Titel:
Annullierung eines Fachsemesters, Rückwirkende Beurlaubung
Normenketten:
APSO § 10 Abs. 6a
APSO § 10 Abs. 7
BayHIG Art. 87 Abs. 1 S. 1
BayHIG Art. 93
BayHIG Art. 94
BayHIG Art. 95
ImmatS. § 11
ImmatS. § 13
ImmatS. § 14
Schlagworte:
Annullierung eines Fachsemesters, Rückwirkende Beurlaubung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 30585
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Annullierung des ersten Fachsemesters.
2
Die Antragstellerin bewarb sich bei der TU ... (im Folgenden: TUM) am 2. Juli 2023 für das Wintersemester 2023/2024 für den Bachelorstudiengang Management and Technology für das erste Fachsemester. Mit Bescheid vom 11. Juli 2023 wurde die Antragstellerin in den beantragten Studiengang zugelassen und nahm den Studienplatz im Bewerberkonto am 11. September 2023 an.
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Daraufhin erfolgte der Bescheid zur Einschreibung in das Einstiegssemester 1 im Bachelorstudiengang Management and Technology am 21. September 2023. Der Bescheid führt aus, dass die Einschreibung (Immatrikulation) frühestens mit Beginn des Semesters wirksam werde. Das Wintersemester beginne am 1. Oktober 2023 und ende am 31. März 2024.
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Es fand ein Beratungsgespräch der Antragstellerin zusammen mit ihrer Mutter bei der Programmmanagerin des Studienganges Ende Oktober 2023 statt.
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Mit Schreiben vom 25. Februar 2024 wandte sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin an das Center for Study and Teaching der TUM mit dem Antrag auf Anerkennung eines Härtefalls in Form der Annullierung des 1. Fachsemesters der Antragstellerin sowie hilfsweise Anerkennung als Krankheitssemester o.ä.. Mit Schreiben vom 2. Mai 2024 legte der Bevollmächtigte ein zusätzliches Attest vom 18. April 2024 vor.
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Im Wintersemester 2023/2024 nahm die Antragstellerin an keinen Prüfungen teil und erzielte daher bis zum Ende des Wintersemesters 2023/2024 im Bachelorstudiengang Management and Technology keine Credits. Die Antragstellerin ist für das Sommersemester 2024 wegen Krankheit beurlaubt.
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Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2024, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin Klage und beantragt gleichzeitig im Wege einer einstweiligen Anordnung,
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die Antragsgegnerin zu verpflichten, das 1. Fachsemester der Antragstellerin des Wintersemesters 2023/2024 im Studiengang Management and Technology an der TUM als Fachsemester vorläufig bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Hauptsache zu annullieren und nicht in die Berechnung der Fachsemesteranzahl einfließen zu lassen.
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Die Antragstellerin leide an einer Long-Covid-Erkrankung. Es werden ärztliche Atteste vom 24. Oktober 2023 und 18. April 2024 vorgelegt. Da sich diese Long-Covid-Erkrankung unvorhersehbar stetig verschlechtert habe, sei eine erste Besprechung mit der zuständigen Verwaltungsstelle der Universität erfolgt. Im Rahmen dieses Gesprächs sei der Antragstellerin zugesagt worden, dass für den Fall, dass sie die Mindestanzahl der Prüfungen aus gesundheitlichen Gründen nicht ablegen könne, sie sich immer noch exmatrikulieren und für das Wintersemester 2024/2025 erneut bewerben könne. Dies sei für die Antragstellerin als Neustart im 1. Fachsemester, ohne in ihrem Lebenslauf mit einem leistungslosen vertanen Fachsemester belastet zu sein, verstanden worden. Entgegen der Zusage der Antragsgegnerin habe sie dann erst im Januar 2024 überraschend die Mitteilung erhalten, dass das Wintersemester 2023/2024 in vollem Umfang als 1. Fachsemester anzurechnen sei. Die Antragstellerin habe sich aufgrund ihres Gesundheitszustandes und der ihrem Alter geschuldeten Unerfahrenheit mit den verwaltungsrechtlichen Fragen nicht zusätzlich im Detail befasst. Sie habe auf die ausgesprochene Zusage der Antragsgegnerin vertraut. