Inhalt

VG München, Urteil v. 01.10.2024 – M 19L DK 22.5596
Titel:

Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen Vorteilsannahme

Normenketten:
BayDG Art. 11, Art. 14 Abs. 2 S. 1
StGB § 17, § 53, § 331 Abs. 1
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, §§ 34 ff., § 35 Abs. 1 S. 2, § 37 Abs. 1, Abs. 2, § 42 Abs. 1, § 47 Abs. 1 S. 1
BayDG Art. 11, Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
BeamStG § 34 S. 2, S. 3 (idF bis zum 6.7.2021)
Leitsätze:
1. Bei einem Strafrahmen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafereicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. (Rn. 81) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ergibt die Gesamtabwägung, dass aufgrund des Fehlverhaltens des Beamten ein endgültiger Vertrauensverlust in die ordnungsgemäße Diensterfüllung eingetreten ist, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. (Rn. 82) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Fall eines nach den tatsächlichen Befugnissen und Zuständigkeiten herausgehobenen Amtes ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei strafbarer Vorteilsannahme im Regelfall angezeigt. (Rn. 86) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein strafrechtich vermeidbarer Verbotsirrtum führt nicht zu einer milderen Maßnahme nach Disziplinarrecht. (Rn. 90) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine unzureichende Kontrolle wirkt sich regelmäßig nicht entlastend für den Beamten aus. (Rn. 95) (redaktioneller Leitsatz)
1. Bei einem Strafrahmen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafereicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ergibt die Gesamtabwägung, dass aufgrund des Fehlverhaltens des Beamten ein endgültiger Vertrauensverlust in die ordnungsgemäße Diensterfüllung eingetreten ist, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Fall eines nach den tatsächlichen Befugnissen und Zuständigkeiten herausgehobenen Amtes ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei strafbarer Vorteilsannahme im Regelfall angezeigt. (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein strafrechtlich vermeidbarer Verbotsirrtum führt nicht zu einer milderen Maßnahme nach Disziplinarrecht. (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine unzureichende Kontrolle wirkt sich regelmäßig nicht entlastend für den Beamten aus. (Leitsätze der LSBeckRS-Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Vorteilsannahme, Verstöße bezüglich der Arbeitszeiterfassung, Beamter, Polizei, Arbeitzeiterfassung, Dienstvergehen, Gehorsamspflicht, Wohlverhaltenspflicht, Verschwiegensheitspflicht, Disziplinarverfahren, Vertrauensverlust, Dienststellenleiter, Höchstmaßnahme, Verbotsirrtum, Kontrolle
Fundstellen:
FDArbR 2025, 930574
BeckRS 2024, 30574

