Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 24.10.2024 – 102 VA 105/24
Titel:

Akteneinsichtsgesuch bei abgeschlossener Familiensache - Voraussetzungen

Normenketten:
FamFG § 13
ZPO § 299
Leitsätze:
1. Begehrt ein Beteiligter eines abgeschlossenen, in den Anwendungsbereich des FamFG fallenden Verfahrens Einsicht in die Verfahrensakte, ist dieses Akteneinsichtsgesuch nicht an § 13 Abs. 1, sondern an § 13 Abs. 2 FamFG zu messen. (Rn. 18 – 21)
2. Das berechtigte Interesse des Beteiligten eines abgeschlossenen FamFG-Verfahrens an der Akteneinsicht (§ 13 Abs. 2 FamFG) ist in der Regel zu bejahen. (Rn. 22 – 32)
Schlagworte:
Akteneinsicht, Familiensache, abgeschlossen, berechtigtes Interesse
Vorinstanzen:
AG Fürstenfeldbruck, Beschluss vom 21.06.2024 – 3 F 310/23
AG Fürstenfeldbruck, Beschluss vom 06.06.2024 – 3 F 855/21, 3 F 147/22, 3 F 527/22, 3 F 757/22, 3 F 797/22, 3 F 254/23, 3 F 19/24
Fundstellen:
NJOZ 2024, 1571
LSK 2024, 30030
BeckRS 2024, 30030

Tenor

1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 6. Juni 2024, Az. 3 F 855/21, 3 F 147/22, 3 F 527/22, 3 F 757/22, 3 F 797/22, 3 F 254/23 und 3 F 19/24, sowie der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 21. Juni 2024, Az. 3 F 310/23, werden aufgehoben.
2. Der Antragsgegner wird angewiesen, die Anträge des Antragstellers vom 25. April 2024 auf Bewilligung von Einsicht in die vorgenannten Verfahrensakten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Mit in einem Schriftsatz zusammengefassten Anträgen auf gerichtliche Entscheidung wenden sich die zum Zweck der Erlangung von Akteneinsicht neu mandatierten Bevollmächtigten des Antragstellers gegen die Ablehnung ihrer ebenfalls in einem Schriftsatz zusammengefassten Anträge auf Einsicht in die Akten der oben bezeichneten familiengerichtlichen Verfahren des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck.
2
Diese Verfahren hatten verschiedene Gegenstände; so betrafen
- die Verfahren 3 F 855/21 und 3 F 757/22 Fragen des Umgangsrechts,
- die Verfahren 3 F 147/22, 3 F 527/22, 3 F 254/23, 3 F 310/23 und 3 F 19/24 Fragen des elterlichen Sorgerechts bezüglich der gemeinsamen Söhne des Antragstellers und B. Ks. und
- das Verfahren 3 F 797/22 einen gegen den Antragsteller gerichteten Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz.
3
In sämtlichen Verfahren war der hiesige Antragsteller entweder Antragsteller (3 F 147/22, 3 F 757/22 und 3 F 310/23), Antragsgegner (3 F 855/21, 3 F 527/22, 3 F 797/22 und 3 F 19/24) oder weiterer Beteiligter (3 F 254/23).
4
Mit Schriftsatz vom 25. April 2024 beantragte der Antragsteller mit der Begründung, Amtshaftungsansprüche „auch in Bezug auf das Tätigwerden des Jugendamts bzw. von Freien Trägern der Jugendhilfe“ prüfen zu wollen, Einsicht sowohl in die Akten der oben genannten, im Zeitpunkt der Antragstellung abgeschlossenen Verfahren als auch in die Akten weiterer familiengerichtlicher Verfahren, die im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht abgeschlossen waren. Während ihm die Einsicht in die zuletzt genannten Verfahrensakten bewilligt wurde, wies das Amtsgericht Fürstenfeldbruck in den hier gegenständlichen Verfahren mit gleichlautenden, von der Referatsrichterin gezeichneten Schreiben vom 27. Mai, 29. Mai bzw. 6. Juni 2024 unter Bezugnahme auf „die Entscheidung des BGH, NJW 2015, 1827“ darauf hin, dass die Gewährung von Akteneinsicht voraussetze, dass ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werde und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder Dritten nicht entgegenstünden; der bisherige Vortrag genüge diesen Anforderungen nicht.
