Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheitsfahrt mit einem Pedelec
Normenketten:
StVG § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1 S. 1
StVZO § 63a Abs. 2
FeV § § 11 Abs. 8, § 13 S. 1 Nr. 2 c, § 46 Abs. 1. S. 1, Abs. 1, Anl. 4 Nr. 8.1
Leitsatz:
Hat ein Fahrerlaubnisinhaber ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt, ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist. Darunter fällt auch die erstmalige Fahrt mit einem Fahrrad oder mit einem Fahrrad mit elektrischer Trethilfe (sog. Pedelec) im Sinne des § 63a Abs. 2 StVZO. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Anforderungen an die Begründung der sofortigen Vollziehung, Entziehung der Fahrerlaubnis, Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad (Pedelec), Nichtvorlage des geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens, Unterbliebener Hinweis auf Möglichkeit der Einsichtnahme in die an die Begutachtungsstelle übersandten Unterlagen (unbeachtlich), Alkoholabstinenz über drei Monate, Fahrerlaubnis, Entziehung, Fahrungeeignetheit, Eignungszweifel, Alkoholproblematik, Trunkenheitsfahrt, Pedelec, Gutachtenanordnung, Nichtbeibringung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 17.10.2024 – 11 CS 24.1484
Fundstelle:
BeckRS 2024, 30410
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Fahrerlaubnisentziehung und Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins und begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner hiergegen erhobenen Klage.
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1. Der Antragsteller ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L.
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Mit Strafbefehl vom 17. August 2023 – rechtskräftig seit dem 8. Februar 2024 – wurde der Antragsteller zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Antragsteller fuhr ausweislich der Begründung des Strafbefehls am 21. April 2023 gegen 23:50 Uhr in alkoholisiertem Zustand mit einem Pedelec der Marke „Bulls“ auf der Kreisstraße … in … M. und stürzte während der Fahrt vom Rad. In der Folge wurde eine Blutentnahme angeordnet. Die, laut Strafbefehl, am „21. April 2023“ um 00:47 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,46 Promille.
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Ausweislich des Polizeiberichts vom 25. Juli 2023 traf die alarmierte Polizeistreife am 21. April 2024 gegen 23:57 Uhr an der Unfallstelle ein. Der Antragsteller willigte in einen freiwilligen Atemalkoholtest ein, der einen Atemalkoholwert von 1,22 mg/l ergab. Im weiteren Verlauf wurde der Antragsteller zur Blutentnahme zur … Klinik nach B, verbracht, wo ihm um 00:47 Uhr von einem Arzt eine Blutprobe entnommen wurde.
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Die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamtes B. (im Folgenden „die Fahrerlaubnisbehörde“) ordnete mit Schreiben vom 12. März 2024 – dem Antragsteller am 14. März 2024 zugestellt – die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis spätestens 14. Juni 2024 an, welches zu folgenden Fragen Stellung nehmen sollte:
„Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass [der Antragsteller] das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann? Ist zu erwarten, dass der Untersuchte auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der beantragten Klasse in Frage stellen?“
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 46 Abs. 3 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c FeV sei zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn der Betroffene ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,80 mg/l oder mehr führt. Hierunter falle auch die Fahrt mit einem Pedelec. Der Antragsteller habe den Grenzwert mit einer gemessenen Blutalkoholkonzentration von 2,46 Promille übertroffen. Das Gesetz sehe in diesem Fall die zwingende Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vor. Ein Ausnahmefall nach Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV sei weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Antragsteller werde darauf hingewiesen, dass für den Fall, der Verweigerung der Begutachtung oder der nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde, diese nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen könne.
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Mit Schreiben vom 26. März 2024 zeigte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde ordnungsgemäß als Vertreter des Antragstellers an und beantragte Akteneinsicht in die Behördenakte, die ihm ausweislich des Schreibens des Bevollmächtigten vom 11. Juni 2024 gewährt wurde.
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Die Fahrerlaubnisbehörde versandte die Fahrerlaubnisakte mit den im Schreiben vom 12. März 2024 formulierten Fragestellungen auf Bitte des Antragstellers am 8. April 2024 an den TÜV ... e.V. zur Erstellung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.
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Ein Gutachten wurde in der Folge nicht vorgelegt.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 11. Juni 2024 ließ der Antragsteller vortragen, dass die Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtswidrig sei. Mit dem Schreiben wurde als Beleg der Alkoholabstinenz ein Labortest vom 26. April 2024 vorgelegt, wonach kein Hinweis auf einen fortgesetzten Alkoholkonsum im Blut des Antragstellers ersichtlich sei.
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Mit Schreiben vom 24. Juni 2024 – dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 25.06.2024 zugestellt – wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11. Juli 2024 eingeräumt.
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Der Antragsteller ließ mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 11. Juli 2024 vortragen, dass er nach wie vor von der Rechtswidrigkeit der Gutachtensanordnung vom 12. März 2024 ausgehe. Dem Schreiben lag ein Abstinenznachweis der TÜV ... GmbH & Co. KG vom 3. Juli 2024 bei, die dem Antragsteller auf Grundlage einer Haaranalyse bescheinigt, dass dieser während des Zeitraums von ca. drei Monaten keinen Alkohol konsumiert habe.