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II.    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt im Wege der Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
2
Der 1964 in M. geborenen Beklagte trat nach dem Erwerb der Fachhochschulreife in den Dienst der Bayerischen Polizei ein. Er wurde am … … 1991 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit (gehobener Polizeidienst) berufen. Zum 1. März 2009 wurde er Dienststellenleiter der Polizeiinspektion … (PI **). Am … … 2009 erfolgte seine Ernennung zum Ersten Polizeihauptkommissar (EPHK). In diesem Amt war er bis zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte am … … 2019 tätig. In seiner letzten periodischen Beurteilung im Jahr 2018 erhielt er 14 Punkte. Der Beklagte ist ledig, hat keine Kinder und erhält Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 13. Er ist zuvor weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.
3
Gegen den Beklagten wurde am 4. Juni 2019 wegen des Verdachts auf die Entgegennahme von Zuwendungen und Sachgeschenken von Privatpersonen und Firmen ohne Genehmigung, zum Teil, indem Zuwendungen und Spenden zunächst dem Vermögen des „… … …vereins Polizei … e.V.“ ( … e.V.) zugeleitet wurden, sowie wegen Verstößen gegen die Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung der Dienstzeit ein Disziplinarverfahren eingeleitet und bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Beklagten ausgesetzt. Der Beklagte erhielt Gelegenheit zur Äußerung.
4
Am 8. Oktober 2020 erging ein am 29. Oktober 2020 rechtskräftig gewordener Strafbefehl des Amtsgerichts München, mit dem gegen den Beklagten wegen Vorteilsannahme in 17 tatmehrheitlichen Fällen (§§ 331 Abs. 1, 53 StGB) eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 270 Tagessätzen zu je 120 EUR, insgesamt 32.400 EUR, verhängt wurde. Zudem wurde Wertersatz in Höhe von 16.304,26 EUR angeordnet. Des Weiteren ergingen hinsichtlich des Beklagten Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft M. I vom 18. September 2020 nach § 170 Abs. 2 StPO in Bezug auf einzelne Vorwürfe der Vorteilsannahme, vom 18. September 2020 nach § 154 Abs. 1 StPO hinsichtlich des Verdachts der Beleidigung und der Unterschlagung, vom 4. Januar 2021 nach § 152 Abs. 2 StPO bezüglich der Ermittlungen wegen des Besitzes von Munition und des Finanzamtes München vom 12. November 2020 nach § 154 Abs. 1 StPO betreffend den Verdacht der Einkommenssteuerhinterziehung.
5
Mit Schreiben vom 19. Juli 2021 wurde dem Beklagten die Fortsetzung, Konkretisierung sowie Ausdehnung des Disziplinarverfahrens mitgeteilt und Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Gleichzeitig wurde er zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Bezügen angehört.
6
Am 4. August 2021 ging das Persönlichkeitsbild zum Beklagten vom 29. Juli 2021 beim Kläger ein.
7
Mit Schreiben vom 16. November 2021 nahm der Bevollmächtigte des Beklagten für diesen Stellung.
8
Mit Verfügung vom 15. März 2022 wurde der Beklagte unter Einbehalt der Dienstbezüge in Höhe von 50% vorläufig des Dienstes enthoben.
9
Mit Schreiben vom 17. Mai 2022 teilte die Disziplinarbehörde dem Beklagten das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen mit; er wurde abschließend angehört und belehrt. Der Beklagte nahm mit Schreiben vom 20. Juni 2022 Stellung.
10
Am 10. November 2022 erhob der Kläger Disziplinarklage. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Disziplinarklageschrift Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
11
Der Kläger beantragte,
12
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
13
Der Beklagte beantragte,
14
auf eine mildere Maßnahme als eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
15
In seinem Schriftsatz vom 19. Januar 2023 führte sein Bevollmächtigter im Wesentlichen aus, der … e.V. sei vom ehemaligen Dienststellenleiter in P. , Herrn F. , mit Kollegen im Jahr 1999 gegründet worden. Im selben Jahr seien die Dienststellen P. und G. zusammengelegt worden. Der Beklagte sei seinerzeit Vertreter der kleineren Dienststelle in G. gewesen. Im Rahmen der Zusammenlegung habe er den Vertreterposten als Verfügungsgruppenleiter übernommen. Nach der Zusammenlegung seien die Angehörigen der Inspektion G. über den Verein informiert worden. Hintergrund für die Gründung sei demnach gewesen, dass P. Bürger „ihrer“ Dienststelle etwas haben zukommen lassen wollen und die Annahme von Zuwendungen grundsätzlich nicht erfolgen sollte. U.a. sei besprochen worden, dass Zuwendungen wie Weihnachtsgeschenke und „Wiesnmarken“ über den Verein möglich seien, da dieser dann über die Weitergabe entscheide und der Wert auf jede Einzelperson in Relation zum Spender herabgebrochen werde. Gegenüber dem Beklagten sei ausgeführt worden, dass die Gründung zu diesem Zweck in Absprache mit dem Polizeipräsidium M. erfolgt sei. Dies sei der Kenntnisstand des Beklagten bei der Übernahme der Dienststellenleitung im Jahr 2009 gewesen. Er habe den Verein zuvor zehn Jahre erlebt und diese Tradition nicht mehr hinterfragt. Der Verein und seine Funktion seien nicht verheimlicht worden. Vielmehr seien sämtliche Mitglieder des Vereins, die gleichzeitig Angehörige der Dienststelle gewesen seien, von der Rechtmäßigkeit von Zuwendungen an den Verein überzeugt gewesen. Zudem seien der Verein und sein Zweck dem Polizeipräsidium M. bzw. den Dienstvorgesetzten des Beklagten bekannt gewesen. Der Beklagte habe über ihn berichtet. Der Verein sei gegenüber dem Polizeipräsidium M. aufgetreten. So sei er im Zusammenhang mit einem Antrag auf Durchführung eines „Tages der offenen Tür“ am 24. Mai 2014 gegenüber dem Präsidialbüro als Kostenträger angegeben worden. Seitens des Präsidiums erfolgten dazu, wie der Verein die erforderlichen finanziellen Rücklagen erwirtschaftete, keine Nachfragen. Am „Tag der offenen Tür“ seien an Abgeordnete und den Polizeipräsidenten zum Beispiel Kaffeetassen mit dem Emblem und Schriftzug des Vereins sowie Visitenkarten überreicht worden. Der Präsident des Polizeipräsidiums M. habe sich bei dieser Gelegenheit auch über den Verein berichten lassen. Über den Verein seien in den Jahren zuvor zudem vom Präsidium anerkannte Präventionsaktionen der Dienststelle unterstützt worden. Außerdem seien über den Verein Mietkosten für die Sporthalle G. , die die Polizeiinspektion … für den Dienstsport genutzt habe, abgewickelt und entsprechende Abrechnungen des Vereins mit der Gemeinde G. dem Polizeipräsidium M. regelmäßig vorgelegt worden. Die Dienstsportfinanzierung sei jahrelang so beibehalten worden, bis der neue Leiter der Abteilung P aufgrund der Hallenabrechnungen auf den Verein aufmerksam geworden sei und eine andere Lösung angestrebt habe. Der Leiter P habe auf Nachfrage des Beklagten keinen Grund gesehen, den Verein mit dem bekannten Bezug zu unterbinden. Die Disziplinarbehörde habe immerhin eingeräumt, dass der Verein als Hallenmieter bekannt gewesen sei. Im Übrigen sei der Verein zunehmend in den Hintergrund getreten, weil sich immer weniger Kollegen bereit erklärt hätten, im Verein aktiv mitzuwirken. Der Beklagte habe entgegen der Auffassung von Klägerseite nicht als „inoffizielles Mitglied des Vorstandes des Vereins … e.V.“ fungiert. Er habe weder als Mitglied des Vereins noch als Dienststellenleiter in dessen Verantwortungsbereich eingegriffen. Als Dienststellenleiter sei er bezüglich der Termine für Betriebsausflüge, Weihnachtsfeier u.s.w. eingebunden gewesen. Damit habe er aber keinen „faktisch“ bestimmenden Einfluss auf den Verein erhalten. Auch eine Auflösung des Vereins hätte er nicht beschließen können.
16
Der Vorwurf der Annahme von Sachgeschenken und Wertgutscheinen für das Oktoberfest durch den Beklagten auf der Basis einer zumindest stillschweigenden Übereinkunft, dass die Zuwendungen im Rahmen der Klimapflege ein allgemeines Wohlwollen der Mitglieder der PI … bei der Dienstausübung schaffen sollten, sei unrichtig. Der Beklagte habe keine Geschenke oder Zuwendungen angenommen und es seien auch keine Vorteile für die Geber entstanden. Die Geschenke seien Ausdruck der Verbundenheit mit ihrer Polizeidienststelle oder Ausdruck ihrer Dankbarkeit für polizeiliches Auftreten gewesen. Die „Wiesnmarken“ seien jeweils an den … e.V. abgegeben worden. Der Beklagte habe keine dieser Marken angenommen und könne nicht sagen, wie viele es jeweils gewesen seien. Alle Beamten der PI … hätten gewusst, dass die Marken für den Verein seien und von diesem verteilt würden. Die Kuverts mit den Marken seien in das Fach des Vereins in einem Wachnebenraum gelegt worden. Soweit die Marken zum Beklagten gelangten, habe er einen Vorstand des Vereins informiert, der die Verteilung veranlasst habe. Auch der Beklagte habe diese Aufgabe ein- oder zweimal übernommen. Er habe nicht darüber entschieden, wer Marken bekam. Für den Eigengebrauch habe er keine Marken angenommen. Ein Erhalt von Marken durch den Vorstand der Firma … …, Herrn … werde in Abrede gestellt. Der Beklagte habe noch in Erinnerung, dass die Firma … zu Weihnachten Champagner-Flaschen der Firma ... abgegeben habe. Er sei mit der Abgabe/Annahme nicht befasst gewesen, sondern habe erst im Rahmen der Tombola, bei der sie verlost worden seien, hiervon erfahren. Der Beklagte habe von der Firma … nichts in Empfang genommen. Die Kollegen hätten gewusst, dass der Verein im Keller einen Schrank hatte. Dort seien abgegebene Dinge für den Verein hinterlegt worden.
17
Da der Beklagte dem … e.V. nicht vorgestanden habe, seien ihm Spenden an diesen nicht zuzurechnen. Er habe zudem hinsichtlich Einnahmen aus dem „Tag der offenen Tür“ am 24. Mai 2014 in Höhe von 1.000 EUR keinen Entschluss für den Verein getroffen, sondern sich seinerzeit selbst entschlossen, in dieser Höhe Spenden an zwei gemeinnützige Vereine zu leisten. Er habe keine Bargeldspenden an den Verein entgegengenommen. Hinsichtlich der unentgeltlichen Nutzung des Bürger- und Sportzentrums der Gemeinde B. für Vereinsfeiern sei der Beklagte davon ausgegangen, dass dies rechtlich zulässig sei, zumal der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Herr Z. Mitglied des Sportvereins B. gewesen sei.
18
Der Beklagte habe als Dienststellenleiter zwar einen erheblichen Anteil am Aufrechterhalten des „Systems“ … e.V. Er hätte die rechtliche Konstruktion hinterfragen müssen. Allerdings habe er dieses System bereits vorgefunden; alle Angehörigen der PI … seien beteiligt gewesen. Von seiner Seite habe es keiner Leitung oder Anweisung, wie mit den Zuwendungen umzugehen war, bedurft. Das System habe funktioniert, weil alle mitwirkten und profitierten. Der Beklagte habe Verantwortung übernommen, indem er den Strafbefehl akzeptierte, obwohl er die gegenständlichen Vorteile und „Wiesnmarken“ nicht angenommen habe. Auch er habe darauf vertraut, dass die Konstruktion der Finanzierung der Vereinszwecke über die Zuwendungen Dritter rechtlich gestattet und mit dem Präsidium abgeklärt sei. Er und alle anderen Angehörigen der PI … seien einem Rechtsirrtum unterlegen. Dem Beklagten sei zugute zu halten, dass das System dazu gedient habe, Zufriedenheit unter den Beschäftigten und Identifikation mit der Dienststelle bzw. dem Polizeiberuf herbeizuführen sowie den Zusammenhalt zu fördern. Er habe keine selbstsüchtigen Motive verfolgt und von den Vorteilen nicht mehr profitiert, als die anderen Mitarbeiter der Dienststelle. In Bezug auf die „Wiesnmarken“ sei das Unrechtsbewusstsein bei der Münchner Polizei wohl auch nicht ausgeprägt, es gehöre nach Zeugenaussagen zum guten Ton, dass auch das Polizeipräsidium M. mit „Wiesnmarken“ bedacht werde. Der Beklagte habe als Dienststellenleiter keine überragende Stellung eingenommen, wenn er auch zum Funktionieren des Systems erheblich beigetragen habe. Weiter werde auf die rechtliche Problematik hingewiesen, ob der Beklagte sich gemäß § 331 Abs. 1 StGB strafbar gemacht habe. Dritter sei der Verein gewesen. Es stelle sich die Frage, ob die Vorteilsannahme nicht bereits durch einen Angehörigen der PI … bewirkt worden sei, der den jeweiligen Vorteil für den Verein angenommen habe. Der Beklagte habe auch den im Strafbefehl angeordneten Wertersatz in Höhe von 16.304,26 EUR geleistet. Indem er die Strafe akzeptiert hat, habe er für den Dienstherrn weiteren Schaden durch eine öffentlichkeitswirksame Hauptverhandlung abwenden wollen.
19
Der Beklagte habe auch nicht Herrn R. angewiesen, einen Satz Autoreifen aus dem Eigentum des Freistaats Bayern zu verkaufen und den Erlös in Höhe von 100 EUR dem Verein zukommen zu lassen. Der Vorwurf, Leergut der dienstlichen Einsatzverpflegung nicht zurückgegeben zu haben, sondern das eingelöste Pfand für sich bzw. den Verein behalten zu haben, treffe ebenfalls nicht zu. Eingelöstes Pfand in Höhe von 26,40 EUR sei im Schreibtisch des Beklagten aufgefunden worden. Die in seinem Wohnhaus aufgefundene Polizeikelle sei ohne Hoheitszeichen, Batterie und Leuchtmittel sowie unbrauchbar gewesen. Der Beklagte habe sie für den Fall einer Alarmierung in seinen Privat-PKW gelegt, um schneller voran zu kommen. Das in seinem Haus aufgefundene Pfefferspray mit abgelaufenem Datum habe er sich zur Marderbekämpfung geben lassen. Die bei ihm aufgefundene Munition sei ihm von einem an Lungenkrebs erkrankten Kollegen übergeben worden. Er habe sie in seinem dienstlichen Waffenschrank aufbewahrt und beschriftet. Nach dem Tod des Kollegen und der Beerdigung habe er die Patronen über die Dienststelle entsorgen lassen wollen, dies jedoch vergessen. Soweit der Beklagte Herrn ... über polizeiliche Maßnahmen bei Mitarbeitern von diesem informiert haben soll, habe er nur sensibilisieren wollen. Der Vorwurf, dass er Herrn S. während eines Telefonats als „faulen Hund“ bezeichnet habe, treffe nicht zu. Auch der Vorwurf, bei den Steuererklärungen von 2014 bis 2018 Einkommenssteuerhinterziehung begangen zu haben, werde nicht eingeräumt.
20
Ebenso wenig sei zutreffend, der Beklagte habe in einer nicht bekannten Anzahl an Fällen den Eindruck erweckt in „eingechippten“ Zeiträumen Dienst zu verrichten, obgleich dies nicht der Fall gewesen sei. Es sei zwar richtig, dass der Beklagte oftmals in die elektronische Zeiterfassung eingegriffen habe. Hintergrund hierfür sei jedoch gewesen, dass er seine Arbeitsstunden gedeckelt habe. Andernfalls wären Überstunden im vierstelligen Bereich angefallen. Der Beklagte habe sich regelmäßig ausgetragen, obwohl er noch im Büro geblieben sei. Er habe nicht zu viel Arbeitszeit erfasst, sondern zu wenig. Bei der PI … sei es üblich gewesen, Dienstgänge nicht zu registrieren. Gelegentlich habe er hierbei Besorgungen für Kollegen getätigt. Bei seinem Besuch der Mutter im Krankenhaus am … Mai 2019 habe es sich um eine dringliche und lebensbedrohliche Situation gehandelt. Er habe vergessen, seinen Weggang aus der Dienststelle zu registrieren. Bei seiner Rückkehr habe er sich ausgebucht, um keine weiteren Stunden aufzubauen. Er habe sich jedoch noch mindestens zwei Stunden im Büro aufgehalten. Den Holztransport am 3. Juni 2019 habe der Beklagte damit verbunden, benötigte Beurteilungsentwürfe von zu Hause abzuholen, was 30 Minuten in Anspruch genommen habe. Am 4. Juni 2019 sei er mit dem Fahrrad zur Dienststelle gefahren und habe ursprünglich keine Uniform tragen wollen. Nachdem er um ein Gespräch gebeten worden sei, habe er sich entschieden, die Uniform anzuziehen und vorher zu duschen. Das vorherige Ausbuchen habe er vergessen und nach dem Erscheinen von Beamten des Landeskriminalamts nicht mehr nachholen können.
21
Es treffe auch nicht zu, dass der Beklagte in der Zeit vom 4. Januar 2015 bis 4. Juni 2019 an 197 Sonntagen Dienst ohne dienstliche Veranlassung geleistet habe, um Minus-Arbeitszeit an Werktagen auszugleichen sowie Sonntagszulage zu erhalten. Der Beklagte habe während der Sonntage Dienst verrichtet. Sonntagsarbeit habe er etabliert, weil er dreimal jeweils zum Teil mehr als sechs Monate ohne Vertreter in der Dienststelle die Geschäfte habe führen müssen. Sonntags habe der Beklagte anspruchsvolle Arbeiten, wie Erstellung von Beurteilungen, Stellungnahmen, Vorbereitung der Prüfertätigkeit, Beschwerdesachbearbeitung und Kontaktaufnahme mit Beschwerdeführern, Mitarbeitergespräche, Erstellen des Presseberichts mit redaktioneller Tätigkeit, dazu Sichtung der Einsatzprotokolle, Vorbereitungen für die Sachbereiche usw. erledigt. Die erfassten Zeiten seien von ihm abgerundet worden. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass er dies hätte beantragen müssen. Er habe sich auch Stunden für abendliche Dienstaufsicht, zweimal monatlich nach Mitternacht, nicht gutschreiben lassen. Durch die pünktliche Erstellung und redaktionelle Aufbereitung des Pressedienstes sei dem Polizeipräsidium M. kein Schaden entstanden. Der pointierte Pressebericht sei über die Grenzen des Präsidiums bekannt gewesen. Hätte man ihn bezüglich dieser Problematik ein Zeichen gegeben, hätte der Beklagte das von ihm gut gemeinte Engagement anders organisiert.
22
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte nebst Protokoll zu mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2024, die vorgelegten Behördenakten und die beigezogenen Strafverfahrensakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

