online-Casinos und Online-Sportwetten. Nach der ausdrücklichen Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV 2012 auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele.
70
Sie unterfallen damit einheitlich der generellen Erlaubnispflicht gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 Gegen diese Vorschrift haben beide Beklagten mit ihren Angeboten verstoßen.
71
e) Gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB kann der Kläger das zum Zweck der Erfüllung der unwirksamen Verbindlichkeit Geleistete zurückfordern. Die Beklagte schuldet daher mangels Herausgabe der Spieleinsätze in natura den Wertersatz für die vom Kläger geleistete Zahlungen.
72
Die Rückforderung ist weder gemäß § 814, 817, 242 ausgeschlossen, noch ist der geltend gemachte Anspruch verjährt.
73
aa) Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der Kläger bei der Leistung gewusst hat, zu dieser nicht verpflichtet zu sein (§ 814 BGB) oder dass ihm ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten zur Last fällt (§ 817 Satz 2 BGB). Der auch auf die Leistungskondiktion anwendbare § 817 Satz 2 BGB setzt voraus, dass der Leistende vorsätzlich, also bewusst verbotswidrig oder sittenwidrig gehandelt hat. Dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (Sprau in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl. (2023), § 817 Rn. 12 und 17 m. w. N.). Bei der Rückabwicklung soll keinen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können, wer sich selbst durch gesetz- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt (BGH, Urteil vom 2.12.2021 – IX ZR 111/20, ZInsO 2022, 309, juris Rn. 31).
74
Die Beklagte hat den Beweis insbesondere nicht durch die angeregte Anhörung des Klägers erbracht.
75
Dieser hat vielmehr im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 08.05.2024 glaubhaft angegeben, dass er über die Unzulässigkeit des Angebots anlässlich eines Beitrags gestoßen worden sei, und zwar im letzten Jahr. Er meine, dass es sich um eine Werbung gehandelt habe, die er im Jahr 2023 gesehen habe.
76
Von wem die Werbung damals gekommen sei, kann er nicht mehr sicher sagen. Er sei jedoch aufgrund seiner Recherchen auch auf die Kanzlei gestoßen, die die Klage für ihn eingereicht habe. Vor dem Jahr 2023 habe er betreffend die Unzulässigkeit des Angebots der beiden Beklagten keinerlei Informationen gehabt. Von einem verbotswidrigen Angebot der Beklagten sei er zu keinem Zeitpunkt ausgegangen. Konkrete auf den Kläger bezogene, gegen diese Ausführungen sprechende Anhaltspunkte haben die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht vorgebracht.
77
Die Bezugnahme auf mediale Berichterstattung ist für einen Nachweis der Kenntnis des Klägers nicht ausreichend. Bereits aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich nicht, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich Kenntnis von dieser Berichterstattung hatte.
78
Damit ist nicht entscheidungserheblich, ob – wie teilweise angenommen – § 817 Satz 2 BGB teleologisch zu reduzieren ist (OLG Karlsruhe a.a.O. m.w.N.)
79
bb) § 762 BGB steht dem Rückforderungsanspruch des Klägers nicht entgegen, da dieser auf – hier gemäß § 134 BGB – unwirksame Spielverträge keine Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 13.3.2008 – III ZR 282/07, NJW 2008, 1942 Rn. 11; OLG Karlsruhe a.a.O. m.w.N.).
80
cc) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger verhalte sich widersprüchlich und dadurch treuwidrig im Sinne des § 242 BGB, indem er seinerseits an den Online-Sportwetten teilnehme, seinen Einsatz in der Höhe der Verluste dann aber zurückfordere.
81
§ 242 BGB als Auffangnorm führt nicht dazu, dass Einwände der Beklagten, die bereits den Anwendungsbereich speziellerer Normen, nämlich vorliegend § 817 S. 2 BGB betreffen, aber deren Voraussetzung nicht erfüllen, doch Beachtung finden in einer Weise, dass dies zum Ausschluss der Ansprüche des Klägers führt. Eine Kenntnis des Klägers von der Illegalität des Glücksspiels konnte im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Im Hinblick darauf, dass – insbesondere auch dem Vortrag der Beklagten folgend – die Rechtslage aus Sicht der Beklagten weiterhin klärungsbedürftig ist, kann dem Kläger nicht unterstellt werden, dass er diese Rechtslage bereits im streitgegenständlichen Zeitraum so einschätzen konnte, dass ihm eine Kenntnis von der Illegalität des Glücksspiels unterstellt werden kann. Selbst wenn sich der Kläger dieser Erkenntnis grob fahrlässig verschlossen hätte, würde sein Verhalten – jedenfalls im Vergleich mit den Rechtsverstößen, die der Beklagten anzulasten sind – nicht den Schluss der Treuwidrigkeit seines Verhaltens rechtfertigen.
82
Hinzu kommt, dass die Beklagte vorliegend selbst gesetzwidrig gehandelt hat. Die Beklagte ist daher – jedenfalls nicht im Verhältnis zu ihrem Kunden – nicht vorrangig schutzwürdig. Auch hat diese selbst den Weg zur Teilnahme an den Online-Sportwetten und dem Online-Glücksspiel eröffnet, der Kläger sich den Zugang nicht etwa erschlichen und im Übrigen ist der Kläger auch bereit, sich die Gewinne anrechnen zu lassen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. Dezember 2021 – 8 W 20/21; OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023 – 9 U 3/22).
83
dd) Der Anspruch ist nicht verjährt. Der vorliegende Bereicherungsanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Die Verjährungsfrist beginnt nicht mit Tätigung der Spieleinsätze, sondern, sobald der Kläger von den Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, welche seinen Rückforderungsanspruch begründen.
84
Die Klageschrift vom 08.11.2023 wurde am 16.12.2023 zugestellt.
85
Die insoweit beweisbelastete Beklagte hätte somit den Beweis erbringen müssen, dass die Klagepartei für die bis 2019 geltend gemachten Spielverluste spätestens Ende 2019 Kenntnis von dem Verbot des Angebots von Online-Glücksspielen erlangt hätte. Diesen Beweis konnte die Beklagte nicht erbringen.
86
Der Kläger hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung wie bereits dargestellt nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass er erst im Jahr 2023 Kenntnis von der Illegalität erlangt habe.
87
Es liegt danach keine nachweisbare grob fahrlässige Unkenntnis vor dem Jahr 2020 vor, so dass die Klage in unverjährter Zeit erhoben worden ist.
88
3. Der Anspruch zu den Zinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
II.
89
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 ZPO.
III.
90
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.