Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 17.07.2024 – AN 17 K 23.50620
Titel:

Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsfeststellung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG für einen in Griechenland anerkannten Schutzberechtigten

Normenketten:
EMRK Art. 3
GRCh Art. 4
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 34 Abs. 1 Nr. 4, § 35, § 36 Abs. 1
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7 S. 1, S. 6, § 60a Abs. 1 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5
Leitsätze:
1. Eine erfolgreiche Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsfeststellung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG führt in der Folge zur gewünschten inhaltlichen Prüfung und Entscheidung des Asylantrags durch das BAMF, ohne dass es eines zusätzlichen Verpflichtungsantrags auf die Durchführung des Asylverfahrens bedarf (vgl. BVerwG BeckRS 2017, 118013; VGH München BeckRS 2016, 55023). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach den zur Verfügung stehenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ist davon auszugehen, dass in Griechenland anerkannte international Schutzberechtigte, jedenfalls soweit sie keine besondere Vulnerabilität aufweisen, dort hin zurückkehren können. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Soweit einige Oberverwaltungsgerichte die Lebensverhältnisse in Griechenland für anerkannt Schutzberechtigte allgemein, dh auch für nicht vulnerable Schutzberechtigte, für unmenschlich bzw. erniedrigend halten, darf hierbei nicht verkannt werden, dass diese Rechtsprechung auf im Vergleich älteren Erkenntnismitteln beruht und insofern nicht mehr die aktuell in Griechenland herrschende Lage wiedergibt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
keine unmenschliche Behandlung in Griechenland, Unbegründetheit, (und nicht Unzulässigkeit), anerkannter (junger Mann) in Griechenland, Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung, Zugang zu medizinischer Versorgung und zum Gesundheitssystem, Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt, Unterbringung in Obdachlosenunterkünften, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Situation extremer materieller Not, elementarsten Bedürfnisse, Gewährleistung von "Bett, Brot und Seife", anerkannter Schutzberechtigter, Abschiebungsandrohung, vulnerable Schutzberechtigte
Fundstelle:
BeckRS 2024, 30213

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Der 2002 geborene Kläger kommt aus dem Libanon und ist arabischer Volkszugehörigkeit und ungeklärter Staatsangehörigkeit. Er reiste nach seinen Angaben Ende August 2022 aus dem Libanon aus und über die Türkei nach Griechenland, wo er internationalen Schutz zuerkannt bekommen hat. Von dort reiste er im Juli 2023 weiter bis Deutschland, wo er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 17. August 2023 einen Asylantrag stellte.
2
Eine EURODAC-Abfrage des Bundesamts ergab einen Treffer der Kategorie 2 für Griechenland für den 15. November 2022, einen Treffer der Kategorie 1 für den 22. November 2022 und einen Treffer Schutzgewährung für den 14. Dezember 2022.
3
Bei Anhörungen zur Klärung der Zulässigkeit des Asylantrags bzw. zur Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für den Asylantrag am 17. August 2023 und am 24. August 2023 gab der Kläger an, am 7. November 2022 nach Griechenland eingereist zu sein und sich dort bis 14. Juli 2023 aufgehalten zu haben, zuerst auf … in einer Asylunterkunft, dann in …, in einer Privatwohnung. Er habe am 11. Dezember 2022 internationalen Schutz zuerkannt bekommen und ein halbes Jahr später einen Aufenthaltstitel für drei Jahre und einen Reiseausweis bekommen. Er habe in Griechenland den ersten Monat und zwölf Tage auf der Straße gelebt. Er habe dann ca. im April 2023 eine Person kennengelernt und habe bei ihr bis zur Ausreise, d.h. ca. drei Monate lang, schlafen können. Zwei- bis dreimal im Monat habe er als Tagesarbeiter gearbeitet, auf dem Bau und in der Verpackung der Wurstindustrie. Er sei von einem ägyptischen Bauunternehmer um 1.000,00 EUR betrogen worden. Eine staatliche Unterstützung habe er in Griechenland nicht bekommen und sich auch nicht darum bemüht. Die griechischen Behörden verlangten eine Telefonnummer und Adresse, wo man erreichbar sei, die er nicht gehabt habe. Von Familienmitgliedern habe er zweimal 50,00 EUR bekommen. Sie hätten selbst kein Geld, weswegen er sie nicht weiter frage. Im Libanon habe er z.B. als Friseur, Elektriker und Bäcker gearbeitet. In Griechenland gebe es keine Zukunft. Er sei zunächst auf dem Seeweg vom Libanon nach Italien von der griechischen Polizei, von maskierten Männern, geschlagen und schlimm behandelt worden. Man habe ihnen die Dokumente abgenommen und sie in ein Schlauchboot gesetzt und sie weggeschubst. Ein Schiff habe sie dann aufgenommen und in die Türkei gebracht, wo sie 25 Tage gefangen genommen worden seien. Er habe es dann geschafft, mit dem Boot nach Griechenland zu kommen. Er sei seit vier Jahren krank, habe Schmerzen im Bauch. Nach einer Untersuchung in Deutschland habe er Gase, was er aber nicht glaube. In Deutschland lebten Onkel und Tanten von ihm.
4
Mit Bescheid vom 13. September 2023 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Frist von einer Woche zu verlassen und droht ihm widrigenfalls die Abschiebung nach Griechenland an; in sein Herkunftsland dürfe er jedoch nicht abgeschoben werden (Ziffer 3). Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung wurde bis zum Ablauf der Klagefrist bzw. bis zur Bekanntgabe einer ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Eilverfahren ausgesetzt (ebenfalls Ziffer 3). Weiter ordnete das Bundesamt ein gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete dieses auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).
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Hiergegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 22. September 2023 Klage und beantragte schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung, den Bescheid des Bundesamts vom 13. September 2023 mit Ausnahme des Satzes 4 der Ziffer 3 aufzuheben,
hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bis Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Griechenland vorliegen.