23
Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt (Art. 11 BayDG).
24
1. Wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift stehen einer Sachentscheidung über die Disziplinarklage nicht entgegen (vgl. Art. 53 BayDG). Nur solche Mängel sind wesentlich, bei denen sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass sie sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben können (vgl. BVerwG, B.v. 7.7.2016 – 2 B 1.16 – juris Rn. 10; U.v. 24.6.2010 – 2 C 15.09 – juris Rn 19).
25
a) Soweit der Beklagte rügt, dass vom Kläger Zeugenbeweise nicht erhoben wurden, führt dies jedenfalls nicht zu einem wesentlichen Mangel nach Art. 53 BayDG. Es wurde bereits nicht dargetan, welche Zeugen hätten vernommen werden sollen und wie sich dies jeweils auf das Ergebnis der behördlichen Ermittlungen konkret hätte auswirken können. Zudem überprüft das Gericht die gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe nochmals eigenständig und führt – falls erforderlich – aufgrund eigener Sachverhaltswürdigung eine Beweiserhebung durch. Dem entsprechend wurden in der mündlichen Verhandlung ergänzend zwei Zeugen gehört; insbesondere wurde der Beklagte ausführlich befragt.
26
b) Der mit der Disziplinarklage unter I.7 erhobene Vorwurf, der Beklagte habe von 2014 bis 2018 Einkommenssteuerhinterziehung begangen, indem er unrichtige Angaben in eingereichten Einkommensteuererklärungen bezüglich Werbungskosten aus nichtselbstständiger Tätigkeit und Vermietungseinkünften gemacht habe, weshalb Steuern in Höhe von 4.766 EUR verkürzt worden seien, ist nicht hinreichend bestimmt. Die Klageschrift vom 10. November 2022 erfüllt insoweit nicht die Anforderung, dass bei ihrer verständigen Lektüre eindeutig hervorgeht, welche konkreten Handlungen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden (vgl. BVerwG, B.v. 20.4.2017 – 2 B 69.16 – juris Rn. 17; VG Berlin, U.v. 12.3.2021 – 80 K 41/20 OL – juris Rn. 16; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand Oktober 2023, Art. 50 BayDG, Rn 14). Der Geschehensablauf bzw. der Lebenssachverhalt, der dem Vorwurf zugrunde gelegt wird, erschließt sich nicht, weil schon nicht dargelegt ist, was der Beklagte in Bezug auf welchen Steuertatbestand jeweils unzutreffend erklärt haben soll. Dieser Mangel wirkt sich unabhängig davon, dass der Beklagte ihn nicht innerhalb der zweimonatigen Frist des Art. 53 Abs. 1 BayDG gerügt hat und das Gericht die Disziplinarbehörde auch nicht zur Beseitigung dieses Mangels aufgefordert hat (vgl. Art. 53 Abs. 3 BayDG), aber nicht aus. Denn vorliegend ist schon wegen der hinreichend substantiierten und erwiesenen Vorwürfe auf die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2007 – 2 A 3.05 – juris Rn. 30 f.; B.v. 12.6.2018 – 2 B 31.18 – juris Rn. 15; NdsOVG, U.v. 20.9.2023 – 3 LD 6/22 – juris Rn. 106). Das Gericht verweist diesbezüglich auf die folgenden Ausführungen.
27
2. In tatsächlicher Hinsicht legt das Gericht den Sachverhalt aus der Disziplinarklage wie folgt zugrunde:
28
a) Die Disziplinarbehörde wirft dem Beklagten entsprechend dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 8. Oktober 2020 (s. Disziplinarakt – DA, Bl. 10) vor, im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 4. Juni 2019 im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit in den Räumlichkeiten der PI … Sachgeschenke sowie Wertgutscheine für das Oktoberfest entgegen genommen zu haben, die von Verantwortlichen genannter Firmen entweder direkt an ihn übergeben oder über Mitarbeiter der PI an ihn weitergegeben wurden. In allen Fällen habe sich der Sitz der Firma oder der Wohnsitz der Verantwortlichen im örtlichen Zuständigkeitsbereich der PI befunden. Die jeweiligen Wertgutscheine für das Oktoberfest seien vom Beklagten an die Mitarbeiter verteilt worden. Die Sachgeschenke habe der Beklagte an den Vorsitzenden des Vereinsvorstands Z. weitergeleitet, der diese in seinem Auftrag verwaltet und bei einer jährlichen Verlosung im Rahmen der Weihnachtsfeier an Mitglieder der Polizeiinspektion weitergegeben habe. Der Beklagte habe mit den jeweiligen Spendern zumindest eine stillschweigende Übereinkunft dahingehend getroffen, dass die Zuwendungen im Rahmen der „Klimapflege“ ein allgemeines Wohlwollen der Mitglieder der Polizeiinspektion … bei ihrer Dienstausübung gegenüber den jeweiligen spendenden Firmen schaffen sollten. Er habe gewusst, dass ein Polizeibeamter dem grundsätzlichen Verbot der Annahme von Geldsowie Sachgeschenken unterliegt und keine Genehmigung der vorgesetzten Dienststelle zur Annahme der Zuwendungen vorlag.
29
In den Jahren 2014 bis 2017 habe der Beklagte zu nicht genau bekannten Zeitpunkten kurz vor den Weihnachtsfeiertagen Champagner- oder Weinflaschen vom anderweitig verfolgten … …, dem Vorstand der … …, …straße 1, … P. , entgegengenommen:

Fallzahl

Jahr

Geschätzter Mindestwert je Flasche

Anzahl Flaschen

Gesamtwert

1

2014

8,85 EUR

53

469,05 EUR

2

2015

8,85 EUR

52

460,20 EUR

3

2016

8,85 EUR

51

451,35 EUR

4

2017

8,85 EUR

50

442,50 EUR

30
Insgesamt habe der Beklagte damit Vorteile in Höhe von 1.823,10 EUR angenommen.
31
In den folgenden Fällen habe der Beklagte zu nicht genau bekannten Zeitpunkten kurz vor dem Beginn des Oktoberfestes Wertmarken für je eine Maß Bier und je ein halbes Hendl von dem anderweitig Verfolgten … entgegengenommen:

Fallzahl

Jahr

Preis je Maß (Durchschnittswert)

Preis je Hendl (Durchschnittswert)

Anzahl Markensets (1 Marke Bier, 1 Marke Hendl)

Gesamtwert

5

2014

9,98 EUR

10,49 EUR

53

1.613,85 EUR

6

2015

10,27 EUR

10,75 EUR

52

1.627,08 EUR

7

2016

10,57 EUR

11,00 EUR

51

1.639,14 EUR

8

2017

11,41 EUR

11,41 EUR

50

1.657,50 EUR

32
Insgesamt habe der Beklagte damit Vorteile in Höhe von 6.537,57 EUR angenommen.
33
In den folgenden Fällen habe der Beklagte zu nicht genau bekannten Zeitpunkten kurz vor dem Beginn des Oktoberfestes Wertmarken für je eine Maß Bier und je ein halbes Hendl von … Ro. (2017, 2018) oder … Ro. (2014, 2015) als Verantwortlichen der Firma ... GmbH, … Straße 2, … …, entgegengenommen:

Fallzahl

Jahr

Preis je Maß

Preis je halbes Hendl

Anzahl Markensets (1 Marke Bier, 1 Marke Hendl)

Gesamtwert

9

2014

9,05 EUR

9,55 EUR

53

985,80 EUR

10

2015

9,37 EUR

9,83 EUR

52

998,40 EUR

11

2017

9,92 EUR

10,28 EUR

50

1.010 EUR

12

2018

10,37 EUR

10,74 EUR

49

1.034,20 EUR

34
Insgesamt habe der Beklagte damit Vorteile in Höhe von 4.028,59 EUR angenommen.
35
In den folgenden Fällen habe der Beklagte jeweils zu nicht genau bekannten Zeitpunkten kurz vor dem Beginn des Oktoberfestes Wertmarken für je eine Maß Bier und je ein halbes Hendl von … S. und … S. als Verantwortlichen der Firma … S. OHG, … … Straße …, … …, entgegengenommen:

Fallzahl

Jahr

Preis je Maß

Preis je Hendl

Anzahl Markensets (1 Marke Bier, 1 Marke Hendl)