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt sechs Wochen nach Semesterbeginn die schwerwiegende gesundheitliche Entwicklung nicht absehbar und dementsprechend das Studium für die Antragstellerin nicht entsprechend der Vorgaben organisierbar gewesen. Infolge der diagnostizierten Long-Covid-Erkrankung werde die Antragstellerin das begonnene Studium nicht in der Regelstudienzeit abschließen können. Insbesondere würde sie in dem spezifischen Studiengang bei der Vergabe eines Platzes im Technik-Schwerpunkt Medizin immer erst nach den Studierenden des jeweiligen aktuell laufenden Erstsemesters berücksichtigt werden. Die Antragstellerin habe damit praktisch keine Chance auf einen der in diesem Studiengang begrenzten Plätze. Die Antragstellerin habe auch bei einer Bewerbung an einer anderen Universität in einem verwandten Studiengang wie z.B. BWL in Zukunft im Verhältnis zu Mitstudierenden erheblich schlechtere Chancen, da sie sich nicht mehr direkt vom Abitur weg bewerbe und für das maßgebliche jetzige ihr zugerechnete Semester auch keine Prüfungsleistungen vorweisen könne. Aufgrund dieser von der Antragsgegnerin nicht anerkannten Härtefallsituation habe die Antragstellerpartei bereits mit Schreiben vom 25. Februar 2024 die Anerkennung eines Härtefalls in Form der ausnahmsweisen Annullierung des ersten Fachsemesters beantragt. Dies sei seitens der Universität abgelehnt worden. Für den Antrag nach § 123 VwGO bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragstellerin krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, sich etwaigen Studienfortschrittskontrollen nach § 10 APSO und § 38 FPSO zu unterwerfen. Für den weiteren erfolgreichen Studienverlauf sei die Annullierung und Nichtberechnung des 1. Fachsemesters unerlässlich. Der Anordnungsanspruch könne zumindest auf § 10 Abs. 6a i.V.m. § 10 Abs. 7 APSO analog und hilfsweise auf § 11 ImmatS und § 12 Satz 1 Nr. 1 ImmatS analog gestützt werden. Zudem werde entgegen der geäußerten Rechtsansicht der Antragsgegnerin ein gewisser Ermessensspielraum sowohl in der APSO als auch in der ImmatS zur Anerkennung atypischer Krankheitsverläufe zugebilligt. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Gewährung eines Härtefalls durch Fristverlängerung gemäß § 10 Abs. 6a Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 7 APSO analog in Gestalt der Annullierung des ersten Fachsemesters, um damit in ihrem Lebenslauf nicht mit einem leistungslosen vertanen Fachsemester belastet zu sein. Dies wäre für die Antragstellerin eine diskriminierende Folge ihrer Erkrankung und für ihr weiteres Fortkommen im Studium und im Berufsleben ein ständiger negativer Eindruck in ihrem Lebenslauf mit nachteiligen Folgen im Vergleich zu Mitstudierenden bzw. Mitbewerbern. Da bei der Antragstellerin die in § 10 APSO und § 38 FPSO vorgeschriebene Studienfortschrittskontrolle aufgrund des attestierten Post-Covid-Syndroms nicht eingehalten werde habe können, sei der Antragstellerin eine Fristverlängerung gemäß § 10 Abs. 6a Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 7 APSO in Gestalt der Annullierung des streitgegenständlichen 1. Fachsemesters zu gewähren. Die analoge Anwendung des § 10 Abs. 6a Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 7 APSO ergäbe sich aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke und einer der Vorschriften vergleichbaren Interessenlage. Nach § 10 Abs. 7 Satz 3 APSO sei eine Erkrankung vor Beginn eines Prüfungstermins durch Vorlage eines Attests anzuzeigen, welcher Beginn und Ende der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit ausweisen müsse. Diese Regelung sei offensichtlich lückenhaft, da es sich gerade bei dem Post-Covid-Syndrom um eine Krankheit handle, die starken Schwankungen unterliege und regelmäßig nicht durch einen Krankheitsbeginn oder gar ein Krankheitsende sicher prognostizierbar sei. Der Antragstellerin sei es zu Beginn des Wintersemesters 2023/2024 nicht möglich gewesen, Beginn und Ende der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit auszuweisen. Bei der diagnostizierten Post-Covid-Erkrankung handele