Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.10.2024 – 15 ZB 24.1346
Titel:

Nutzungsänderung zu Ferienwohnung im allgemeinen Wohngebiet

Normenketten:
BauNVO § 1 Abs. 6 Nr. 1, § 13a
BauNVO 1977 § 4
Leitsätze:
1. Ferienwohnungen erfüllen nicht den Begriff des Wohnens. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung gehören typischerweise zur Grundkonzeption eines Bebauungsplans und stellen dementsprechend einen Grundzug der Planung dar. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ferienwohnung im allgemeinen Wohngebiet, Ausschluss ausnahmsweise zulässiger Vorhaben im Bebauungsplan, Antrag auf Nutzungsänderung, Nutzungsuntersagung, Begriff des Wohnens, Befreiung, Grundzüge der Planung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 12.06.2024 – RO 2 K 23.772
Fundstellen:
BayVBl 2025, 131
LSK 2024, 30422
BeckRS 2024, 30422

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung der Wohnung im Erdgeschoss seines Wohngebäudes in eine bereits seit 2016 als solche genutzte Ferienwohnung und wendet sich gegen die von der Beklagten erlassene, zwangsgeldbewehrte Nutzungsuntersagung.
2
Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 200 „K.-S.“ vom 7. März 1983 der Beklagten in der Fassung der 1. Änderung Nr. 200/I vom 27. Juli 1987. Dieser setzt ein allgemeines Wohngebiet fest und trifft u.a. die Festsetzung, dass die ausnahmsweise Zulässigkeit von Betrieben des Beherbergungsgewerbes, sonstigen nicht störenden Gewerbebetrieben, Anlagen für Verwaltungen sowie für sportliche Zwecke, Gartenbaubetrieben und Tankstellen in den allgemeinen Wohngebieten nicht Bestandteil des Bebauungsplans ist.
3
Die Beklagte lehnte den Bauantrag des Klägers mit Bescheid vom 4. April 2023 ab und untersagte ihm ab 1. Juli 2023 bzw. im Falle einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ab zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheids, die Wohnung im Erdgeschoss seines Anwesens fremdenverkehrsgewerblich zu vermieten oder durch Dritte vermieten zu lassen. Die Nutzungsuntersagung wurde für sofort vollziehbar erklärt und mit einer Zwangsgeldandrohung verbunden. Hiergegen erhob der Kläger Klage und stellte einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der erfolglos blieb (VGH, B.v. 18.8.2023 – 15 CS 23.1288).
4
Mit Urteil vom 12. Juni 2024 wies das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, er habe keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung, da die Ferienwohnung gegen die Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplans verstoße. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
8
Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts geltend, weil die Festsetzung zum Ausschluss ausnahmsweise zulässiger Nutzungen gem. § 3 Abs. 4 des Bebauungsplans in Bezug auf Ferienwohnungen mangels städtebaulicher Rechtfertigung unwirksam sei. Der Planungsgrund Befriedigung großer Wohnraumnachfrage sei nicht Anlass für den Ausschluss gewesen, sondern vielmehr die Vermeidung einer unzumutbaren Belastung der Wohnstraßen. Eine Nutzung als Ferienwohnung unterscheide sich zudem allenfalls marginal von einer reinen Wohnnutzung und rufe keinen erhöhten Verkehr hervor. Mit diesem Vorbringen (§ 124 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) bleibt der Kläger jedoch erfolglos.
9
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass Ferienwohnungen nicht den Begriff des Wohnens erfüllen (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.2017 – 4 C 5.16 – juris Rn. 17). Es geht sodann davon aus, dass für den weitgehenden Ausschluss der Ausnahmeregelungen des damaligen § 4 Abs. 3 BauNVO 1977 eine städtebauliche Rechtfertigung vorliegt (UA S. 12). Zur Begründung stellt das Verwaltungsgericht auf den Planungsgrund der Befriedigung einer großen Nachfrage nach Wohnraum innerhalb des Stadtgebiets ab und nimmt im Hinblick auf die Festsetzung eines Mischgebiets in einem Teilbereich einen zentralistischen Versorgungsansatz an. Die Priorisierung von Wohnraum sei anhand der Begründung und der Gesamtstruktur des Bebauungsplans „Königswiesen-Süd“ nachvollziehbar. Ein Ausschluss allein aus Gründen der Verkehrsvermeidung sei nicht erkennbar. Auch Ferienwohnungen stünden dem Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung und der Plangeber habe gerade Ausnahmen, die der Priorität der Wohnraumbeschaffung nicht hinderlich erachtet wurden, wie Ställe zur Kleintierhaltung, erhalten (UA S. 13). Dem tritt das Zulassungsvorbringen mit der bloßen Darlegung der gegenteiligen Rechtsauffassung des Klägers, wie sie weitgehend schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen wurde, nicht substantiiert entgegen. Angesichts der an Sinn und Zweck der städtebaulichen Planungsabsichten sowie der Gesamtstruktur des Bebauungsplans orientierten Begründung des Verwaltungsgerichts ist auch unter Berücksichtigung, dass Regensburg zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans noch kein Weltkulturerbe war, gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts nichts zu erinnern. Auf den von ihm angeführten § 13a BauNVO kommt es somit nicht an, wovon auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist (UA S. 11).
