Titel:
Erfolgloses Rechtsmittel eines Nachbarn gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung eines Legehennenstalls, der in der Nähe einer Altanlage errichtet werden soll
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1–3, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2
4. BImSchV § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1,
UVPG § 2 Abs. 11, § 7 Abs. 2, § 10 Abs. 4 S. 2, S. 3
UmwRG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 6
Leitsätze:
1. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 bis 3 der 4. BImSchV müssen kumulativ vorliegen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Überschneidung von Immissionsradien reicht zur Annahme eines gemeinsamen Einwirkungsbereichs iSd § 10 Abs. 4 UVPG nicht aus; im Überschneidungsbereich muss auch ein schutzwürdiges Objekt liegen, auf das die Immissionen einwirken. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Unterschied zwischen der standortbezogenen und der allgemeinen Vorprüfung liegt darin, dass bei der standortbezogenen Vorprüfung zunächst der Standort nach den in Anlage 3 Nr. 2 UVPG genannten Kriterien überprüft wird und erst dann, wenn besondere örtliche Gegebenheiten vorliegen, weiter geprüft wird, ob das Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen bezogen auf die für den Standort maßgeblichen Schutzgüter hat, die nach § 25 Abs. 2 UVPG bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen wären. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Legehennenstall, enger räumlicher Zusammenhang zwischen Altanlage und neuer Anlage, allgemeine statt standortbezogene UVP, kumulierende Anlagen, Überschneiden des Einwirkungsbereichs, Legehennenstall, immissionsschutzrechtliche Genehmigung, gemeinsame Anlage, enger räumlicher Zusammenhang, Sichtbeziehung, selbes Betriebsgelände, kumulierende Vorhaben, gemeinsamer Einwirkungsbereich, allgemeine Vorprüfung, standortbezogene Vorprüfung, Klagebegründungsfrist
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 27.04.2023 – RN 7 K 19.980
Fundstelle:
BeckRS 2024, 30434
Tenor
I. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. April 2023 – RN 7 K 19.980 – wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,00 € festgesetzt.
Gründe
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Die Kläger, u.a. Miteigentümer eines von ihnen zu Wohnzwecken genutzten Anwesens, verfolgen mit ihrem Zulassungsantrag ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 25. April 2019 weiter, mit dem dem Beigeladenen die Errichtung und der Betrieb eines Legehennenstalls mit 24.000 Legehennenplätzen auf dem Grundstück FlNr. 1060 Gem. G. genehmigt wurde. Mit Bescheid vom 24. Mai 2002 war dem Beigeladenen bereits die Genehmigung für einen Legehennenstall mit 34.500 Plätzen auf FlNr. 1012 Gem. G. erteilt worden.
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Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die Klage gegen den Bescheid vom 25. April 2019 mit Urteil vom 27. April 2023 abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Kläger nicht in drittschützenden Rechten verletzt seien und der Genehmigungsbescheid auch nicht wegen Verfahrensfehlern nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 1 Buchst. b UmwRG aufzuheben sei. Daher komme es nicht darauf an, ob nach § 6 UmwRG eine innerprozessuale Präklusion eingetreten sei und die Klage auch aus diesem Grund abzuweisen gewesen wäre.
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Mit ihrem fristgerecht eingegangenen und begründeten Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sowie tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten geltend.
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Der Beklagte und der Beigeladene treten dem Antrag auf Zulassung der Berufung entgegen. Der Beklagte beantragt, den Antrag abzulehnen, der Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung der Kläger, auf deren Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), nicht ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gegeben sind.
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1. Die Kläger machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend, die jedoch nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend dargelegt sind.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit der Entscheidung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
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1.1 Die Kläger tragen zunächst zu den tatsächlichen Feststellungen – ohne dies in einen rechtlichen Rahmen zu stellen – vor, dass das streitgegenständliche Vorhaben durch gemeinsame Betriebseinrichtungen mit der Bestandsanlage verbunden sei. Es werde bestritten, dass die Stromversorgung unabhängig von der Bestandsanlage und dem Hof des Beigeladenen an eine Trafostation des Stromversorgers angeschlossen sei. Dies gelte in gleicher Weise für den Anschluss an andere Versorgungsleitungen. Zur weiteren Sachaufklärung in einem Berufungsverfahren werde beantragt, eine Stellungnahme des örtlichen Energieversorgers einzuholen.
