Inhalt

VGH München, Beschluss v. 05.11.2024 – 6 ZB 24.1419
Titel:

Härteausgleich bei der Festsetzung von Straßenausbaubeiträgen

Normenkette:
BayKAG Art. 19 Abs. 7 S. 4 Nr. 1, Abs. 9 S. 3
Leitsatz:
Die nach Art. 19a Abs. 9 S. 3 BayKAG auch bei Gewährung eines Härteausgleichs in jedem Fall beim Betroffenen verbleibende "Eigenbelastung in Höhe von 2.000 €"  ist – wie der Härteausgleich insgesamt – beitragsbezogen zu verstehen, also in Bezug auf jede einzelne nach alter Rechtslage zu Straßenausbaubeitragszahlungen (Vorauszahlungen oder Ablöse) für ein Grundstück führende Straßenbaumaßnahme. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenausbaubeitragsrecht, Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, Härteausgleich, Eigenbelastung bei mehreren Straßenausbaubeiträgen für Eckgrundstück, Straßenausbaubeitrag, Eigenbelastung, grundstücksbezogen, personenbezogen, Eckgrundstück
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Urteil vom 27.06.2024 – B 4 K 22.410
Fundstelle:
BeckRS 2024, 30449

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 27. Juni 2024 – B 4 K 22.410 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.277,64 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Juni 2024 zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Der Kläger begehrt nach Maßgabe des Art. 19a KAG anteiligen Ausgleich besonderer Härten durch Straßenausbaubeiträge, die nach den (damaligen) Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 erhoben worden waren (sogenannter Härteausgleich). Er ist Eigentümer eines (Eck-)Grundstücks und war von der Gemeinde mit Bescheiden vom 29. April 2014 und 5. Mai 2014 für den Ausbau von zwei Straßen jeweils zu Vorauszahlungen auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 2.857,84 € (L.-ring) und 1.697,43 € (Ortsdurchfahrt R.  Straße/L.-ring) herangezogen worden.
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Auf seinen Antrag gewährte die Härtefallkommission dem Kläger mit Bescheid vom 21. März 2022 hinsichtlich des Vorauszahlungsbescheids vom 29. April 2014 (L.-ring) unter Abzug einer Eigenbelastung in Höhe von 2.000 € nach Art. 19a Abs. 9 Satz 3 KAG einen Härteausgleich in Höhe von 486,50 €. Mit weiterem Bescheid vom 21. März 2022 lehnte sie die Gewährung eines Härteausgleichs für den Vorauszahlungsbescheid vom 5. Mai 2014 (Ortsdurchfahrt R. Straße/L.-ring) mit der Begründung ab, es seien keine Vorauszahlungen in Höhe von mindestens 2.000 € festgesetzt worden und daher die Voraussetzung des Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG nicht erfüllt.
4
Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben und geltend gemacht, bei dem Härteausgleich müsse auf die Gesamtbelastung seines Grundstücks abgestellt werden und die gesetzliche Eigenbelastung von 2.000 € dementsprechend nur einmal angesetzt werden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verpflichtung des Beklagten, einen neuen Härteausgleich mit der Maßgabe durchzuführen, dass der Straßenausbaubeitrag des Klägers 4.5555,27 € beträgt, für unbegründet erachtet und mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen. Die Härtefallkommission habe zurecht allein auf den im Vorauszahlungsbescheid vom 5. Mai 2014 festgesetzten Beitrag von 1.697,43 € abgestellt und die weitere Vorauszahlung aus dem Bescheid vom 29. April 2014 in Höhe von 2.857,84 € unberücksichtigt gelassen. Die Eigenbelastung von 2.000 € sei nach Sinn und Zweck des Gesetzes nicht personen- oder grundstücksbezogen anzusetzen, sondern beitragspflichtbezogen.
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2. Die gegen das erstinstanzliche Urteil fristgerecht vorgebrachten Einwände führen nicht zur Zulassung der Berufung.
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a) Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würden (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 m.w.N.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 – 6 ZB 17.2521 – juris Rn. 4). Das ist nicht der Fall.
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Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass die nach Art. 19a Abs. 9 Satz 3 KAG auch bei Gewährung eines Härteausgleichs in jedem Fall beim Betroffenen verbleibende „Eigenbelastung in Höhe von 2.000 €“ – wie der Härteausgleich insgesamt – beitragsbezogen zu verstehen ist, also in Bezug auf jede einzelne nach alter Rechtslage (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung) zu Straßenausbaubeitragszahlungen (Vorauszahlungen oder Ablöse) für ein Grundstück führende Straßenbaumaßnahme. Er ist also weder personenbezogen noch entgegen der Ansicht des Klägers grundstücksbezogen in dem Sinn anzuwenden, dass in den Fällen, in denen der Betroffene Eigentümer mehrerer beitragspflichtiger Grundstücke ist oder ein einziges Grundstück wegen verschiedener Straßenbaumaßnahmen mehrfach beitragspflichtig wurde, die Belastungen aufaddiert und lediglich eine (einzige) Eigenbelastung in Höhe von 2.000 € abzuziehen wäre.
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Die beitragsbezogene Betrachtung ergibt sich unmittelbar und abschließend aus dem Gesetz, ohne dass der Härtefallkommission insoweit ein gerichtlich nicht kontrollierbarer Beurteilungsspielraum zustünde. Die Einwände des Klägers begründen keine Zweifel, denen in einem Berufungsverfahren weiter nachzugehen wäre.