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Die Klage wurde mit der Lage für anerkannt Schutzberechtigte in Griechenland begründet und mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2023 weiter ausgeführt, dass der Kläger nach seiner Anerkennung das Camp habe räumen müssen und bei einem palästinensischen Freund untergeschlüpft sei, der sich zwischenzeitlich ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Für seine dreitägige Arbeit habe er keinen Lohn erhalten, sei verhungert und habe überwiegend von Müll gelebt. Weil die Ausstellung eines Reiseausweises lange (bis zum 27.6.2023) gedauert habe und er zunächst kein Geld gehabt habe, sei er erst ausgereist, als ihm ein Freund aus Österreich am 14. Juli 2023 ein Ticket gekauft habe. Er habe versprochen, die Summe sofort nach der Einreise zu begleichen.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 27. September 2023,
die Klage abzuweisen.
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Mit Beschluss vom 29. April 2024 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den gleichzeitig mit der Klage gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (AN 17 S 23.50619) ab.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakten AN 17 S 23.50619 und AN 17 K 23.50620 Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung und das Vorbringen des Klägers dort wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Anfechtungsklage (Hauptantrag) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 13. September 2023 ist zulässig, aber unbegründet, weil der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der hilfsweise für den Fall, dass der Kläger mit der Aufhebung nicht oder nicht vollständig durchdringt, gestellte Verpflichtungsantrag auf Feststellung von Abschiebungsverboten für Griechenland nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls zulässig, aber ebenso unbegründet (§ 113 Abs. 5 VwGO), so dass die Klage im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen war.
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1. Die fristgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 AsylG erhobene Anfechtungsklage ist die allein statthafte Klageart gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids vom 13. September 2024. Eine erfolgreiche Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsfeststellung führt in der Folge zur gewünschten inhaltlichen Prüfung und Entscheidung des Asylantrags durch die Beklagte, ohne dass es eines zusätzlichen Verpflichtungsantrags auf die Durchführung des Asylverfahrens bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 1.7.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625; U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – juris, BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris). Auch eine Verpflichtungsklage auf ein „Durchentscheiden“ des Gerichts über das Asylbegehren wäre nicht möglich (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34.19 – juris; BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn.19; OVG Saarlouis, U.v. 25.10.2016 – 2 A 95/16 – juris Rn. 23).
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Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung ist ebenfalls die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart. Die Anfechtungsklage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger den Satz 4 der Ziffer 3 des Bescheides (dass der Kläger nicht in seinen Herkunftsstaat abgeschoben werden darf) von seinem Aufhebungsantrag ausgenommen hat und diese negative Staatenbezeichnung von der Abschiebungsandrohung im Übrigen aus Rechtsgründen nicht abtrennbar ist (zur fehlenden Abtrennbarkeit vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2023 – 1 C 34/22 – juris Rn. 22. ff; OVG Schl.-Holst., U.v. 3.2.2022 – 1 LB 6/21 – juris; auch ständ. Rspr. des VG Ansbach, U.v. 14.7.2020 – AN 17 K 19.50875 – Rn. 71f. und 77). Die fehlende Abtrennbarkeit führt nämlich nicht zur Unzulässigkeit der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (so VG Cottbus, U.v. 25.6.2024 – 5 K 1202/18.A), sondern zur Unbegründetheit der Anfechtungsklage (BayVGH, U.v. 4.3.2024 – 24 B 22.30376 – juris Rn. 66; HessVGH, U.v. 6.8.2024 – 2 A 1132/24.A – juris Rn. 184; unklar BVerwG, U.v. 13.12.2023 – 1 C 34/22 – juris Rn. 21).
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2. Die Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 des Bescheides vom 13. September 20243 ist unbegründet. Das Gericht geht unter Zugrundelegung aktueller, zum Verfahren beigezogener Erkenntnismittel davon aus, dass der in Griechenland als international Schutzberechtigter anerkannte Kläger dorthin zurückkehren kann und deshalb sein weiterer Asylantrag in Deutschland zu recht als unzulässig abgelehnt worden ist.
14
a) Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG – der Art. 33 Abs. 2 lit. a der RL 2013/32/EU (Verfahrens-RL) in nationales Recht umsetzt – ist ein Asylantrag dann unzulässig, wenn ein Asylantragsteller in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits als international Schutzberechtigter anerkannt worden ist.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dem die nationale Rechtsprechung folgt, ist hiervon zwar dann eine Ausnahme zu machen, wenn die Lebensverhältnisse, die den Schutzberechtigten in diesem Land erwarten, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – juris; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris, BayVGH, U.v. 4.3.2023 – 24 B 22.30376 – juris Rn. 18 ff.; VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Ist dies der Fall, steht der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens innerhalb des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, der auch und gerade bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 lit. a Verfahrens-RL gilt, nicht entgegen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 80 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 83 ff.). Allerdings liegt die Schwelle der in einem Mitgliedsstaat gegebenenfalls existierenden Funktionsstörungen nach der Rechtsprechung sehr hoch. Diese ist erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden (keine Gewährleistung von „Bett, Brot und Seife“, vgl. VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5) und dadurch ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt ist oder sie einem Zustand der Verelendung ausgesetzt wird; dies wäre mit der Menschenwürde unvereinbar (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – juris Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Eine – auch starke – Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person und große Armut, genügen hierfür noch nicht (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – juris Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 91; BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris; B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris, BayVGH, B.v. 27.9.2023 – 24 B 22.30953 – juris; kürzlich: U.v. 4.3.2024 – 24 B 22.30376 – juris; U.v. 21.3.2024 – 24 B 23.30860 – juris; U.v. 28.3.2024 – 24 B 22.31136 – juris). Ebenso wenig sind Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 94, 96) ausreichend.