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Die Kläger legen zwar nicht dar, inwieweit eine etwaige Verbindung der streitgegenständlichen Anlage mit der Bestandsanlage entscheidungserheblich sein sollte, aus ihrem weiteren Vorbringen ergibt sich aber, dass sie davon ausgehen, die streitgegenständliche Anlage stelle mit der bestehenden Legehennenhalle eine gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV dar, so dass die Tierplatzzahlen der beiden Anlagen hätten addiert werden müssen und gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a der 4. BImSchV i.V.m. Nr. 7.1.1.1 der Anlage 1 zur 4. BImSchV ein Verfahren nach § 10 BImSchG durchzuführen gewesen wäre.
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Hierzu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass eine gemeinsame Anlage nicht vorliege. Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 der 4. BImSchV sei Voraussetzung dafür ein enger räumlicher und betrieblicher Zusammenhang, der gegeben sei, wenn die Anlagen auf demselben Betriebsgelände lägen (Nr. 1), mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen verbunden seien (Nr. 2) und einem vergleichbaren technischen Zweck dienten (Nr. 3). Es fehle schon an der ersten Voraussetzung. Zum Betriebsgelände gehörten nicht nur die Grundstücksfläche, auf der die Anlage liege; auch benachbarte Flurstücke seien grundsätzlich geeignet, eine gemeinsame Anlage aufzunehmen. Von demselben Betriebsgelände und einem engen räumlichen Zusammenhang könne dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn die Anlagen keine Einheit bildeten und als solche nicht als zusammengehörig anzusehen sind. Unerheblich seien kleinräumige Unterbrechungen, etwa durch eine Straße oder einen Bach. Der Bestandsstall auf FlNr. 1012 und der geplante Stall auf FlNr. 1060 befänden sich nicht mehr auf demselben Betriebsgelände. Der Standort der neu zu errichtenden Anlage liege etwa 300 m nordwestlich des bestehenden Anlagenstandorts. Zwischen dem bestehenden und dem neuen Standort lägen im Westen zwei landwirtschaftlich genutzte Grundstücke und ein Weg (FlNr. 1013, 1014, 993), im Norden grenze die bestehende Anlage an das Grundstück FlNr. 1003, an das sich das landwirtschaftlich genutzte Grundstück FlNr. 1002 anschließe. Keines der genannten Grundstücke steht im Eigentum des Beigeladenen oder werde von diesem bewirtschaftet. Aufgrund der dargestellten, relativ großen Entfernung der beiden Anlagen (ca. 300 m) sowie der dazwischenliegenden relativ großen Flächen, die dem Beigeladenen weder gehörten noch von ihm bewirtschaftet würden, seien die beiden Anlagen des Beigeladenen bei wertender Betrachtung nicht mehr als auf demselben Betriebsgelände befindlich anzusehen. Es bedürfe deshalb, woran das Gericht durchaus Zweifel habe, keiner weiteren Erörterung, ob zudem verbundene gemeinsame Betriebseinrichtungen i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der 4. BImSchV bestünden.
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Dieser Wertung treten die Kläger entgegen und verweisen darauf, dass keine optische Trennung zwischen den beiden, vom Beigeladenen genutzten Anlagengrundstücken bestehe, beide Grundstücke seien vom jeweils anderen einsehbar und durch eine Verkehrsanlage direkt erreichbar. Zudem sei es möglich, einen direkten Stromleitungsanschluss vom Bestandsgrundstück zum Neuanlagengrundstück herzustellen. Dies spreche gegen eine Trennung. Die Rechtsprechung des OVG Niedersachsen sei nicht einschlägig.
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Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Ein enger räumlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Anlagen auf demselben Betriebsgelände liegen. Als Betriebsgelände im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 der 4. BImSchV ist nicht nur die Grundstücksfläche anzusehen, auf der sich die jeweilige Anlage befindet; auch benachbarte Flurstücke sind grundsätzlich geeignet, ein einheitliches Betriebsgelände zu bilden. Um ein solches handelt es sich bei einer von demselben Betreiber im räumlichen Zusammenhang mit Anlagen bebauten Fläche. Unerheblich ist, ob eine solche Fläche, etwa durch eine öffentliche Straße, kleinräumig unterbrochen ist (Ludwig in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand April 2024, § 1 BImSchV 4 Rn. 21; NdsOVG, B.v. 30.11.1999 – 7 M 4274/99 – juris Rn. 6). Um jede Anlage befindet sich ein Gelände, das dieser nach der Verkehrsanschauung noch zugerechnet wird (Zufahrtswege, Begrünung, Abstellflächen u. a.). Überschneidet sich dieses Umfeld einer Anlage mit dem einer benachbarten Anlage, so kann angenommen werden, dass sie auf demselben Betriebsgelände liegen (Hansmann/Röcking-hausen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juni 2024, § 1 4. BImSchV, Rn. 25). Letztlich kommt es auf eine Gesamtbetrachtung aller Umstände an.