10
Das Verwaltungsgericht führt ferner aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB hat, weil die Grundzüge der Planung der berührt werden. Die Regelausnahmen des § 4 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 BauNVO 1977 seien bewusst ausgeschlossen worden, um Wohnraum zu schaffen; die Prioritätensetzung der Planungskonzeption liege auf Wohnraum (UA S. 14). Soweit der Kläger demgegenüber der Ansicht ist, der Ausschluss von Ferienwohnungen diene gerade nicht der Maximierung von Wohnraum, sondern der Verhinderung von störenden Nutzungen und der Entlastung des Verkehrs, stellt er der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichts wiederum unter weitgehender Wiederholung seiner erstinstanzlichen Argumentation lediglich seine eigene, gegenteilige Auffassung entgegen. Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung gehören typischerweise zur Grundkonzeption eines Bebauungsplans und stellen dementsprechend einen Grundzug der Planung dar (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2024 – 15 ZB 24.263 – juris Rn. 9), zumal, wenn diese – wie hier – über eine Feinsteuerung gem. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB noch zusätzlich ausgearbeitet sind.
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Hinsichtlich der angefochtenen Nutzungsuntersagung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass diese formell und materiell rechtmäßig ist. Es entspreche regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbinde, wobei allerdings eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig nicht untersagt werden dürfe, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist, was hier nicht der Fall sei (UA S. 15 f.). Hiermit setzt sich der Kläger mit der bloßen Behauptung, die Nutzungsänderung sei rechtswidrig, weil er einen Anspruch auf Erteilung der Nutzungsänderung habe, nicht substantiiert auseinander (§ 124 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt und die im Zulassungsverfahren erforderliche kursorische Prüfung der Rechtssache anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils keine hinreichend sichere Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits zulässt (vgl. BayVGH, B.v.26.6.2024 – 15 ZB 24.263 – juris Rn. 11).
14
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger erfüllt die Darlegungsanforderungen des § 124 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO nicht, weil er über die bloße Behauptung des Vorliegens dieser Voraussetzungen hinaus nicht darlegt, worin die besonderen Schwierigkeiten bestehen sollen. Dem Zulassungsvorbringen lässt sich auch nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte hinaus entnehmen. Die allein unterschiedliche Bewertung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und den Kläger genügt für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten nicht (vgl. BayVGH, B.v. 1.12.2023 – 15 ZB 23.1654 – juris Rn. 11).
15
3. Die Rechtssache hat auch nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
16
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 26.6.2024 – 15 ZB 24.263 – juris Rn. 15).
17
Die Frage, ob „der Regelung des § 13 BauNVO als nur klarstellende Regelung für Bebauungspläne aus der Zeit vor Einführung des § 13a BauNVO eine faktische Rückwirkung für die bauplanungsrechtliche Einordnung von Ferienwohnungen“ zukommt oder „scheidet eine Heranziehung aus, weil § 13 BauNVO nicht nur klarstellende Wirkung hat“, ist – entsprechend den obigen Ausführungen – nicht entscheidungserheblich. Da der Ausschluss ausnahmsweise zulässiger Nutzungen durch § 3 Abs. 4 der Festsetzungen des Bebauungsplans wirksam ist, kommt es auf die Frage einer eventuellen faktischen Rückwirkung der Einstufung von Ferienwohnungen als nicht störender Gewerbebetrieb (vgl. § 13a Satz 1 BauNVO) nicht an.
18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
19
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
20
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).