es sich um einen nicht zu vertretenden Grund i.S.d. § 10 Abs. 7 Satz 1 APSO. Insbesondere sei auf das der Antragsgegnerin eingeräumte Ermessen gemäß § 10 Abs. 6a Satz 5 APSO hingewiesen. Das eingeräumte Ermessen sei dahingehend zu reduzieren, dass der Antragstellerin die Fristverlängerung gemäß § 10 Abs. 6a Satz 1 APSO zu gewähren sei. Insbesondere stelle auch die nichtanaloge Anwendung der Härtefallvorschriften auf Krankheiten wie die des Post-Covid-Syndroms, denen ein atypischer Genesungsverlauf inhärent sei, einen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG dar. Hilfsweise sei der Anordnungsanspruch aufgrund Beurlaubung gemäß § 11 und § 12 ImmatS analog begründet. § 11 ImmatS erfasse planwidrig nicht den Fall einer sich unvorhersehbaren, plötzlichen Verschlechterung einer Krankheit. Diese offensichtliche Regelungslücke sei zu schließen. Die Beurlaubungsgründe gemäß § 12 Satz 1 Nr. 1 ImmatS lägen vor, die zumindest analog gemäß § 11 ImmatS auch nach der 5-Wochenfrist nach Vorlesungsbeginn anerkannt werden müssten und zu einer nachträglichen Beurlaubung führen müssten. Der Antragstellerin sei ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache nicht zumutbar, da der Erlass der einstweiligen Anordnung insoweit dringlich sei. Die Antragstellerin könne nicht bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache abwarten, um das Studium ohne nachteilige Folgen für den weiteren Fortgang des üblichen zeitlichen Fortgangs des Studienverlaufs hinnehmen zu müssen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
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Zur Begründung führt sie unter anderem aus, dass der Antrag bereits unzulässig sei, da kein Rechtsschutzbedürfnis und keine Antragsbefugnis bestünden. Dass die Antragstellerin krankheitsbedingt womöglich nicht in der Lage gewesen sei, sich im Wintersemester 2023/2024 „etwaigen Studienfortschrittskontrollen gemäß § 10 APSO und § 38 FPSO zu unterwerfen“ sei unerheblich, da noch keine Studienfortschrittskontrolle zu diesem Zeitpunkt durchgeführt werde. Es sei auch nicht ersichtlich, inwiefern die Annullierung und Nichtberechnung des 1. Fachsemesters bei der Fachsemesteranzahl der Antragstellerin für den weiteren erfolgreichen Studienverlauf unerlässlich sein sollte und inwiefern aufgrund dessen ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen sollte. Eine Annullierung des ersten Fachsemesters würde außerdem dazu führen, dass sich die Antragstellerin im Wintersemester 2023/2024 und auch, aufgrund der Beurlaubung, im Sommersemester 2024 im nullten Semester befinden würde. Ein derartiges Semester gäbe es jedoch nicht. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb eine besondere Eilbedürftigkeit bestehe. Auch bestehe keine Antragsbefugnis, da keine mögliche Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten dargelegt werde. Die Einstufung von Studierenden gemäß Art. 86 Abs. 3 Satz 4 BayHIG erfolge in der Regel in das dem Studienfortschritt entsprechende Fachsemester und gerade nicht gemäß den bereits eingeschriebenen Semestern. Bei einer Bewerbung an eine andere Hochschule für einen anderen Studiengang würde die Antragstellerin dann gemäß ihrem Studienfortschritt eingestuft werden. Sofern eine rückwirkende Beurlaubung geltend gemacht werde, sei die Universität wohl schon nicht richtige Antragsgegnerin, da eine Beurlaubung das Statusverhältnis der Studierenden betreffe. Im Übrigen bestehe auch kein Anordnungsanspruch. Die Annullierung eines laufenden bzw. abgeschlossenen Fachsemesters dergestalt, dass dieses Fachsemester in die Berechnung der Fachsemesteranzahl nicht mit einfließe, sei nirgends vorgesehen. Der Anspruch könne auch nicht auf § 10 Abs. 6a i.V.m. § 10 Abs. 7 APSO analog gestützt werden, da es schon an einer Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage fehle und auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 6a i.V.m. § 10 Abs. 7 APSO nicht vorlägen. Der Antragstellerin sei auch lediglich zugesagt worden, dass sie sich exmatrikulieren und für das Wintersemester 2024/2025 erneut bewerben könne. Der