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Dies zugrunde gelegt ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Bestandsanlage und die neu zu errichtende Anlage nicht auf demselben Betriebsgelände liegen. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, befinden sich zwischen den beiden Anlagengrundstücken des Beigeladenen, FlNr. 1060 und 1012, zwei weitere Grundstücke, die nicht in seinem Eigentum stehen. Die Anlagengrundstücke sind daher bereits nicht benachbart im engeren Sinne. Bei einem Abstand zwischen den beiden Anlagengrundstücken von ca. 380 m an der weitesten Stelle und ca. 160 m an der engsten Stelle ist auch nicht von einem durch den optischen Eindruck vermittelten räumlichen Zusammenhang bzw. einer nur kleinräumigen Unterbrechung der Fläche im Sinne der oben genannten Rechtsprechung auszugehen. Für den räumlichen Zusammenhang reicht es insbesondere nicht aus, dass das eine Grundstück vom anderen aus ohne einen die Sichtbeziehung störenden Bewuchs zu sehen ist. Es ist weder ersichtlich noch von der Klägerseite vorgetragen, dass sich die räumlichen Umgriffe der Bestandsanlage und der neu zu errichtenden Anlage überschneiden würden. Die Anschlussmöglichkeit an eine Trafostation oder die Führung der Stromleitung sind für die Bestimmung des räumlichen Umgriffs der Anlagen vollkommen irrelevant. Beide Anlagen werden über eigene Zufahrtswege erschlossen, so dass auch insoweit keine Überschneidung des räumlichen Umgriffs stattfindet.
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Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 3 der 4. BImSchV müssen kumulativ vorliegen (OVG LSA, B.v. 26.10.2001 – 2 M 2889/01 – juris Rn. 6). Fehlt es schon an der Lage auf demselben Betriebsgelände (§ 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 der 4. BImSchV), kommt es auf § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der 4. BImSchV, die Verbindung durch gemeinsame Betriebseinrichtungen, nicht mehr an, so dass der Vortrag der Kläger zur angeblich gemeinsamen Stromleitung und den angeblich gemeinsamen Versorgungsleitungen nicht entscheidungserheblich ist. Davon ist im Übrigen auch das Verwaltungsgericht ausgegangen und hat deshalb zu Recht keine weitere Sachaufklärung zu etwaigen gemeinsamen Betriebseinrichtungen vorgenommen.
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1.2 Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend entschieden, dass eine Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wegen eines Verfahrensfehlers nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b UmwRG nicht in Betracht kommt, weil nur eine standortbezogene Vorprüfung (Nr. 7.1.3 Spalte 2 Buchst. S der Anlage 1 zum UVPG) nach § 7 Abs. 2 UVPG (anstatt der vom Beklagten tatsächlich durchgeführten allgemeinen Vorprüfung) durchgeführt werden muss. Bei der Altanlage und der streitgegenständlichen Anlage handelt es sich um keine kumulierenden Vorhaben im Sinne des § 10 Abs. 4 UVPG, „so dass nicht von 58.500 Tierplätzen auszugehen ist und daher Nr. 7.1.2 Spalte 2 Buchst. A der Anlage 1 zum UVPG nicht einschlägig ist.