Gesamtwert

13

2014

9,05 EUR

9,46 EUR

50

925,50 EUR

14

2015

9,37 EUR

9,74 EUR

50

955,50 EUR

15

2016

9,65 EUR

9,74 EUR

50

969,50 EUR

16

2017

9,92 EUR

9,92 EUR

50

992 EUR

17

2018

10,37 EUR

10,47 EUR

50

1.042 EUR

36
Insgesamt habe der Beklagte damit Vorteile im Gesamtwert von 4.884,50 EUR angenommen.
37
Die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafbefehls vom 8. Oktober 2020 sind zwar nicht bindend. Sie können der Entscheidung im Disziplinarverfahren aber ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden (Art. 25 Abs. 2, Art. 55 BayDG; vgl. BayVGH, U.v. 5.11.2014 – 16a D 13.1568 – juris Rn. 32), soweit von der Zuwendung der genannten Sachgeschenke und Wertgutscheine durch Firmen im Zuständigkeitsbereich der PI … für die Dienstausübung des Beklagten und seiner Mitarbeiter, entgegen dem Verbot der Annahme von Geld und Sachgeschenken ohne Genehmigung ausgegangen wird. Der Sachverhalt steht insoweit nach der Aktenlage und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung fest; er wird vom Beklagten nicht substantiiert bestritten. Darüber hinaus geht das Gericht aufgrund der Angaben des Beklagten und der diesbezüglich im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der im Strafverfahren und hiesigen gerichtlichen Verfahren gehörten Zeugen davon aus, dass Annahmen durch den Beklagten selbst oder andere Mitarbeiter der PI jeweils für den … e.V. erfolgten. Dies gilt für die Wertgutscheine für das Oktoberfest, die nach den Angaben des Beklagten, nachdem sie in die PI gelangt waren, in das Vereinsfach gelegt wurden oder von ihm bzw. Mitarbeitern „unkompliziert“ an die Vereinsmitglieder verteilt wurden. Dies trifft aber auch für die Sachgeschenke zu, die innerhalb der PI an den Verein weitergeleitet wurden, indem sie im Vereinsschrank bzw. im Keller der PI für diesen hinterlegt wurden. Die Annahme der Zuwendungen über den Verein diente auch nach den Einlassungen des Beklagten der Umgehung des Verbots der Annahme von Geld- und Sachgeschenken durch die Polizeibeamten der PI. Dementsprechend trifft auch weiterhin die Feststellung aus dem Strafbefehl zu, dass die – über viele Jahre aufrechterhaltene – Praxis regelmäßiger Zuwendungen auf einer zumindest stillschweigenden Übereinkunft des Beklagten – als Dienststellenleiter der PI – und den im Strafbefehl benannten Vorteilsgebern – ggf. durch Mitarbeiter der PI vermittelt – beruhte, im Rahmen der „Klimapflege“ ein allgemeines Wohlwollen zugunsten der Spendenden zu erzeugen.
38
Soweit der Beklagte behauptete, durch seinen Vorgänger in der Dienststellenleitung, Herrn F. , zwar informiert gewesen sei, dass von den Firmen Ro. und S. Wertmarken für das Oktoberfest abgegeben würden, solches hinsichtlich der Firma … aber nicht gewusst zu haben und von ihm wegen der Befürchtung, dass Gegenleistungen erwartet würden, auch zurückgewiesen worden wäre, glaubt das Gericht ihm nicht. Dass er einmal Wertmarken, die der PI (nicht dem Verein) zugutekommen sollten, zurückbringen habe lassen, sagt insoweit nichts aus. Der Vortrag des Beklagten ist im Hinblick darauf, dass er bereits seit dem 1. März 2009 Dienststellenleiter der Polizeiinspektion war, den insoweit unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Strafbefehls zufolge Wertmarkenzuwendungen der Firma … über mehrere Jahre (2014 bis 2018) erfolgten und diese Firma zudem jeweils zu Weihnachten in großem Umfang noch weitere Sachgeschenke abgab (vgl. Zeugenaussagen des Dr. M. von der Fa. …, Bl. 1321 ff, 1406 ff. der Ermittlungsakten; vgl. Art. 55, Art. 25 Abs. 2 BayDG), nicht plausibel. Soweit der Beklagte darlegte, er habe von den Weihnachtsgeschenken der Firma … erst im Rahmen der Tombola anlässlich der Weihnachtsfeier erfahren, könnte solches allenfalls zu Beginn ihres Engagements der Fall und als relevant anzusehen gewesen sein. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte die ihm zur Kenntnis gelangten Zuwendungen durch die Firma … innerhalb des etablierten Systems des jährlichen Sammelns von Geschenken für den Verein anlässlich der Weihnachtsfeier in der PI je unterbunden hätte.
39
Das Gericht hat nach Würdigung sämtlicher aus dem Strafverfahren vorliegender und selbst eingeholter Zeugenaussagen von PI-Mitarbeitern sowie dem Eindruck, den es vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, überdies keinen Zweifel daran, dass der Beklagte „seine“ Dienststelle streng hierarchisch führte bzw. „im Griff hatte“. Es ist überzeugt davon, dass es ohne sein Wissen, Wollen und Zutun nicht möglich gewesen wäre, dass ihm untergebene Mitarbeiter der PI dort jährlich wiederkehrend Zuwendungen an den … e.V. abwickeln. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte dementsprechend auch ausgeführt, die Zuwendungen von Bürgern als Dienststellenleiter der PI … dergestalt organisiert zu haben, dass an die Dienststelle gerichtete Geschenke gemeldet und solche an den Verein an diesen weitergegeben worden seien. Die Zuwendenden seien auf den Verein hingewiesen worden. Hinsichtlich der Trennung von Zuwendungen an die Dienststelle und solchen an den Verein habe er seinen Mitarbeitern vertraut.
40
b) Des Weiteren legt das Gericht dem Beklagten zur Last, dass dieser als Dienststellenleiter die Umgehung des Verbots der Annahme von Spenden und Geschenken durch Privatpersonen an die Polizeibeamten der PI … im Wege der Zwischenschaltung des … e.V. auch noch in weiteren Fällen zu verantworten hat. Der Beklagte war nicht nur Vereinsmitglied. Vielmehr ermöglichte er als Dienststellenleiter den Fortbestand des seit 1999 in der PI … etablierten Systems.
41
aa) Anlässlich des „Tages der offenen Tür“ der PI … wurden bei Unternehmen Spenden in Höhe von insgesamt 3.650 EUR sowie von weiteren 500 EUR in bar vom Verein „G. hilft“ e.V. eingeworben und vom … e.V. vereinnahmt. Der Gesamtbetrag von 4.150 EUR wurde an den Verein „Polizisten helfen“ e.V. überwiesen. An diesen Verein wurden auch die anfallenden Rechnungen weitergeleitet, woraufhin dieser insgesamt 3552,46 EUR an den … e.V. erstattete. Ein Betrag von 597,54 EUR wurde beim Verein „Polizisten helfen“ e.V. als Spende gewertet. Der Sachverhalt steht nach Aktenlage fest und wurde vom Beklagten insoweit nicht bestritten.
42
In diesem Zusammenhang nicht nachgewiesen werden konnte dem Beklagten, dass er entgegen der Genehmigungsbedingung für den „Tag der offenen Tür“, etwaige Gewinne gemeinnützigen Zwecken zu spenden, zuwidergehandelt hat. Soweit die Disziplinarbehörde von einem Gewinn des … e.V. durch den Verkauf von Speisen und Getränken in Höhe von „mindestens 1.500 EUR“ ausgeht, dürften hiervon nach Aktenlage 597,54 EUR beim Verein „Polizisten helfen“ e.V. verblieben sein. Darüber hinaus hat der Beklagte im September 2014 privat jeweils 500 EUR an die „C. …“ e.V. sowie an das … … …, … gespendet. Obwohl der Beklagte noch in der Klageerwiderung behauptete, er habe selbst gespendet und so in seiner Steuererklärung angegeben, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sein Vortrag in der mündlichen Verhandlung, die Beträge für den Verein verauslagt und mit diesem anschließend verrechnet zu haben, der Wahrheit entspricht. Hierfür könnte auch der vom Beklagten verfasste Ablaufbericht zum „Tag der offenen Tür“ (Beweismittelakte – BMA, Bl. 68), dem Spenden von je 500 EUR an die „… …“ e.V., „… …“ e.V. und das … … … zu entnehmen sind, sprechen. In Anbetracht der verbleibenden Ungewissheiten beschränkt das Gericht das Disziplinarverfahren im Hinblick auf diesen Vorwurf nach Art. 54 Satz 1 BayDG. Die Handlung fällt für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht.
43
bb) Es konnten im Verfahren zudem Einnahmen des Vereins in Höhe von insgesamt 2159,46 EUR festgestellt werden, die anhand des jeweiligen Verwendungszwecks als Spenden bzw. Zuwendungen anzusehen sind:
44
Kontoeingänge:

Datum

Betrag

„Spender“

18.12.2014

160 EUR

Firma …

25.2.2015

200 EUR

Dr. …

7.6.2018

500 EUR

… (aus dem Nachlass)