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Daraufhin trug der Antragsteller mit gleichlautenden Schriftsätzen zu sämtlichen offenen Verfahren ergänzend vor. Ein Amtshaftungsanspruch solle geprüft und im Fall gegebener Erfolgsaussichten durchgesetzt werden, „der möglicherweise eine Vielzahl von Beteiligten betrifft, Richter/innen, Verfahrensbeistände, Mitarbeiter/innen des Jugendamtes etc.“. Für die Prüfung solcher Ansprüche sei es unerlässlich, die vollständigen Akten aller Verfahren durchzuarbeiten. Ansprüche könnten sich „aufgrund von Handlungen und Aussagen, die sich in den Anhörungsvermerken, in Schriftsätzen, in Telefonvermerken etc. befinden, ergeben“. Da der Antragsteller Beteiligter der Verfahren gewesen sei, kenne er den Inhalt zwar aus der Erinnerung; ihm müsse aber ermöglicht werden, „den Verfahrensgang, Äußerungen etc.“ beweisen zu können, wenn diese die Grundlage der Amtshaftung bildeten. Schutzwürdige Interessen Dritter oder anderer Beteiligter stünden nicht entgegen. Die vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs weise zudem zutreffend darauf hin, dass über das Einsichtsrecht nach Abschluss des Verfahrens nicht die Richterin entscheide, sondern gemäß § 299 Abs. 2 ZPO die Gerichtsverwaltung. Abgesehen davon regele § 299 Abs. 2 ZPO nur eine Glaubhaftmachung bei Akteneinsicht durch Dritte, während der Antragsteller Verfahrensbeteiligter und sein rechtliches Interesse nach § 299 Abs. 2 ZPO offensichtlich und daher zu bejahen sei.
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Mit gleichlautenden Beschlüssen vom 6. Juni und (betreffend das Verfahren 3 F 310/23) vom 21. Juni 2024 wies das Amtsgericht Fürstenfeldbruck im jeweiligen Verfahren die Anträge auf Akteneinsicht zurück. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht in abgeschlossene Verfahren nach dem FamFG sei mit Verfügung vom 19. September 2018 vom Amtsgerichtsdirektor dem jeweils zuständigen Referatsrichter übertragen worden. Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 FamFG wiederholte das Amtsgericht den Inhalt seiner vorausgegangenen Schreiben. Aus dem bisherigen Vortrag ergebe sich kein hinreichendes Interesse für die Gewährung von Akteneinsicht. Unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Bremen vom 5. April 2022 (Az. 1 VA 4/21) führte es aus, ein bloßes Ausforschungsinteresse, „ob sich möglicherweise aus dem Gegenstand des betroffenen Rechtsstreits Umstände ersehen lassen könnten, die ihrem Gegenstand nach möglicherweise für den Antragsteller relevant sein könnten“, begründe keinen konkreten rechtlichen Bezug und kein hinreichendes rechtliches Interesse an der Akteneinsicht. Den Beschlüssen des Amtsgerichts war jeweils eine Rechtsbehelfsbelehrungbeigefügt, der zufolge der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG statthaft sei; die Beschlüsse gingen der Bevollmächtigten des Antragstellers am 7. Juni (3 F 527/22, 3 F 757/22, 3 F 797/22, 3 F 254/23, 3 F 19/24), am 10. Juni (3 F 855/21, 3 F 147/22) bzw. am 21. Juni 2024 (3 F 310/23) zu.