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Demgegenüber führen die Kläger aus, dass eine allgemeine Vorprüfung hätte durchgeführt werden müssen, weil es sich bei der Bestandsanlage und der neu zu errichtenden Anlage um kumulierende Vorhaben handle. Es lägen gemeinsame Einwirkungsbereiche der Bestandsanlage und des Planvorhabens vor. Hierzu gehöre jedenfalls in Bezug auf die UVPrelevanten Schutzgüter auch der Hof des Beigeladenen. Dieser sei jedenfalls dem Einflussbereich der Bestandsanlage ausgesetzt. Dies gelte insbesondere auch für die Lärmimmissionen. Allein die Feststellung, dass die Immissionsrichtwerte durch von der geplanten Anlage ausgehende Emissionen an jedem berechneten Immissionsort um mehr als 9 dB(A) unterschritten würden, führe noch nicht dazu, dass keine überschneidenden Einwirkungsbereiche vorlägen. Denn auch wenn durch die von der geplanten Anlage verursachten Emissionen im Hinblick auf Umwelteinwirkungen nicht als schädlich im Sinne des Immissionsschutzrechts anzusehen seien, führe dies nicht zu einer Beschränkung des Einwirkungsbereichs. Einwirkungen fänden gleichwohl statt, wenn auch möglicherweise nicht auf schädlichem Niveau. Dies gelte auch für die übrigen Emissionsarten. Die übrigen Voraussetzungen für kumulierende Vorhaben seien gegeben. Die Vorhaben seien funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen. Soweit gemeinsame betriebliche oder bauliche Einrichtungen als erforderlich angesehen würden, werde einerseits auf den Tatsachenvortrag zu der Stromleitung und den sonstigen Versorgungsleitungen verwiesen, deren Existenz nicht abschließend geklärt sei. Im Übrigen dürften betriebliche Einrichtungen wie eine gemeinsame Zu- und Abfuhr von Tieren, Betriebsmaterialien und Produkten ausreichend sein. Vor diesem Hintergrund sei fehlerhaft, dass das Verwaltungsgericht die Kritik der Kläger an der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung sowie der Eingriffsregelung als nicht durchgreifend zurückweise.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind damit nicht dargelegt. Der Einwirkungsbereich im Sinne von § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UVPG ist nach § 2 Abs. 11 UVPG das geographische Gebiet, in dem Umweltauswirkungen auftreten, die für die Zulassung eines Vorhabens relevant sind. Welche Umweltauswirkungen für die Zulassung eines Vorhabens relevant sind, bestimmt sich nach dem maßgeblichen Fachrecht (Hamacher in Schink/Reidt/Mitschnang, UVPG/UmwRG, 2. Aufl. 2023, § 2 Rn. 84; OVG NW, B.v. 4.1.2024 – 2 B 994/23 – juris Rn. 50; NdsOVG, U.v. 5.9.2024 – 1 LC 31/23 – juris Rn. 21), hier nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, nach dem ein Vorhaben im Außenbereich öffentliche Belange beeinträchtigt, wenn es schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Eine Überschneidung von Immissionsradien reicht zur Annahme eines gemeinsamen Einwirkungsbereichs im Sinne des § 10 Abs. 4 UVPG nicht aus; im Überschneidungsbereich muss auch ein schutzwürdiges Objekt liegen, auf das die Immissionen einwirken (NdsOVG, U.v. 30.6.2021 – 1 LC 120/17 – juris Rn. 70). Entgegen der Ansicht der Kläger bestimmt sich der Einwirkungsbereich der Immissionen nach den zulässigen Immissions(-richt) werten am Immissionsort bzw. den jeweiligen Relevanzschwellen, also nach deren Schädlichkeit. Das Verwaltungsgericht hat seiner Beurteilung für die etwaige Überschneidung der Einwirkungsbereiche der beiden Anlagen daher zu Recht die Immissionsprognosen für die von der neu zu errichtenden Anlage ausgehenden Immissionen am nächstgelegenen Immissionsort zugrunde gelegt. Für die Geruchsimmissionen hat es auf Abbildung 14 der Immissionsprognose verwiesen, wonach kein schutzwürdiges Objekt einer über dem Irrelevanzwert nach der GIRL liegenden Geruchsbelastung ausgesetzt sei. Bei Feinstaub, Bioaerosolen, Ammoniak und Stickstoff werde für die Neuanlage die Irrelevanzschwelle bzw. der Abschneidewert nicht überschritten. Beim Staubniederschlag sei eine Überschneidung der Einwirkungsbereiche von Alt- und Neuanlage nicht ersichtlich. Bei den Lärmimmissionen gebe es keine geschützten Orte im Einwirkungsbereich der neuen Anlage. Diesen auf den jeweiligen gutachterlichen Immissionsprognosen beruhenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind die Kläger schon nicht substantiiert entgegengetreten. Sie bestreiten lediglich, dass es bei der Bestimmung des Einwirkungsbereichs im Sinne von § 2 Abs. 11 UVPG auf die Schädlichkeit der Immissionen ankomme.