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Mit Bescheid vom 15. Juli 2024 – zugestellt am 16. Juli 2024 – wurde dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen (Nr. 1 des Bescheides) und er wurde verpflichtet, seinen Führerschein unverzüglich nach Erhalt des Bescheides bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben (Nr. 2). Die sofortige Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der Nichtbeachtung der Nr. 2 bis spätestens 26. Juli 2024 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 4). Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nr. 5) sowie eine Gebühr in Höhe von 150,00 EUR und Auslagen in Höhe von 3,45 EUR festgesetzt (Nr. 6).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Erweise sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, sei ihm diese nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) zu entziehen. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken an der Fahreignung begründeten, fänden die §§ 11 bis 14 FeV nach § 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV entsprechend Anwendung. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c FeV ordne die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn der Fahrerlaubnisinhaber ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder eine Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt habe. Erfasst sei auch das Führen von Fahrrädern einschließlich Pedelecs, da die Teilnahme am Straßenverkehr in alkoholisiertem Zustand mit jedem Fahrzeug eine gravierende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs darstelle. Daher sei auch in diesen Fällen regelmäßig im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zu klären, ob sich das mit dem Fahrrad gezeigte Verhalten auch auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken könne. Der Antragsteller habe nachweislich ein Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,46 Promille im Straßenverkehr geführt. Auch sei die Anordnung zur Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtmäßig erfolgt. Bei dem Datum der Blutentnahme im Strafbefehl handele es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, der von der Fahrerlaubnisbehörde übernommen worden sei. Aufgrund des Umstands, dass der Antragsteller nicht gegen den Strafbefehl vorgegangen sei, bestünden von Seiten der Fahrerlaubnisbehörde keine Zweifel daran, dass der Antragsteller die Trunkenheitsfahrt begangen habe. Der vorgelegte Abstinenznachweis sei nicht verwertbar und belege ungeachtet dessen auch nur eine Abstinenz über den Zeitraum von drei Monaten. Die Gutachtensanordnung sei hinreichend bestimmt und auch für einen rechtsunkundigen Bürger verständlich. Auch seien die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c FeV erfüllt. Der Verweis auf die Vorbemerkung der Anlage 4 zur FeV erfolge zu pauschal. Die Abstinenz werde erkennbar nur deshalb eingehalten, um die Fahrerlaubnis beizubehalten. Da der Antragsteller kein medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt habe, könne gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden. Insoweit stehe der Fahrerlaubnisbehörde auch kein Ermessensspielraum zu, da die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zwingend eintrete. Somit könne auch nicht berücksichtigt werden, ob der Antragsteller auf seinen Führerschein angewiesen sei oder nicht. Die Anordnung der Ablieferung des Führerscheins beruhe auf § 47 Abs. 1 FeV und sei aufgrund der rechtmäßigen Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend geboten. Es solle verhindert werden, dass der Besitzer des Führerscheins den Anschein erwecken könne, er sei im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis. Auch insoweit bestehe kein behördlicher Ermessensspielraum.
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Die sofortige Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und 2 des Bescheides sei anzuordnen gewesen, um sicherzustellen, dass der Antragsteller kein Kraftfahrzeug mehr führe. Das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs fordere den sofortigen Vollzug des Bescheides und lasse ein privates Interesse an einem Aufschub zurücktreten. Es sei zu berücksichtigen, dass von nicht geeigneten Personen eine erhebliche Gefahr für den Straßenverkehr ausgehe. Angesichts der Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch fahrungeeignete Personen müssten die persönlichen und beruflichen Belange des Antragstellers zurücktreten. Als sicherheitsrechtliche Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit könnten somit auch persönliche Härten für den Antragsteller nicht berücksichtigt werden.
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Am 24. Juli 2024 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde ab.
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2. Am 30. Juli 2024 ließ der Antragsteller im Verfahren W 6 K 24.1329 Klage erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
- 1.
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die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamtes B. vom 15. Juli 2024, Az: …, zugestellt am 16. Juli 2024, anzuordnen sowie
- 2.
-
anzuordnen, dass der Antragsgegner dem Antragsteller dessen Führerschein mit der Nummer …, ausgestellt durch das Landratsamt B., wieder aushändigt.