45
Bargeldeingänge:

Datum

Betrag

Verwendungszweck

1.9.2017

120 EUR

Spende Barübertrag

15.3.2019

100 EUR

SVWZ+Zuschuss Grillfest von Herrn …, Barübertrag

46
Bargeldspenden für Betriebsausflüge und Grillfeiern der PI … bzw. des … e.V.:

Zeitraum

Betrag

„Spender“

Anmerkung in der Abrechnung

Betriebsausflug 2015

175 EUR

Fa. …

Getränke Unterstützung AIL

Betriebsausflug 2017

100 EUR

Fa. …

Spende AIL

Betriebsausflug 2018

94,46 EUR

Fa. …

Spende AIL über Getränke

Grillfeier 2014

50 EUR

Privatperson

Spende für Grillfeier

Grillfeier 2014

110 EUR

Privatpersonen

Zuzahlung aus Helferkasse 3215

Grillfeier 2015

150 EUR

Privatpersonen

Zuzahlung aus Helferkasse 3215

Grillfeier 2017

200 EUR

Privatpersonen

Zuzahlung aus Helferkasse 3215

Grillfeier 2018

150 EUR

Fa. …

Spende AIL

47
Bargeldspenden in der Barkasse:

Datum

Betrag

Text

2.6.2016

20 EUR

Spende Frühstück Fußballturnier

16.5.2016

10 EUR

Nachsorge …

18.12.2018

20 EUR

Spende Einsatz …- …-1…

48
cc) Der Beklagte hat außerdem die unentgeltliche Nutzung des Bürger- und Sportzentrums B. für die jährliche Grillfeier des … e.V. bzw. der PI … in den Jahren 2014 bis 2018 zu verantworten, weil er von dieser wusste und sie nicht unterbunden, sondern in seiner Stellung als Dienststellenleiter für sich und seine Mitarbeiter in Anspruch genommen hat. Bei entgeltlicher Nutzung wären je 120 EUR, insgesamt also 600 EUR zu entrichten gewesen. Gemäß den Nutzungsbestimmungen des Sport- und Bürgerzentrums vom Dezember 2009 kann der Benutzungsbeitrag nur für kulturelle, sportliche und gemeinnützige Veranstaltungen erlassen werden. Der Zeuge Z. , der als Vorsitzender für den Verein zu Grillfeier eingeladen hat, hat die Anmietung jeweils mit der Gemeinde geregelt. Dies hat er in seiner Zeugenaussage vor Gericht bestätigt. Dem Schreiben der Gemeinde B. vom 28. November 2019 an die Staatsanwaltschaft M. I und den weiteren in diesem Zusammenhang vorliegenden Unterlagen zufolge ist der Zeuge dabei nicht ersichtlich für den Verein aufgetreten. Die Gemeinde ging demnach davon aus, dass sie den Mitarbeitern der Polizeiinspektion G. einen Raum zur Verfügung stellt und diese als „öffentliche Organisation“ vom Nutzungsbeitrag befreit sei (vgl. BMA, Bl. 104 ff., 123 ff.).
49
c) Soweit die Disziplinarbehörde dem Beklagten zur Last legt, zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitraum zwischen 2014 und 2017 den Polizeibeamten R. angewiesen zu haben, einen Satz Autoreifen aus dem Eigentum des Freistaats Bayern zu verkaufen und den Erlös in Höhe von 100 EUR dem … e.V. zukommen zu lassen, lässt sich zwar mit Ausnahme des anonymen Hinweisschreibens (s. DA, Bl. 1) und der Aussagen der von der Disziplinarbehörde polizeilich vernommenen Zeugen W., D. und Wi., die diesbezüglich allerdings von Hörensagen berichteten (s. Ermittlungsakten – EA, Bl. 570 ff., 635 ff., 754 ff.), kein Bezug zu dem Beamten R. bzw. eine entsprechende Beauftragung durch den Beklagten feststellen. Den Sachverhalt betreffende strafrechtliche Ermittlungen sind nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden (s. Verfügung der Staatsanwaltschaft M. I vom 18.9.2020, DA, Bl. 147 ff.). Der Beklagte hat im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 4. Juni 2019 aber jedenfalls eingeräumt, dass mit seinem Wissen und Wollen innerhalb der Dienststelle der Versuch unternommen wurde, Reifen aus Staatseigentum zu verkaufen, was letztendlich auch „geklappt“ habe. Das Geld – er habe gehört, 100 EUR – sei dem … e.V. zugeflossen. Es sei eine „Gemeinschaftsidee aus Blödheit“ gewesen, die er nicht unterbunden habe.
50
Die Darstellung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, er habe in der Beschuldigtenvernehmung, die an einem heißen Tag stattgefunden habe und in der er durch mehrere Personen mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert worden sei, gar nicht mehr gewusst, was er sage, hält das Gericht für eine Schutzbehauptung. Der Beklagte ist ausweislich des erstellten und von ihm unterzeichneten Protokolls vor der Vernehmung ordnungsgemäß belehrt worden. Er ist darauf hingewiesen worden, dass er keine Angaben machen muss und jederzeit einen Rechtsanwalt hinzuziehen kann, worauf er ausdrücklich verzichtete. Während der Vernehmung hat er nicht signalisiert, dass er von der Situation oder dem Wetter beeinträchtigt wurde. Vielmehr hatte er am Ende der Vernehmung ausgeführt, dass er sich ganz bewusst dazu entschieden habe, „eine Aussage zu machen, auch trotz der Betroffenheit und des Festnahmeschocks, der da im Raume stand“. Er habe mit offenen Karten spielen wollen, da er das auch immer von seinen Kollegen verlangt habe. Überdies hat er in der Vernehmung die Beteiligung an weiteren Verkäufen bzw. entsprechenden Versuchen (Fotoapparat, Diktiergerät) erwähnt und solche Aktivitäten damit begründet, dass sie dem Verein oder Präventionsarbeit zugutekommen sollten. Der Erlös eines Reifenverkaufs über 100 EUR zum 1. September 2017 ist außerdem einer Kostenaufstellung zum Betriebsausflug der PI … im Jahr 2017 zu entnehmen (s. BMA, Bl. 93).
51
d) Dem Beklagten ist weiterhin zur Last zu legen, dass er Pfandflaschen aus dem Eigentum des Freistaats Bayern im Jahr 2019 aus der Einsatzverpflegung zur 55. Münchner Sicherheitskonferenz vom 15. Februar 2019 bis 17. Februar 2019 nicht wieder zur I. …abteilung München zurück hat bringen lassen, sondern das Leergut selbst abgab. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Das ausgezahlte Pfand in Höhe von 26,40 EUR wurde anlässlich einer Durchsuchung in einem Umschlag in seinem Schreibtisch aufgefunden.
52
Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten aufgestellte Behauptung, er habe das Geld für behördliches Gesundheitsmanagement verwenden und im Fall eines abschlägigen Bescheids auf seine betreffende Anfrage hin an die Zentralkasse zurückführen wollen, wertet das Gericht ebenfalls als Schutzbehauptung. Solches lässt sich weder seiner Beschuldigtenvernehmung vom 4. Juni 2019 noch den bisherigen Stellungnahmen seines Bevollmächtigten im Verfahren entnehmen und ist daher nicht plausibel. Im Rahmen seiner ersten Vernehmung hatte der Beklagte „das mit dem Leergut“ als „No-Go“ bezeichnet, dass eine „Eigendynamik bekommen“ habe, die er „jetzt schwer nachvollziehen kann“. Nach der Einlassung im Schriftsatz vom 16. November 2021 gab er lediglich an, noch nicht entschieden zu haben, den Geldbetrag an den … e.V. weiterzugeben.
53
e) Am 4. Juni 2019 wurden im Rahmen der Durchsuchung des Hauses des Beklagten und seines PKWs in Letzterem eine Polizeikelle und in seinem Haus fünf Kartuschen für dienstliches Pfefferspray aufgefunden. In seinem Waffenfach fanden sich zehn Patronen, die ebenso wie die Polizeikelle und die Kartuschen aus dienstlichen Beständen stammten. Hinsichtlich der Munition vermag das Gericht nicht auszuschließen, dass der Beklagte die Munition von einem schwer erkrankten Kollegen kurz vor dessen Tod erhalten hat und nach der Beerdigung abgeben wollte, dies jedoch vergessen hat. Da der betreffende Sachverhalt für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht fällt, verzichtete das Disziplinargericht auf die Aufklärung der Umstände der Inbesitznahme der Munition, wodurch sein Vortrag zum fehlenden Vorsatz widerlegt oder gestützt werden könnte, und scheidet diese Handlung gemäß Art. 54 Satz 1 BayDG aus.
54
f) Des Weiteren hat der Beklagte Herrn … Ro. in Wh.A.-Chats im Jahr 2017 über polizeiliche Maßnahmen gegen drei von dessen Mitarbeitern (. T. , … A. und … S. *) informiert. Der Vorwurf ist durch auf dem Handy des Beklagten aufgefundenen Chats erwiesen (s. BMA, Bl. 136) und wurde vom Beklagten nicht bestritten. Er gab an, er habe „sensibilisieren“ wollen.
55
g) Die von der Disziplinarbehörde vorgeworfene Beleidigung des Mitarbeiters … S. als „faulem Hund“ hat sich im gerichtlichen Verfahren nicht erweisen lassen. Der Beklagte hat ein Telefongespräch mit einer anderen Dienststelle, bei der sich der Mitarbeiter nach einem freien Posten erkundigt habe, eingeräumt, jedoch auch noch in der mündlichen Verhandlung vehement bestritten, hierbei eine beleidigende Äußerung getätigt zu haben. Er habe dem Gesprächsteilnehmer E. erörtert, dass es sich bei Herrn S. um einen speziellen Beamten handele, der einige Arbeiten, die er nicht so gern erledige, auch mal liegen lasse. Er habe seine Einschätzung abgegeben. Im Anschluss habe er Herrn L. , der das Gespräch zum Teil mitbekommen und nachgefragt habe, über den Inhalt des Gesprächs informiert. Er könne sich nicht an eine kritische Äußerung von diesem erinnern.
56
Bei der polizeilichen Vernehmung des Carsten L. am 7. Juni 2019 hatte dieser angegeben, der Beklagte habe mit einer anderen Dienststelle „derart schlecht über Herrn S. gesprochen, so in Punkto das ist ein fauler Mitarbeiter“, dass er anschließend das Gespräch gesucht habe. Er habe „etwas in der Art geäußert, das ist so ein fauler Hund den kann man zu gar nichts gebrauchen.“ So sei zumindest der Tenor gewesen, „ganz bekomme“ er „es nicht mehr hin“. Bei der Zeugenvernehmung des Herrn L. in der mündlichen Verhandlung konnte sich dieser an ein betreffendes Telefongespräch des Beklagten mit einer anderen Dienststelle über Herrn S. nicht mehr erinnern. Er berichtete lediglich, dass der Beklagte Herrn S. nicht habe leiden können und dass er im Allgemeinen, soweit er das Verhalten des Beklagten als unsachlich oder überzogen wahrgenommen hat, versucht habe, Klärung herbeizuführen. Es kann nach alledem nicht ausgeschlossen werden und ist im Sinne des Grundsatzes in dubio pro reo zugunsten des Beklagten anzunehmen, dass sich dieser anlässlich des Telefongesprächs zwar kritisch äußerte, jedoch nicht die Grenze der Missachtung, Nichtachtung oder Geringschätzung überschritt.
57
h) Das Gericht legt dem Beklagten außerdem zur Last, dass er, obwohl er verpflichtet war, an der elektronischen Zeiterfassung teilzunehmen und seine Arbeitszeiten jeweils über das System „BayZeit“ mittels eines Chips zu erfassen, im Zeitraum 4. Januar 2015 bis 4. Juni 2019 beinahe täglich in sein BayZeit-Konto eingriff und manuelle Eintragungen bzw. Änderungen vornahm oder durch einen Zeitwirtschafter seiner Dienststelle eingreifen ließ, indem er Buchungen eintrug bzw. eintragen ließ oder Buchungen mittels Chip anschließend abgeändert wurden. Dies ergibt sich anhand seines BayZeit-Kontos (vgl. BMA 16, Bl. 1 ff. des Anlagenordners). Der Beklagte räumte dies ein. Er habe tatsächlich aber wesentlich mehr Arbeitszeit geleistet als erfasst.
58
Im Konkreten waren dem Beklagten in diesem Zusammenhang folgende Sachverhalte nachzuweisen:
59
aa) Um den 20. Mai 2019 herum lag die Mutter des Beklagten für eineinhalb Wochen im Krankenhaus. In diesem Zeitraum besuchte er sie zumindest einmal von der Dienststelle aus, ohne Mithilfe des Chips auszubuchen. Der Beklagte hat bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 4. Juni 2019 eingeräumt, sie manchmal nach dem Dienst und manchmal am Nachmittag besucht zu haben, ohne sich jedoch die Stunden „geschrieben“ zu haben. An diesen Tagen habe er meistens eine längere Mittagspause „geschrieben“, hierfür allerdings nicht „ausgechippt“, sondern für sich höhere Abzüge vorgenommen. Soweit er sich später und auch im Klageverfahren dahingehend einließ, dass er am Tag der Einlieferung der Mutter ins Krankenhaus aufgrund der Dringlichkeit seiner Anwesenheit bei ihr lediglich vergessen habe, mittels Chip auszubuchen, ist ihm dies mit Blick auf sein sonstiges Buchungsverhalten nicht zu glauben. Seine weitere Angabe, er habe bei der Rückkehr zur Dienststelle „ausgechippt“ und sei noch längere Zeit in der Dienststelle geblieben, ändert nichts daran, dass er jedenfalls seine privat veranlasste Abwesenheit während der Dienstzeit nicht gebucht hat.