Antragstellerin sei jedoch gerade nicht zugesagt worden, dass es sich dabei um einen „Neustart“ im Wintersemester 2024/2025 im erneuten ersten Fachsemester handeln würde. Da das Wintersemester 2023/2024 das erste Fachsemester der Antragstellerin gewesen sei und eine Beurlaubung nicht für das erste Fachsemester gewährt werde, sei eine Beurlaubung schon aus diesem Grund nicht möglich. Zudem habe die Antragstellerin auch keinen formgemäßen Urlaubsantrag innerhalb der Ausschlussfrist gestellt, eine rückwirkende Beurlaubung sei ausgeschlossen. Ein Anspruch auf Beurlaubung aus §§ 11, 12 ImmatS analog bestehe ebenfalls nicht, da es schon an einer Regelungslücke fehle. Mehr als fünf Wochen nach Vorlesungsbeginn des schon laufenden Semesters sei eine Beurlaubung generell ausgeschlossen. Dies sei eindeutig in § 11 Abs. 3 Satz 1 ImmatS geregelt. Grund hierfür sei, dass eine Immatrikulation mit den dazugehörigen gegenseitigen Rechten und Pflichten nach einem gewissen Zeitablauf nicht mehr rückabgewickelt werden könne. Es bestehe auch kein Anordnungsgrund, da die Antragstellerin nicht glaubhaft mache, welche konkreten Nachteile ihr drohten, die das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen ließen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichts- und Behördenakten, auch im Verfahren M 3 K 24.4423.
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Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs, sowie eines Anordnungsgrundes, d.h. der Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung, glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) gemacht wurde. Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache sachlich und zeitlich vorweg, ist dem Antrag nur dann stattzugeben, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v.18.4.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22).
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Es kann dahinstehen, ob der Antrag bereits wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnisses abzulehnen ist. Jedenfalls ist hinsichtlich des Antrags, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das 1. Fachsemester der Antragstellerin für das Wintersemester 2023/2024 vorläufig bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsacht zu annullieren, weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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A) Die Antragstellerin hat bereits keinen Anordnungsgrund, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Dringlichkeit, glaubhaft gemacht. Konkrete nachteilige Folgen, die zeitnah für die Antragstellerin in Frage kommen, wurden von der Antragstellerpartei nicht dargelegt. So stehen Studienfortschrittskontrollen, deren Nichtbestehen zu einer Verzögerung oder dem endgültigen Nichtbestehen des Studiums führen kann, frühestens am Ende des zweiten Fachsemesters an (§ 10 allgemeine Prüfungs- und Studienordnung für Bachelor- und Masterstudiengänge an der TUM vom 18. März 2011 in der Fassung der 9. Änderungssatzung vom 13. Februar 2024 (APSO) i.V.m. § 38 Fachprüfungs- und Studienordnung für den Bachelorstudiengang Management and Technology am C. M. an der TUM vom 22. Juni 2020 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 20. Juni 2023 (FPSO)). Antragstellerseits ist nicht dargelegt, dass eine konkrete Folge hinsichtlich des Nichtbestehens von Studienfortschrittskontrollen zeitnah im Raume steht, insbesondere, da die Antragstellerin für das Sommersemester 2024 beurlaubt war. Auch hinsichtlich des Vortrags der Antragspartei, die Antragstellerin habe Nachteile zu befürchten bei einer Bewerbung an einer anderen Universität in einem verwandten Studiengang, wenn diese Bewerbung nicht mehr direkt vom Abitur weg erfolge, fehlt es bereits an jeglicher Glaubhaftmachung, dass sich die Antragstellerin tatsächlich bereits beworben hat. Auch eine Benachteiligung bei der Vergabe eines Platzes im Technik-Schwerpunkt Medizin des streitgegenständlichen Studiengangs wird lediglich behauptet ohne nähere Darlegung einer erfolgten fristgerechten Bewerbung (vgl. Behördenakten, beigezogene Unterlagen, Seite 32).