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Zur Begründung wird in den Schriftsätzen vom 30. Juli 2024 und 12. August 2024 im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei zulässig und begründet, da der Bescheid vom 15. Juli 2024 offensichtlich rechtswidrig sei. Die Fahrerlaubnisbehörde habe bereits weder ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dargetan noch liege ein Solches im zugrundeliegenden Fall vor. Die Begründung des Sofortvollzugs erfolge mittels standardisierter, textbausteinartiger Rechtfertigungsangaben. Auch sei die Anordnung der medizinisch-psychologischen Begutachtung „formal und zudem materiell unwirksam.“ So sei die Blutentnahme ausweislich des Behördenschreibens vom 12. März 2024 am 21. April 2023 um 00:47 Uhr durchgeführt worden, demzufolge ca. 23 Stunden vor dem Unfallgeschehen am 21. April 2024. Die Trunkenheitsfahrt könne jedoch nicht aus einer fast einen kompletten Tag zurückliegenden Blutprobe rückgeschlossen werden. Die Fahrerlaubnisbehörde habe zudem fehlerhaft unter den Tatbestand des § 46 Abs. 3 FeV subsumiert, da sie ausweislich des Schreibens vom 12. März 2024 von „Zweifel/Bedenken“ hinsichtlich der Fahreignung ausgegangen sei, nach § 46 Abs. 3 FeV jedoch „Bedenken“ erforderlich seien. Nicht zuletzt habe die Fahrerlaubnisbehörde ausweislich des ersten Satzes des Schreibens vom 12. März 2024 lediglich eine Begutachtung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen angeordnet, nicht jedoch eine medizinisch-psychologische Untersuchung. Zudem habe die Behörde im Schreiben vom 12. März 2024 fälschlicherweise die Formulierung „Ihr Mandant“ verwendet, obwohl der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten gewesen sei. Das Behördenschreiben sei nach alledem nicht klar gegliedert und schlüssig in der Formulierung.
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Grundsätzlich sei anzumerken, dass die Voraussetzungen der von der Behörde gewählten Rechtsgrundlage nicht erfüllt seien. So habe die Fahrerlaubnisbehörde nicht hinreichend zwischen dem Gefährdungspotential eines Pedelecs und dem Gefährdungspotential anderer Fahrzeuge, namentlich dem eines E-Scooters, differenziert, wie sich etwa aus einem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 14.7.2020 (Az. 2 Rv 35 Ss 175/20) ergebe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sich das Unfallgeschehen mitten in der Nacht auf einem Radweg außerhalb einer geschlossenen Ortschaft ereignet habe, sodass eine straßenverkehrsrechtliche Gefährdung unter diesen Gesichtspunkten auszuschließen sei. Auch habe der Antragsteller am 21. April 2023 kein Kraftfahrzeug geführt, da ein Pedelec nach § 1 Abs. 3 StVG vom Kraftfahrzeugbegriff ausgenommen sei. Zudem sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Jedenfalls sei eine Ausnahme nach Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV einschlägig, aufgrund der durch den Antragsteller vorgelegten Abstinenznachweise. Eine Person, die keinen Alkohol konsumiere, könne auch kein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen. Eine abermalige Alkoholfahrt sei demnach faktisch ausgeschlossen, da aktenkundig nachgewiesen sei, dass der Antragsteller keinen Alkohol mehr konsumiere. Es sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller auf seinen Führerschein angewiesen sei, um zu seinem Arbeitsplatz nach Werneck zu gelangen. Da Arbeitsbeginn um 6:30 Uhr sei, sei eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich. Zuletzt sei zu berücksichtigen, dass der Vorfall vom 21. April 2024 im Zeitpunkt des Bescheidserlasses bereits 15 Monate zurückgelegen habe. Auch lägen zwischen dem ersten Verwaltungshandeln am 12. März 2024 und dem Erlass des Bescheides fünf Monate. Diese zeitliche Abfolge stehe der Anordnung des Sofortvollzugs bereits entgegen.
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Das Landratsamt ... beantragte für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird ergänzend zur Begründung des Bescheids vom 15. Juli 2024 im Wesentlichen ausgeführt: Auf Grundlage des Vortrags des Antragstellers bestehe keine Veranlassung, die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung mit Anordnung der sofortigen Vollziehung in Frage zu stellen. Die Mitteilung in der Strafsache zum Strafbefehl des Amtsgerichts B. sei der Fahrerlaubnisbehörde am 8. März 2024 mitgeteilt worden. Daraufhin habe die Fahrerlaubnisbehörde bereits am 12. März 2024 die Anordnung zur Beibringung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung getroffen. Somit sei der zeitliche Ablauf des Verwaltungsverfahrens auch in Hinblick auf den weiteren Gang des Verfahrens nicht zu beanstanden. Weshalb sich aus diesem Grund der Sofortvollzug verbiete, sei nicht nachvollziehbar. Aufgrund der feststehenden Alkoholfahrt spiele im vorliegenden Fall keine Rolle, dass der Antragsteller zurzeit keinen Alkohol konsumiere. Auch erschließe sich nicht, weshalb die Formulierung, dass „Zweifel/Bedenken“ hinsichtlich der Fahreignung bestünden, nicht den Anforderungen des § 46 Abs. 3 FeV genüge. Die Eignungszweifel ergäben sich nach § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c FeV daraus, dass der Antragsteller ein Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt habe. Dies gelte nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auch für die Fahrt mit einem Fahrrad oder einem, gemäß § 63a Abs. 2 StVZO zu den Fahrrädern zählenden, Pedelec. Die Ausführungen des Antragstellers zur Verhältnismäßigkeit, zum Gefährdungspotential sowie zu den konkreten Tatumständen seien daher nicht von Belang. Auch sei eine besondere Einstellung oder besondere Verhaltenssteuerung und Verhaltensumstellung im Sinne der Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV noch nicht zu erkennen. Die vorgelegten Abstinenznachweise seien nicht ausreichend, um dahingehende Zweifel zu begründen. Das Behördenschreiben vom 12. März 2024 sei hinreichend klar gegliedert und verständlich. Eine andere Bewertung sei auch nicht durch die einmalige Verwendung des Passus „ihr Mandant“ angezeigt. Insbesondere sei die Mitwirkungspflicht des Antragstellers hinreichend klar ersichtlich.