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Soweit die Kläger darauf verweisen, dass die Hofstelle des Beigeladenen schädlichen Immissionen aus der Altanlage ausgesetzt sei, kommt es darauf nicht mehr an, weil als Immissionsort nur ein Wohnhaus in Betracht kommt und nach den von den Klägern nicht substantiiert bestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auf das näher als die Hofstelle an der neuen Anlage gelegene Wohnhaus K. 7a keine relevanten Immissionen aus der streitgegenständlichen Anlage einwirken, so dass es auch für die Hofstelle des Beigeladenen an einer Überschneidung der Einwirkungsbereiche im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UVPG fehlt, selbst wenn sie Immissionen aus der Altanlage ausgesetzt wäre. Daher war nicht mehr entscheidungserheblich, ob die Bestandsanlage und die neue Anlage funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen (§ 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 UVPG) und zusätzlich mit betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden (§ 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG) sind.
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Mangels kumulierender Vorhaben war daher entgegen § 10 Abs. 2 UVPG keine allgemeine Vorprüfung durchzuführen. Der Beklagte hat zwar eine allgemeine Vorprüfung nach § 7 Abs. 1 i.V.m. Anlage 3 UVPG durchgeführt. Dies steht jedoch der Durchführung der nach § 7 Abs. 2 i.V.m. Nr. 7.1.3 Spalte 2 Buchst. S der Anlage 1 UVPG lediglich erforderlichen standortbezogenen Vorprüfung gleich. Der Unterschied zwischen der standortbezogenen und der allgemeinen Vorprüfung liegt darin, dass bei der standortbezogenen Vorprüfung zunächst der Standort nach den in Anlage 3 Nr. 2 UVPG genannten Kriterien überprüft wird und erst dann, wenn besondere örtliche Gegebenheiten vorliegen, weiter geprüft wird, ob das Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen bezogen auf die für den Standort maßgeblichen Schutzgüter hat, die nach § 25 Abs. 2 UVPG bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen wären (§ 7 Abs. 2 Satz 5 UVPG). Eine allgemeine Vorprüfung umfasst also alle Elemente einer standortbezogenen Vorprüfung (OVG NRW, B.v. 31.8.2022 – 22 A 1704/20 – juris Rn. 22; U.v. 5.10.2020 – A 894/17 – juris Rn. 119).
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Der Vortrag der Kläger im Zulassungsantrag zu einer etwaigen Fehlerhaftigkeit der standortbezogenen Vorprüfung genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Dies gilt bezüglich der Ausführungen im Urteil zur hinreichenden Dokumentation der Vorprüfung in den Akten und zum Umfang der Vorprüfung, insbesondere dazu, dass der spezielle Artenschutz, die Eingriffsregelung und die Lärmimmissionen nicht zum verpflichtenden Prüfprogramm der standortbezogenen Vorprüfung gehören. Bei einer standortbezogenen Vorprüfung sind artenschutzrechtliche Belange im Sinne des § 44 Abs. 1 BNatSchG nur dann zu berücksichtigen, wenn sie förmlich als Schutzzweck eines Gebietes nach Nr. 2.3 der Anlage 3 zum UVPG bestimmt wurden (§ 7 Abs. 2 Satz 3 UVPG). Die an einem Vorhabenstandort befindlichen Habitate der durch artenschutzrechtliche Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG geschützten wild lebenden Tiere stellen grundsätzlich keine den Schutzgebieten im Sinne von Nr. 2.3 der Anlage 3 vergleichbar sensiblen und schutzwürdigen Lebensräume dar (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2019 – 7 C 5.18 – juris Rn. 30 ff.; BayVGH, B.v. 10.12.2015 – 22 CS 15.2247 – juris Rn. 41; OVG NW, U.v. 5.10.2020 – 8 A 894/17 – juris Rn. 92). Soweit die Kläger im Zulassungsverfahren erneut die Mangelhaftigkeit der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung behaupten, geht ihr Vortrag also ins Leere. Dies gilt in gleicher Weise für die Betrachtung der Lärmimmissionen, die nicht zu den Prüfkriterien für eine standortbezogene Vorprüfung gehören, da die Wirkfaktoren der Anlage dem Kriterienkatalog der Nr. 1 der Anlage 3 UVPG zugeordnet werden (vgl. Tepperwien in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, 2. Aufl. 2023, § 7 UVPG Rn. 15; Peters/Balla/Hesselbarth, UVPG, 4. Aufl. 2019, § 7 Rn. 18).