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B) Die Antragstellerin hat auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Anspruch auf Annullierung des 1. Fachsemesters der Antragstellerin im Studiengang Management an Technology ist nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich.
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1) Eine Annullierung des 1. Fachsemesters kann nicht auf § 10 Abs. 6a Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 7 APSO analog gestützt werden.
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Nach herrschender Methodenlehre liegt eine Analogie vor, wenn man eine Norm, die für einen bestimmten Tatbestand eine gesetzliche Regelung enthält, auf einen gesetzlich nicht geregelten Tatbestand entsprechend anwendet, weil beide Tatbestände vergleichbar und deshalb rechtlich gleich zu bewerten sind (Gesetzesanalogie). „Planwidrig“ ist eine Lücke, die den methodischen Schritt der Analogie rechtfertigt, nur dann, wenn die in Rede stehende Regelungssituation vom Gesetzgeber nicht gesehen wurde oder wegen späterer Veränderungen der Umstände nicht gesehen werden konnte (Meissner/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Januar 2024, § 173 Rn. 54). Da diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, scheidet eine analoge Anwendung aus.
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Tatbestandsmerkmal des § 10 Abs. 6a APSO ist zunächst, dass zum Ende eines Fachsemesters die erforderliche Mindestcreditsumme nicht erbracht wird. Bereits dies trifft auf die Antragstellerin nicht zu, da sie erst zum zweiten Fachsemester eine bestimmte Anzahl von Modulprüfungen erbringen müsste (vgl. § 10 Abs. 2 APSO i.V.m. § 38 Abs. 2 FPSO). Nachdem für die Antragstellerin das Wintersemester 2023/2024 das erste Fachsemester war und sie im Sommersemester 2024 beurlaubt war, liegt bereits diese Voraussetzung bei der Antragstellerin nicht vor. Im Übrigen, auch bei Unterstellung einer unverzüglichen schriftlichen Geltendmachung eines triftigen Grundes i.S.d. § 10 Abs. 7 APSO, begehrt die Antragstellerin weder eine Fristverlängerung noch eine Fristaussetzung im Sinne von § 10 Abs. 6a APSO. Damit passt diese von der Antragspartei genannte Rechtsgrundlage weder hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen noch hinsichtlich der Rechtsfolgen zu der von der Antragspartei begehrten Annullierung eines Fachsemesters. Es ist daher auch nicht ersichtlich, wie eine analoge Anwendung dieser Vorschriften zu einem Anspruch auf Annullierung eines Semesters führen sollte, bei dem die Antragstellerpartei eine „Nullstellung“ des Studienverhältnisses fordert. Dies umso mehr, als die Fristverlängerung oder Fristaussetzung des § 10 Abs. 6a APSO Regelungen im Rahmen des Prüfungsverhältnisses des Studierenden darstellen, während die von der Antragspartei begehrte Annullierung das Statusverhältnis des Studierenden betrifft. Grundsätzlich sind das Statusverhältnis und das Prüfungsrechtsverhältnis selbstständig und gelten unabhängig voneinander (siehe: Fischer, Jeremias, Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 16).
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Ein Anspruch auf Annullierung des 1. Fachsemesters ergibt sich nach summarischer Prüfung auch aus keiner anderen Vorschrift. Die Aufnahme eines Studiengangs oder sonstiger Studien (Studium) setzt die Immatrikulation als Studierende oder Studierender voraus (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG)). Durch die Zulassung zum Studium sowie die Einschreibung bei einer bestimmten Hochschule wird das Statusverhältnis zwischen Studierendem und Hochschule begründet. Die Immatrikulation stellt einen Verwaltungsakt i.S.v. Art. 35 Abs. 1 BayVwVfG dar. Mit ihr wird man dem Hochschulrecht unterworfen und befindet sich in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zur Hochschule (vgl. insgesamt von Coelln/Lindner, BeckOK, BayHSchG, Stand 1.8.2022, Art. 42 Rn. 11).
