Titel:
Kontrollauflage im Hinblick auf bedingte Fahreignung wegen obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms ohne Tagesmüdigkeit
Normenketten:
FeV § 46 Abs. 2 S. 1, Anl. 4 Nr. 11.2.3
StVG § 2 Abs. 4 S. 2
Leitsatz:
Das Fehlen einer messbaren Tagesschläfrigkeit bei einer Schlafapnoe-Erkrankung ist Voraussetzung, um überhaupt von einer wenigstens bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen zu können. Das Fehlen einer messbaren Tagesschläfrigkeit steht daher der Feststellung einer bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und damit einhergehend der Möglichkeit der Anordnungen von Auflagen durch die Fahrerlaubnisbehörde nicht entgegen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fahrerlaubnis, bedingte Fahreignung, Kontrollauflagen, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, fehlende Tagesmüdigkeit, Nachbegutachtung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 29.10.2024 – 11 CS 24.1155
Fundstelle:
BeckRS 2024, 30404
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gegen Auflagen im Zusammenhang mit seinen Fahrerlaubnissen.
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Der Antragsteller ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A2, AM, B, BE, C1, C1E, L und T sowie einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung für Taxi, Mietwagen, Personenkraftwagen im Linienverkehr, für gewerbsmäßige Ausflugsfahrten oder Ferienziel-Reisen und für Krankenkraftwagen.
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Der Antragsteller beantragte am 9. Juni 2020 bei der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamtes (LRA) Deggendorf die Verlängerung der Gültigkeit seiner befristeten Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Dabei legte er ein betriebsmedizinisches Zeugnis vor, aus dem das Bestehen eines Diabetes mellitus Typ 2 hervorging. Das LRA Deggendorf ordnete deshalb gegenüber dem Antragsteller die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens zur Überprüfung der Kraftfahrereignung an. Einem daraufhin vorgelegten fachärztlichen internistischen Gutachten vom 19. August 2020 waren die Diagnosen „Diabetes mellitus Typ 2“, „Arterielle Hypertonie“ und „obstruktives Schlafapnoe-Syndrom“ zu entnehmen. Nach Durchführung weiterer Begutachtungen durch den TÜV Nord beließ das LRA Deggendorf dem Antragsteller mit Bescheid vom 10. August 2021 die ihm erteilten Fahrerlaubnisse unter Auflagen. Auf Widerspruch des Antragstellers hin hob das LRA Deggendorf mit Teilabhilfebescheid vom 4. Januar 2022 die verfügten Auflagen mit Ausnahme einer fachärztlichen Nachbegutachtung in zwei Jahren (August 2023) auf.
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Vom 17. bis 18. Januar 2024 unterzog sich der Antragsteller einer ambulanten Schlafapnoe-Messung, bei welcher u.a. ein „Respiratory Event Index (REI)“ von 28,1/h festgestellt wurde.