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Bei der Bewertung der Lebensverhältnisse, die den Betroffenen im Falle seiner Rückkehr in dem Mitgliedstaat erwarten, sind seine Möglichkeiten zur Bewältigung von in dem Land sich gegebenenfalls stellenden Herausforderungen und Schwierigkeiten zu berücksichtigen, insbesondere ist der Betroffene im Fall von fehlenden oder unzureichenden staatlichen Unterstützungsleistungen auf die Möglichkeiten eigener Erwerbstätigkeit zu verweisen, wobei es auch zumutbar ist, eine wenig attraktive und eine der Vorbildung der Person nicht entsprechende Arbeit auszuüben; selbst Tätigkeiten in der sog. Schatten- oder Nischenwirtschaft können zumutbar sein, wenn dies im betroffenen Land verbreitet und geduldet ist (BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93/21 – juris Rn. 25; U.v. 23.9.2020 – 1 C 27/19 – juris Rn 32; EuGH, U.v. 2.10.2019 - C-93/18 – juris Rn. 48; BayVGH, B.v. 27.9.2023 – 24 B 22.30953 – juris; U.v. 4.3.2024 – 24 B 22.30376 – juris; U.v. 21.3.2024 – 24 B 23,30860 – juris; U.v. 28.3.2024 – 24 B 22.31136 – juris). Bei der Bewertung, ob die Lebensverhältnisse zumutbar sind, sind ferner sämtliche erreichbaren Unterstützungsleistungen, nicht nur staatliche Leistungen, sondern auch – alleinige oder ergänzen-de – dauerhafte Unterstützungs- oder Hilfeleistungen von vor Ort tätigen nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris Rn. 23 ff.). Deshalb kann etwa der Umstand, dass der betreffenden Person ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen, sofern die Räumlichkeit Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt (BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93/21 – juris Rn. 14 mit Verweis auf VGH BW, B.v. 8.11.2021 – A 4 S 2850/21 – juris Rn. 10; vgl. ferner BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris Rn. 22). Zumutbar ist es überdies, im Land übliche und geduldete, wenn auch „krumme“ Wege anzuwenden, beispielsweise (Schein-)Meldeadresse käuflich zu erwerben und anzugeben, um die bürokratischen Voraussetzungen für ein Fortkommen in Sachen Arbeit oder Wohnung zu erreichen (BayVGH, U.v. 28.3.2024 – 24 B 22.31136 juris Rn. 39).
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bb) Das Gericht hat bereits im vorausgegangenen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ausgeführt, dass es nach den zur stehenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln davon ausgehe, dass in Griechenland anerkannte international Schutzberechtigte, jedenfalls soweit sie keine besondere Vulnerabilität aufweisen, dort hinzurückkehren können. Das Gericht geht weiterhin von folgender Lage für anerkannt Schutzberechtigte in Griechenland aus:
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Bei der Ankunft am Athen International Airport – dem Zielflughafen sämtlicher Rückführungen nach Griechenland – werden den Rückkehrern meist keine Informationen zur Verfügung gestellt (Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH], Griechenland als „sicherer Drittstaat“, 11.8.2023, S. 6). Die Erteilung eines Aufenthaltstitels geht mit bürokratischen Hindernissen und zeitlichen Verzögerungen einher. So genügt ein bestandskräftiger Anerkennungsbescheid der griechischen Behörden, mit dem internationaler Schutz zuerkannt wird, für sich genommen nicht, um eine Aufenthaltserlaubnis beantragen zu können. Zusätzlich erforderlich ist ein sogenannter „ADET-Bescheid“, der häufig, aber nicht immer zusammen mit dem Anerkennungsbescheid zugestellt wird. Bei dem ADET-Bescheid handelt es sich um einen Bescheid des zuständigen Regionalbüros der Asylbehörde, durch den die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis angewiesen wird. Verfügt der Anerkannte über keinen ADET-Bescheid, muss er einen Termin beim zuständigen Regionalbüro der Asylbehörde vereinbaren, um sich den ADET-Bescheid ausstellen zu lassen. Per Email kann ein Termin zur Abnahme eines Fingerabdrucks beantragt werden. Die Antwort hierauf dauert zwischen zwei Wochen und zwei Monaten. Nach Abnahme der Fingerabdrücke kann es bis zum tatsächlichen Erhalt der Aufenthaltserlaubnis (Residence Permit Card – RPC) nochmals drei bis acht Monate dauern. Die Ausstellung der RPC erfolgt durch die griechische Polizei. Die RPC wird dabei auf das – in der Vergangenheit liegende – Datum des ADET-Bescheides datiert, ist bei anerkannten Flüchtlingen drei Jahre, bei subsidiär Schutzberechtigten ein Jahr (nach Verlängerung zwei Jahre) gültig und geht durch Ausreise und spätere Wiedereinreise nach Griechenland nicht verloren. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis muss 30 Tage vor Ablauf beantragt werden, ansonsten droht eine Strafe von 100 EUR (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 24). Eine unbegründete Verspätung des Antrags auf Verlängerung kann dazu führen, dass diese abgelehnt wird (SFH, a.a.O., S. 7).
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Was Hilfsangebote angeht, existiert mit dem Programm „Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection“ (HELIOS) ein offizielles Integrationsprogramm für international Schutzberechtigte mit festem Wohnsitz. Die Laufzeit des HELIOS-Programms wird jeweils befristet festgesetzt (zuletzt bekannt bis Ende September 2024), wird aber regelmäßig, teilweise jedoch mit kürzeren Unterbrechungen aufgrund Finanzschwierigkeiten, verlängert (BFA, a.a.O., S. 27). Von einer Einstellung des HELIOS-Programms 2024 ist nicht auszugehen. Ab Oktober ist das Programm HELIOS plus geplant (vgl. Hess. VGH, U.v. 6.8.2024 – 2 A 1131/24.A – BeckRS 2024,- 22465 Rn. 77). HELIOS unterstützt u.a. bei der Suche nach einer eigenständigen Unterkunft und einer Arbeitsstelle. Ebenso werden Mietzuschüsse für zwölf Monate zu Wohnkosten gewährt. Auch werden Integrationskurse angeboten und diverse Arbeitsmarktmaßnahmen. HELIOS richtet sich grundsätzlich nur an international Schutzberechtigte, die nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurden und zum Zeitpunkt der Zustellung ihres Anerkennungsbescheides in einem Empfangs- und Identifikationszentrum (RIC) oder in Unterkünften von Schutzprogrammen von Behörden oder NGOs für vulnerable Personen untergebracht waren (BFA, a.a.O., S. 28 f.; Schweizerische Eidgenossenschaft [SEM], Notiz Griechenland, Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit internationalem Schutzstatus, 24. Oktober 2022, S. 8). Die Einschreibung in HELIOS und der dokumentierte Antrag auf Unterstützung müssen zudem innerhalb von zwölf Monaten ab offizieller Benachrichtigung über den positiven Asylbescheid erfolgen (SEM, a.a.O., S. 9). Für etwaige Rückkehrer aus dem Ausland ist die Teilnahme offiziell zwar nicht möglich, praktisch werden Aus- bzw. Wiedereinreise aber nicht überprüft. Bewerben können sich zudem nunmehr auch Personen, welche die Zulassungskriterien nicht erfüllen. Ihre Anträge werden im direkten Austausch mit HELIOS-Mitarbeitenden ad hoc geprüft (BFA, a.a.O., S. 28).