10
Mit Art. 19a KAG, eingefügt durch Art. 8a Nr. 2 Haushaltsgesetz 2019/2020 (vom 24.6.2019, GVBl. S. 266), hat der Gesetzgeber einen mit 50 Mio. € ausgestatteten Härtefallfonds geschaffen, um besondere Härten durch Straßenausbaubeiträge, die nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 erhoben wurden, anteilig auszugleichen. Damit sollen Beitragsbelastungen, die nach der rückwirkenden Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 durch Änderungsgesetz vom 26. Juni 2018 (GVBl. S. 449) aufgrund der Stichtagsregelung des Art. 19 Abs. 7 KAG bestehen bleiben, unter bestimmten Voraussetzungen durch freiwillige (vgl. Art. 19a Abs. 8 KAG) staatliche Leistungen abgemildert werden.
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Nach Art. 19a Abs. 9 Satz 3 KAG kann der Härteausgleich „maximal in Höhe der geleisteten Beiträge abzüglich einer Eigenbelastung in Höhe von 2.000 € erfolgen.“ Diese Bestimmung korrespondiert mit Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG, wonach antragsbefugt nur ist, gegen wen durch Bescheid, Vergleich oder Vereinbarung im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 Straßenausbaubeiträge, entsprechende Vorauszahlungen oder eine entsprechende Ablöse in Höhe von mindestens 2.000 € festgesetzt wurden, soweit die Beiträge nicht erlassen oder anderweitig erstattet worden sind.
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Entgegen der Ansicht des Klägers spricht der Gesetzeswortlaut keineswegs zwingend für eine grundstücksbezogene Aufaddierung mehrerer Belastungen bei gleichbleibender Eigenbelastung von 2.000 €, weil von Beiträgen in der Mehrzahl, aber nur von Eigenbelastung in der Einzahl die Rede wäre. Das Gesetz verwendet – als abstrakte Regelung für eine Vielzahl von Einzelfällen – beide Formen synonym. Während etwa Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Gemeinden „Beiträge“ erheben können, stellt Art. 5 Abs. 8 KAG klar, dass „ein Beitrag“ auch für öffentliche Einrichtungen erhoben werden kann, die vor Inkrafttreten der Abgabensatzung hergestellt, angeschafft, verbessert oder erneuert wurden. Entsprechendes gilt auch mit Blick auf Art. 19a KAG: Wenn nach dessen Absatz 7 Satz 4 Nr. 1 antragsbefugt nur „ist“ (Einzahl), „gegen wen … durch Bescheid … Straßenausbaubeiträge … in Höhe von mindestens 2 000 € festgesetzt wurden“, so soll das keineswegs Betroffene vom Härteausgleich ausschließen, die nur zu einem einzigen Straßenausbaubeitrag herangezogen worden waren. Dass der Härteausgleich unabhängig von diesen uneinheitlichen Formulierungen auf den einzelnen Beitrag für eine konkrete, nach altem Recht beitragspflichtige Maßnahme ausgerichtet sein soll, kommt etwa in Art. 19a Abs. 7 Satz 7 KAG zum Ausdruck, der von einer „Zahlungspflicht in Bezug auf eine Straßenbaumaßnahme“ spricht.
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Allein diese Sichtweise entspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen und unter Berücksichtigung der beitragsrechtlichen Behandlung mehrfach „erschlossener“ (bevorteilter) Eckgrundstücke dargelegt hat, ohne dass dem der Zulassungsantrag etwas Stichhaltiges entgegensetzt. Dafür streitet insbesondere auch der das Beitragsrecht prägende Gedanke des Sondervorteils, der nach alter Rechtslage die Auferlegung eines Straßenausbaubeitrags gerechtfertigt hat (dazu etwa BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 6 ZB 19.2057 – juris Rn. 7 ff.) und bei dem Härteausgleich spiegelbildlich insofern zu berücksichtigen ist, als die frühere finanzielle Belastung als solche wegen des verbleibenden Sondervorteils noch keine auszugleichende besondere Härte darstellt (vgl. LT-Drs. 18/1552 S. 3 f.). Da der beitragsrelevante Sondervorteil aber aus einer konkreten Ausbaumaßnahme für eine einzelne Ortsstraße resultierte, muss auch der Härteausgleich auf diese bezogen werden.
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b) Die Berufung ist nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich vielmehr aus den oben dargelegten Gründen ohne weiteres aus dem Gesetz im Sinn des Verwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es dazu der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Daraus, dass das Verwaltungsgericht während des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens den Beklagten um Darlegung seiner Rechtsauffassung hinsichtlich der Auslegung des Art. 19a Abs. 9 Satz 3 KAG bat, lässt sich nicht schließen, es lägen besondere rechtliche Schwierigkeiten vor.
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c) Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Um diesen Zulassungsgrund dazulegen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, zudem ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ferner erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und schließlich darlegen, weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2022 – 6 ZB 22.184 – juris Rn. 16). Dem entspricht der Zulassungsantrag nicht. Es wird schon keine Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).