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Am 30. Januar 2024 ging beim LRA Deggendorf ein „Fachärztliches verkehrsmedizinisch-diabetologisches Gutachten“ vom 25. Januar 2024 über den Antragsteller ein. Darin wird Folgendes festgestellt: Die Diabeteserkrankung befinde sich nach einer bariatrischen Magen-Operation in sogenannter Vollremission, es seien also aktuell weder klinisch manifeste Erkrankungsanzeichen zu finden, noch bestünden laborchemische Auffälligkeiten. Der Zustand sei somit aktuell nicht von dem eines Gesunden zu unterscheiden. Es fänden aber weiterhin regelmäßige ärztliche Kontrollen statt. Selbiges gelte für die Hypertonieerkrankung. Die Schlafapnoe-Erkrankung habe sich ebenfalls massiv verbessert, es bestehe zum jetzigen Zeitpunkt noch ein mittelgradiges Schlafapnoe-Syndrom. Es bestehe keine erhöhte Tagesmüdigkeit mehr, es komme auch nicht zu Sekundenschlafepisoden. Eine Untersuchung beim Spezialisten sei zuletzt am 18. Januar 2024 erfolgt, eine Anbindung an die Schlafambulanz bestehe, weitere Kontrollen seien geplant. Der Antragsteller sei trotz des Vorliegens von Erkrankungen, die nach Nrn. 4.2, 5 und 11.2.3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Fahreignung in Frage stellen, (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 vollständig gerecht zu werden. Beim Antragsteller liege eine ausreichende Adhärenz/Compliance/Krankheitseinsicht vor. Es seien Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden. Die Schlafapnoe-Erkrankung könne mit einem hohen Risiko für Tagesmüdigkeit, Einschränkungen der Vigilanz und Reaktionsfähigkeit assoziiert sein. Regelmäßige Kontrollen erschienen somit angebracht. Eine Nachbegutachtung hinsichtlich der Schlafapnoe-Erkrankung sei für die Gruppe 1 nach drei Jahren nötig, für die Gruppe 2 bereits nach einem Jahr. Dies folge den Vorgaben der Begutachtungsleitlinien zur Schlafapnoe bzw. Tagesmüdigkeit und diene dazu, den Grad der Therapie-Compliance, die ggf. vorhandene Notwendigkeit einer Maskenbehandlung und die Vigilanzsituation zu überprüfen bzw. sicherzustellen. Eine Notwendigkeit für eine Nachuntersuchung hinsichtlich Diabetes- und Hypertonieerkrankung werde nicht gesehen.
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Mit Bescheid vom 28. Februar 2024, der Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 9. März 2024, beließ das LRA Deggendorf dem Antragsteller seine ihm erteilten Fahrerlaubnisse (Nr. 1 des Bescheides) und ordnete hinsichtlich der Schlafapnoe-Erkrankung eine fachärztliche Nachbegutachtung in einem Jahr (Januar 2025) für die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 (Nr. 2 des Bescheides) sowie eine fachärztliche Nachbegutachtung in drei Jahren (Januar 2027) für die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 an (Nr. 3 des Bescheides). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 2 und 3 wurde angeordnet (Nr. 4 des Bescheides). Die Bescheidskosten i.H.v. 28,45 EUR wurden dem Antragsteller auferlegt (Nr. 5 des Bescheides).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, nach den getroffenen Feststellungen bestehe beim Antragsteller eine Erkrankung, die auch für die Kraftfahreignung von Bedeutung sei. Gemäß § 11 FeV i.V.m. Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zur FeV sei bei Vorliegen dieser Erkrankung (Schlafapnoe-Syndrom) die Kraftfahreignung nur bedingt gegeben. Auf das vorgelegte Gutachten vom 25. Januar 2024 werde hingewiesen. Dieses sei für die Fahrerlaubnisbehörde schlüssig und nachvollziehbar. Die verfügten Auflagen seien notwendig, um die weitere Entwicklung der Erkrankung zu beurteilen, da bei einer Verschlechterung die Kraftfahreignung wieder in Frage gestellt werde. Insbesondere könne die Erkrankung mit einem hohen Risiko für Tagesmüdigkeit, Einschränkungen der Vigilanz und der Reaktionsfähigkeit assoziiert sein. Eine fachärztliche Nachbegutachtung aufgrund des Besitzes der Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 sei bereits nach einem Jahr und für Kraftfahrzeuge der Gruppe 3 nach drei Jahren notwendig (Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zur FeV). Unter Abwägung der Interessen des Antragstellers mit dem Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer an der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs seien die aufgeführten Auflagen angemessen und verhältnismäßig. Sie seien geeignet, um den Verlauf der bestehenden Erkrankung zu beurteilen und somit auch die weitere Fahreignung feststellen zu können. Sie stellten auch das mildeste und am wenigsten einschneidende Mittel zur weiteren Aufklärung der Sachlage dar. Aufgrund des erwiesenermaßen hohen Gefahrenpotenzials, das von ungeeigneten Kraftfahrzeugführern ausgehe, müssten die persönlichen Interessen des Antragstellers vor der öffentlichen Verpflichtung zur Erhaltung der Sicherheit im Straßenverkehr zurückstehen. Die Anordnung des sofortigen Vollzugs stütze sich auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass die Auflagen vollzogen und somit abgeklärt werde, ob die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen weiterhin bestehe. Aufgrund der vorliegenden fahreignungsrelevanten Erkrankung bestünden ernsthafte Zweifel an der uneingeschränkten Kraftfahreignung, die durch die letzte verkehrsmedizinische Begutachtung vom 25. Januar 2024 weiterhin aufgezeigt worden seien. Würde auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung verzichtet, könne der Antragsteller, wenn er den Rechtsweg ausschöpfe, noch über längere Zeit Kraftfahrzeuge führen, obwohl die hierfür erforderliche Eignung nicht vorliege. Auf diese Weise stelle der Antragsteller ein hohes Sicherheitsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer dar, da deren Leib, Leben oder Gesundheit gefährdet werde. Auf soziale Belange, wie berufliches Angewiesensein auf die Fahrerlaubnis oder wirtschaftliche Folgen könne der Antragsteller sich nicht berufen. Die von ungeeigneten Kraftfahrern ausgehenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer seien nicht deshalb geringer, weil der Betroffene z.B. berufsbedingt am Straßenverkehr teilnehmen möchte. Das individuelle Interesse am Erhalt der Fahrerlaubnis müsse somit gegenüber den besonderen Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zurücktreten.
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Mit Schreiben vom 8. April 2024, eingegangen beim LRA Deggendorf am selben Tag, ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Widerspruch gegen die Nrn. 2 bis 5 des Bescheides vom 28. Februar 2024 erheben.
9
Mit Schriftsatz vom 8. April 2024, eingegangen bei Gericht am 9. April 2024, hat der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen lassen.
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Vorgetragen wird, dass entgegen einer vereinbarten Regelung zwischen den Beteiligten im Widerspruchsverfahren zum Bescheid vom 10. August 2021 – allein fachärztliche Nachbegutachtung im August 2023 – nun erneut zweijährige Nachbegutachtungen hinsichtlich der Schlafapnoe-Erkrankung angeordnet würden. Darüber hinaus bestehe auch keine medizinische Notwendigkeit für diese kostenintensiven Maßnahmen. Der Antragsteller sei vollumfänglich zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet. Eine ambulante Schlafapnoe-Messung vom 17. bis 18. Januar 2024 habe hinsichtlich der hier ausschlaggebenden Tagesschläfrigkeit einen unauffälligen Befund ergeben. Zudem bestehe kein überwiegendes Interesse am Vollzug der Auflagen. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei bereits deshalb nicht gegeben, da die Nachbegutachtungen erst für Januar 2025 und Januar 2027 angeordnet seien.
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Der Antragsteller beantragt,
- 1.
-
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28.02.2024 wiederherzustellen.
- 2.
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Der Antragsgegner trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Der Antragsgegner beantragt,
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Der Antragsgegner tritt dem Vorbringen des Antragstellers unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids entgegen. Darüber hinaus wird ausgeführt, es bestehe eine medizinische Notwendigkeit für eine fachärztliche Nachbegutachtung. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Fahrerlaubnisbehörde sich in Widerspruch zu den Ergebnissen des von ihr angeordneten Gutachtens setzten sollte. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei im Hinblick auf das noch ausstehende Hauptsacheverfahren geboten und erforderlich. Mit einer Entscheidung der Widerspruchsbehörde könne mit Sicherheit nicht in den kommenden sechs Monaten gerechnet werden. Der Antragsteller müsse sich aber bereits im Oktober 2024 bei einem Verkehrsmediziner anmelden, um noch rechtzeitig im Januar 2025 hinsichtlich der Schlafapnoe-Erkrankung begutachtet werden zu können. Im Hinblick auf die übrigen Straßenverkehrsteilnehmer stehe einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs jegliches sicherheitsrechtliche Interesse der Allgemeinheit entgegen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Der Antrag ist nach § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs hinsichtlich der Nrn. 2 und 3 des Bescheides vom 28. Februar 2024 wiederhergestellt werden soll. Diese Einschränkung des schriftsätzlich gestellten Antrags folgt der insoweit erfolgten Klarstellung in der Begründung des Antragschrift vom 8. April 2024.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Klage anordnen bzw. wiederherstellen. Soweit die Behörde den Sofortvollzug besonders angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), ist zunächst zu überprüfen, ob die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt. Nur wenn dies der Fall ist oder wenn es sich um einen Verwaltungsakt handelt, der kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, trifft das Gericht eine eigene, originäre Interessenabwägung (vgl. BVerwG, B.v. 22.03.2010 – 7 VR 1.10 – beck-online Rn.13; BayVGH, B.v. 12.07.2010 – 14 CS 10.327 – beck-online Rn. 21). Das Gericht hat dann bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs oder der Klage abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind als wesentliches Indiz für und gegen den gestellten Antrag die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche und gebotene summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich hingegen der Rechtsbehelf schon bei der gebotenen und erforderlichen summarischen Prüfung als offensichtlich erfolgreich, besteht hingegen kein Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids. Ist der Ausgang des Hauptsachverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer reinen Interessenabwägung (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 12.07.2010 – 14 CS 10.327 – beck-online Rn. 21).