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher oder/und tatsächlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
23
Das Vorliegen des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wird nicht schon dadurch indiziert, dass das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen, sondern durch die Kammer entschieden hat (OVG LSA, B.v. 18.7.2024 – 2 L 123/23.Z – juris Rn. 15). Dies gilt in gleicher Weise für die Länge des Urteils und die Dauer der mündlichen Verhandlung (OVG Bln-Bbg, B.v. 20.8.2019 – OVG 1 N 46.18 – juris Rn. 36).
24
Soweit die Kläger auf tatsächliche Schwierigkeiten bei der Aufklärung der Frage, ob gemeinsame betriebliche Einrichtungen für die Bestandsanlage und die neu zu errichtende Anlage existieren, verweisen, kann dies die Zulassung der Berufung nicht begründen, weil es auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der 4. BImSchV nicht mehr entscheidungserheblich ankommt. Denn die beiden Anlagen liegen bereits nicht auf demselben Betriebsgelände (§ 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 der 4. BImSchV). Die Entscheidungserheblichkeit bestimmt sich nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts (OVG Berlin-Bbg, B.v. 6.7.2020 – OVG 11 N 40.18 – juris Rn. 25). Darüber hinaus wurde nicht dargelegt, weshalb der Sachverhalt besonders unübersichtlich und/oder besonders schwierig zu ermitteln sein soll.
25
Zur Begründung der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten verweisen die Kläger darauf, dass sie und das Verwaltungsgericht bei der Feststellung, ob eine gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 der 4. BImSchV vorliegt, dieselbe Entscheidung des OVG Niedersachsen zur Begründung ihrer Position heranziehen und wohl keine gefestigte Rechtsprechung zu dieser Frage bestehe. Worin die rechtliche Schwierigkeit bei der Feststellung der gemeinsamen Anlage bestehen und weshalb die Entscheidung des OVG Niedersachsen für diese Frage entscheidungserheblich sein soll, wird aus diesem Vorbringen nicht deutlich. Wie oben ausgeführt, kann von einer gemeinsamen Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV nur ausgegangen werden, wenn drei Faktoren kumulativ vorliegen. Die Entscheidung des OVG Niedersachsen verhält sich nur in abstrakter Form zu einem Kriterium, nämlich der Lage auf demselben Betriebsgelände. Rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich nicht daraus, dass es bei der Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die abstrakten Kriterien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.
26
Die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten haben die Kläger auch nicht bezüglich des gemeinsamen Einwirkungsbereichs kumulierender Anlagen im Sinne von § 10 Abs. 4 UVPG dargelegt. Die Rechtssache wird nicht dadurch rechtlich besonders schwierig, weil die Kläger die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts für unzutreffend halten.
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3. Die Berufung ist auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Diesen Zulassungsgrund benennen die Kläger schon nicht eindeutig.
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Soweit sie andeuten, dass es zu der Frage des Vorliegens einer gemeinsamen Anlage im Sinne von § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV noch keine gesicherte obergerichtliche Rechtsprechung gebe, wäre diese Frage auch einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich, weil stets eine Gesamtbetrachtung des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen ist.
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4. Das Verwaltungsgericht hat offengelassen, ob die Klage der Kläger nicht bereits deshalb als unbegründet abzuweisen war, weil wegen des Versäumens der Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG eine innerprozessuale Präklusion eingetreten ist. Da die Darlegungen der Kläger zu den entscheidungstragenden Gründen des Verwaltungsgerichts nicht zur Zulassung der Berufung führen, kommt es auch nicht darauf an, ob sich die Klageabweisung auch mit dem Eintritt der Rechtswirkungen des § 6 UmwRG begründen ließe.
30
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene im Zulassungsverfahren keinen eigenen Antrag gestellt hat und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, trägt er seine außergerichtlichen Kosten selbst.
31
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 19.2, 2.2.1 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
32
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).