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3. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich des Verfahrens W 6 K 24.1329) sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
24
Bei verständiger Würdigung (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) ist der gestellte Antrag nach Ziffer 1, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamtes ... vom 15. Juli 2024 anzuordnen, dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner im Verfahren W 6 K 24.1329 erhobenen Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes ... vom 15. Juli 2024 begehrt (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO).
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Der so verstandene Antrag ist statthaft, da die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit aufgrund der in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides angeordneten sofortigen Vollziehung entfällt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
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Gemessen hieran hat der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 15. Juli 2024 keinen Erfolg, da die sofortige Vollziehung insoweit ordnungsgemäß angeordnet wurde und die angegriffenen Regelungen sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
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Der Antragsgegner durfte aufgrund der Nichtvorlage eines zu Recht geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der Fahreignung auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen (§ 11 Abs. 8 FeV), ihm in der Folge die Fahrerlaubnis entziehen sowie die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins anordnen.
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Der weitere Antrag, die Herausgabe des am 24. Juli 2024 bei der Fahrerlaubnisbehörde abgegebenen Führerschein anzuordnen, ist bei verständiger Würdigung (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) als Antrag auf Beseitigung der Vollzugsfolgen nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO zu verstehen. Auch Nr. 2 des Bescheides erweist sich nach summarischer Prüfung jedoch als rechtmäßig.
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1. Der Antrag nach Ziffer 1 der Antragsschrift vom 30. Juli 2024 ist zulässig aber unbegründet.
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1.1 Der Antrag ist zulässig, insbesondere auch soweit er sich auf die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht. Zwar hat der Antragsteller seinen Führerschein am 24. Juli 2024 bei der Fahrerlaubnisbehörde abgegeben. Jedoch hat sich die darauf bezogene Regelung des Bescheides trotz Erfüllung der angeordneten Verpflichtung nicht erledigt, da von ihr weiterhin Rechtswirkungen ausgehen, als dass sie den Rechtsgrund für das vorläufige Behaltendürfen dieses Dokuments darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris Rn. 22; VG München, B.v. 9.10.2023 – M 19 S 23.2625 – juris Rn. 28). Dem Antrag kommt damit auch insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis zu.
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1.2 Die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des Bescheides vom 15. Juli 2024 liegen vor.
33
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist gleichwohl eine auf den konkreten Einzelfall abstellende, nicht lediglich formelhafte Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Maßgebend ist, dass der Antragsgegner mit seiner Begründung in hinreichender Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Anordnung des Sofortvollzugs wegen der besonderen Situation im Einzelfall für unverzichtbar hält. Ausreichend ist jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalles eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Je nach Fallgestaltung können die Gründe für die sofortige Vollziehung auch ganz oder teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsaktes identisch sein und sich hierdurch das Begründungserfordernis reduzieren.
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Es ist zu beachten, dass sich die Behörde im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört, zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken kann, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Der Umstand, dass im streitgegenständlichen Bescheid angesprochene Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl anderer Verfahren zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden können, führt deshalb nicht zu einem Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (st.Rspr., vgl. z.B. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 11 CS 19.1041 – juris Rn. 16 m.w.N.; VG Würzburg, B.v. 20.6.2024 – W 6 S 24.738 – juris Rn. 65 f.; B.v. 29.4.2024 – W 6 S 24.564 – juris Rn. 41 f.).
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Gemessen hieran hat der Antragsgegner in der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides die typische Interessenlage in hinreichendem Umfang dargelegt. Das besondere öffentliche Interesse, die Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr sofort zu unterbinden und die Bestandskraft des Bescheids nicht abzuwarten, wird mit der Nichteignung bzw. den erheblichen Eignungszweifeln und der damit einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs begründet. Dieses öffentliche Interesse wurde mit den persönlichen Interessen des Antragstellers abgewogen, was den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt.
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Hinsichtlich der Nr. 2 stellt die Begründung in ausreichender Weise darauf ab, dass durch das Belassen des Führerscheins der Anschein erweckt werden könne, dass die damit verbundene Fahrerlaubnis weiterbesteht. Dass die Begründung zur sofortigen Vollziehbarkeit der Nr. 2 des Bescheides bereits unter der Überschrift „Zu Nr. 2“ erfolgt, steht der Rechtmäßigkeit der Begründung nicht entgegen. Maßgeblich ist allein, dass eine solche, einzelfallbezogene Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vorhanden ist und somit die vom Gesetzgeber mit § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bezweckte Warnfunktion der Begründung für die die sofortige Vollziehbarkeit anordnende Behörde Rechnung getragen wurde (vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 84 f. m.w.N.). Dieser Anforderung wird die Begründung mit ihrem Verweis auf die Gefahr eines durch den Führerschein erzeugten Rechtsscheins gerecht. An welcher Stelle des Bescheides die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu erfolgen hat, wird vom Gesetzgeber in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht vorgegeben.