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Der Status des Studierenden wird mit der Exmatrikulation beendet. Unter welchen Voraussetzungen eine Exmatrikulation erfolgt, wird in Art. 94 BayHIG, Art. 95 BayHIG i.V.m. Art. 13 Satzung der TUM über die Immatrikulation, Rückmeldung, Beurlaubung und Exmatrikulation vom 6. Februar 2023 (ImmatS) normiert. Hierbei ist auch eine Exmatrikulation auf Antrag möglich (Art. 14 ImmatS). Eine Exmatrikulation erfolgt in der Regel zum Ende des Semesters (Art. 94 Abs. 1 BayHIG, § 14 ImmatS), frühestens mit sofortiger Wirkung zum Tage der Antragstellung (§ 14 ImmatS). Weder das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz noch Regelungen der Hochschule in der Immatrikulationssatzung, der allgemeinen Prüfungs- und Studienordnung oder der Fachprüfungs- und Studienordnung sehen als Rechtsfolge eine Annullierung eines Fachsemesters vor. Die Rechtsfolge der Annullierung eines Fachsemesters ist auch nicht angezeigt, da sie dem Sinn und Zweck des Statusverhältnisses, das schwer rückabzuwickeln ist, nicht entsprechen würde. Auch erscheint eine solche Regelung im Hinblick auf die Rechte der Studierenden nicht erforderlich, da durch Regelungen im Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz und den Prüfungsordnungen Hindernissen, wie beispielsweise längeren Krankheiten, Rechnung getragen wird. Eine völlige „Nullstellung“ des Studierenden bei Geltendmachung einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung wäre mit dem Grundsatz der Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht vereinbar.
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2) Die Antragstellerin kann auch keinen Anordnungsanspruch, gestützt auf Beurlaubung für das Wintersemester 2023/2024, geltend machen.
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Die Beurlaubung und ihre Folgen ergeben sich aus Art. 93 Abs. 2 und Abs. 3 BayHIG. Studierende können von der Hochschule auf Antrag von der Verpflichtung zu einem ordnungsgemäßen Studium befreit werden (Beurlaubung). Hierzu können die Hochschulen die erforderlichen Bestimmungen durch Satzung erlassen (Art. 95 BayHIG). Die Beurlaubung bleibt im Rahmen der Entscheidung zur Immatrikulation und ist deshalb eine staatliche Angelegenheit im Sinne das Art. 4 Abs. 5 Nr. 4 BayHIG. Richtiger Antragsgegner wäre für diesen Anspruch der Freistaat Bayern, vertreten durch die Hochschule.
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Studierende können auf Antrag aus wichtigem Grund von der Verpflichtung zu einem ordnungsgemäßen Studium befreit werden (Beurlaubung). Die übrigen Rechte und Pflichten der Studierenden bleiben unberührt. Eine Beurlaubung wird in der Regel nur für ein Semester und nicht für das erste Fachsemester gewährt. Die Beurlaubung soll insgesamt zwei Semester nicht überschreiten (§ 11 Abs. 1 ImmatS). Der Antrag auf Beurlaubung ist unter Verwendung des von der Abteilung Bewerbung und Immatrikulation des TUM Center für Study and Teaching zum Download bereitgestellten Formblattes bis zum jeweiligen Vorlesungsbeginn zu stellen. Tritt der wichtige Grund für die Beurlaubung erst später ein, ohne dass dies vorhersehbar war, so kann der Antrag noch bis zu fünf Wochen nach Vorlesungsbeginn gestellt werden (Ausschlussfrist) (§ 11 Abs. 2 ImmatS). Eine rückwirkende Beurlaubung ist ausgeschlossen (§ 11 Abs. 3 ImmatS).