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Daneben gibt es einen „Helpdesk für soziale Integration“ des Ministeriums für Migration und Asyl, der Personen mit internationalem Schutz bei der Beantwortung von Fragen zur sozialen Integration wie beispielsweise zu Griechisch-Sprachkursen, zu Arbeitsberatung, Wohnungssuche und Erteilung einer Steueridentifikationsnummer unterstützten soll (BFA, a.a.O., S. 32). In mehreren Städten bestehen sog. Migrantenintegrationszentren (KEMs), die als Zweigstellen der Gemeinschaftszentren dienen und Information und Beratung, Kurse der griechischen Sprache und Kultur sowie Hilfe beim Zugang zum Arbeitsmarkt durch Kooperation mit den lokalen Behörden anbieten. Das Programm richtet sich an Asylbewerber, sich legal aufhaltende Drittstaatsangehörige und Personen mit internationalem Schutzstatus, die Inhaber des ADET-Aufenthaltstitels sind (BFA, a.a.O., S. 29).
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Seit Ende 2021 steht mit dem in Kooperation von UNHCR, Catholic Relief Services (CRS), Caritas Hellas und der UN Refugees Agency geführten Projekt „ADAMA“ ein weiteres Programm zur Verfügung, dass bei der Arbeitssuche und bei Behördenwegen, zum Erhalt der Sozialversicherung, Bankkonten, Steuernummer, Wohnungen etc. unterstützen soll (vgl. BFA, a.a.O., S. 16). Weiter wird berichtet, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, Berufsbildungszentren, Universitäten und im Speziellen die Athener Stadtverwaltung Sprachkurse anbieten würden (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, S. 27). Auch stellen weitere Anbieter wie GCR-Pyxida, NGO APOSTOLI, das griechische Rote Kreuz Sprach- und Integrationskurse bereit (BFA, a.a.O., S. 32).
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Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen (vgl. BFA, a.a.O., S. 26). Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Bayreuth v. 21.8.2020, S. 1), entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Spezifische Wohnangebote für Personen mit internationalem Schutzstatus gibt es von staatlicher Seite nicht (BFA, a.a.O., S. 27). Das von der EU finanzierte Unterkunftsprogramm ESTIA (Emergency Support to Integration and Accommodation) wurde am 31. Dezember 2022 eingestellt (BFA, a.a.O., S. 27), jedoch nehmen die offenen Unterkünfte, die eigentlich für Asylbewerber vorgesehen sind, manchmal – offiziell – auch Personen auf, die bereits internationalen Schutzstatus genießen und in den offenen Unterkünften ankommen und eine Unterkunft suchen (BFA, a.a.O., S. 17).
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Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 5). Weiter finden in der Praxis nur Personen mit festem Job eine Wohnung. Erschwert wird die Wohnungssuche daneben auch durch Sprachbarrieren und dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum. So sind etwa die Mieten in Athen in den vergangenen beiden Jahren um bis zu 30% gestiegen (BFA, a.a.O, S. 27). Für das Anmieten einer Wohnung benötigen Personen mit internationalem Schutzstatus zudem eine Identitätskarte oder Aufenthaltserlaubnis, die persönliche Steuernummer (AFM) und den persönlichen Code für die Steuerplattform TAXISnet (BFA, a.a.O., S. 26). Die Steuernummer eröffnet den Zugang zu TAXISnet (Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Februar 2023, S. 3) und ist Voraussetzung für die Eröffnung eines Bankkontos, welches benötigt wird, um ein Mietverhältnis einzugehen (BFA, a.a.O., S. 26; Botschaft Athen, a.a.O., S. 2). Zum Erhalt der Steuernummer AFM muss der Wohnsitz durch eine vom Aufnahmezentrum ausgestellte Bestätigung, eine Stromrechnung oder eine Kopie eines auf den Namen des Schutzberechtigten abgeschlossenen Mietvertrages nachgewiesen werden (vgl. BFA, a.a.O., S. 25). Um geforderte Wohnsitznachweise erbringen zu können, werden Mietverträge für Flüchtlinge gegen Bezahlung (300,00 bis 600,00 EUR) auch temporär verliehen, d.h. der Mieter wird angemeldet, ein Mietvertrag ausgestellt und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst (BFA, a.a.O., S. 26). Obdachlose erhalten vom städtischen Sozialdienst eine Bescheinigung der Obdachlosigkeit. Diese Bescheinigung ersetzt den Adressnachweis und ist für den Zugang zu städtischen Notdiensten erforderlich (Botschaft Athen, a.a.O., S. 10).
