Inhalt

VGH München, Beschluss v. 18.10.2024 – 15 ZB 24.122
Titel:

Klagebefugnis eines Ehegatten bei Gütergemeinschaft

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2
BGB § 1422 S. 1 Hs. 2, § 1450
Leitsatz:
Eine Vereinbarung der Verwaltung des Gesamtguts durch einen Ehegatten nach § 1422 S. 1 Hs. 2 BGB hat zur Folge, dass dieser Rechtsstreitigkeiten, die sich auf das Gesamtgut beziehen, im eigenen Namen führt. Dies gilt bei der Vereinbarung gemeinsamer Verwaltung des Gesamtguts nach § 1450 BGB nicht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klagebefugnis eines Ehegatten bei Gütergemeinschaft und gemeinschaftlicher Verwaltung des Gesamtguts, gewillkürte Prozessstandschaft., gewillkürte Prozessstandschaft, Nachbar
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 12.08.2023 – RN 6 K 21.1645
Fundstellen:
BayVBl 2025, 103
BeckRS 2024, 30420
LSK 2024, 30420

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 8.500…. Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Stahlgittermastes inklusive Systemtechnik auf Fundamentplatte und Außenanlagen.
2
Das Verwaltungsgericht hat die auf Aufhebung dieser Baugenehmigung gerichtete Klage abgewiesen. Sie sei unzulässig, weil der Kläger mit seiner Ehefrau in Gütergemeinschaft lebt und er deshalb Rechte aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ohne entsprechende Klage seiner Ehefrau nicht im eigenen Namen geltend machen könne.
3
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte und die Beigeladene entgegentreten, verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Er ist der Ansicht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der verschiedenen Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
II.
5
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
6
1. Die Darlegungen des Klägers im Zulassungsverfahren, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
7
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klage mangels Klagebefugnis des Klägers (§ 42 Abs. 2 VwGO) unzulässig ist. Als einzelnes Mitglied der mit seiner Ehefrau bestehenden Gütergemeinschaft, deren Gesamtgut mangels anderweitiger wirksamer Vereinbarung gemeinschaftlich verwaltet werde, sei er nicht berechtigt, Nachbarrechte, die sich aus dem Grundeigentum ergeben, alleine einzuklagen. Die Voraussetzungen eines entsprechenden gesetzlichen Ausnahmefalls – etwa gemäß § 1454 Satz 2 BGB, § 1454 Nr. 10 BGB oder § 1456 Abs. 1 BGB – lägen nicht vor. Dies gelte auch im Hinblick auf das Grundstück, das der Kläger nach Abschluss des Ehevertrags erworben habe und für das er allein im Grundbuch eingetragen sei, was indes der materiellen Rechtslage widerspreche. Unabhängig davon erscheine hinsichtlich dieses Grundstücks auch mit Blick auf die Vorschrift des Art. 6 Abs. 7 Nr. 4 BayBO keine Rechtsverletzung des Klägers nach § 42 Abs. 2 VwGO möglich.
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Demgegenüber macht der Kläger unter Berufung auf obergerichtliche Rechtsprechung und Literatur geltend, die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Verwaltungsregelung könne nur durch Ehevertrag geändert werden, sei unzutreffend. Vielmehr habe seine Ehefrau ihm „praktisch die Verwaltung in bestimmten Angelegenheiten überlassen“, was als „stillschweigende Zustimmung“ anzusehen sei. Nach der im Rahmen ihrer Ehe bestehenden „Übung“ habe seine Ehefrau seine Verwaltungsausübung „sehenden Auges geschehen lassen“, weshalb keine ungenehmigte Verfügung vorliege. Dieses Vorbringen verhilft dem Zulassungsbegehren des Klägers nicht zum Erfolg.
9
