Titel:
Rechtsweg bei Klage gegen Erhebung eines Verwaltungsentgelts durch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA)
Normenketten:
Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) Art. 6 Abs. 4, Art. 74 Abs. 3, Art. 77
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
VwGO § 173 S. 1
GVG § 13, § 17a Abs. 2 S. 1, § 71 Abs. 1
REACH-GebührenVO § 3 Abs. 1, § 6 Abs. 4, § 13 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4
Leitsätze:
1. Die Verwaltungsentgelte gem. Art. 6 Abs. 4 REACH-VO iVm Art. 3 Abs. 1 und 4, Art. 13 Abs. 1, 3 und 4 REACH-GebührenVO dienen gem. Art. 74 Abs. 3 REACH-VO der Agentur als Einnahmequelle, um die Kosten für die erbrachten Dienstleistungen zu decken und somit nur der Agentur selbst, konkret ihrem Haushalt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die REACH-VO weist der Europäische Chemikalienagentur lediglich Aufgaben gem. Art. 77 REACH-VO zu, die im Wesentlichen in der technischen und wissenschaftlichen Beratung in Bezug auf chemische Stoffe sowie im Aufbau und der Unterhaltung von Datenbanken und in der Bereitstellung von Informationen über Stoffbewertungen unter Veröffentlichung von Leitlinien liegen. Befugnisse in dem Sinne, dass die Agentur hoheitlich tätig werden und dabei in die Rechte von natürlichen oder juristischen Personen eingreifen darf, sind in der REACH-VO nicht geregelt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für eine Klage gegen die Erhebung eines Verwaltungsentgelts durch die Europäische Chemikalienagentur ist der Verwaltungsrechtsweg unzulässig. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwaltungsrechtsweg unzulässig, Keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, Subordinationstheorie, Subjektstheorie, Interessentheorie, Zulässiger Rechtsweg bei Vollstreckung durch Europäische, Agentur (ECHA), Rechtsweg, Verwaltungsentgelt, Europäische Chemiklienagentur, Verwaltungsrechtsweg, öffentlich-rechtliche Streitigkeit, Zivilrechtsweg, modifizierte Subjekttheorie, ECHA, hoheitliches Handeln
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 18.02.2025 – 22 C 24.1913
Fundstelle:
BeckRS 2024, 30201
Tenor
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Das Verfahren wird an das zuständige Landgericht Regensburg verwiesen.
Gründe
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Verwaltungsentgelts für eine Registrierung nach der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006.
2
Die Klägerin ist eine Agentur der Europäischen Union (im Folgenden: ECHA) mit Sitz in H. und für die Verwaltung und Durchführung der technischen, wissenschaftlichen und administrativen Aspekte der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (im Folgenden: REACH-VO) zuständig.
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Die REACH-VO enthält Regelungen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in der Europäischen Union sowie zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor Risiken, die durch Chemikalien entstehen können.
4
Hersteller und Importeure von chemischen Stoffen unterliegen einer Registrierungspflicht nach der REACH-VO. Für die Registrierung sind Verwaltungsentgelte und Gebühren zu entrichten, deren Höhe sich nach der Verordnung (EG) Nr. 340/2008 bestimmt (im Folgenden: REACH-GebührenVO). Die Höhe der Verwaltungsentgelte richtet sich nach der Unternehmensgröße.
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Am 16. November 2010 reichte die Beklagte bei der Klägerin ein Registrierungsdossier (Registration-Nr.: 01-2119485821-32-0037) ein und machte einen Anspruch auf ermäßigte Gebühren und Verwaltungsentgelte als Kleinstunternehmen geltend.
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Die Klägerin überprüfte im Jahr 2013 die Angaben der Beklagten zur Unternehmensgröße. In diesem Zusammenhang wies die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 31. Mai 2013 darauf hin, dass Klein- und mittelständische Unternehmen eine Ermäßigung von Gebühren und Entgelten beanspruchen können. Hierzu sei es erforderlich, Nachweise zur Unternehmensgröße vorzulegen. Ohne Vorlage dieser Nachweise komme eine Ermäßigung nicht in Betracht.
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Am 20. November 2013 erließ die Klägerin die Entscheidung SME (2013) 4439 und stellte diese der Beklagten zu. In dieser Entscheidung stellte die Klägerin fest, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, eine Ermäßigung des Verwaltungsentgelts in Anspruch zu nehmen. Daher sei ein zusätzliches Verwaltungsentgelt in Höhe von 9.950,00 EUR in Rechnung zu stellen. Diese Entscheidung war mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen, wonach die Klägerin innerhalb von 2 Monaten ab Zugang der Entscheidung Klage vor dem Gericht der Europäischen Union erheben kann.