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Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist möglich. Ein Rechtsanspruch auf Obdachlosenunterbringung besteht nicht (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig v. 15.10.2020). Für Obdachlose existieren nachts geöffnete Unterkünfte, Übergangswohnheime und unterstütze Wohnungen. Im Winter werden je nach Witterungsverhältnissen gesetzlich vorgeschriebene zusätzliche Kälteschutzräume bereitgestellt, während etwa im Hitzesommer 2022 in Athen tagsüber gekühlte Räume in Betrieb waren, um Schutz vor der Hitze zu verschaffen. Es gibt Tageszentren und staatliche Migrant Integration Centers (MIC). Auch Migrantenorganisationen spielen eine wichtige Rolle als Anlaufstellen ihrer Landsleute, stellen Informationen bereit und bieten Dienstleistungen und Hilfe an. Weiter sind Straßensozialarbeiter im Einsatz und unterstützen z. B. mit praktischer Soforthilfe wie Kleidung und Lebensmittel und der Suche nach geeigneten Unterkünften (SEM, a.a.O., S. 14 ff.; BFA, a.a.O., S. 30 ff.). Es gibt sowohl durch offizielle Stellen betriebene Obdachlosen- bzw. Notunterkünfte als auch solche, die durch nichtstaatliche Stellen, z. B. durch Médecins du Monde, betrieben werden. Teilweise gibt es Aufnahmebedingungen, z. B. die Vorlage einer Bescheinigung der Steuer- und der Sozialversicherungsnummer. Darüber hinaus können international Schutzberechtigte am Programm Wohnen und Arbeiten für Obdachlose teilnehmen. Hier ist u.a. eine Aufenthaltsgenehmigung und Steuererklärung vorzulegen (SEM, a.a.O., S. 19 ff.; BFA, a.a.O., S. 30 ff.). Allerdings wird berichtet, dass die Zahl der Unterkünfte nicht ausreichend ist und diese stets überfüllt sind und so erfahrungsgemäß Schutzberechtigte, die über keine finanziellen Mittel verfügen, um eine Wohnung zu mieten, obdachlos bleiben, in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen zur Untermiete wohnen oder in die Lager zurückkehren und dort als unregistrierte Bewohner leben (BFA, a.a.O., S. 27). Dennoch ist Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen nach wie vor kein augenscheinliches Massenphänomen (Botschaft Athen, a.a.O., S. 9), was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist (BFA, a.a.O., S. 27; dies entspricht auch den Angaben anerkannt Schutzberechtigter in den mündlichen Verhandlungen der Kammer).
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Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das Garantierte Mindesteinkommen (EEE) ist seit März 2020 die neue Bezeichnung des 2017 in Griechenland eingeführten Sozialen Solidaritätseinkommens. Es basiert auf den drei Pfeilern finanzielle Einkommensunterstützung, soziale Dienstleistungen und berufliche Integration (SEM, Notiz Griechenland, Garantiertes Mindesteinkommen (EEE), 31.10.2022, S. 4 ff.). Das EEE ist die einzige beitragsunabhängige staatliche Sozialleistung (abgesehen von der Unterstützungsleistung für Menschen mit Behinderung), die keine Bedingungen bezüglich der Länge des legalen und dauerhaften Voraufenthaltes in Griechenland stellt (BFA, a.a.O., S. 34; SEM, a.a.O., S. 6). Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus sozialen Dienstleistungen (je nach Bedarf kostenlose medizinische Versorgung für Nichtversicherte, Überweisung und Integration in Strukturen und Dienste der sozialen Betreuung, Einbeziehungen in Programme und soziale Strukturen zur Armutsbekämpfung sowie die Abgabe von Lebensmitteln und materiellen Gütern, Sozialtarif für Elektrizitäts- und Wasserversorgung, Sozialtarif der Gemeinden und kommunalen Unternehmen. Die dritte Säule besteht in der beruflichen Integration (SEM, a.a.O., S. 4; BFA, a.a.O., S. 34 f.). Voraussetzungen ist die Vorlage einer gültigen Aufenthaltserlaubnis, eine persönliche Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, eine Kontonummer eines Bankkontos in Griechenland, persönliche Kontaktdaten, eine Steuerklärung, ein Mietvertrag/Besitzurkunde eines Hauses/Wohnung der letzten sechs Monate, eine Stromabrechnung/Nebenkostenabrechnung aus den letzten sechs Monaten, eine Arbeitslosenkarte/Beleg über die monatlichen Einkünfte, ggf. Bestätigung hinsichtlich des Schulbesuchs der Kinder (SEM, a.a.O., S. 6 ff.). Speziell was die Beantragung der Steuernummer (AFM) und der Sozialversicherungsnummer (AMKA) anbelangt, ist von erheblichen bürokratischen Hürden auszugehen: Die Ausstellung einer Steueridentifikationsnummer setzt, wie bereits ausgeführt, einen Wohnsitznachweis voraus. Dennoch steht die Leistung des EEE auch Obdachlosen offen, sofern sie als solche beim Sozialdienst der Gemeinde registriert sind. Personen, die im Programm „Wohnen und Arbeiten für Obdachlose“ integriert sind und keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, werden auf Antrag automatisch für das garantierte Mindesteinkommen zugelassen (SEM, a.a.O., S. 6, S. 10). Die Ausstellung der Sozialversicherungsnummer AMKA erfordert u.a. eine gültige Aufenthaltserlaubnis, die Steueridentifikationsnummer sowie eine Korrespondenzadresse (BFA, a.a.O., S. 25).
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Die weiteren beitragsunabhängigen staatlichen Sozialleistungen wie etwa die staatliche Wohnbeihilfe verlangen einen legalen und dauerhaften Aufenthalt von mehreren Jahren (BFA, a.a.O., S. 35). Hinsichtlich des Wohngeldes beträgt dieser fünf Jahre. Im Falle international Schutzberechtigter wird die Aufenthaltsdauer ab Asylantragstellung angerechnet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Bayreuth v. 21.8.2020, S. 1). Bei Ausreise aus Griechenland beginnt die Frist des dauerhaften und legalen Aufenthaltes von neuem (SEM, a.a.O., S. 11 f.).
27
Einige NGOs stellen kostenlos Essen zur Verfügung. Einige Gemeinden bieten anerkannt Schutzberechtigten monatliche Unterstützung für Essenszuteilungen an. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine RPS, AMKA-Nummer, Steuernummer, Bankkonto, Mietvertrag und Telefonvertrag für eine SIM-Karte (BFA, a.a.O., S. 32). In den offenen Unterkünften, in denen – wie bereits ausgeführt – teilweise auch international Schutzberechtigte Aufnahme finden, werden u.a. auch Mahlzeiten und Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt (BFA, a.a.O., S. 17).