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Mit am 8. Juli 2024, einem Montag, beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller hinsichtlich sämtlicher der oben genannten Beschlüsse Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und diese zusammengefassten Anträge einheitlich begründet, wobei er außer einer Wiederholung der oben wiedergegebenen Argumentation im Wesentlichen Folgendes vorgebracht hat: Der Beschluss des Oberlandesgerichts Bremen, auf den das Amtsgericht verwiesen hat, habe schon deshalb einen anderen Fall betroffen, weil hier ein Verfahrensbeteiligter, dort ein Verfahrensfremder Akteneinsicht beantragt habe. Das vom Oberlandesgericht Bremen genannte Interesse der Verfahrensbeteiligten sei hier nicht tangiert, da der Antragsteller an allen Verfahren selbst beteiligt gewesen sei. Auch Anwälte leiteten nicht immer alle Schriftstücke und Unterlagen an ihre Mandanten weiter, und auch Gerichte übermittelten Unterlagen aus der Akte nicht immer vollständig an die Parteien; jeder Verfahrensbeteiligte habe jedoch das Recht, in seiner eigenen Sache die vollständige Akte zu kennen, zumal in Familien- und Kindschaftssachen, die auch noch weit in die Zukunft erhebliche Bedeutung für alle Verfahrensbeteiligten hätten. Die vom Amtsgericht angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs habe einen Antrag auf Einsicht in gegnerische Verfahrenskostenhilfeunterlagen betroffen, die anders als die allgemeinen Akten zu schützen seien. Sofern der Bundesgerichtshof die Ansicht vertrete, dass nach Abschluss des Verfahrens hinsichtlich der allgemeinen Akten § 299 Abs. 2 ZPO auf Verfahrensbeteiligte anzuwenden sei, sei das contra legem, da § 299 Abs. 1 ZPO das Recht der am Verfahren beteiligten Parteien auf Akteneinsicht gerade nicht auf laufende Verfahren beschränke. Zu folgen sei der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Februar 2023, Az. 15 VA 12/22, wonach ein rechtliches Interesse regelmäßig gegeben sei, wenn die erstrebte Kenntnis vom Inhalt der Akten zur Verfolgung von Rechten erforderlich sei. Ein solcher Fall sei hier gegeben, was das Amtsgericht verkannt habe. Auch im vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall habe der (sogar verfahrensfremde) Antragsteller aus den Akten Grundlagen erfahren wollen, die er für die Prüfung eigener Ansprüche benötigt habe. Die hier in Rede stehenden Entscheidungen beträfen den Antragsteller bis heute in seinem ureigensten Recht als Elternteil zweier Kinder. Er habe das Recht, „alle Akten einer umfangreichen Prüfung unterziehen zu lassen mit dem Ziel, klar zu ermitteln, welche Personen und Institutionen gegen seine Rechte und Grundrechte verstoßen haben und welche Ansprüche sich hieraus für ihn und seine Kinder gegen diese Personen bzw. Institutionen ergeben“.
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Der Antragsgegner beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen. Das vom Einsichtsgesuch betroffene Verfahren selbst oder zumindest dessen Gegenstand müsse für die rechtlichen Belange des Antragstellers von konkreter (und nicht lediglich abstrakter) Bedeutung sein. Dem Antragsteller gehe es aber nur um ein Ausforschungsinteresse, das von § 13 Abs. 2 FamFG gerade nicht geschützt sei. Der Antragsteller habe nicht ansatzweise schlüssig dargelegt, auf welcher Basis ein Amtshaftungsanspruch bestehen könnte. Es sei nicht einmal klar erkennbar, weswegen der Antragsteller meine, dass ihm ein solcher Anspruch zustehen könnte.
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Schließlich fehle auch die Glaubhaftmachung des rechtlichen Interesses.
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Der Senatsvorsitzende hat
- mit Verfügung vom 13. September 2024 die Akten weiterer familiengerichtlicher Verfahren des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck beigezogen, in welche der Antragsteller Einsicht nehmen konnte;
- mit Verfügung vom 23. September 2024 B. K. als Partei in sieben der acht gegenständlichen Verfahren, E. L. und E. D. als Parteien im weiteren gegenständlichen Verfahren sowie A. W. als vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck bestellter Verfahrensbeistand für B. R. in den Verfahren 3 F 527/22, 3 F 254/23 und 3 F 310/23 sowie als Verfahrensbeistand für B. R. und B. L. in den Verfahren 3 F 147/22 und 3 F 757/22 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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B.K. einerseits sowie E. L. und E. D. andererseits haben die Verwerfung des Antrags beantragt, wobei letztere unter Vorlage eines Beschlusses und eines Vermerks des Oberlandesgerichts München die Rechtsmissbräuchlichkeit der Anträge und Zweifel an der Prozessfähigkeit des Antragstellers geltend machen. Der Verfahrensbeistand der Kinder B. R. und B. L. in einigen der familiengerichtlichen Verfahren hat erklärt, die rechtliche Würdigung eines Akteneinsichtsgesuchs gehöre nicht zu seinen Aufgaben.
II.
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Die zusammengefassten Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind zulässig und begründet.
13
1. Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG sind statthaft und auch im Übrigen zulässig.
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a) Bei den angegriffenen Entscheidungen vom 6. und vom 21. Juni 2024 handelt es sich um die jeweils begehrte Akteneinsicht auf der Grundlage des § 13 Abs. 2 FamFG ablehnende Bescheide und damit um Justizverwaltungsakte (vgl. zur Qualifizierung einer Entscheidung nach § 13 Abs. 2 FamFG als Justizverwaltungsakt BGH, Beschluss vom 15. November 2023, IV ZB 6/23, NJW-RR 2024, 672 Rn. 13 ff.; BayObLG, Beschluss vom 28. Juni 2024, 102 VA 232/23, MDR 2024, 1134 [juris Rn. 22 ff.]) und nicht um gerichtliche Entscheidungen gemäß § 13 Abs. 1 FamFG.