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Mit Schreiben vom 22. November 2013 übersandte die Klägerin der Beklagten die in der Entscheidung SME (2013) 4439 angekündigte Rechnung über die Zahlung des Verwaltungsentgeltes in Höhe von 9.950,00 EUR, fällig zum 22. Dezember 2013.
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Mit Schreiben vom 22. Dezember 2013 erinnerte die Klägerin an die ausstehende Zahlung. Als Fälligkeitsdatum wurde nunmehr der 20. Februar 2014 angegeben.
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Die Beklagte zahlte weder das Verwaltungsentgelt noch erhob sie Klage beim Gericht der Europäischen Union gegen die Entscheidung SME (2013) 4439 vom 20. November 2013.
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Am 15. Mai 2019 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erhoben und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.950,00 EUR zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Das Verwaltungsgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 11. April 2023 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV vorgelegt. Zu klären war insbesondere, ob der Rechtsweg zu den Unionsgerichten eröffnet ist, wenn eine europäische Agentur die Vollstreckung einer Zahlungsverpflichtung aufgrund einer unanfechtbaren Entscheidung begehrt.
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Der EuGH hat mit Urteil vom 5. September 2024 in den verbundenen Rechtssachen C-256/23 und C-290/23 über das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Regensburg und des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt entschieden.
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Das Verwaltungsgericht Regensburg hörte die Beteiligten zur beabsichtigten Rechtswegverweisung an das Landgericht Regensburg an. Die Beklagtenseite äußerte sich hierzu nicht. Die Klägerin führt im Wesentlichen aus, dass es sich hier um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handle und der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Dies habe bereits das Oberverwaltungsgericht Magdeburg mit Beschluss vom 6. April 2023 (Az. 2 L 86/21) bestätigt. Die geltend gemachte Forderung sei unmittelbare Rechtsfolge der Nichtbeachtung öffentlich-rechtlicher Vorgaben. Die erhobenen Gebühren seien notwendige Grundlage dafür, das übergeordnete öffentliche Interesse nach der REACH-VO realisieren zu können. Die Klägerin treffe mit der Entscheidung über Gebühren und Entgelte eine einseitig verbindliche Regelung gegenüber dem Pflichtenadressaten. Es handle sich der Sache nach gerade nicht um eine vertragliche Abrede oder sonstigen Ausfluss gegenseitigen Entgegenkommens. Das Verwaltungsentgelt stehe nicht im direkten Austauschverhältnis einer administrativen oder fachlichen Leistung. Die Möglichkeit zur „Erhebung“ von Gebühren und Entgelten ist nach allgemeinem Wort- und Rechtsverständnis den Trägern öffentlich-rechtlicher Befugnisse zugeschrieben. Die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Auslegung des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, wonach gegenständlich keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegen solle, verletze das europarechtliche Äquivalenzprinzip und den europarechtlichen Grundsatz der Effektivität.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
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Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist nicht eröffnet, da keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um ein Verfahren, das gemäß § 13 GVG in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fällt.
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Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG war der Rechtsstreit somit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Zuständiges Gericht ist vorliegend das Landgericht Regensburg.
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Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
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Die danach für die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs erforderlichen Voraussetzungen liegen nicht vor.
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Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Beurteilung, ob eine Streitigkeit als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich zu qualifizieren ist, ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus welchem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Abzustellen ist mithin auf den Streitgegenstand, d.h. den prozessualen Anspruch, der durch den zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt näher bestimmt wird.
22
In diesem Verfahren begehrt die Klägerin im Wege der Leistungsklage die Beklagte zu verurteilen, ein Verwaltungsentgelt nach der REACH-VO und der REACH-GebührenVO in Höhe von 9.950,00 EUR zu bezahlen.
23
Diese Streitigkeit ist nicht öffentlich-rechtlich, da die streitentscheidenden Normen nicht öffentlich-rechtlicher Natur sind.
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Nach der sog. Interessentheorie zählen zum öffentlichen Recht diejenigen Normen, die überwiegend im öffentlichen Interesse erlassen wurden, während zum Privatrecht die dem Individualinteresse dienenden Rechtssätze gehören.