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Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben, gestaltet sich jedoch als schwierig. Nachdem sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen einige Zeit durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert hatten, hat sich die griechische Wirtschaft in den letzten Jahren wieder erholt und verzeichnet weiterhin eine bessere Entwicklung als im EU-Durchschnitt (Botschaft Athen, a.a.O., S. 1). 2021 legte die griechische Wirtschaft um 8,4% zu, 2022 waren es 5,6% und 2023 noch immer 2,3% (taz, Wirtschaftsranking von Ländern, Die Pleite-Griechen auf Platz eins, 6.1.2024). Für 2024 wird ein Wachstum von 2,3% prognostiziert. Im Jahr 2025 soll sich das Wirtschaftswachstum fortsetzen, wobei die Tourismusbranche weiterhin ausschlaggebend zum Wachstum beitragen wird (Germany Trade & Invest (GTAI), Griechische Wirtschaft wächst moderat, 18.12.2023). Der Wirtschaftsaufschwung in Griechenland macht sich auch positiv auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Demnach ging die Arbeitslosigkeit im September 2023 auf 10% zurück. Dies ist der niedrigste Stand seit September 2009. Im Vergleich erreichte die Arbeitslosigkeit im Juni 2013 einen Rekordwert von 28,1%, in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen waren damals sogar 57,5% ohne Beschäftigung. Seitdem gehen die Arbeitslosenzahlen, abgesehen von einem starken Anstieg im Coronajahr 2020, kontinuierlich zurück (Höhler, Arbeitslosigkeit in Griechenland fällt unter Vorkrisenniveau, 7.11.2023). Jedoch ist die Arbeitslosenquote von letztlich 9,2% für 2023 die zweithöchste in der Europäischen Union (Statistisches Bundesamt, Europa in Zahlen, EUweitere Erwerbslosigkeit liegt Dezember 2023 bei 5,9%). Schwarzarbeit ist in Griechenland weit verbreitet. Der Umfang der Schattenwirtschaft wird mit 21,7% des offiziell ermittelten Bruttoinlandsprodukts angegeben (Höhler, Griechische Regierung will härter gegen Steuersünder vorgehen, 15.7.2023).
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Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Erschwerend hinzu tritt regelmäßig die Sprachbarriere. Zudem stehen die Schutzberechtigten im Wettbewerb mit den griechischsprachigen Arbeitnehmern. Inzwischen suchen allerdings Arbeitgeber in einigen Branchen, in denen ein Arbeitskräftemangel herrscht (Landwirtschaft, Bau und Tourismus), auch unter Schutzberechtigten aktiv nach Arbeitskräften. So herrscht im Tourismussektor ein Arbeitskräftemangel von ca. 50.000 Personen, der bislang nur zum Teil mit Flüchtlingen aus der Ukraine geschlossen werden konnte (Botschaft Athen, a.a.O., S. 7). Auch in der Landwirtschaft herrscht oft Arbeitskräftemangel, so dass Flüchtlinge gute Chancen haben, in diesen Bereichen eine Beschäftigung zu finden (BFA, a.a.O., S. 36). Das Potential der vornehmlich jungen Migranten wurde in Griechenland erkannt und verschiedene Projekte und Initiativen ins Leben gerufen, um diese in Arbeit zu bringen wie etwa das bereits erwähnte Programm ADAMA. Bis Ende Februar 2023 hatten bereits rund 4.500 Migranten von dem ADAMA-Coaching profitiert. Es wurde eine Job-Matching Plattform aufgebaut – das ADAMA-Job Center. Diese Plattform verlinkt private Arbeitgeber mit potenziellen Arbeitnehmern. Zudem gibt es weitere Initiativen. Auf Kos und Rhodos konnten bereits 56 anerkannt Schutzberechtigte einen Saison-Job in der Touristikbranche erhalten mit monatlichen Nettoeinkommen zwischen 800,00 EUR und 1.400,00 EUR, was dem durchschnittlichen Gehalt auf der Insel entspricht. Hinzu kommen Trinkgeld, bezahlte Überstunden, kostenlose Übernachtungsmöglichkeit und Verpflegung. Auf Lesbos wurde Schutzberechtigten erfolgreich eine ganzjährige Stelle in der Landwirtschaft, auf Samos insbesondere Jobs in der Gastronomie, dem Hotelgewerbe und Handwerk vermittelt. Auf Chios werden Arbeitskräfte in der Agrarwirtschaft gesucht. Auch auf dem Festland gibt es Initiativen wie die „Welcome 2023“ Career Days in Athen und die „Refugee Week Greece“ im Juni 2023 (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheiderbrief 05/2023, S. 10 ff.). Beim Zugang zum legalen Arbeitsmarkt sind jedoch weiterhin etliche bürokratische Hürden zu überwinden wie der Nachweis einer gültigen Aufenthaltserlaubnis, einer Steueridentifikationsnummer und der Sozialversicherungsnummer mit den bereits beschriebenen erforderlichen Nachweisen und zeitlichen Verzögerungen. Eine weitere Voraussetzung ist ein gemeldeter Wohnsitz (BFA, a.a.O., S. 35). Drittstaatsangehörige sind in den einschlägigen statistischen Daten zur Arbeitslosigkeit nach wie vor überrepräsentiert. Eine Mehrheit der Personen, die internationalen Schutz erhalten, ist zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse auf die Verteilung von Nahrungsmitteln, anderen Gütern und finanzielle Unterstützung angewiesen (BFA, a.a.O., S. 36).