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Der Antragsgegner hat somit dargelegt, warum er die sofortige Vollziehbarkeit für besonders eilbedürftig hält.
38
Dem rein formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist damit genügt. Ob die angegebenen Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen, ist eine Frage des materiellen Rechts (vgl. VG Würzburg, B.v. 31.5.2023 – W 6 S 23.588 – juris Rn. 37 m.w.N.).
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1.3 Eine summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass die Klage in der Hauptsache gegen die Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
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Diese Nummern erweisen sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). Das Gericht verweist insoweit zunächst auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheides (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung.
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Ergänzend ist auszuführen:
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides (stRspr.; zuletzt etwa: BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 9.21 – juris Rn. 13; U.v. 11.4.2019 – 3 C 14/17 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 7.9.2023 – 11 CS 23.1298 – juris Rn. 12).
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Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Bedenken an der Eignung sind nur zu klären, wenn konkrete Tatsachen bekannt geworden sind, die nachvollziehbar den Verdacht rechtfertigen, bei dem/der Betroffenen könne Ungeeignetheit oder eingeschränkte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen. Nicht jeder auf die entfernt liegende Möglichkeit eines Eignungsmangels hindeutende Umstand kann hinreichender Grund für Anforderung eines Gutachtens sein, insbesondere ist eine Gutachtensanordnung ohne belegte Tatsachen aufgrund des bloßen Verdachts rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2018 – 11 CS 17.1940 – juris Rn. 19; ThürOVG, B.v. 27.10.2021 – 2 EO 64/21 – juris Rn. 22).
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Die Fahrerlaubnisbehörde hat damit die Möglichkeit, zur Aufklärung der Fahreignung eines Fahrerlaubnisinhabers die Beibringung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist aber nur zulässig, wenn der Betroffene bei der Anordnung auf diese Rechtsfolge gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV hingewiesen worden und die Anordnung, ein Gutachten beizubringen, auch sonst rechtmäßig ist. Die Gutachtensanordnung muss unter Berücksichtigung der Vorgaben von § 11 Abs. 6 FeV insbesondere anlassbezogen, verhältnismäßig und hinreichend bestimmt sein (st.Rspr; vgl. etwa: BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 9.3.2021 – 11 CS 20.2793 – juris Rn. 11). Die Fahrerlaubnisbehörde muss in der Gutachtensanordnung in verständlicher Form die Gründe darlegen, die zu Zweifeln an der Kraftfahreignung geführt haben, was durch substantiierte Darlegung ihrer Eignungszweifel unter Angabe der Tatschen, auf denen diese beruhen, zu erfolgen hat (BVerwG, B.v. 5.2.2015 – 3 B 16/14 – juris Rn. 8). Steht die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fest, hat die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens zu unterbleiben (§ 11 Abs. 7 FeV; BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 11 ZB 21.163 – juris Rn. 15).
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Gemessen hieran konnte die Fahrerlaubnisbehörde nach Maßgabe von § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen, da dieser ein zu Recht gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten zur Überprüfung seiner Fahreignung nicht fristgerecht beigebracht hat.
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Die Fahrerlaubnisbehörde stützt die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zutreffend auf § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c FeV. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung von Eignungszweifeln die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde. Darunter fällt auch die erstmalige Fahrt mit einem Fahrrad, denn die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand stellt mit jedem Fahrzeug und somit auch mit einem Fahrrad eine gravierende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs dar (st.Rspr. des BayVGH, vgl. etwa B.v. 7.1.2020 – 11 CS 19.2237 – juris Rn. 11 sowie schon BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102/12 – juris Rn. 6 ff.). Dies gilt auch für Fahrten mit einem Fahrrad mit elektrischer Trethilfe (sog. Pedelec) im Sinne des § 63a Abs. 2 StVZO (BayVGH, B.v. 7.9.2023 – 11 CS 23.1298 – juris Rn. 13). Da eine festgestellte Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr den Verdacht eines die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauchs begründet, muss die Fahrerlaubnisbehörde den Eignungszweifeln nachgehen, unabhängig davon, welches Fahrzeug geführt worden ist. Ermessensspielraum besteht insoweit nicht.
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Ohne dass es im Ergebnis darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass auch der vom Bevollmächtigten des Antragstellers wiederholt angeführte Beschluss des OLG Karlsruhe bei der Frage, ob eine absolute Fahruntüchtigkeit gegeben ist, lediglich bei einer Blutalkoholkonzentration unterhalb von 1,6 Promille zischen Fahrrädern (inklusive Pedelecs) und E-Scootern differenziert (OLG Karlsruhe, B.v. 14.7.2020 – 2 Rv 35 Ss 175/20 – NJOZ 2021, 814 Rn. 11).