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Unerheblich ist insoweit, ob die gegebene Begründung inhaltlich richtig ist und ein überwiegendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug tatsächlich vorliegt. Diese materiell-rechtlichen Aspekte fließen erst in die originäre Ermessensentscheidung des Gerichts im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ein (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2022 – 20 CS 22.1069 – beck-online Rn. 3).
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Der Antragsgegner hat das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs formell hinreichend begründet. An den Inhalt der Begründung sind im vorliegenden Fall keine hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere bei Kraftfahrern, die nicht uneingeschränkt geeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs sind, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 13). Bei dieser häufig wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltung, der eine typische Interessenlage zugrunde liegt, reicht es aus, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2013 – 11 CS 13.785 – beck-online Rn. 7). Es liegt in der Regel auf der Hand, dass die Teilnahme eines für ungeeignet erachteten Kraftfahrers am Straßenverkehr zu erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer führt, und dass ein solcher Kraftfahrer zur Vermeidung der von ihm ausgehenden akuten Gefahr durch die Anordnung des Sofortvollzugs des Entziehungsbescheids schnellstmöglich von der weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634 – beck-online Rn. 6; B.v. 27.10.2016 – 11 CS 16.1388 – beck-online Rn. 3). Gleiches gilt auch bei festgestellter bedingter Eignung, die nur unter Auflagen die Sicherheit des Straßenverkehrs gewährleistet (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 11 CS 18.2302 – beck-online Rn. 11). Diesen Anforderungen genügt die im Bescheid vom 28. Februar 2024 gegebene Begründung des Sofortvollzugs.
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Das Gericht gelangt für das vorliegende Verfahren zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der im Bescheid in den Nrn. 2 und 3 erteilten Auflagen das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiegt. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Überprüfung der Sach- und Rechtslage hat sein Widerspruch keine überwiegenden Erfolgsaussichten. Im vorliegenden Fall ergibt sich bei summarischer Prüfung nach Aktenlage, dass der Widerspruch gegen die Auflagen zulässig, aber unbegründet ist.
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Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erteilten Auflagen ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also des Erlasses des Bescheids vom 28. Februar 2024, nachdem über den eingelegten Widerspruch bislang nicht entschieden worden ist.
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Rechtsgrundlage für die Anordnung von Auflagen zu einer bestehenden Fahrerlaubnis ist § 2 Abs. 4 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 FeV, wonach die Fahrerlaubnisbehörde erforderliche Auflagen anordnet, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis noch als bedingt geeignet zum Führen von Kraftahrzeugen erweist. Hierbei sind die Anlagen 4, 5 und 6 zur FeV zu berücksichtigen (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 3 FeV). Der im gegenständlichen Bescheid daneben als Rechtsgrundlage genannte § 23 Abs. 2 Satz 1 FeV ist hingegen in der vorliegenden Fallgestaltung schon nach seiner systematischen Stellung (gehört zu Abschnitt Nr. 3 der FeV: „Verfahren bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis“) nicht einschlägig. Da beide Vorschriften aber dieselben Voraussetzungen haben [bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und gebundene Entscheidung (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, FeV, 47. Aufl. 2023, § 23 Rn. 11), kann die Stützung der Auflagen auf diese weitere Rechtsgrundlage von vornherein keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt haben.