30
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und zum Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte grundsätzlich zu den gleichen Bedingungen wie für griechische Staatsangehörige gegeben. Jeder Schutzberechtigte und Asylwerber in Griechenland hat das Recht auf freien Zugang zur primären, sekundären und tertiären Gesundheitsversorgung. Die Versorgung unterliegt denselben Beschränkungen durch Sparmaßnahmen wie für griechische Staatsbürger. Jedoch sind hinsichtlich des Zugangs zum Gesundheitssystem bürokratische Hindernisse zu überwinden. Insbesondere muss vor Inanspruchnahme des Gesundheitssystems die Sozialversicherungsnummer AMKA ausgestellt sein (BFA, a.a.O., S. 21 ff.). Wer über keine solche verfügt, hat keinen Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung, sondern muss diese privat bezahlen. Seit März 2022 können selbständig tätige Ärzte Personen ohne AMKA keine Medikamente oder Behandlungen mehr verschreiben. Dies ist nur noch Ärzten aus öffentlichen Gesundheitseinrichtungen und in Aufnahmezentren möglich. Die Wartefrist in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen variiert zwischen mehreren Wochen und mehreren Monaten (BFA, a.a.O., S. 33). Eine Notfallversorgung wird jedoch stets und unabhängig vom Rechtsstatus gewährleistet (BFA, a.a.O., S. 21 ff., 33; ACCORD, a.a.O., S. 21). Weiter gibt es ein paralleles Gesundheitsprogramm für Flüchtlinge und Migranten, die in den Aufnahmezentren leben. Auch bieten mehrere NGOs wie etwa MSF – Ärzte ohne Grenzen –, Ärzte der Welt oder das Hellenische Rote Kreuz medizinische Grundversorgung an (BFA, a.a.O., S. 22, 33). Während einerseits berichtet wird, dass psychologische und psychiatrische Angebote für Asylsuchende und Schutzstatusinhabende gänzlich fehlen (BFA, a.a.O., S. 33, SFH, a.a.O., S. 9), wird andererseits beschrieben, dass Asylbewerber, die eine temporäre Sozialversicherungsnummer besitzen, Zugang auch zu notwendiger psychiatrischer Versorgung haben (BFA, a.a.O., S. 21). Dasselbe gilt für Schutzberechtigte, die eine AMKA besitzen, denn diese haben den gleichen Zugang zur medizinischen Versorgung wie griechische Staatsangehörige (BFA, a.a.O., S. 21, 32).
31
cc) Unter Beachtung des vorstehenden unter aa) dargelegten rechtlichen Maßstabes, dieser – unter bb) dargestellten – allgemeinen Situation für rückkehrende anerkannt Schutzberechtigte und des Vorbringens des Klägers, insbesondere unter Würdigung seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2024, besteht nach Überzeugung des Gerichts für den Kläger bei einer Rückkehr nach Griechenland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verelendung.
32
Zwar haben rückkehrende Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland über einen längeren Zeitraum keinen effektiven bzw. gesicherten Zugang zu Obdach und sanitären Einrichtungen, weil eine staatliche Unterkunftszuweisung nicht existiert, und ist es für sie anfangs für einen nicht unerheblichen Zeitraum auch praktisch unmöglich ist, die Voraussetzungen für den Erhalt des garantierten Mindesteinkommens EEE zu erfüllen, jedoch ist prognostisch zu erwarten, dass der Kläger seine Grundbedürfnisse („Bett, Brot und Seife“) für eine Übergangszeit nach der Rückkehr nach Griechenland durch eigenverantwortliches Handeln und mit Hilfe von NGOs, die im Bereich der sozialen Unterstützung, Nahrungsmittelhilfe, Bildung, medizinischen Versorgung und Unterbringung aktiv sind, befriedigen können wird. Der Kläger ist als junger, im Wesentlichen gesunder und insbesondere in der Arbeitsfähigkeit nicht eingeschränkter Mann ohne familiäre Zwänge in der Lage, jedenfalls Gelegenheitsarbeiten zu finden, die ihm ein Überleben in der ersten Zeit sichern werden. Er hat vorgetragen, mit Hilfe von Landsleuten an eine Unterkunft gekommen zu sein und durch andere arabische Volkszugehörige, an eine – wenn auch wohl informelle – Arbeit gekommen zu sein und sich so versorgt zu haben. Entsprechend der damaligen Situation ist davon auszugehen, dass es dem Kläger auch bei einer Rückkehr wieder gelingen wird, sich in der schwierigen ersten Zeit durch Gelegenheitsarbeit, Saisonarbeit, kurzfristige Arbeitsverhältnisse u.ä., die der griechische Arbeitsmarkt bietet, und über Hilfsangeboten von NGOs, Bekannten, landsmannschaftliche Strukturen und ev. Rückkehrhilfen „über Wasser zu halten“, (wechselnde) Unterkünfte zu finden und auch die administrativen Grundlagen dafür zu legen, in das griechische Sozialsystem hineinzuwachsen bzw. eine dauerhafte Arbeitsstelle zu finden. Ob der Kläger in Griechenland um seinen Arbeitslohn geprellt worden ist, kann dahinstehen, da mit einer Wiederholung nicht zu rechnen ist. Der Kläger ist nach dem Eindruck der Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung intellektuell in der Lage, entsprechende Eigeninitiative zu zeigen und ein entsprechendes Durchhaltevermögen an den Tag zu legen. Die reale Gefahr einer Verelendung besteht nach Einschätzung des Gerichts nicht. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angegebenen gesundheitlichen Probleme (Entzündungen im Halsbereich; Operation der Mandeln vorgesehen) stellen keine die Arbeitsfähigkeit auf Dauer beeinträchtigende Umstände dar. Die für kurz nach der mündlichen Verhandlung vorgesehene Operation wird voraussichtlich die Probleme beheben und in der Folge, im realistischen Zeitpunkt einer Rückkehr nach Griechenland keine Auswirkungen mehr auf die Lebensführung und Arbeitsfähigkeit haben. Dies hat der Kläger auch selbst nicht geltend gemacht.
33
Zwar halten einige Oberverwaltungsgerichte die Lebensverhältnisse in Griechenland für anerkannt Schutzberechtigte allgemein, d.h. auch für nicht vulnerable Schutzberechtigte, für unmenschlich bzw. erniedrigend (vgl. etwa OVG Saarl., U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 – juris; OVG Sachsen, U.v. 27.4.2022 – 5 A 492.21 A – juris; VGH BW, U.v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/21 – juris; OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.11.2021 – OVG 3 B 53.19 – juris; OVG Bremen, U.v. 16.11.2021 – 1 LB 371/21 – juris; OVG NW, U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris; B.v. 5.4.2022 – 11 A 314/22.A – juris; NdsOVG, U.v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – juris), dem schließt sich das erkennende Gericht jedoch nicht an und hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (vgl. z. B. VG Ansbach, B.v. 23.2.2024 – AN 17 S 23.50064 – juris; ebenso jüngst HessVGH, U.v. 6.8.2024 – 2 A 1131/24.A – juris; VG Bayreuth, U.v. 6.11.2023 – B 7 K 23.30771 – juris Rn. 31, U.v. 5.9.2023 – B 7 K 23.30517 – juris Rn. 51; VG Frankfurt Oder, U.v. 28.2.2024 – 8 K 727/23.A –, juris Rn. 19). Es darf hierbei nicht verkannt werden, dass die zitierte obergerichtliche Rechtsprechung auf im Vergleich älteren Erkenntnismitteln beruht und insofern nicht mehr die aktuell in Griechenland herrschende Lage – wie oben beschrieben – wiedergibt (ebenso HessVGH, U.v. 6.8.2024 – 2 A 1131/24.A – juris). Zu dieser Frage ist zwischenzeitlich eine Tatsachenrevision beim Bundesverwaltungsgerichts wegen der voneinander abweichenden obergerichtlichen Entscheidungen anhängig (Az. 1 C 18.24, vgl. Pressemitteilung des BVerwG vom 4.9.2024, www.bverwg.de/de/pm/2014/52), aber noch nicht entschieden.