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Die konkreten Tatumstände, namentlich Tatzeit, Tatort oder das konkrete Verkehrsaufkommen zum Tatzeitpunkt spielen für die sicherheitsrechtliche Risikoabwägung im Rahmen des § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c FeV keine Rolle, da dieser (allein) auf das Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr abstellt. Der Begriff des Straßenverkehrs bezieht sich auf alle Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023 § 13 FeV Rn. 23d), umfasst also auch das Befahren eines öffentlichen Radweges.
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Bei summarischer Prüfung ist die Fahrerlaubnisbehörde zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller am 21. April 2023 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,46 Promille auf seinem Pedelec gefahren ist. Soweit der Antragsteller angibt, er habe die analysierte Blutprobe nicht am 22. April 2023 um 00:47 Uhr abgegeben, sondern bereits am 21. April 2023 um 00:47 Uhr, sodass für die in Rede stehende Unfallfahrt auf dem Pedelec kein Nachweis einer Alkoholfahrt vorliege, handelt es sich hierbei offenkundig um eine Schutzbehauptung des Antragstellers. Richtig ist, dass in der Begründung des Strafbefehls vom 17. August 2023 als Zeitpunkt der Blutabnahme der 21. April 2023 um 00:47 Uhr angegeben wird (Bl. 6 der Behördenakte). Jedoch handelt es sich hierbei offensichtlich um einen Schreibfehler, da als Zeitpunkt der sanktionierten Straftat der 21. April 2023 gegen 23:50 Uhr aufgeführt wird (ebenda).
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Dass die Blutabnahme am 22. April 2024 um 00:47 Uhr erfolgte, ergibt sich auch aus dem Polizeibericht vom 25. Juli 2023, in dem der Beamte angibt, am 21. April 2023 um 23:57 Uhr am Unfallort eingetroffen zu sein, daraufhin „um 00:00 Uhr“ den Antragsteller einen freiwilligen Atemalkoholtest durchführen ließ und ihn im weiteren Verlauf zur … Klinik nach B. verbracht habe, wo „um 00:47 Uhr eine Blutentnahme vom Arzt S* …“ durchgeführt worden sei (Bl. 2 f. der Behördenakte).
51
Überdies ist das Vorbringen des Antragstellers zur in Rede stehenden Blutprobe auch unschlüssig. Der Antragsteller hat weder gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde noch in seiner Antragsschrift bestritten, dass die entnommene Blutprobe von ihm stammt. Soweit er angibt, dass die Blutprobe bereits „ca. 23 Stunden“ vor dem Sturz mit dem Pedelec entnommen worden sei, fehlt es an jeglicher Darlegung, in welchem Kontext die Blutentnahme dann stattgefunden haben soll.
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Mithin durfte die Fahrerlaubnisbehörde davon ausgehen, dass der Antragsteller ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 Promille geführt hat. Damit wurden der Fahrerlaubnisbehörde Tatsachen bekannt, die Bedenken an der Fahreignung des Antragstellers begründen (§ 46 Abs. 3 FeV). Dies wurde durch die Behörde zutreffend festgestellt. Dass die Behörde hierbei (auch) den Begriff „Zweifel“ verwandte (Bl. 8 der Behördenakte), ist unschädlich, da beide Begriffe im vorliegenden Kontext nach allgemeinem Sprachgebrauch synonym verwendet werden können. Eine Verpflichtung der Behörde, bei der Subsumtion unter Normen ausschließlich auf die im Normtext gewählten Begrifflichkeiten zurückzugreifen, besteht nicht.
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Auch im Übrigen begegnet die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 4. Januar 2023 im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Sie genügt den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FeV.
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Danach legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur FeV in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FeV teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat. Außerdem ist ihm mitzuteilen, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (§ 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV). Die Aufforderung muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein und der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das dort Mitgeteilte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen kann (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2022 – 11 CS 22.1529 – juris Rn. 28 m.w.N.).
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Eine Mitteilung nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV durch die Behörde erfolgte nicht. Der Fehler ist jedoch im vorliegenden Fall gemäß Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich. Mit Blick auf die Bedeutung des Hinweises gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV ist ein strenger Maßstab für die Anwendung von Art. 46 BayVwVfG geboten. Eine offensichtlich fehlende Kausalität zwischen dem unterbliebenen Hinweis und der Nichtvorlage des Gutachtens kann etwa dann angenommen werden, wenn der Betroffene ungeachtet eines fehlenden Hinweises in die zu übersendenden Unterlagen Einsicht genommen hat. Ausreichend ist somit die Einsichtnahme in die Behördenakte durch den Betroffenen oder dessen Bevollmächtigten (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20/15 – juris Rn. 32).
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Gemessen daran hatte der unterbliebene Hinweis nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV offenkundig keinen Einfluss auf die Nichtvorlage des Gutachtens, da dem Bevollmächtigten des Antragstellers – ausweislich der Anwaltsschreiben vom 26. März 2024 und vom 11. Juni 2024 – Einsicht in die Behördenakte gewährt wurde. Der Verfahrensfehler hatte somit offenkundig keinen Einfluss auf die Nichtvorlage des Gutachtens und beeinflusste somit im Ergebnis auch nicht die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis.