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Der Antragsgegner ist zu Recht von einer bedingten Eignung des Antragstellers zur Führung von Kraftfahrzeugen aufgrund seiner Schlafapnoe-Erkrankung ausgegangen. Dies ergibt sich aus dem vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Gutachten vom 25. Januar 2024. In diesem wird dargelegt, dass beim Antragsteller derzeit ein mittelgradiges Schlafapnoe-Syndrom besteht, für welches weitere Kontrollen geplant sind. Die Diagnose eines mittelgradigen Schlafapnoe-Syndroms korrespondiert mit den Ergebnissen der beim Antragsteller am 18. Januar 2024 durchgeführten ambulanten Schlafapnoe-Messung (Bl. 22 der Gerichtsakte), die einen „Respiratory Event Index (REI)“ von 28,1/h ergeben hat. Nach Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zur FeV sowie Nr. 3.11.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Stand 1. Juni 2022) ist ein mittelschweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom bei einem Apnoe-Hypopnoe-Index zwischen 15 und 29 pro Stunde gegeben.
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Anknüpfend an die Diagnose wird im Gutachten vom 25. Januar 2024 ausgeführt, dass das Schlafapnoe-Syndrom beim Antragsteller zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit einer erhöhten Tagesmüdigkeit oder Sekundenschlafepisoden einhergeht, sodass insofern die Fahreignung aktuell gegeben ist (Nr. 5.2.2 des Gutachtens). In der Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung (Nr. 5.3 des Gutachtens) kommt der ausstellende Arzt demgemäß zur Einschätzung, dass der Antragsteller (wieder) in der Lage ist, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 vollständig gerecht zu werden. Nachvollziehbar und schlüssig wird sodann dargelegt, dass jedoch Auflagen erforderlich sind, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges weiterhin gerecht zu werden, da die Schlafapnoe-Erkrankung mit einem hohen Risiko für Tagesmüdigkeit, Einschränkungen der Vigilanz und Reaktionsfähigkeit assoziiert sein kann und somit regelmäßige Kontrollen angezeigt scheinen. Geboten sei eine Nachbegutachtung hinsichtlich der Schlafapnoe-Erkrankung in einem Jahr für die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 sowie in drei Jahren für die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Gruppe 1. Die Nachbegutachtung diene dazu, den Grad der Therapie-Compliance, die ggf. vorhandene Notwendigkeit einer Maskenbehandlung und die Vigilanzsituation zu überprüfen bzw. sicher zu stellen. Diese gutachterlichen Ausführungen können in ihrer Gesamtschau nur als Feststellung einer bedingten Kraftfahreignung unter Verbindung mit aus medizinischer Sicht erforderlichen Auflagen verstanden werden.