60
bb) Das Gericht sieht es weiter als erwiesen an, dass der Beklagte am 3. Juni 2019 während der Dienstzeit und ohne sich im BayZeit-System auszubuchen, für sich Holz geschnitten und von der Dienststelle nach Hause gebracht hat, wofür selbst nach alleiniger Berücksichtigung der Fahrzeit von 17 Minuten mindestens 34 Minuten benötigt werden. Der Beklagte gab in seiner Beschuldigtenvernehmung am 4. Juni 2019, also am Folgetag, an, in der Dienststelle einen Baumstamm, den die Feuerwehr bei einem Sturm abgeschnitten habe „zusammengeschnitten“ und anschließend (mit dem Dienst-Auto VW Touran) nach Hause gefahren zu haben. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Vorgang augenfällig herunterzuspielen versucht, indem er von einem „Holzstämmchen“ sprach, dass nur einmal mit einer dort gelegenen kleinen Motorsäge habe durchgesägt werden müssen. Die außerdem im Disziplinarverfahren aufgestellte Behauptung des Beklagten, er habe bei dieser Gelegenheit Beurteilungsentwürfe, die er benötigt habe, von zu Hause abgeholt, glaubt das Gericht nicht. Die Darstellung in der mündlichen Verhandlung, er habe dies bei seiner Vernehmung am 4. Juni 2019 nicht erwähnt, weil es sich für ihn um eine so schwierige Vernehmungssituation gehandelt habe, kann das Gericht anhand des Vernehmungsprotokolls nicht nachvollziehen (vgl. oben 2. b) c).
61
cc) Überdies hat der Beklagte am 4. Juni 2019 während der Dienstzeit geduscht, ohne sich hierfür mittels Chip im BayZeit-System auszubuchen. Dies ergibt sich aus dem Durchsuchungsbericht vom 13. Juni 2019 sowie seinem BayZeit-Konto. Sein späterer Vortrag, er habe sich zum Duschen erst nach Dienstantritt entschlossen und das Ausbuchen vergessen, wird in Anbetracht des sonstigen Buchungsverhaltens des Beklagten als Schutzbehauptung gewertet.
62
i) Schließlich ist dem Beklagten vorzuwerfen, dass er im Zeitraum vom 4. Januar 2015 bis 4. Juni 2019 an 197 Sonntagen (946:29 h) von insgesamt 230 Sonntagen ohne entsprechende Veranlassung oder Genehmigung Dienst leistete, wobei er ebenfalls nicht regelmäßig mittels Chip seine Zeiten erfasste, und sich hierfür Sonntagszulagen in Höhe von insgesamt zumindest 3.155,77 EUR auszahlen ließ. Der Sachverhalt steht aufgrund der Eintragungen im BayZeit-Konto sowie den Einlassungen des Beklagten fest.
63
3. Der Beklagte hat durch die ihm zur Last gelegten Sachverhalte ein einheitliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtstG begangen. Die zugrundeliegenden Pflichtverletzungen sind als innerdienstlich zu werten, da das jeweilige Verhalten kausal und logisch in das Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit des Beklagten eingebunden war. Es wurden in allen Fällen innerdienstliche Regelungen verletzt. Der Beklagte handelte jeweils zumindest bedingt vorsätzlich und schuldhaft.
64
a) Hinsichtlich des Tatvorwurfs unter I.1 der Disziplinarklage (nach hiesiger Gliederung 2.a) hat der Beklagte gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, §§ 331 Abs. 1, 53 StGB) und weitere Dienstpflichten verstoßen.
65
aa) Das erkennende Gericht ist der Auffassung, dass der Beklagte sich der Vorteilsannahme in 17 Fällen strafbar gemacht hat. In Rede steht die Annahme von Vorteilen für den … e.V. als Drittem, dem die im Strafbefehl vom 8. Oktober 2020 angeführten Sachgeschenke sowie Wertmarken für das Oktoberfest zuflossen. Von der Annahme eines Vorteils durch den Beklagten ist auszugehen, selbst wenn er nicht an den Beklagten geleistet und von diesem an den Verein weitergeleitet wurde, sondern unmittelbar dem Verein, vermittelt durch den Beklagten oder andere Mitarbeiter der PI als Vereinsmitglieder, zugewandt wurde. Der Beklagte hatte von den Leistungen an den Verein generell Kenntnis und war mit ihnen einverstanden (vgl. zu alldem BGH, B.v. 8.2.2023 – 3 StR 167/22 – juris Rn. 12 ff.).
66
Darüber hinaus sind die Vorteile auch für die Dienstausübung geleistet worden bzw. ist jeweils eine zumindest stillschweigende Unrechtsvereinbarung zwischen dem Beklagten als Dienststellenleiter der PI … und den im Strafbefehl genannten Vorteilsgebern zustande gekommen. Die Zuwendung muss nicht für eine konkrete dienstliche Handlung erfolgen. Es reicht, dass durch den Vorteil das allgemeine Wohlwollen des Beamten bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erkauft werden soll. Dies gilt auch dann, wenn der Beamte keine Bereitschaft zur Missachtung von Recht und Gesetz hat erkennen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3.12 – BVerwGE 146, 98 = juris Rn. 31 m.w.N.). Der Beklagte hat im Verfahren selbst eingeräumt, dass sich Bürger gegenüber der PI … mit den Zuwendungen verbunden und dankbar in Bezug auf polizeiliches Auftreten zeigen wollten. Es ging bei den Jahr für Jahr gewährten Vorteilen also um allgemeine „Klimapflege“, zumal die gegenständlichen Zuwendungen in ihrer Höhe auch mit Blick auf die Zahl der letztlich bedachten Mitarbeiter der PI nicht als im Rahmen des sozial Üblichen oder von der Allgemeinheit Gebilligten angesehen werden können.
67
Der Beklagte handelte auch vorsätzlich. Insbesondere kannte und billigte er den Zusammenhang zwischen Dienstausübung und Vorteilsgewährung. Ebenso handelte er schuldhaft. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum (§ 17 StGB) kommt in Anbetracht der eingeräumten bewussten Zwischenschaltung eines Vereins, mittels dem das grundsätzliche Verbot von Zuwendungen an Polizeibeamte umgangen werden soll, nicht in Betracht.
68
bb) Der Beklagte hat mit der Vorteilsannahme zugleich gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen (§ 42 Abs. 1 BeamtStG), gegen die Pflichten zu uneigennützigem Verhalten (§ 34 Satz 1 BeamtStG der im Tatzeitraum maßgeblichen Fassung – a.F.) und sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) sowie gegen die Gehorsamspflicht aus § 35 Absatz 1 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Das PRdS P3-63330-1-21.11 konkretisierte in den maßgeblichen Zeiträumen das Verbot der Annahme von Zuwendungen (Belohnungen und Geschenke) durch die Bediensteten des Polizeipräsidiums M. . Demnach sind Zuwendungen (auch Kleinstgeschenke und -belohnungen), die hier vermittelt durch den Verein den Polizeibeamten der PI … zugutekamen, an die Abteilung Personal zu melden, was der Beklagte als Dienststellenleiter nicht befolgte.
69
b) In Bezug auf die Spendeneinwerbung anlässlich des „Tages der offenen Tür“ der Polizeiinspektion … am 24. Mai 2014 ist zwar von Sponsoring der zuwendenden Firmen bzw. Privatpersonen und somit mangels Unrechtsvereinbarung nicht von einer Vorteilsannahme im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB auszugehen (vgl. Einstellungsverfügung der Staatanwaltschaft München I vom 18.9.2020, DA, Bl. 147 ff.). Jedoch hat der Beklagte dadurch, dass er in seiner Eigenschaft als Dienststellenleiter den … e.V. einschaltete, um Spenden für die Vorfinanzierung der Veranstaltung einzusammeln, ebenfalls gegen die Pflicht, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) und gegen die Gehorsamspflicht aus § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Der Beklagte hat es unterlassen, im Vorfeld die Genehmigung von Spenden bzw. für Sponsoring einzuholen (PRdS-P3-6330-2-22/11).
70
c) Hinsichtlich der weiteren Einnahmen des … e.V. in Höhe von insgesamt 2159,46 EUR in Form von Kontoeingängen sowie Bargeldspenden (s. 2. b) bb) und der unentgeltlichen Benutzung des Bürger- und Sportzentrums B. (s. 2 b) cc) kann auf die Ausführungen unter 3.a) und die dort genannten Dienstpflichtverletzungen verwiesen werden. Soweit man insofern – anders als das erkennende Gericht – nicht von einer Unrechtsvereinbarung im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB ausgehen würde (vgl. Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft M. I, DA, Bl. 147 ff.), hat der Beklagte jedenfalls über das Konstrukt des Vereins und verbotenerweise amtsbezogene Zuwendungen an die PI … und ihre Beamten ermöglicht, die nach Art und Umfang nicht genehmigt worden wären. Zumindest bedingter Vorsatz ist dem Beklagten auch im Hinblick auf den die Gemeinde B. betreffenden Sachverhalt anzulasten. Unabhängig davon, ob die Gemeinde von einer Grillfeier des Vereins oder der PI … ausging, musste dem Beklagten bewusst gewesen und von ihm somit billigend in Kauf genommen worden sein, dass sie für die Überlassung von Räumlichkeiten üblicherweise eine Miete zu erheben gehabt hätte und ihr Verzicht eine ohne Genehmigung unzulässige Zuwendung an die Polizeibeamten der PI … darstellte.
71
d) Betreffend den Vorwurf des Reifenverkaufs, bezüglich dem im Strafverfahren eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgte (Verfügung vom 18.9.2020, DA, Bl. 147 ff.), hat der Beklagte gegen die Gehorsamspflicht nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Er hat entgegen dem PRdS-V4-8131-1-2/15 (Kraftfahrzeugtechnische Dienstanweisung) nicht veranlasst, dass die Reifen eines von der Dienststelle abgezogenen Dienstfahrzeugs bei der dafür vorgesehenen Stelle (ZKW) abgegeben wurden. Zudem hat er gegen die Pflichten zu uneigennützigem sowie achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen (§ 34 Satz 1 und 3 BeamtStG a.F.), indem er als Dienststellenleiter den Verkauf der Reifen zugunsten des … e.V. nicht unterbunden hat.
72
e) Der Beklagte hat durch die Unterschlagung dienstlichen Eigentums in Form von Flaschenleergut (und damit wohl geringwertiger Sachen, vgl. §§ 246 Abs. 1, 248a StGB), wozu im Strafverfahren eine Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO (Verfügung der Staatsanwaltschaft M. I vom 18.9.2020, DA, Bl. 150 ff.) erfolgte, ebenfalls jedenfalls gegen die Pflichten zu uneigennützigem sowie achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen (§ 34 Satz 1 und 3 BeamtStG a.F.). Selbiges gilt in Bezug auf die beim Beklagten im privaten Pkw aufgefundene Polizeikelle und die in seinem Wohnhaus aufgefundenen Pfefferspraykartuschen. Der Beklagte hat darüber hinaus sowohl hinsichtlich des Flaschenleergutes als auch der Pfefferspraykartuschen gegen seine Gehorsamspflicht gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Er hat das PRdS-V1-6771-1-1/18 (Verpflegung bei Einsätzen und Übungen) und das PRdS-V40-962-1/03, Nummer 3.2.5.1, wonach leere oder überlagerte Reizstoffpatronen im Lager TI Waffen und Gerät abzugeben sind, missachtet.
73
f) Mit der Weitergabe von Informationen zu polizeilichen Maßnahmen gegen Mitarbeiter des Herrn Ro. an diesen, hinsichtlich der mangels wirksamer Strafanträge im Strafverfahren bezüglich des Vorwurfs der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgte (s. Verfügung vom 18.9.2020, DA, Bl. 147 ff.), hat der Beklagte gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) und seine Verschwiegenheitspflicht (§ 37 Abs. 1 BeamtStG in der im Tatzeitraum maßgeblichen Fassung – a.F.) verstoßen. Er hat mit seinem Vorbringen, er habe präventiv vorgehen wollen, indem er Herrn Ro. Einfluss auf seine minderjährigen Auszubildenden habe ermöglichen wollen, nicht dargelegt, dass die Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten oder offenkundig gewesen wären bzw. keiner Geheimhaltung bedurft hätten (vgl. § 37 Abs. 2 BeamtStG a.F.).