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Im Übrigen genügt die Gutachtensanordnung vom 12. März 2024 den obigen Anforderungen. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Gründe erläutert, weshalb Zweifel an seiner Fahreignung bestehen. Eine andere Bewertung ist auch nicht auf Grundlage des Vorbringens des Antragstellers geboten.
58
Die Gutachtensanordnung legt den zugrundeliegenden Sachverhalt hinreichend verständlich und nachvollziehbar dar. Hinsichtlich der Einwände wegen des Übertragungsfehlers bezüglich des Zeitpunktes der Entnahme der Blutprobe wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Unklarheiten hinsichtlich des zugrundeliegenden Sachverhalts ergeben sich demzufolge nicht.
59
Soweit der Antragsteller vortragen lässt, dass in der Gutachtensanordnung an einer Stelle die Formulierung „Ihr Mandant“ zu finden ist (Bl. 10 der Behördenakte), ist bereits nicht schlüssig vorgetragen, wie sich hieraus Missverständnisse für einen rechtsunkundigen Leser ergeben sollen, da es sich hierbei offenkundig um ein Versehen des Erstellers des Schreibens handelt, welches keine erkennbaren Auswirkungen auf die Verständlichkeit des Inhalts hat.
60
Auch ist der Vortrag, die Fahrerlaubnisbehörde habe ausweislich des ersten Satzes des Schreibens vom 12. März 2024 lediglich eine „Begutachtung“ nicht jedoch die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet, nicht nachvollziehbar. Das Schreiben vom 12. März 2024 ist mit „Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU)“ überschrieben (Bl. 8 der Behördenakte) und wiederholt dies im Fettdruck auf Seite 2 des Schreibens mit den Worten „Wir ordnen deshalb die Vorlage eines MPU-Gutachtens […] an“ (Bl. 9 der Behördenakte). Zwar wurde im ersten Satz des Schreibens die Formulierung „Begutachtung“ gewählt, jedoch wurde weder vom Antragsteller schlüssig dargelegt noch ist in sonstiger Weise ersichtlich, dass die gewählte Formulierung im Gesamtkontext des Schreibens geeignet sein könnte, Missverständnisse an der dem Antragsteller mit dem Schreiben aufgetragenen Handlung hervorzurufen. Überdies handelt es sich bei dem Begriff „Begutachtung“ nach allgemeinen Sprachverständnis um einen Oberbegriff, der auch die medizinisch-psychologische Untersuchung als Unterkategorie umfasst.
61
Es wurde mit § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c FeV die für die vorliegende Konstellation zutreffende Rechtsgrundlage benannt. Die konkrete Fragestellung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Diese ist im Hinblick auf die zu klärenden Fahreignungsbedenken aufgrund einer Trunkenheitsfahrt mit einem Pedelec anlassbezogen und auch angemessen und verhältnismäßig. Insbesondere zielt die Fragestellung auf die Klärung der Frage ab, ob der Antragsteller über ein hinreichendes Trennungsvermögen zwischen dem Führen eines Fahrzeugs und einem die Fahreignung ausschließenden Alkoholkonsum verfügt, welches für die Feststellung eines Alkoholmissbrauchs im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV maßgeblich ist. Auch die gesetzte Frist zur Beibringung des Gutachtens bis zum 14. Juni 2024 war ausreichend bemessen, um eine Begutachtung durchführen zu können.
62
Die Entziehung der Fahrerlaubnis auf Basis von § 11 Abs. 8 FeV verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ein solcher Verstoß kommt insbesondere nicht in Hinblick auf Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV in Betracht, da nach summarischer Prüfung im Zeitpunkt des Bescheidserlasses keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Antragsteller seine Fahreignung wiedererlangt haben könnte. Gemäß der Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV setzt die Wiedererlangung der Fahreignung nach vorangegangenem Alkoholmissbrauch voraus, dass eine Beendigung des Missbrauchs stattgefunden hat. Besitzt eine Person nicht die Willenskraft oder die Entscheidungsfähigkeit, die Aufnahme von Alkohol an dem Punkt zu beenden, jenseits dessen dieses Rauschmittel Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit zeitigt, bzw. ab dieser Schwelle vom Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr konsequent Abstand zu nehmen, lässt sich ihre Fahreignung nur bejahen, wenn sie sich vollständig des Alkoholgenusses enthält. Auch bei fehlender Alkoholabhängigkeit kann es deshalb unter fahrerlaubnisrechtlichem Blickwinkel geboten sein, die Forderung nach – in der Regel mindestens einjährigem – Alkoholverzicht zu erheben (BayVGH, B.v. 28.7.2011 – 11 ZB 11.7907 – juris Rn. 5).
63
Gemessen daran liegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV nicht vor. Ungeachtet der Frage, ob die vorgelegten Abstinenznachweise den Anforderungen des Fahrerlaubnisrechts genügen, weisen diese lediglich einen Abstinenzzeitraum über drei Monate nach. Zwar ist die Schwelle von mindestens einem Jahr nicht als starre Grenze zu verstehen, bei einer wesentlichen Unterschreitung bestehen jedenfalls begründete Zweifel an einer hinreichenden Kompensationsleistung im Sinne der Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV, sodass auch nach Nr. 3 Satz 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV die Klärung im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung angezeigt ist.