Für eine Prozessführungsbefugnis kraft (stillschweigender) Zustimmung lassen sich aus den vom Kläger angeführten Judikaten keine Aussagen machen. Die Prozessführungsbefugnis gibt Auskunft darüber, wer die richtige Partei ist, ob also der Kläger zur Geltendmachung des Anspruchs berechtigt ist und ob der Anspruch diesem Beklagten gegenüber geltend gemacht werden darf (Weth in Musielak/Voit, ZPO, 21. Auflage 2024, § 51 Rn. 16). Die vom Kläger angeführten Entscheidungen betreffen hingegen das Rechtsverhältnis der Ehegatten untereinander. Ausführungen dazu, ob ein Ehegatte im Zivilprozess gegenüber einem Dritten im Sinne des § 51 ZPO prozessführungsbefugt ist, finden sich darin nicht und lassen sich zudem wegen der vom Verwaltungsgericht – zutreffend – angeführten Besonderheiten des Verwaltungsprozesses nicht übertragen. Auch auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, ein gesetzlicher Ausnahmefall für die alleinige Klageerhebung liege nicht vor, geht der Kläger nicht ein, das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen macht er nicht geltend. Er verhält sich ebensowenig zu der Annahme des Verwaltungsgerichts, eine gewillkürte Prozessstandschaft könne allenfalls angenommen werden, wenn der Kläger zum Ausdruck gebracht hätte, ein den Eheleuten in Gütergemeinschaft und nicht ihm allein zustehendes Recht geltend machen zu wollen, was aber innerhalb der Klagefrist nicht geschehen sei.
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Das Verwaltungsgericht hat ferner selbständig tragend ausgeführt, dass hinsichtlich des Grundstücks, für das der Kläger alleine im Grundbuch steht, keine Klagebefugnis bestehe („unabhängig davon“ UA S. 11), weil im Hinblick auf dieses Grundstück eine Rechtsverletzung nach § 42 Abs. 2 VwGO wegen eines Verstoßes gegen das Abstandsflächenrecht nicht erkennbar sei. Da der Kläger diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht entgegentritt, sind seine im Hinblick auf dieses Grundstück vorgebrachten sonstigen Einwendungen unerheblich (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2021 – 15 ZB 21.2277 – juris Rn. 6; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 124a, Rn. 111).
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2. Schließlich hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
12
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung verlangt, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer fristgemäß (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2024 – 15 ZB 24.196 – juris Rn. 11).
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Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig: „Fehlt die Klage- bzw. Prozessführungsbefugnis eines Nachbarn, wenn er trotz Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) und mit dem Ehepartner gemeinschaftlichen Eigentums nur im eigenen Namen u.a. wegen Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots und des Denkmalschutzes eine Baugenehmigung anficht? Wenn ja: Besteht die Klagebefugnis jedenfalls dann, wenn der Ehepartner ausdrücklich oder stillschweigend der Verwaltung des Gemeinschaftsguts u.a. als Gegenstand der Prozessführung anfänglich oder nachträglich zugestimmt hat, oder ist dafür eine Abänderung durch Ehevertrag erforderlich?“
14
Die Fragestellung berücksichtigt nicht, ob die Verwaltung des Gesamtgutes, wie im vorliegenden Fall, gemeinschaftlich, oder nur durch einen Ehegatten erfolgen soll. Eine Vereinbarung der Verwaltung des Gesamtguts durch einen Ehegatten nach § 1422 Satz 1 Halbs. 2 BGB hat zur Folge, dass dieser Rechtsstreitigkeiten, die sich auf das Gesamtgut beziehen, im eigenen Namen führt. Dies gilt bei der Vereinbarung gemeinsamer Verwaltung des Gesamtguts nach § 1450 BGB nicht. Somit hängt die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, die sich einer abstrakten, generalisierenden Bewertung durch das Berufungsgericht entziehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene im Zulassungsverfahren einen die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass ihr ihre außergerichtlichen Kosten für das Zulassungsverfahren erstattet werden (§ 162 Abs. 3 VwGO).
16
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013. Er entspricht dem Anteil der Festsetzung des Verwaltungsgerichts für die Klage gegen die Baugenehmigung.
17
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
18
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).