74
g) Der Beklagte hat im Hinblick auf die Thematik der Dienstzeiterfassung gegen die Gehorsamspflicht gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, die Pflicht zum vollen Einsatz im Beruf (§ 34 Satz 1 BeamtStG) sowie die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) verstoßen. Bezüglich seines regelmäßigen Dienstes an Sonntagen hat er außerdem gegen seine Pflicht zu uneigennützigem Verhalten (§ 34 Satz 2 BeamtStG) verstoßen.
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aa) Die Arbeitszeiterfassung richtet sich nach den Vorgaben der Dienstvereinbarung „Integriertes Zeitmanagementsystem“ bei der Bayerischen Polizei (Verfahren BayZeit-Polizei)“, die der Beklagte insoweit nicht beachtet hat, als er in den ihm vorgeworfenen Zeitraum in einer Vielzahl von Fällen seine Arbeitszeit nicht durch persönliche Buchungen am Zeiterfassungsterminal mittels Chip vornahm und hiermit Dienstbeginn und Dienstende erfasste (§ 9). In nachweisbar drei Fällen hat er auch Dienstzeitunterbrechungen, während denen er privaten Verrichtungen (Krankenhausbesuch der Mutter, Holzverarbeitung und Transport, Duschen) nachging, nicht erfasst. Letztlich führte das Buchungsverhalten des Beklagten dazu, dass für den fraglichen Zeitraum nicht nachvollzogen bzw. kontrolliert werden kann, ob er tatsächlich Dienst im ihm obliegenden Umfang verrichtete.
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bb) Nach dem PRdS-E11C-1556-1-1/14, Nr. 2.2 betrug die auch für den Beklagten geltende Sollzeit von Montag bis Freitag ein Fünftel der jeweiligen wöchentlichen Arbeitszeit. Die Rahmenzeit, innerhalb der nach Nummer 2.3 grundsätzlich Dienst zu leisten ist, umfasste von Montag bis Freitag den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr. Ausnahmen konnten durch den unmittelbaren Vorgesetzten genehmigt werden. Der Beklagte hat die Dienstverrichtungen am Sonntag nicht durch den ihm vorgesetzten Leiter … … genehmigen lassen, sondern dass BayZeit-System und seine diesbezüglichen Berechtigungen genutzt, um sich den Rahmen selbst zu öffnen. Dies führte zu der jeweiligen Auszahlung von Sonntagszulage (§ 11 BayZulV i.V.m. Anlage 4, jeweils in der im vorgeworfenen Zeitraum maßgeblichen Fassung). Der Beklagte hat mit seinen Schilderungen im gesamten Verfahren und in der mündlichen Verhandlung, welche Dienstgeschäfte er neben dem wohl insbesondere sonntags erstellten Pressebericht erledigte, nicht dargelegt, dass er die Arbeiten nicht ebenso innerhalb seiner Rahmenzeiten hätte absolvieren können. Es ist auch nicht ersichtlich, dass hinsichtlich des beinahe regelmäßigen Sonntagsdienstes mit entsprechenden Genehmigungen seines Dienstvorgesetzten zu rechnen gewesen wäre.
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4. Der Beklagte hat in der gebotenen Gesamtschau ein äußerst schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Die Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 BayDG führt zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
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Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, U.v. 17.1.2024 – 16a D 21.2138 – juris Rn. 51).
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a) Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Fallen einem Beamten – wie hier – mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U.v. 22.5.2024 – 16a D 23.341 – juris Rn. 42). Dies sind vorliegend die Straftaten der Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB.
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Für die disziplinarrechtliche Ahndung dieser Taten ergibt sich ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist auf den festzustellenden Strafrahmen zurückzugreifen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 19 f.; B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 14). Mit der jeweiligen Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung hieran gewährleistet die nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung und verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 17, 19). Dagegen kommt der vom Strafgericht ausgesprochenen Sanktion für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme keine Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2021 – 2 B 43.21 – juris Rn. 13 m.w.N.).
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Bei dem hier in Rede stehenden Delikt der Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StGB) reicht der Strafrahmen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Demnach reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 20.9.2023 – 16a D 22.172 – juris Rn. 21; U.v. 30.1.2019 – 16a D 17.65 – juris Rn. 24 m.w.N.). Die Höchstmaßnahme nach Art. 11 BayDG bildet hier folglich den Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Ahndung.
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b) Die Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt allerdings nur in Betracht, wenn dies unter Würdigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls dem Schweregehalt des konkret begangenen Dienstvergehens entspricht. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarischer Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen schuldhafter Verletzung einer ihm obliegenden Dienstpflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Die Abwägung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Beamten muss ergeben, dass es dem Dienstherrn nicht mehr zuzumuten ist, das Dienstverhältnis mit ihm fortzusetzen. Neben der Schwere des Dienstvergehens sind hierfür die persönlichen Verhältnisse und das Verhalten des Beamten vor, bei und nach der Tat zu berücksichtigen. Ergibt die vorzunehmende Gesamtabwägung, dass aufgrund des Fehlverhaltens des Beamten ein endgültiger Vertrauensverlust in die ordnungsgemäße Diensterfüllung eingetreten ist, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden (vgl. BayVGH, U.v. 20.9.2023 – 16a D 22.172 – juris Rn. 22 m.w.N.).
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So liegt der Fall hier. Die Disziplinarkammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Schwere des Fehlverhaltens des Beklagten zu einem endgültigen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit geführt hat; die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist in Anbetracht aller vorliegenden Umstände geboten.
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aa) Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 16; BayVGH, U.v. 6.3.2024 – 16a D 22.1589 – juris Rn. 30).
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(1) Der Beklagte hat durch die Vorteilsannahmen im Kernbereich seiner ihm obliegenden Dienstpflichten versagt (vgl. OVG NW, U.v. 19.10.2022 – 31 A 3030/21.O – juris Rn. 94). Die uneigennützige, nicht auf einen privaten Vorteil bedachte Amtsführung der Beamten stellt eine wesentliche Grundlage des Berufsbeamtentums dar. Sie ist unverzichtbar, um das notwendige Vertrauen der Bevölkerung darauf zu erhalten, dass sich die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung ausschließlich an Recht und Gesetz orientiert. Dieses Vertrauen wird beeinträchtigt, wenn der Anschein entsteht, ein Beamter nutze seine Amtsstellung oder seine dienstliche Tätigkeit aus, um private Vorteile zu erzielen. Er muss jeden Eindruck vermeiden, dienstliche Tätigkeit oder Auftreten könnten beeinflusst werden. Daher darf sich ein Beamter nicht für einen Vorteil offen zeigen, wenn sich ein dienstlicher Bezug nicht ausschließen lässt (BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3.12 – juris Rn. 15)
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(2) Besonderes Gewicht ist hier dem Umstand beizumessen, dass der Beklagte als Dienststellenleiter eine herausgehobene Position innehatte. Im Fall eines herausgehobenen Amtes, wobei sich dies nach den tatsächlichen Befugnissen und Zuständigkeiten, die mit den Dienstposten verbunden sind, beurteilt (vgl. BVerwG, B.v. 26.1.2017 – 2 B 47.17 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 30.1.2019 – 16a D 17.65 – juris Rn. 27), ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei strafbarem Verhalten nach § 331 Abs. 1 StGB im Regelfall angezeigt, wenngleich für die Beurteilung des endgültigen Vertrauensverlustes weiter in den Blick zu nehmen ist, ob mildernde Umstände von einem Gewicht vorliegen, das die Schwere des Pflichtenverstoßes und die sonstigen belastenden Umstände aufwiegt (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3.12 – juris Rn. 31; BayVGH, U.v. 1.7.2020 – 16a D 19.283 – juris Rn. 31 m.w.N.).
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(3) Negativ zu berücksichtigen ist weiter der lange Zeitraum der Verfehlungen und grundsätzlich auch der Umstand, dass die Zuwendungen, die dem Verein als Drittem zuflossen als erheblich anzusehen sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.1.2014 – 2 WD 31.12 – juris Rn. 9: erheblicher Vorteil jedenfalls bei einem fünfstelligen Euro-Betrag). Nicht außer Acht gelassen werden darf jedoch, dass der Beklagte selbst hiervon nur anteilig profitierte. Es ist zudem zu seinen Gunsten anzunehmen, dass er auch von fremdnützigen Motiven geleitet war.
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(4) Keine Rolle spielt, ob es sich bei dem unerlaubten Vorteil um Geld- oder Sachleistungen handelte; der unbedingt zu vermeidende Anschein der Käuflichkeit in Bezug auf das Amt kann unabhängig von der Art des Vorteils entstehen. Jedem Beamten muss klar sein, dass er die Grenze der Sozialadäquanz auch dann überschreitet, wenn er wie auch immer geartete Sachleistungen von einigem Wert fordert, annimmt oder sich versprechen lässt (BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3.12 – juris Rn. 32).
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bb) Milderungsgründe, die zu einer unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegenden Disziplinarmaßnahme führen, liegen nicht vor.
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(1) Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er einem vermeidbaren Verbotsirrtum im Sinne des § 17 Satz 2 StGB unterlegen wäre. Hiervon ist in Anbetracht der eindeutigen und leicht einsehbaren Regelungen hinsichtlich der Annahme von Zuwendungen und der auch vom Beklagten erkannten Umgehung unter Zuhilfenahme des Vereins schon nicht auszugehen. Das Unrecht des „eigentlichen Vereinszwecks“ lag in Anbetracht der klaren Rechtslage bezüglich der Annahme von Zuwendungen durch Polizeibeamte derart auf der Hand, dass dem Beklagten vielmehr Rechtsblindheit oder völlige Gleichgültigkeit vorzuwerfen ist (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, MatR/I, Rn. 88). Darüber hinaus würde ein vermeidbarer Verbotsirrtum nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr zu einer milderen Disziplinarmaßnahme führen können. Die Bemessung der Disziplinarmaßnahme richtet sich nicht nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs für die Strafzumessung, sondern nach den Disziplinargesetzen (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2021 – 2C9.21 – juris Rn. 55; SächsOVG, U.v. 22.3.2024 – 12 A 328/20.D – juris Rn. 62).