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Dem entsprechend hat auch die Referatsrichterin ihre Entscheidungszuständigkeit jeweils auf eine Verfügung des Amtsgerichtsdirektors vom 19. September 2018 gestützt und in der Rechtsbehelfsbelehrungauf § 23 EGGVG verwiesen.
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b) Damit ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG der einzig statthafte Rechtsbehelf. Dieser Antrag ist mit Blick auf sämtliche Bescheide innerhalb der Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG bei dem gemäß § 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG zuständigen Bayerischen Obersten Landesgericht gestellt worden. Indem er ausgeführt hat, die Akteneinsicht zur Prüfung etwaiger Amtshaftungsansprüche zu benötigen, hat der Antragsteller die Möglichkeit, durch die Ablehnung der Akteneinsicht in eigenen Rechten im Sinne des § 24 Abs. 1 EGGVG verletzt zu sein, dargelegt.
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2. Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind in der Sache begründet.
18
a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat die Justizbehörde allerdings zutreffend zur Beurteilung des jeweiligen Akteneinsichtsgesuchs § 13 Abs. 2 FamFG herangezogen; der frühere Verfahrensbeteiligte, der nach Abschluss des Verfahrens Einsicht in die Akte begehrt, ist eine nicht (mehr) am Verfahren beteiligte Person im Sinne dieser Vorschrift.
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aa) In der Kommentarliteratur wird allerdings mitunter, zum Teil unter Verweis auf das Fehlen einer entsprechenden Differenzierung im Wortlaut des § 13 Abs. 1 FamFG, vertreten, der Verfahrensbeteiligte genieße auch nach Abschluss des Verfahrens das Akteneinsichtsrecht nach dieser Vorschrift (vgl. etwa Perleberg-Kölbel in BeckOK FamFG, 51. Ed. 1. August 2024, § 13 Rn. 13; Pabst in Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2018, § 13 Rn. 8 [der allerdings zugleich in Rn. 7 ausführt, entscheidend für das Akteneinsichtsrecht nach § 13 Abs. 1 FamFG sei, dass der Beteiligte die Akteneinsicht als solcher begehre, mithin die Einsicht als Ausdruck seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend mache und so effektiv bei der Wahrheitsfindung des Gerichts mitwirken wolle]; Sternal in Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 13 Rn. 23).
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bb) Die genannten Vertreter dieser Auffassung setzen sich allerdings nicht mit dem zu § 299 ZPO ergangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. April 2015 (XII ZB 214/14, NJW 2015, 1827 Rn. 11) auseinander, in welchem dieser ausgeführt hat: „Nach zutreffender Auffassung unterfällt auch das Einsichtsgesuch eines Verfahrensbeteiligten in ein bereits abgeschlossenes Verfahren der Regelung des § 299 Abs. 2 ZPO. Das Akteneinsichtsrecht nach § 299 Abs. 1 ZPO dient allein der Prozessführung und erlischt, sobald das betreffende Verfahren endgültig abgeschlossen ist.“ Diese auch vom Bayerischen Obersten Landesgericht (Beschluss vom 8. September 2023, 101 VA 117/23, juris Rn. 20 f. und 30) vertretene Auffassung hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. Oktober 2021 (X ZB 14/20, NJW-RR 2021, 1583 Rn. 12) bekräftigt.
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Es ist kein Grund dafür ersichtlich, den Beteiligten eines abgeschlossenen Verfahrens nicht mehr als „Partei“ im Sinne des § 299 Abs. 1 ZPO, wohl aber als „Beteiligten“ im Sinne des § 13 Abs. 1 FamFG anzusehen. Im einen wie im anderen Fall dient die begehrte Akteneinsicht im Sinne der Ausführungen des Bundesgerichtshofs nicht mehr der Verfahrensführung, so dass die vom Bundesgerichtshof mit Blick auf § 299 Abs. 1 ZPO vorgenommene teleologische Reduktion, bei der es sich entgegen den Ausführungen des Antragstellers nicht um eine Rechtsanwendung contra legem handelt, auch im Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 FamFG Platz greifen muss. Deshalb ist der Akteneinsicht begehrende Beteiligte eines abgeschlossenen Verfahrens als nicht (mehr) am Verfahren beteiligte Person im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG zu behandeln (so auch OLG Bamberg, Beschluss vom 4. Mai 2023, 2 UF 244/22, MDR 2023, 989 [juris Rn. 10]; Gomille in Haußleiter, FamFG, 2. Aufl. 2017, § 13 Rn. 6a).