34
Ergänzend wird auf die Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom 29. April 2024 (AN 17 S 23.50619) ergänzend verwiesen.
35
2. Der Hilfsantrag auf Aufhebung der Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides und auf Zuerkennung eines nationalen Abschiebungsverbotes in Bezug auf Griechenland gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, über den folglich zu befinden ist, ist zulässig, aber ebenfalls unbegründet.
36
Hinsichtlich § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK stellen sich im Wesentlichen inhaltlich die gleichen rechtlichen Fragen wie bei § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Ein Anspruch auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ergibt sich aus der allgemeinen Lage für anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland für den Kläger damit nicht. Auf die vorstehenden Ausführungen wird insoweit verwiesen.
37
Ein Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger auch nicht aus § 60 Abs. 7 AufenthG. Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten – insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage – kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Derartige Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen, der Ausländer müsste bei einer Rückkehr „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ sein und die Gefahren müssten sich alsbald nach der Rückkehr realisieren.
38
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der Lage in Griechenland sind auch die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13) nicht erfüllt, so dass bei Nichtvorliegen eines Abschiebungsverbots nach Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
39
Die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Halsentzündung), deren operative Behandlung in Deutschland kurz bevor stand, werden voraussichtlich im Zeitpunkt einer möglichen Abschiebung des Klägers behoben sein und stehen einer Rückkehr damit nicht entgegen. Im Übrigen wäre eine Behandlung auch in Griechenland möglich und ist nichts dafür ersichtlich, dass eine Nichtbehandlung gegebenenfalls alsbald nach der Rückkehr zu einer ernstlichen erheblichen Gesundheitsgefahr führen würde.
40
3. Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung ist die Klage ebenfalls unbegründet. Die Abschiebungsandrohung beruht auf §§ 34, 35 AsylG. Die Ausreisefrist von einer Woche entspricht der Vorgabe des § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Abschiebungsverbote, die gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG der Abschiebungsandrohung entgegenstünden, sind nicht erkennbar. Insbesondere liegen keine engen familiären Bindungen für den volljährigen Kläger in Deutschland vor, die eine Abschiebungsverbot darstellen würden.
41
Als unbegründet abzuweisen ist die Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung auch bereits deshalb, weil der Kläger die negative Staatenbezeichnung (Ziffer 3 Satz 4 des Bescheides vom 13.9.2024) nicht angegriffen hat, die Abschiebungsandrohung aber nicht teilweise aufhebbar ist, sondern nur in Gänze. Die negative Staatenzeichnung teilt das Schicksal der Abschiebungsandrohung im Übrigen (BVerwG, U.v. 13.12.2023 – 1 C 34/22 – juris 22 ff.; OVG Schl.-Holst., U.v. 3.2.2022 – 1 LB 6/21 – juris; BayVGH, U.v. 4,3,2024 – 24 B 22.30376 – juris Rn. 66; HessVGH, U.v. 6.8.2024 – 2 A 1132/24.A – juris Rn. 184; VG Ansbach, U.v. 14.7.2020 – AN 17 K 19.50875 – Rn. 71f. und 77; VG Cottbus, U.v. 25.6.2024 – 5 K 1202/18.A – juris Rn. 20 ff.). Der eingeschränkte Klageantrag führt dazu, dass die Anfechtungsklage allein deshalb keinen Erfolg haben kann. Ist eine Teilaufhebung wegen rechtlicher Unteilbarkeit der Regelung nicht möglich, führt der Teilaufhebungsantrag – wegen der Unteilbarkeit – zwangsläufig zur Klageabweisung im Ganzen. Eine Auslegung eines derart eingeschränkt gestellten Antrags in einen Antrag auf Aufhebung der Abschiebungsandrohung in Gesamten, ist allenfalls möglich, wenn ein anderweitiger Wille nicht (klar) vorliegt (BVerwG, U.v. 13.12.2023 – 1 C 34/22 – juris 20 ff.). Regelmäßig ist zwar die Auslegung veranlasst, dass in der vorliegenden Konstellation hilfsweise die komplette Aufhebung der Ziffer 3 des Bundesamtsbescheids begehrt wird (BVerwG, U.v. 24.4.2024 – 1 C 8/23 – juris Rn. 8), vorliegend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung aber trotz Aufklärung seitens des Gerichts, dass der von seinem Bevollmächtigen gestellte Antrag problematisch ist und in diesem Punkt deshalb voraussichtlich erfolglos bleiben wird, an diesem Antrag festgehalten. Dass der Prozessbevollmächtigte, der in Parallelfällen vom Gericht auf die Problematik hingewiesen worden ist, an der Antragstellung aber festgehalten hat, die Antragstellung bewusst und damit nicht auslegungsfähig vorgenommen hat, muss ebenfalls angenommen werden.
42
4. Abzuweisen ist die Klage auch hinsichtlich der Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 4 des Bundesamtsbescheids. Dieses entspricht § 11 Abs. 1 AufenthG und ist rechtmäßig angeordnet worden. Nicht zu beanstanden ist die festgesetzte Befristungsdauer von 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die Entscheidung über die Befristung hat gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von Amts wegen bei Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu ergehen und ist nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Ermessensentscheidung. Das Gericht prüft die Festsetzung in zeitlicher Hinsicht nur auf – im vorliegenden Fall nicht erkennbare – Ermessensfehler hin (§ 114 Satz 1 VwGO).
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5. Die Kostenentscheidung der damit erfolglosen Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.