25
Die im Gutachten für erforderlich gehaltenen Auflagen entsprechen auch den zur Schlafapnoe-Erkrankung in Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zur FeV aufgeführten „Beschränkungen/Auflagen bei bedingter Eignung“. Ebenso wird in Nr. 3.11.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung ausgeführt, dass sich Fahrzeugführer mit mittelschwerem oder schwerem obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom, die sich in Behandlung befinden, einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle in Abständen von höchstens drei Jahren für Fahrer der Gruppe 1 und einem Jahr für Fahrer der Gruppe 2 unterziehen müssen, um den Grad der Therapie-Compliance, die Notwendigkeit einer Fortsetzung der Behandlung sowie eine weiterhin hohe Vigilanz zu überprüfen bzw. sicher zu stellen. Die Wertungen in der Anlage 4 zur FeV sind normativ und damit grundsätzlich verbindlich (vgl. BayVGH, B.v. 30.6.2005 – 11 CS 05.888 – juris Rn. 22), bei den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung handelt es sich um einen Niederschlag sachverständiger Erfahrung mit Gewicht (vgl. BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 3 C 32/07 – juris Rn. 16). Es ist nicht erkennbar und auch vom Antragsteller nicht dargelegt, weshalb diese normativen und sachverständigen Wertungen im Falle seiner Erkrankung nicht zutreffen sollten. Soweit der Antragsteller meint, er sei uneingeschränkt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet und Nachbegutachtungen seien nicht erforderlich, da die letzte Schlafapnoe-Messung hinsichtlich der Tagesschläfrigkeit einen unauffälligen Befund ergeben habe, verkennt er, dass das Fehlen einer messbaren Tagesschläfrigkeit Voraussetzung ist, um überhaupt von einer wenigstens bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen zu können (vgl. Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zur FeV: Eignung oder bedingte Eignung besteht „unter geeigneter Therapie und wenn keine messbare Tagesschläfrigkeit mehr vorliegt“). Das Fehlen einer messbaren Tagesschläfrigkeit steht daher der Feststellung einer bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und damit einhergehend der Möglichkeit der Anordnungen von Auflagen durch die Fahrerlaubnisbehörde nicht entgegen.
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Der Antragsgegner hat somit nach Aktenlage die in den Nrn. 2 und 3 des Bescheides vom 28. Februar 2024 angeordneten Auflagen zu Recht verfügt. Sie widersprechen auch keiner anlässlich des Bescheides vom 10. August 2021 „vereinbarten Regelung“ zwischen Antragsteller und Antragsgegner. Die in Nr. 1 Spiegelstrich 4 des Bescheides vom 10. August 2021 verfügte Auflage einer fachärztlichen Nachbegutachtung in zwei Jahren (August 2023) ist nach Teilrücknahme des zunächst eingelegten Widerspruchs bestandskräftig geworden. Weder dem Wortlaut dieser Auflage, noch der Begründung des Bescheids vom 10. August 2021 und des Teilabhilfebescheids vom 4. Januar 2022, noch dem sonstigen Akteninhalt lässt sich entnehmen, dass der Antragsgegner in diesem Zusammenhang – zumal unabhängig vom Ergebnis der geforderten Nachbegutachtung im August 2023 – einen Verzicht auf zukünftige weitere Nachbegutachtungen des Antragstellers erklärt hätte.
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Schließlich hat der Antragsgegner auch das vom bloßen Erlassinteresse des Verwaltungsaktes zu unterscheidende überwiegende öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug der Auflagen aus materieller Sicht hinreichend begründet. Wie oben ausgeführt, sind Erlass- und Vollzugsinteresse vorliegend typischerweise identisch und es besteht bei Kraftfahrern, die nicht uneingeschränkt zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet sind, in aller Regel ein besonderes öffentliches Interesse, potentiell verkehrsgefährdendem Verhalten ohne Zeitverlust entgegenzuwirken. Der Antragsgegner hat daher zu Recht darauf verwiesen, dass die Vollziehung der Auflagen – und damit die von fachkundiger ärztlicher Seite für erforderlich gehaltenen Nachbegutachtungen hinsichtlich der weiteren Kraftfahreignung des Antragstellers – durch die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage nicht in Frage gestellt werden darf. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Nachbegutachtungen erst im Januar 2025 bzw. Januar 2027 erforderlich sind (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 11 CS 18.2302 – beck-online Rn. 11). Der Antragsgegner hat nachvollziehbar dargelegt, dass derartige Nachbegutachtungen mehrere Monate im Voraus beauftragt werden müssen. Zudem liegt es auf der Hand, dass im Fall der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage die Einhaltung dieser Fristen in Frage gestellt sein kann, eine weitere Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr aber nur verantwortbar ist, wenn festgestellt wurde, dass sich seine Schlafapnoe nicht in einer die Kraftfahreignung in Frage stellenden Weise verschlechtert hat. Eben für diese Feststellung ist eine Nachbegutachtung des Antragstellers innerhalb der im ärztlichen Gutachten vom 25. Januar 2024, der FeV sowie den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung genannten Zeitintervalle erforderlich.
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und der Empfehlung in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.