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Überdies hat der Antragsteller auch nichts vorgetragen, das Rückschlüsse auf die Ursache der erheblichen Alkoholisierung in der Nacht vom 21. April 2023 auf den 22. April 2023 sowie die Beweggründe, die den Antragsteller zur Trunkenheitsfahrt mit dem Pedelec veranlassten, ziehen lassen. Somit liegen auch keinerlei Anhaltspunkte vor, die auf eine Kompensation durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerung und -umstellungen hinweisen. Im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren obliegt es dabei grundsätzlich dem Fahrerlaubnisinhaber, das in seiner Person gegebene Bestehen solcher atypischen Umstände substantiiert darzulegen. Dies ist vorliegend nicht geschehen.
65
Nach alledem durfte der Antragsgegner nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen, da er das nach obigen Ausführungen zu Recht geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht innerhalb der (ausreichend bemessenen) Frist bis zum 14. Juni 2024 vorgelegt hat.
66
Die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung steht nicht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde, weshalb die genannten hiermit verbundenen einschneidenden beruflichen und privaten Konsequenzen für den Antragsteller keine Berücksichtigung finden können.
67
Nach alledem hat die Klage gegen die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg.
68
1.4 Auch bei Abwägung der gegenseitigen Interessen war kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage festzustellen. Es ist nicht verantwortbar, den Antragsteller bis zur eventuellen Bestandskraft der Fahrerlaubnisentziehung am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind. Die sicherheitsrechtliche Fahrerlaubnisentziehung ist eine präventive Maßnahme zum Schutz der Sicherheit im Straßenverkehr. Sie mag im Einzelfall einschneidende Folgen für die Lebensführung des Betroffenen haben, jedoch können persönliche Härten für den Antragsteller beim Entzug der Fahrerlaubnis, der als sicherheitsrechtliche Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit ergeht, nicht berücksichtigt werden. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung käme nur dann in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafürsprächen, dass der Antragsteller nicht bzw. nicht mehr fahrungeeignet ist und sich abschätzen ließe, dass das von ihm ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte. Es überwiegen deshalb die öffentlichen Interessen an der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs und das Interesse, die Teilnahme ungeeigneter Kraftfahrern am Straßenverkehr wirkungsvoll zu verhindern.
69
Auch der Zeitraum zwischen dem in Rede stehenden Vorfall am 21. April 2023 und der Entziehung der Fahrerlaubnis am 15. Juli 2024 ändert nichts daran, dass – wie oben ausgeführt – ein besonderes öffentliches Interesse daran besteht, den öffentlichen Straßenverkehr von potentiell ungeeigneten Kraftfahrern im Sinne des Schutzes der Allgemeinheit freizuhalten. Überdies ist diese Zeitspanne von knapp 15 Monaten auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers in § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG zurückzuführen, wonach ein Entziehungsverfahren nicht zeitgleich zu einem anhängigen Strafverfahren betrieben werden darf, sodass die Fahrerlaubnisbehörde erst mit Rechtskraft des Strafbefehls vom 17. August 2023 zum 8. März 2024 tätig werden durfte.
70
Auch der Umstand, dass zwischen dem Tätigwerden der Fahrerlaubnisbehörde mit der Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens am 12. März 2024 und dem Erlass des Bescheides am 15. Juli 2024 gut fünf Monate vergangen sind, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Zeitspanne ist erkennbar durch die dem Antragsteller mit Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde vom 12. März 2024 gesetzte Frist zur Beibringung des Gutachtens bis 14. Juni 2024 und durch die dem Antragsteller mit Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde vom 24. Juni 2024 übersandte Aufforderung, bis zum 11. Juli 2024 zu der geplanten Fahrerlaubnisentziehung Stellung zu nehmen, begründet. Das Fristsetzungserfordernis ergibt sich in beiden Fällen kraft Gesetzes gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bzw. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Eine darüberhinausgehende Verzögerung des Verwaltungsverfahrens durch die Fahrerlaubnisbehörde wurde weder vom Antragsteller dargelegt noch ist diese in sonstiger Weise ersichtlich.
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2. Hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheides ausgesprochenen Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins sind Fehler weder erkennbar noch vorgetragen. Insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Auch insoweit sieht der Gesetzgeber in § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV keinen behördlichen Ermessensspielraum vor.
72
Der unter Ziffer 2 der Antragsschrift vom 30. Juli 2024 gestellte Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Anordnung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO ist insoweit ebenfalls abzulehnen.
73
3. Der Antrag war daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
74
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Maßgeblich ist die Fahrerlaubnis der Klasse B, welche die anderen Klassen mitumfasst (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV). Für diese ist nach Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs der Auffangwert in Höhe von 5.000,00 EUR anzusetzen, der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs auf 2.500,00 EUR zu halbieren war.