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b) Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Amtsgerichts, der Antragsteller hätte kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG glaubhaft gemacht.
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aa) Richtig ist allerdings, dass eine formelle Glaubhaftmachung im Sinne eines Beweisantritts (vgl. § 31 Abs. 1 FamFG) bezüglich keines der Anträge vorliegt. Das ist hier jedoch entbehrlich, weil sich das berechtigte Interesse ohne Weiteres aus dem Sachverhalt ergibt (vgl. Bumiller in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 13. Aufl. 2022, § 12 Rn. 11).
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bb) Zunächst ist im Rahmen der Prüfung eines berechtigten Interesses zu berücksichtigen, dass der Antragsteller Beteiligter in sämtlichen Verfahren war, in deren Akten er Einsicht begehrt. In dieser Konstellation ist ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG in der Regel zu bejahen; denn in Bezug auf den Gegenstand des Verfahrens, an dem der Ersuchende selbst beteiligt war, ist er nicht lediglich in seiner wirtschaftlichen Sphäre, sondern in seiner Rechtsstellung berührt (BayObLG, Beschluss vom 8. September 2023, 101 VA 117/23, juris Rn. 34 [zum rechtlichen Interesse in § 299 Abs. 2 ZPO]).
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cc) Es sind keine Umstände ersichtlich, die es veranlassten, im vorliegenden Fall abweichend von dieser Regel ein berechtigtes Interesse zu verneinen.
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(1) Schon unabhängig von einer Beteiligung im abgeschlossenen Verfahren ist ein berechtigtes Interesse anzunehmen, wenn der Dritte ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt, das rechtlicher, tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art sein kann, über die bloße Neugier hinausgeht und die Akteneinsicht geeignet ist, das künftige Verhalten des Dritten zu beeinflussen; die Akteneinsicht muss voraussichtlich einen Erkenntnisgewinn nach sich ziehen, während der umfassend informierte Dritte keine Akteneinsicht verlangen kann (OLG Köln, Beschluss vom 5. Oktober 2020, 2 Wx 219/20, FamRZ 2021, 298 [juris Rn. 9]; Perleberg-Kölbel in BeckOK FamFG, § 13 Rn. 20). Das Erfordernis der Darlegung eines berechtigten Interesses umfasst demnach nicht, dass der Antragsteller schon vorzutragen hätte, dass die von ihm begehrten Informationen in der einzusehenden Akte tatsächlich enthalten seien; denn diese Kenntnis wird ihm in der Regel fehlen, wie gerade sein Akteneinsichtsgesuch zeigt (vgl. [jeweils zu § 299 ZPO] BGH, Beschluss vom 5. April 2006, IV AR (VZ) 1/06, ZIP 2006, 1154 Rn. 18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 2021, 3 Va 16/19, juris Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24. September 2020, 20 VA 9/19, juris Rn. 117; Beschluss vom 16. Juli 2020, 20 VA 19/19, r+s 2020, 574 Rn. 83 [= juris Rn. 87]).
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(2) An diesen Vorgaben gemessen, begründet der Wunsch des Antragstellers, anhand des gesamten Inhalts der jeweiligen Verfahrensakte prüfen zu wollen, ob (und gegebenenfalls gegen wen) die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen in Betracht kommt, ein berechtigtes Interesse des Antragstellers im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG.
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Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass ihm als Beteiligtem in sämtlichen relevanten Verfahren ohnehin der gesamte Inhalt sämtlicher Akten bekannt sei; denn er argumentiert gerade auch mit der Möglichkeit, dass es Inhalte in den Akten geben könnte, die (aus welchen Gründen auch immer) ihm durch seine früheren Bevollmächtigten oder diesen durch das Gericht nicht bekanntgegeben worden sind.
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Dass das Kammergericht in seinem Beschluss vom 24. Januar 2006 (1 W 133/05, NJW-RR 2006, 1294 [juris Rn. 9]) die beabsichtigte Prüfung etwaiger Amtshaftungsansprüche als nicht hinreichend für die Begründung eines berechtigten Interesses (im Sinne des inzwischen außer Kraft getretenen § 34 Abs. 1 Satz 1 FGG) angesehen hat, lag nur daran, dass die vom Antragsteller im dortigen Fall vertretene Person ersichtlich nicht zum Kreis der nach § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG Anspruchsberechtigten gehörte, da die Verletzung einer gerade ihr gegenüber bestehenden Amtspflicht von vornherein nicht in Betracht kam.