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Die Antragspartei kann sich nicht auf § 11 und § 12 ImmatS, auch nicht analog, stützen, um eine nachträgliche Beurlaubung zu erreichen.
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Hierfür fehlt es bereits an einem fristgerechten Antrag auf Beurlaubung i.S.d. § 11 Abs. 2 ImmatS. Unstrittig wurde durch die Antragstellerin weder ein Antrag bis zum Vorlesungsbeginn (§ 11 Abs. 2 Satz 1 ImmatS) noch bis fünf Wochen nach Vorlesungsbeginn (§ 11 Abs. 2 Satz 2 ImmatS) gestellt. Die in der Immatrikulationssatzung enthaltenen Fristen für die Beurlaubungsanträge begegnen grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere werden diese Regelungen von der Ermächtigungsgrundlage in Art. 95 BayHIG umfasst und sind auch geeignet, das Verfahren der Beurlaubung sinnvoll zu regeln. Besonders im Hinblick auf die weitreichenden Folgen einer Beurlaubung auf den Status des Studierenden ist es notwendig und sinnvoll, möglichst schnelle Rechtssicherheit und Klarheit mit Hilfe der festgesetzten Fristen zu erreichen (vgl. insgesamt VG München, U.v. 8.10.2007 – M 3 K 07.106 – juris Rn. 29).
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Es ergibt sich für das Gericht auch aus den vorgelegten Attesten nicht, dass die Erkrankung oder auch eine Verschlechterung der Erkrankung unvorhersehbar nach diesen Fristen eingetreten ist. In den Behördenakten befinden sich ärztliche Bescheinigungen des Klinikums Rechts der Isar vom 24. November 2021 und 10. August 2022, die der Antragstellerin ein Post-Covid-Syndrom bescheinigen, an dem sie seit einer Infektion im November 2020 leide. Eine ärztliche Bescheinigung eines Facharztes für Innere Medizin vom 24. Oktober 2023 führt aus, dass aufgrund einer erneuten Covid-19-Infektion und einer damit einhergehenden Verschlechterung der Erkrankung der Start an der Universität nicht wie erwartet möglich sei und zudem nicht im vorgesehenen Rhythmus absolviert werden könne. Die Antragstellerin wusste daher laut den Attesten bereits innerhalb der Frist des § 11 Abs. 2 ImmatS, dass ihre Krankheit sich verschlechtert hatte und hätte Konsequenzen daraus ziehen können. Hierbei kann das von der Antragpartei vorgetragene jugendliche Alter der Antragstellerin und ihre Unerfahrenheit nicht dazu führen, dass die Fristversäumung zu entschuldigen ist. Es obliegt den Studierenden, sich über die das Studienverhältnis betreffenden Fristvorgaben in Kenntnis zu setzen (VG Würzburg, U.v. 28.10.2015 – W 2 K 14.400 – juris Rn. 24). Die Immatrikulationssatzung der TUM ist im Internet abrufbar. Nachdem für die Antragstellerin bereits bei ihrem Studienbeginn krankheitsbedingte Einschränkungen vorlagen, die ihr durch das Attest vom 24. Oktober 2023 auch bewusst sein mussten, hätte es ihren Mitwirkungspflichten entsprochen, sich über die Fristen für eine Beurlaubung kundig zu machen.
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3) Entgegen dem Vortrag der Antragstellerpartei kann die Aussage der TUM in einem Beratungsgespräch mit der Antragstellerin, sie könne sich exmatrikulieren und für das Wintersemester 2024/2025 neu bewerben, nicht dazu führen, dass das 1. Fachsemester der Antragstellerin zu annullieren ist. Bereits nach dem Vortrag der Antragspartei ist im Rahmen des Gesprächs Ende Oktober nicht erklärt worden, dass eine erneute Immatrikulation wiederum im 1. Fachsemester erfolgen werde. Dies interpretierte die Antragstellerin nur in die Aussage hinein. Abgesehen davon kann eine Zusicherung einer Behörde wirksam nur in schriftlicher Form erfolgen (Art. 38 BayVwVfG).
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.