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(2) Durchgreifend maßnahmemildernd wirkt sich unabhängig davon auch nicht aus, dass der … e.V. bereits 1999 für die Polizeiinspektion P. unter maßgeblicher Beteiligung des seinerzeitigen Dienststellenleiters F. gegründet wurde und dieser oder Mitglieder des Vereins aus P. nach der Zusammenlegung der Dienststellen P. und G. im selben Jahr beim Beklagten bzw. den Beamten der Dienststelle G. den Eindruck erweckten, dass der Verein und seine Funktion auf der vorgesetzten Ebene bekannt sei und nicht beanstandet wurde.
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Solches könnte zwar grundsätzlich zu einer Minderung des Unrechtsbewusstseins des Beklagten geführt haben, wofür spricht, dass er nach der Übernahme der Dienststellenleitung im Jahr 2009 offen mit der Existenz des Vereins umgegangen ist. Allerdings ist nach Aktenlage nichts für sein Vorbringen ersichtlich, dass er die Einschaltung des … e.V. zu Finanzierungszwecken im Rahmen des Antrags auf Genehmigung der Durchführung eines „Tages der offenen Tür“ gegenüber dem Präsidialbüro erwähnte (vgl. Schreiben des Beklagten vom 15.11.2013, BMA, Bl 92b, mit Hinweis auf geplante kleine Brotzeit, Bier oder Kaffee und Kuchen). Dass angeblich bei der Veranstaltung Tassen mit dem Vereinslogo und Visitenkarten des Vereins ausgegeben wurden oder der Verein bei vom Präsidium zugelassenen Präventionsaktionen unterstützte, heißt nicht, dass über den satzungsgemäßen Zweck hinaus auf der Vorgesetztenebene die Umgehung der Annahme von Zuwendungen deutlich wurde.
93
Soweit der Beklagte auf seine E-Mail vom 27. Dezember 2011 an das Polizeipräsidium (BMA, Bl. 35) verweist, worin er mitteilt, dass dem … e.V. durch die ... GmbH ein neuer Mietvertrag für die Nutzung der Sporthalle im Freizeitpark ab 2012 vorgelegt worden sei und auf ein bekanntes Mietverhältnis seit 2010 Bezug nimmt (Beweismittelakte 35), ist zwar darauf zu schließen, dass er die Einschaltung des Vereins zum Zweck der unentgeltlichen Hallennutzung offen kommuniziert hatte. Dies scheint auf vorgesetzter Ebene auch zunächst nicht in Frage gestellt worden zu sein. Der Zeuge Z. hat in der mündlichen Verhandlung dementsprechend erläutert, dass die Gemeinde G. dem Verein vorab Geld überwies, wovon dieser die Mietkosten beglich. Es habe hierzu einen Schriftverkehr gegeben. Anlässlich der weiteren Dienstsportorganisation ab 2012 ist dieses „Modell“ auf Präsidiumsebene aber jedenfalls nicht (mehr) akzeptiert worden. Dies räumte auch der Beklagte ein. Ausweislich der E-Mail des Herrn R. an Frau W. vom 30. November 2011 war von einer unentgeltlichen Nutzung der Sportanlagen ausgegangen worden, die von den Finanzbehörden gerügt worden sei. Den Vorschlag der Gemeinde G. , den Gegenwert der anfallenden Mietkosten dem Polizeiunterstützungsverein „… e.V.“ zu spenden, der die Miete anschließend hiervon bezahle, ordnete man als „Umgehung der üblicherweise anfallenden Zahlungspflichten im Zusammenhang mit genutzten Räumen Dritter“ ein, die u.a. auch dem Dienststellenleiter der PI G. nicht gefalle. Letztlich wurde für die Nutzung der Sporthalle für den Dienstsport der PI … ab 1. Januar 2012 ein Mietvertrag zwischen der Immobilien Freistaat Bayern und der G. … GmbH geschlossen. Der Beklagte konnte anschließend somit nicht mehr davon ausgehen, dass Zuwendungen oder Spenden an den … e.V. auf Präsidiumsebene als unproblematisch angesehen werden könnten. Der Vorwurf liegt vorliegend nicht darin, die Praxis begründet, sondern es in der Funktion als Dienststellenleiter unterlassen zu haben, sie zu beenden (vgl. VG München, B.v. 5.1.2021 – M 19L DA 20.5485 – juris Rn. 67).
94
Anderes ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der Aussage des Zeuge L. in der mündlichen Verhandlung, er sei nach seinem Wechsel zur PI … im März 2015 vom Beklagten anlässlich seiner geäußerten Bedenken bezüglich des Vereins auf ein Schreiben der Personalabteilung betreffend dessen Überprüfung hingewiesen worden, welches er erinnerlich auch gelesen habe. Abgesehen davon, dass er dieses Schreiben nicht näher einordnen konnte, könnte es sich nach Einschätzung der Klägerseite um Korrespondenz anlässlich der wohl üblichen Übersendung der Vereinssatzung gehandelt haben, die lediglich Rückschlüsse auf den satzungsmäßigen Vereinszweck zuließe. Der Beklagte selbst hat sich jedenfalls nicht auf die Existenz eines solchen Schreibens berufen.
95
(3) Des Weiteren führt vorliegend auch eine vermeintlich bestehende „Überwachungslücke“ nicht zu einer milderen Disziplinarmaßnahme. Eine unzureichende Kontrolle wirkt sich regelmäßig nicht entlastend für den Beamten aus. Dieser hat seine Pflichten ohne Rücksicht darauf zu erfüllen, inwieweit er überwacht wird. Zweck der Dienstaufsicht ist nicht, den Beamten vor pflichtwidrigem Verhalten zu bewahren, sondern die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung sicherzustellen. Nur in Sonderlagen kann eine unzureichende Dienstaufsicht durch Vorgesetzte unter dem Blickwinkel der Verletzung der Fürsorgepflicht oder des „Mitverschuldens“ als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden. Hierfür müssen aber konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände vorliegen, die unerlässliche Kontrollmaßnahmen ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 10.1.2007 – 1 D 15.05 – juris Rn. 22; BayVGH, U.v. 30.9.2020 – 16a D 18.1764 – juris Rn. 64 ff. m.w.N.).
96
Derartige konkrete Anhaltspunkte lagen den Vorgesetzten des Beklagten nach den vorstehenden Ausführungen nicht vor. Die Korrespondenz mit dem Beklagten im Zusammenhang mit der Anmietung der Sporthalle in G. für den Dienstsport lässt auch mit Blick auf die Höhe der hin- und her überwiesenen Mietkosten keinen naheliegenden Rückschluss darauf zu, dass über diese unentgeltliche Nutzung hinaus, die vom Polizeipräsidium Ende 2011 beendet wurde, mit weiteren über den … e.V. fließenden unzulässigen Zuwendungen an Beamte der PI … zu rechnen war.
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(4) Zugunsten des Beklagten ist zwar zu sehen, dass er insbesondere im Rahmen seiner ersten Vernehmung am 4. Juni 2019 teilweise geständig war, wenn er auch anschließend viele seiner Angaben revidierte oder relativierte. Von einer freiwilligen Offenbarung vor Tatentdeckung kann jedoch nicht die Rede sein, sodass deswegen nicht von der Höchstmaßnahme abzurücken ist.
98
cc) Die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist hier auch deshalb geboten, weil zu Lasten des Beklagten weitere Verfehlungen zu berücksichtigen sind, die gemeinsam mit den Straftaten der Vorteilsannahme schwerwiegende Einstellungs- und Charaktermängel offenbaren.
99
Dem Beklagten sind nicht nur die weiteren Pflichtenverstöße in Bezug auf den … e.V., der mit seinem Wissen und Wollen für die Einwerbung von Zuwendungen und Spenden zugunsten der Beamten der PI … zwischengeschaltet wurde, vorzuwerfen (vgl. 2. b), 3. b) u. c). Vielmehr hat er neben der Ermöglichung des Reifenverkaufs und den Zugriffsdelikten (vgl. 2. d) und e), 3. e) sowie der unbefugten Weitergabe dienstlicher Informationen noch ein weiteres sehr schwerwiegendes Dienstvergehen begangen.
100
Indem der Beklagte über Jahre nicht regulär am BayZeit-Buchungssystem teilnahm, sondern seine Berechtigungen ausnutzte und falsche Angaben zu seinen Dienstzeiten machte, hat er in einem Bereich mit großer Bedeutung und trotz leichter Einsehbarkeit der Pflicht, die Möglichkeit zu gleitender Arbeitszeit und eigenständiger Erfassung gewissenhaft und nur regelkonform zu nutzen (vgl. VG München, U.v. 8.12.2022 – M 19L DK 22.2286 – juris Rn. 91), erheblich versagt. Er hat es seinem Dienstherrn damit unmöglich gemacht, nachzuvollziehen, ob der Beklagte die ihm obliegenden Dienstzeiten tatsächlich geleistet hat. Dies gilt im Übrigen auch hinsichtlich seiner Behauptung, tatsächlich wesentlich mehr gearbeitet und mit seinem Buchungsverhalten zu viele Überstunden vermieden zu haben, was angesichts der mit dem BayZeit-System vorgesehenen jährlichen Kappung auf 50 Stunden auch nicht plausibel ist.
101
Dadurch dass er regelmäßig und in großem Umfang ohne entsprechende Genehmigungen an Sonntagen Dienst leistete, im Übrigen auch insoweit ebenfalls häufig die Dienstzeiten manuell eintrug oder eintragen ließ, statt sie mittels Chip zu buchen, hat er überdies erhebliche Mehrkosten verursacht. Der Dienstherr hatte insoweit auch in Anbetracht des Umstands, dass eine oder mehrere sonntägliche „Selbstbuchungen“ im Jahr 2018 aufgefallen waren und moniert wurden, wobei nach Aktenlage und den Angaben des Beklagten aber wohl die Buchung durch diesen selbst im Vordergrund stand, keinen ausreichend konkreten Anlass, eingehendere Überprüfungen vorzunehmen. Überdies hat der betreffende Hinweis an den Beklagten nach eigenem Bekunden nicht längerfristig dazu geführt, dass er nicht wieder selbst Sonntagsdienst buchte. Mit seiner Vorbildfunktion als Dienststellenvorgesetzter und dem Vertrauen, dass sein Dienstherr und die Allgemeinheit in ihn gesetzt haben, ist das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten nicht zu vereinbaren. Die Verletzung innerdienstlicher Pflichten durch Vorgesetzte mit besonderer Verantwortung hat größere Auswirkungen auf die Dienstmoral und das Ansehen der öffentlichen Verwaltung als bei Beamten in untergeordneter Dienststellung (vgl. BayVGH, U.v. 30.9.2020 – 16a D 18.1764 – juris Rn. 59).
102
dd) Es liegen auch keine sonstigen entlastenden Umstände vor, deren Gewicht in der Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar wäre. Bei der Schwere des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens, aufgrund dessen er sich als Beamter untragbar gemacht hat, können weder das grundsätzlich günstige Persönlichkeitsbild und gute dienstliche Leistungen noch die Tatsache, dass er straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Diese Umstände stellen das normale Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar und sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte (vgl. BVerwG, B.v. 5.4.2013 – 2 B 79.11 – juris Rn. 27). Ebenso kann die lange Verfahrensdauer seit der Einleitung des Disziplinarverfahrens am 4. Juni 2019, selbst wenn sie als unangemessen anzusehen wäre, nicht zum Absehen von der Höchstmaßnahme führen (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 2 B 52.18 – juris Rn. 7 m.w.N.).
103
5. Angesichts des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Er hat besonders schweres Fehlverhalten gezeigt und damit die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Eine anderweitige Verwendung des Beklagten – verbunden mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht, wenn – wie hier – das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn aufgrund eines schweren Dienstvergehens endgültig zerstört ist. Die darin liegende Härte für den Beamten – insbesondere hinsichtlich des Verlustes seiner Dienstbezüge bzw. seines künftigen Ruhegehalts – ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der wissen musste, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (vgl. BayVGH, U.v. 20.3.2024 – 16a D 22.2572 – juris Rn. 57).
104
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.