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So liegt der Fall hier nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 15. Juni 1989, III ZR 96/88, NVwZ 1990, 499 [juris Rn. 16]) ist die Drittbezogenheit einer verletzten Amtspflicht dann anzunehmen, „wenn diese Amtspflicht nach den sie begründenden und umreißenden Bestimmungen nicht nur (wie alle Amtspflichten) dem Interesse der Allgemeinheit, sondern (zumindest daneben auch) dem Interesse eines einzelnen oder einer abgegrenzten Gruppe von Personen dient. Es muß mithin eine,besondere Beziehung' zwischen der verletzten Amtspflicht und dem Geschädigten bestehen […].“ Vor dem Hintergrund, dass sämtliche hier relevanten Verfahren das Sorgerecht für die bzw. das Umgangsrecht mit den minderjährigen Kindern des Antragstellers (und damit dessen Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) oder einen gegen den Antragsteller gerichteten Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz betrafen, ist die Verletzung einer in diesem Sinne gegenüber dem Antragsteller bestehenden Amtspflicht (etwa durch Vertreter des Jugendamts oder auch durch das Gericht) nicht von vornherein ausgeschlossen.
31
(3) Soweit die weiteren Beteiligten E. L. und E. D. gegen die Bewilligung der Akteneinsicht die Rechtsmissbräuchlichkeit der Anträge und Zweifel an der Prozessfähigkeit ins Feld führen, ist dies unbehelflich. Dafür, dass gerade die hier gestellten Anträge rechtsmissbräuchlich wären, ist nichts ersichtlich. Auch die weiteren Beteiligten führen lediglich aus, das Oberlandesgericht München habe „auch Anträge für rechtsmissbräuchlich“ gehalten; warum gerade die hier inmitten stehenden Anträge rechtsmissbräuchlich sein könnten, legen sie nicht dar.
32
Anders als die weiteren Beteiligten nahelegen, ergibt sich aus dem von ihnen vorgelegten Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 30. September 2024 nicht, dass der Antragsteller prozessunfähig wäre. Das Oberlandesgericht hat ihn vielmehr offenkundig als prozessfähig angesehen, und es besteht keine Veranlassung, das im vorliegenden Verfahren anders zu halten.
33
c) Da die Justizverwaltung infolge der Verneinung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Interesses hinsichtlich der begehrten Akteneinsicht noch nicht das ihr durch § 13 Abs. 2 FamFG eröffnete (Rechtsfolge-)Ermessen bezüglich der Gewährung von Akteneinsicht ausgeübt hat, ist dies nun nachzuholen. Der Senat kann über das Akteneinsichtsgesuch nicht selbst entscheiden, denn er ist nach § 28 Abs. 3 EGGVG nicht befugt, anstelle der zuständigen Justizbehörde eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2021, IX AR (VZ) 1/19, NZI 2021, 598 Rn. 17; BayObLG, Beschluss vom 31. Mai 2024, 101 VA 243/23, juris Rn. 45 f.; Lückemann in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 28 EGGVG Rn. 12 f.).
III.
34
1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Für einen (teilweise) erfolgreichen Antrag fallen keine Gerichtsgebühren an (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG, § 25 Abs. 1 GNotKG, Nr. 15300 KV GNotKG und Nr. 15301 KV GNotKG). Der Senat sieht auch keine hinreichenden Gründe dafür, nach § 30 Abs. 1 Satz 1 EGGVG eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aus der Staatskasse anzuordnen. Der Umstand, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung (teilweise) Erfolg hat, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss hinzutreten, dass der Justizbehörde ein offensichtlich oder grob fehlerhaftes oder gar willkürliches Verhalten zur Last zu legen ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 8. Mai 2024, 101 VA 18/24, NJOZ 2024, 634 Rn. 35 [= juris Rn. 37]; KG, Beschluss vom 3. Juli 2018, 5 VAs 6/18, juris Rn. 6 m. w. N.; Köhnlein in BeckOK GVG, 23. Ed. Stand: 15. Mai 2024, EGGVG § 30 Rn. 8; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, EGGVG § 30 Rn. 5). Eine derartige Pflichtverletzung kann hier mit Blick auf die Verneinung des berechtigten Interesses nicht festgestellt werden.
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2. Mithin bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.
36
3. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, liegen nicht vor.