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Die streitentscheidenden Normen ergeben sich aus Art. 6 Abs. 4 REACH-VO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und 4, Art. 13 Abs. 1, 3 und 4 REACH-GebührenVO. Hiernach müssen Hersteller und Importeure, die chemische Stoffe in einer Menge von einer Tonne oder mehr pro Jahr herstellen oder einführen, bei der ECHA ein Registrierungsdossier für diese Stoffe einreichen. Art. 6 Abs. 4 REACH-VO sieht vor, dass die nach deren Titel IX zu entrichtende Gebühr bei Einreichung des Registrierungsdossiers zu zahlen ist. Die Höhe des zu entrichtenden Verwaltungsentgelts ergibt sich nach dem klägerischen Vortrag aus Art. 13 REACH-GebührenVO. Nach Auffassung der Klägerin liegen die Voraussetzungen für eine Ermäßigung des Verwaltungsentgeltes nach Art. 13 Abs. 4 REACH-GebührenVO nicht vor.
26
Zweck der REACH-VO ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen sowie den freien Verkehr von Stoffen als solchen, in Zubereitungen oder in Erzeugnissen zu gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu verbessern, vgl. Art. 1 REACH-VO. Dieser Verordnungszweck liegt zweifelsohne im öffentlichen Interesse. Gleichwohl ist im konkreten Einzelfall nicht auf den allgemeinen Verordnungszweck, sondern auf den Zweck der streitentscheidenden Normen abzustellen. Die Verwaltungsentgelte gem. Art. 6 Abs. 4 REACH-VO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und 4, Art. 13 Abs. 1, 3 und 4 REACH-GebührenVO dienen gem. Art. 74 Abs. 3 REACH-VO der Agentur als Einnahmequelle, um die Kosten für die erbrachten Dienstleistungen zu decken. Die Vorschriften zur Erhebung von Gebühren und Entgelten dienen somit nur der Agentur selbst, konkret ihrem Haushalt. Dies ergibt sich auch unter Berücksichtigung der Regelungen nach Art. 96 Abs. 1 lit. b) REACH-VO, wonach sich die Einnahmen der Agentur auch aus den von Unternehmen zu entrichtenden Gebühren zusammensetzen. Nach der Interessentheorie handelt es sich bei den streitentscheidenden Normen nicht um solche, die dem öffentlichen Interesse, sondern allein dem Interesse der Agentur dienen.
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Auch nach der Subordinationstheorie und der modifizierten Subjektstheorie handelt es sich bei den streitentscheidenden Normen nicht um solche des öffentlichen Rechts.
28
Nach der Subordinationstheorie ist eine Norm öffentlich-rechtlich, wenn sie ein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen einem Hoheitsträger und dem Bürger begründet. Das Privatrecht hingegen ist gekennzeichnet durch ein Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten.
29
Nach der modifizierten Subjektstheorie gehören zum öffentlichen Recht diejenigen Rechtssätze, die sich ausschließlich an den Staat oder einen sonstigen Träger hoheitlicher Gewalt richten, während dem Privatrecht die für jedermann geltenden Rechtssätze zuzurechnen sind. Das öffentliche Recht ist danach das Sonderrecht des Staates.
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Beide Theorien setzen voraus, dass ein Träger öffentlicher Gewalt handelt. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall, da die ECHA kein Hoheitsträger ist.
31
Europäische Agenturen sind Einrichtungen des europäischen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Gleichwohl sind sie von den Institutionen, d. h. Rat, Parlament und Kommission zu trennen. Die Agenturen werden anders als Organe und Einrichtungen der EU nicht durch die Verträge, sondern durch spezifische Rechtsakte, wie z.B. Verordnungen geschaffen. In diesen spezifischen Rechtsakten werden auch die Aufgaben der Agentur geregelt.
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Es existieren Agenturen unterschiedlicher Art. Einige Agenturen unterstützen die Kommission bei Verwaltungsaufgaben (sog. Exekutivagenturen). Andere Agenturen dienen der Förderung des europäischen Binnenmarktes. Ihre Aufgabe ist es, als sog. Regulierungsagenturen bestimmte Sektoren zu regulieren (Vetter, DÖV 2005, 721 (725); Dürig/Herzog/Scholz/F. Kirchhof, 104. EL April 2024, GG Art. 83 Rn. 102; Calliess/Ruffert/Ruffert, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 298 Rn. 9). Bei den Regulierungsagenturen ist zu unterscheiden zwischen solchen, die lediglich Unterstützungsfunktionen haben und solchen mit Entscheidungsbefugnissen. Nur Regulierungsagenturen mit Entscheidungsbefugnissen haben ausdrücklich die Kompetenz, gegenüber Dritten rechtsverbindliche Einzelakte zu erlassen (Wittinger, EuR 2008, 609 (611).
33
Hinsichtlich der ECHA ist festzustellen, dass die REACH-VO der Agentur lediglich Aufgaben gemäß Art. 77 REACH-VO zuweist, die im Wesentlichen in der technischen und wissenschaftlichen Beratung in Bezug auf chemische Stoffe sowie im Aufbau und der Unterhaltung von Datenbanken und in der Bereitstellung von Informationen über Stoffbewertungen unter Veröffentlichung von Leitlinien liegen. Befugnisse in dem Sinne, dass die Agentur hoheitlich tätig werden und dabei in die Rechte von natürlichen oder juristischen Personen eingreifen darf, sind in der REACH-VO nicht geregelt.
34
Art. 78 REACH-VO regelt zwar die Befugnisse des Verwaltungsrates der ECHA. Hierbei handelt es sich jedoch nur um Regelungen zum Haushalt, zur Organisation und Verwaltung der Agentur. Nicht vorgesehen sind hingegen Untersuchungs-, Abhilfe- oder Sanktionsbefugnisse. Dies verdeutlicht auch ein Vergleich mit der Agentur für Flugsicherheit (EASA), der durch die Verordnung (EU) 2018/1139 Untersuchungs- und Zertifizierungsbefugnisse übertragen wurden, vgl. Art. 62, Art. 83 der Verordnung (EU) 2018/1139.
35
Für die Annahme, dass die ECHA nicht hoheitlich tätig werden darf und ihr keine Befugnisse zugewiesen wurden, spricht auch, dass die ECHA keine Verwaltungsakte erlassen kann, die einen vollstreckbaren Titel darstellen (vgl. EuGH, U. v. 5.9.2024, C-290 und C-290/23, Rn. 84).
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Zudem spricht auch der Wortlaut der Verordnung dafür, dass die Agentur privatrechtlich handelt, da sie gem. Art. 74 Abs. 3 REACH-VO „Dienstleistungen“ erbringt.
37
Die ECHA kann folglich keine hoheitliche Gewalt gegenüber natürlichen oder juristischen Personen ausüben. Zwischen den Beteiligten besteht kein Über-/Unterordnungsverhältnis im Sinne der Subordinationstheorie. Mangels hoheitlicher Befugnisse handelt es sich bei der ECHA nicht um einen Träger öffentlicher Gewalt.
38
Ausgehend hiervon liegt kein öffentliches Recht vor, denn die REACH-VO i.V.m. REACH- GebührenVO adressiert die ECHA nicht als Träger von Staatsgewalt. Die Agentur steht Unternehmen stattdessen als gleichrangig gegenüber.
39
Soweit die Klägerin vorträgt, dass Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt habe mit Beschluss vom 6. April 2023 gerichtlich entschieden, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei, ist dem nicht zu folgen. In dieser Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Hätte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erachtet, wäre eine Vorabentscheidung durch den EuGH nicht erforderlich gewesen.
40
Die Klägerin dringt auch nicht mit ihrem Vortrag durch, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO müsse im Sinne des Äquivalenzprinzips und des Grundsatzes der Effektivität europarechtskonform ausgelegt werden.
41
Den nationalen Mitgliedstaaten steht es grundsätzlich frei, Zuständigkeiten, Rechtsbehelfe und Verfahrensvorschriften zu regeln. Sie müssen dabei sicherstellen, dass das Recht der Beteiligten auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gewährleistet ist. Hiervon ausgehend entspricht es gerade den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität die Streitsache an das Gericht zu verweisen, das durch besondere Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den infrage stehenden Anspruch berufen ist (vgl. BGH, B.v. 10.1.1984, – VI ZR 297/81, BeckRS 1984, 2599). Dies sind vorliegend die Zivilgerichte, da nicht nur anspruchsbegründende Voraussetzungen zu prüfen sind, sondern auch Fragen zur Verjährung des in Frage stehenden Anspruchs.
42
Eine aufdrängende Sonderzuweisung ist darüber hinaus nicht ersichtlich.
43
Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist daher nach erfolgter Anhörung der Beteiligten festzustellen, dass der Verwaltungsrechtsweg unzulässig ist, sowie der Rechtsstreit an das sachlich nach § 1 ZPO i.V.m. § 71 Abs. 1 GVG und örtlich gemäß §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO, Art. 4 Abs. 1, 63 Abs. 1 lit. a) EuGVVO i.V.m. Art. 4 Nr. 18, Art. 5 Abs. 2 Nr. 33 GerOrgG zuständige Landgericht Regensburg zu verweisen.
44
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die Kosten des Rechtsstreits nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wird.